Harry Potter und die Muggelmagie
Kapitel 1:
Harry saß auf dem staubigen Boden in seinem Zimmer im Ligusterweg Nummer vier und starrte aus dem Fenster.
Sein Schulkoffer lag fertig gepackt vor ihm, Hedwigs leerer Käfig obenauf und der Feuerblitz daneben.
Harry saß einfach nur da.
Für einen Außenstehenden hätte es aussehen können, als würde er auf etwas warten.
Der magere Junge saß regungslos, starrte in die klare milde Sommernacht hinaus und versuchte seine Gedanken zu ordnen.
Er saß einfach nur da. Kein Muskel rührte sich und er selber hätte nicht sagen können, wie lange schon.
Es waren zu viele Gedanken, die sich in seinem Kopf eine wilde Jagd lieferten, als dass er zu irgendeiner anderen Tätigkeit fähig gewesen wäre.
Harry saß da. Im Schneidersitz, den Rücken gegen den Bettrahmen gelehnt, die Hände locker auf den Knien. Denken, einfach nur denken……
Es war so viel passiert.
Immer wieder flackerten die selben Bilder vor seinen Augen auf. Immer sie selben…..
Malfoy, der seinen Zauberstab senkt, Dumbledore, der vom Turm stürzt und immer wieder Snape. Dieses verhasste Gesicht…..
Nein, er wollte sich das nicht schon wieder ansehen, zu oft in den letzten zwei Wochen hatte er dieses Szenarium wieder und wieder erlebt. Ob er schlief oder wach war, es verfolgte ihn jeden einzelnen Tag.
Er konnte die Schuldgefühle nicht mehr ertragen. Noch ein Opfer mehr, das dieser verdammte Krieg gefordert hatte. Wieder jemand, den er, Harry, nicht schützen konnte. Wie viele sollten es denn noch werden? Wann sollte das alles endlich ein Ende haben?
Und wann, Himmel noch mal, würden die anderen Ordensmitglieder endlich einsehen, dass er nicht mehr nur den braven Jungen spielen konnte, der sich sagen ließ, er sollte bleiben, wo er war und sich bloß nicht einmischen. Nein, er war lange genug brav gewesen, es wurde Zeit, selber etwas zu unternehmen.
Mit Befriedigung dachte er an die zwei Wochen zurück, die er nun schon bei den Dursleys verbracht hatte und in denen er die fiesen Bemerkungen und üblichen Gemeinheiten an sich hatte abprallen lassen. Auf seine Weise war er aktiv geworden.
Ja, er hatte mit seinem eigenen Plan begonnen. Der Gedanke brachte ein schmales Lächeln auf das sonst unbewegliche Gesicht des jungen Mannes.
So sehr Harry sich auch bemüht hatte, seine Ohren auf Durchzug zu stellen, wenn die Dursleys ihn beschimpften oder sich lauthals über die vielen Eulen beschwerten, die Harry immer wieder die gleichen Nachrichten brachten, so sehr hatte er ihre kleinkarierte konservative Welt auch satt.
Das Fass zum überlaufen gebracht hatte Onkel Vernons plötzlicher Erinnerungsschub am vorigen Abend, als ihm bei Harrys Anblick das Gespräch mit Professor Dumbledore vom letzten Sommer wieder eingefallen war.
Harry war von seinem allabendlichen Spatziergang durch den Park zurückgekommen und wollte sich gerade in sein Zimmer verdrücken, als Onkel Vernons Grunzstimme ihn ins Wohnzimmer beorderte.
Es war die Erbschaft, die Sirius seinem Patensohn letztes Jahr vermacht hatte, die Vernon Dursley plötzlich wieder eingefallen war. Und die seinen verkommenen Neffen für ihn plötzlich zum ersten Mal sehr interessant erscheinen ließ.
War damals nicht die Rede von einem Haus und sogar Gold gewesen?
Harry hatte sich schon gewundert, dass seine Verwandten auf den Zug nie aufgesprungen waren und musste sich zunächst ein Grinsen verkneifen, das ihm aber ohnehin schnell wieder verging, als sein Onkel begann ihm aufzulisten, wie viel Geld er, Harry, seinen ach so großzügigen Verwandten in all den Jahren gekostet hatte. Als Onkel Vernon dann auch noch von liebevoller Fürsorge und unendlicher Geduld anfing und für all das auch noch anfing Zinsen zu berechnen, zitterten Harry Hände vor unterdrückter Wut.
