Gefallener Held

Disclaimer: Die Rechte an Harry Potter und allem was damit zusammen hängt, gehören J. K. Rowling. Ich schreibe zur Unterhaltung und nicht um damit Geld zu verdienen.

Zusammenfassung: Was würde geschehen, wenn Harry beschlossen hätte, in King's Cross einen Zug zu besteigen? AU: Voldemort hat die Schlacht von Hogwarts gewonnen, Harry ist wirklich tot. Nicht alles ist aber so gelaufen wie der Dunkle Lord es geplant hat und so beschließt er, sich mit der Person zu unterhalten, die Harry Potter am besten gekannt hat: sein bester Freund. Doch damit fangen Rons Schwierigkeiten gerade erst an...

AN: Ursprünglich war diese Fanfiction als Oneshot geplant. Während dem Schreiben wurde sie aber immer länger, so dass ich beschlossen habe, sie in zwei Teilen zu posten. Wenn genug Interesse besteht, wäre ich aber bereit auch danach weiter zu schreiben. Ideen wären genug da, aber ich habe das Gefühl, dass im Moment kaum jemand deutsche Fanfictions liest. Da wäre es relativ sinnlos eine Fanfiction in Romanlänge zu schreiben.

Viel Spaß erst mal beim Lesen! Teil 2 werde ich irgendwann in den nächsten Tagen posten. Eure Reviews sind unbedingt erwünscht!


1. Der Gefangene

Eine seltsame Stille lag über der Burg. Wo vor kurzem noch eine gewaltige Schlacht getobt hatte, waren nun nur noch Trümmer und Bruchstücke übrig, um davon zu zeugen. Die Zerstörung, die beide Seiten angerichtet hatten, war enorm.

Lord Voldemort stand am Fenster des Schulleiterbüros, das wie durch ein Wunder unversehrt geblieben war, und blickte hinaus auf die verwüsteten Anlagen von Hogwarts. Der Anblick regte etwas in ihm... Zu seiner eigenen Überraschung verspürte er Bedauern. Seine Erinnerungen an die Schule waren zum Großteil positiver Natur. Hogwarts war der einzige Ort, an dem er sich jemals zu Hause gefühlt hatte und in gewisser Weise versinnbildlichte es für ihn die Zauberwelt selbst. Es war eine Schande das Schloss, welches seit Salazars Zeiten unverändert die Jahrhunderte überdauert hatte, jetzt in diesem Zustand zu sehen.

Ein verhaltenes Flüstern hinter ihm, veranlasste ihn, den Kopf zu drehen. Seine roten Augen glitten über den Raum. Aus den Gemälden, die überall an den Wänden hingen, beobachteten ehemalige Schulleiter nervös jede seiner Bewegungen. Dilys Derwent, die für das Flüstern verantwortlich war, verstummte sofort. Einen Moment lang traf Voldemorts kalter Blick den von Albus Dumbledore, der ihn traurig erwiderte. Sein Mund verzog sich zu einem höhnischen Lächeln. Dumbledore war endgültig geschlagen, seine größte Hoffnung gefallen, getötet von Lord Voldemorts eigener Hand.

Sein Blick fiel auf das Denkarium auf dem Schreibtisch und sein Lächeln verschwand. Was er darin gefunden hatte, hatte ihm überhaupt nicht gefallen. Den Großteil von Snapes Erinnerungen hatte er als sentimentalen Unsinn abgestempelt, obwohl es ihn leicht amüsiert hatte. Wer hätte gedacht, dass Snape so viel für das Schlammblut empfunden hatte? Doch als der Erinnerungsstrom sich fortsetzte, war seine Belustigung zu Zorn umgeschlagen. Snape hatte ihn verraten! All die Jahre war er Dumbledores Mann gewesen, hatte für ihn spioniert und gegen den Dunklen Lord gearbeitet! Wie hatte er das nicht sehen können?

Und Dumbledore... wie er über seinen Tod hinaus noch Einfluss nahm... Lord Voldemorts Pläne vereitelte und seine Vernichtung plante... Der alte Narr hatte damit fast Erfolg gehabt! All seine Horcruxe waren vernichtet! Was das schlimmste war: Er selbst hatte dabei eine entscheidende Rolle gespielt! All die Jahre hatte er Harry Potter gejagt... sein größtes Ziel war es gewesen, Potter tot zu sehen. Und nun, da er endlich Erfolg gehabt hatte, konnte er keinen Triumph mehr darüber empfinden. Potter war ein Horcrux gewesen! Es war unbeabsichtigt und ohne sein Wissen geschehen, doch Horcrux war Horcrux und wenn er davon gewusst hätte, wäre sein Ziel ein anderes gewesen. Er hätte Potter gefangen genommen und am Leben erhalten, denn solange Potter lebte, wäre auch sein Überleben gesichert gewesen. Doch dieser Weg war ihm nun verwehrt. Potter hatte sich selbst geopfert – denn das war es gewesen, erkannte er im Nachhinein, ein Opfer – und nun gab es nichts mehr, was zwischen ihm und dem Abgrund des Todes stand, außer seinen eigenen Fähigkeiten und seinem Willen zu leben.

Aber er war der Erbe Slytherins und noch hatten Dumbledore und Potter nicht gesiegt! Hogwarts war gefallen und der letzte Widerstand in diesem Land endgültig nieder geworfen. Nun stand seinen Visionen für die Zauberwelt nichts mehr im Weg! Doch zunächst musste er sich mit den Verlierern befassen.

Voldemort wandte sich endgültig vom Fenster ab, als die zwei Todesser, die er als Wachen abgestellt hatte, den Raum betraten. Sie waren noch nicht lange dabei und ihre Nervosität war offensichtlich. Einer von ihnen versuchte eine Verbeugung und wäre beinahe vorn über gefallen. Lord Voldemorts erbarmungslose rote Augen verengten sich. Auf solche Versager musste er dieser Tage zurück greifen...

„Mylord", begann der andere Todesser, „Der Gefangene, den Ihr sehen wolltet, steht bereit..."

„Worauf wartet ihr dann noch?", sagte Voldemort, seine hohe kalte Stimme kaum mehr als ein Zischen, das die beiden unglücklichen Todesser zusammen zucken ließ. „Bringt ihn rein!"

„Ja wohl Mylord..."

Voldemort beobachtete mit Verachtung, wie die beiden Todesser hastig den Raum verließen und wünschte sich nicht zum ersten Mal in den letzten Tagen seine alte Truppe zurück. Er hatte die Schlacht von Hogwarts zwar gewonnen, doch zu einem hohen Preis. Fast alle ranghöheren Todesser waren gefallen, der Großteil seines dunklen Heeres war zerschlagen worden. Beinahe hätte er die Schlacht selbst verloren, hätte Avery nicht für seine Verhältnisse außerordentlich geistesgegenwärtig gehandelt und Verstärkung vom Ministerium geholt. Er hatte eigenmächtig gehandelt, ohne zuvor das Einverständnis seines Meisters einzuholen, doch Voldemort ließ es dieses eine Mal durchgehen, hatte Avery ihn doch vor einer furchtbaren Niederlage bewahrt. Sein Sieg änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass es ihm momentan an fähigen Gefolgsleuten mangelte. Bevor er sich daran machen konnte, die Zauberwelt neu zu formen, musste er zunächst seine dunklen Streitkräfte wieder aufbauen und neue Todesser rekrutieren.

Die beiden Todesser kehrten zurück, im Schlepptau zwei weitere Diener Voldemorts, die den Gefangenen mit sich zerrten, der sich heftig sträubte. Voldemorts Stimmung besserte sich etwas, als er sah, dass es sich bei einem der Neuankömmlinge um Rookwood handelte, einer der wenigen aus seinem inneren Kreis, die die Schlacht überlebt hatten.

„Rookwood, mein alter Freund", begrüßte er ihn, „Wie ich sehe, bist du wieder auf den Beinen."

„Ich stehe Euer Lordschaft zu Verfügung.", entgegnete Rookwood mit einer respektvollen Neigung seines Hauptes. Sein pockennarbiges Gesicht wies einige Schnitte und Blessuren auf, Überbleibsel der Schlacht, doch sie schienen ihn nicht allzu sehr zu kümmern. Rookwood hatte Glück gehabt und war von den Verteidigern nur geschockt worden.

Voldemort wandte seine Aufmerksamkeit dem zweiten Todesser zu. „Draco. Wie schön, dass du noch bei uns bist. Deine Eltern müssen höchst erfreut gewesen sein.", sagte er sarkastisch.

Draco zuckte zusammen, als die kalte Stimme seinen Namen nannte. Er vermied es tunlichst Voldemort oder den Gefangenen anzusehen, welcher ihn voller Hass und Abscheu anstarrte. „Mylord", murmelte er und machte eine linkische Verbeugung.

Rookwood stieß seinen Zauberstab in die Seite des Gefangenen. „Auf deine Knie, wo du hingehörst!", knurrte er. Es gab einen Lichtblitz und ein schmerzerfülltes Zischen aus dem Mund des Gefangenen, als er langsam in die Knie sank.

„Das also ist Harry Potters bester Freund.", sagte Voldemort leise und richtete seine grausamen roten Augen erstmals auf ihn. Blaue Augen erwiderten seinen Blick, voller Hass, Entschlossenheit und Trotz, aber Voldemort konnte auch unverhüllte Furcht darin erkennen. Schnittwunden und blaue Flecken bedeckten das Gesicht und den Körper des Gefangenen, sein Umhang sah stark mitgenommen aus, zerrissen und Blut befleckt. An seiner linken Schläfe hatte er eine üble Platzwunde; das flammend rote Haar war rund um die Stelle mit Blut verkrustet. Ron Weasley war es in den letzten Tagen offensichtlich nicht allzu gut ergangen.

Die beiden starrten sich eine Zeit lang schweigend in die Augen, bis Ron die Intensität von Voldemorts Augen nicht länger ertragen konnte und seinen Blick abwandte.

„Lasst uns allein!", befahl Voldemort schließlich seinen Todessern. „Draco, du bleibst!", fügte er hinzu, als der blond haarige Junge sich anschickte den anderen zu folgen. „Ich habe hier noch Verwendung für dich." Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Gefangenen.

Der rote Haarschopf rief Erinnerungen an die finale Schlacht wach. Voldemort erinnerte sich an die rothaarige Frau, die Bellatrix nieder gestreckt hatte und an seinen eigenen Zorn. Seine beste Kriegerin, besiegt von einer Hausfrau! In diesem Moment hatte er sie nur dafür bestrafen wollen. Er hatte den Todesfluch ausgesprochen. Nur um eine furchtbare Entdeckung machen zu müssen...

„Sag Weasley... Wie geht es deiner Mutter?", wollte Voldemort wissen.

Weasleys Kopf fuhr hoch, seine Ohren begannen sich rot zu färben und seine Augen verengten sich. „Lass meine Mutter aus dem Spiel, du Scheusal..."

„Draco, bestrafe ihn für diese Anmaßung!", befahl Voldemort obwohl Weasleys Ausbruch ihn eher belustigte, als verärgerte. Der Junge hatte ein hitziges Temperament, hatte er sich sagen lassen. Aber das würde er schon noch in den Griff bekommen.

Draco sah so aus, als wünschte er sich in diesem Moment weit weit weg, doch unter dem wachsamen Blick seines Herrn und Meisters führte er folgsam den Cruciatus-Fluch aus. Zufrieden beobachtete Voldemort, wie Weasley sich schreiend auf dem Boden wälzte. „Genug!", sagte er nach einem Moment und Draco senkte den Zauberstab. Die Schulleiter in den Gemälden begannen erneut aufgebracht zu flüstern, doch ein Blick von Lord Voldemort brachte sie wieder zum Schweigen.

Ron zitterte von den Nachwirkungen des Fluches, doch er richtete sich, auf die Hände gestützt, wieder auf und der Blick, den er auf Draco richtete, war voller Verachtung. „Ist das alles, wofür du taugst, Malfoy?", meinte er verächtlich, „Als Speichellecker, der die schmutzige Arbeit seines Herrn erledigt?"

Voldemort neigte leicht den Kopf zur Seite, sein entstelltes Gesicht zu einem hämischen Lächeln verzerrt. „Ich fürchte Mr Weasley benötigt eine Unterrichtsstunde in Respekt und Manieren, Draco.", sagte er mit grausamer Stimme, „Sorge dafür, dass er sie bekommt!"

Draco schluckte sichtlich, doch er hob gehorsam den Zauberstab. „Crucio!"

Ron schrie aus Leibeskräften als ein Schmerz wie von glühenden Messern jeden Zentimeter seiner Haut durch fuhr. Voldemort weidete sich an dem Klang. Er war versucht selbst zum Zauberstab zu greifen, doch er hielt sich zurück. Weasley hätte von seiner Hand keinen Schaden erlitten und es gab keinen wirklichen Grund den jungen Malfoy mit dem Fluch zu belegen.

Dieses Mal ließ er Weasley etwas länger unter dem Einfluss des Cruciatus und als es vorbei war, hatte der Junge nicht sofort die Kraft um sich auf zu raffen. Von den Nachwirkungen geschüttelt, lag er am Boden. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, Draco bitter an zu starren. „Harry hat dir in der Schlacht um Hogwarts zwei mal das Leben gerettet.", sagte er anklagend. Seine Stimme war rau vom vielen Schreien.

Voldemorts stechender Blick glitt prüfend über Draco, um den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu überprüfen. Draco machte keine Anstalten es ab zu streiten. Er presste die Lippen aufeinander und blickte starr auf den Boden. „Potter ist tot.", flüsterte er fast unhörbar.

„Das ist er in der Tat.", sagte Voldemort und lächelte grausam. „Für Weasley wäre es besser, wenn er diese Tatsache im Gedächtnis behielte. Vielleicht wird eine weitere Portion Schmerz seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen!"

Erneut hallten Rons Schreie durch den Raum, als Draco den Cruciatus-Fluch auf ihn anwandte. Der Schmerz war kaum noch zu ertragen, zumal Voldemort ihn diesmal noch länger als die vorherigen Male leiden ließ. Als es endlich vorüber war, schloss Ron die Augen. Er atmete stoß weise und konnte nicht verhindern, dass er am ganzen Körper zitterte. Er versuchte es auch gar nicht mehr.

Lord Voldemort trat dicht an ihn heran und blickte von oben auf ihn herab. „In Zukunft wirst du Lord Voldemort mit dem Titel anreden, der ihm gebührt.", sagte er kalt, „Du wirst mich Mylord oder Herr nennen und Ihr und Euch benutzen, wenn du mit mir sprichst. Du wirst nur etwas sagen, wenn du dazu aufgefordert wirst oder wenn dir jemand eine eindeutige Frage stellt. Hast du das verstanden?"

Ron öffnete langsam die Augen und blickte in das grauenvolle Gesicht über sich. In den mitleidlosen roten Augen fand er nichts außer Kälte und Gleichgültigkeit. Keuchend und am ganzen Leibe bebend lag er zu Voldemorts Füßen.

„Ich sagte, hast du das verstanden?", wiederholte Voldemort scharf, als er nicht sofort eine Antwort bekam. Seine hellroten Augen verengten sich zu Schlitzen.

Der Gefangene schloss die Augen wieder. Seine Antwort kam leise, er klang besiegt. „Ich habe es verstanden... Mylord." Es schien ihm fast schon Schmerzen zu bereiten, die Anrede zu benutzen.

Lord Voldemort lächelte triumphierend. Der erste Sieg war errungen!

Er entfernte sich von Weasleys bebender Gestalt und trat zurück ans Fenster. Draußen trieb Rookwood mit ein paar anderen Todessern eine Gruppe Gefangener vor sich her. Selbst aus dieser Entfernung konnte Voldemort die roten Haarschöpfe der Weasleys ausmachen. Ein Geräusch hinter ihm lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Ron. Dem Jungen war es gelungen, sich in eine kniende Position aufzurichten.

„Du warst Harry Potters bester Freund?", fragte Voldemort kalt.

„Ja", murmelte Ron. Er vermied es seinen Peiniger anzusehen.

Voldemort blickte ihn abwartend an. „Denk an deine Lektion!", sagte er, ein warnender Unterton in seiner Stimme.

Ja Mylord.", presste Ron zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Ein Lächeln umspielte Voldemorts dünne Lippen. Früher oder später beugten sie sich alle seinem Willen... „Du warst das vergangene Jahr bei ihm? Er hat dich in seine Pläne eingeweiht?", fragte er weiter.

„Ja Mylord." Diesmal kam die Antwort schon flüssiger auch wenn es Weasley offensichtlich schmerzte, an seinen Freund zu denken. Trauer und Schmerz waren aus seinem Gesicht abzulesen.

Lord Voldemort nickte wie zu sich selbst. „Dann sollte es kein Problem für dich sein, mir ein paar Fragen zu beantworten."

Der Gedanke schien Weasley nicht zu gefallen. Er blickte auf. Die Trauer in seinem Gesicht machte Argwohn platz und Voldemort meinte ein rebellisches Blitzen in seinen Augen zu sehen. Es war also noch Kampfgeist in Weasley. Die Sturheit der Gryffindors... wahrscheinlich glaubte der Junge seinem toten Freund irgendetwas schuldig zu sein und hielt deswegen an seiner irrigen Loyalität fest.

„Potter ist tot.", sagte Voldemort. Seine roten Augen bohrten sich in Rons. „Es ist töricht die Geheimnisse eines toten Mannes zu beschützen. Ich werde die Informationen, die ich suche von dir bekommen... auf die eine oder auf die andere Weise. Ich rate dir, Lord Voldemorts Geduld nicht auf die Probe zu stellen!"

Weasley senkte den Blick. Ein Ausdruck von Bitterkeit trat in seine Augen, als er sich Voldemorts Willen fügte.

Voldemort begann langsam im Raum auf und ab zu schreiten. „Sag mir, wie Potter von den Horcruxen erfahren hat.", forderte er den Gefangenen auf.

Er sah wie Weasleys Blick zu Dumbledores Portrait flackerte und lächelte finster. „Ahh... Dumbledore.", beantwortete er seine Frage selbst. Natürlich steckte der alte Narr wieder einmal dahinter... „Aber wie hat Dumbledore davon erfahren?", murmelte er halblaut zu sich selbst. Weasleys ahnungslosem Gesicht entnahm er, dass dieser die Antwort auch nicht wusste. Daher ging er übergangslos zur nächsten Frage über. „Erzähl mir, wie Potter sie zerstört hat. Was hat er dazu benutzt? Wie ist er an meinen Schutzvorkehrungen vorbei gekommen?"

Weasley schien nicht so recht zu wissen, wo er beginnen sollte. Er öffnete den Mund wie um zu sprechen und hielt dann wieder inne. Sein Blick glitt durch den Raum, zu Draco, der unbewegt in einer Ecke stand, zum Denkarium auf dem Schreibtisch, zu Dumbledores Gemälde, so als hoffte er irgendwo einen Anhaltspunkt zu finden.

Voldemort seufzte innerlich. So wie es aussah, musste er es dem Jungen noch einfacher machen. „Fang bei Dumbledores Tod an.", wies er ihn an, „Berichte mir von Harry Potters letztem Lebensjahr!"

Er sah, wie Ron die Augen schloss, als er sich zu erinnern suchte. Er sah wie Draco den Kopf hob und den Gefangenen plötzlich aufmerksam ansah. Er sah, wie sämtliche Gemälde ihre Blicke auf Ron richteten, als dieser anfing zu sprechen. Und er lauschte... der Geschichte seines Feindes und seiner eigenen Vernichtung.

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Erinnerungen kamen ungewollt auf. In seinem Geist durchlebte er alles noch einmal, während er erzählte. Grimmauldplatz... das Ministerium... das Medallion... das Malfoy Haus... Gringotts... Er hielt die Augen geschlossen. Wenn er nicht sah, wo er war, konnte er so tun, als sei er im Fuchsbau bei seiner Familie zusammen mit Hermine und Harry und erzählte die Geschichte ihrer Abenteuer. Und alles andere war bloß ein furchtbarer Albtraum, aus dem er hoffentlich bald aufwachen würde...

Er verstand nicht, was Voldemort von ihm wollte. Harry war fort, so sehr dieser Gedanke ihn auch schmerzte. Was nutzten diese Informationen Voldemort jetzt noch? Wieso konnte er Ron nicht auch einfach töten? Dann müsste er wenigstens nicht mehr diese furchtbare Leere in sich ertragen. Seine Welt lag in Scherben. Sie hatten den Krieg verloren. Sein bester Freund, die letzte Hoffnung der Zauberwelt war gefallen. Sein Bruder war tot und dem Rest seiner Familie drohte das gleiche Schicksal. Für Voldemort und seine Todesser waren sie Blutsverräter, für die kein Platz war in der neuen Welt, die sie erschaffen würden. Ron war sich nicht sicher, ob er überhaupt Teil der neuen Welt sein wollte. Vielleicht war der Tod wirklich die bessere Alternative.

Er war sich nicht sicher, was ihn dazu gebracht hatte, Voldemorts Willen nachzugeben. Voldemort hatte seinen Freund ermordet und war zeitlebens der Inbegriff alles Bösen für Ron gewesen. Als sie ihn zu Ihm gebracht hatten, hatte er fest vorgehabt, sich nicht zu unterwerfen, sondern kämpfend zugrunde zu gehen. War es der körperliche Schmerz allein, der ihn so tief hatte sinken lassen? Ron glaubte das nicht. Schmerz hatte sicherlich eine Rolle gespielt, aber es war eher die Erkenntnis gewesen, dass alles so sinnlos war. Was wollte er mit seinem Widerstand beweisen? Voldemort hatte doch ohnehin schon gewonnen. Es machte keinen Unterschied, ob Ron kämpfte oder nicht, ob er litt oder nicht, ob er starb oder nicht. Er war nun fast an einem Punkt angelangt, an dem ihm alles egal war.

Hatte nicht selbst Harry letztendlich aufgegeben? Er war zu Voldemort gegangen, hatte sich selbst ausgeliefert. Ohne seinen Freunden auch nur einen Hinweis darauf zu geben, was er vor hatte. Ohne sich zu verabschieden. Ron konnte es nicht verstehen. Er wollte es auch gar nicht verstehen. Er wollte gegen die toben, die seiner Ansicht nach an allem Schuld waren: Voldemort und seine Todesser. Er wollte, dass sie für alles, was sie getan hatten, bezahlten! Er hasste sie aus tiefster Seele! Und gleichzeitig gab es Momente, in denen ihm alles egal war, in denen er einfach nur wünschte, vergessen zu können.

Zorn, Hass und Leere. Sie schienen dieser Tage sein ganzes Tun und Handeln zu bestimmen. Hatte es je eine Zeit gegeben, in der es anders war? Die Vergangenheit schien so weit zurück zu liegen. Und doch... während er von besseren Zeiten erzählte, kehrten auch vergessen geglaubte Gefühle und Empfindungen zu ihm zurück. Es gab Momente, in denen er von ihnen so überwältigt war, dass er nicht weiter sprechen konnte und erst die Androhung des Cruciatus-Fluches ihn wieder zum Reden brachte. Tränen liefen über sein Gesicht, ohne, dass er sich dessen bewusst war.

'Oh Harry', dachte er verzweifelt, als er endlich geendet hatte, 'Warum?'