Er musste die Zähne zusammenbeißen, um seinem Onkel nicht den wulstigen Hals umzudrehen. Stattdessen war er einfach auf sein Zimmer gegangen und hatte seine Verwandten wüten lassen.
Im Nachhinein musste er sich wirklich selber zu seiner Zurückhaltung gratulieren.
Harry saß immer noch reglos und durchforstete seine Erinnerungen.
Es war so viel geschehen, dass ihm Kopfzerbrechen bereitete. Er hatte das Gefühl, als wäre sein Leben eine Aneinanderreihung tragischer Unglücke.
Hatte es eigentlich auch mal eine Zeit gegeben, als er sich keine Gedanken um einen durchgeknallten Irren machen musste, der nicht nur ihn sondern am liebsten alle Menschen, die ihm etwas bedeuteten, umbringen wollte? Gab es in letzter Zeit auch schöne Momente? Er dachte lange nach, doch das Bild vom Dumbledores gebrochenem Gesichtsausdruck machte ihm das Denken schwer.
Trauer um seinen Schulleiter, um den Menschen, der ihm immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte, ließ sein Herz schwer werden.
Noch immer rührte sich der Junge mit den grünen Augen nicht. Wieder sah er die Ereignisse auf dem höchsten Turm von Hogwarts vor sich, wieder erlebte er seine aufgezwungene Untätigkeit.
Er spürte, wie sich Tränen in seinen Augenwinkeln bildeten, rührte sich jedoch nicht, um sie wegzuwischen.
Doch, es gab etwas schönes in seinem Leben, dass ihm Kraft gab, an seinem Plan festzuhalten.
Es gab Menschen, die er liebte, die ihn liebten, die für ihn da waren.
Sein Herz wurde bei dem Gedanken an seine Freunde etwas leichter. Und doch hatte er ihnen nichts von seinem Vorhaben erzählt. Sie schwebten so oder so schon in großer Gefahr, allein schon wegen der Tatsache, dass sie ihn überhaupt kannten.
Dieser Gedanke ließ die kleine Blase aus Freude, die sich bei der Erinnerung an Ron, Hermine und Ginny in seiner Brust gebildet hatte, wieder zerplatzen. Es war gefährlich, mit Harry Potter befreundet zu sein. Es war sogar lebensgefährlich.
Diese Erfahrung hatte er nun schon oft genug gemacht.
Nein, diesmal musste er alleine agieren.
Draußen vor seinem Fenster fuhr ein Auto vorbei und ließ einen Lichtkegel durch Harrys Zimmer wandern. Harry bemerkte es kaum.
Sein Rücken schmerzte bereits vom langen unbeweglichen Sitzen, doch seine Arme und Beine schienen sich von der Kontrolle durch sein Gehirn verabschiedet zu haben.
Er saß nun schon so lange völlig unbeweglich da, dass er genauso gut hätte schweben können, er hätte den Unterschied nicht bemerkt.
Harry konzentrierte sich auf die Gesichter seiner Freunde, die er vor ein paar Tagen bei der Hochzeit von Rons Bruder Bill und der hübschen Fleur zuletzt gesehen hatte.
Hermine hatte müde, besorgt aber gleichzeitig glücklich ausgesehen, als sie ausgelassen mit Ron getanzt hatte. Ron dagegen hatte ein wenig peinlich berührt ausgesehen, als Hermin ihn zum Tanzen aufforderte, hatte sich aber schnell von Hermines fröhlichem Lachen anstecken lassen und nach einer Weile schien auch er mit sich und der Welt völlig zufrieden.
Harry hatte seinen beiden besten Freunden halb belustigt halb verärgert zugesehen. Wie konnte man in diesen Zeiten nur an so etwas normalen wie einer Hochzeit oder Tanzen Gefallen finden. Die ganze Feier war ihm sehr gekünstelt vorgekommen und er hatte die Einladung auch nur angenommen, weil Ron ihn dazu überredet hatte („Ehrlich man, du brauchst mal ein bisschen Ablenkung", hatte er argumentiert). Es war einfacher gewesen, nachzugeben.
Seine schlechte Laune hatte sich aber in Wohlgefallen aufgelöst, als Ginny ihm strahlend entgegengelaufen war und sich in seine Arme geworfen hatte. Sie sah so hübsch aus und schien einzig und allein darauf aus zu sein, Harry von seinen düsteren Gedanken abzulenken.
Das war ihr auch gelungen.
Obwohl Harry seine Beziehung zu Ginny eigentlich auf Eis legen wollte, konnte er sich die ganze Feier über doch nicht von ihrem Anblick lösen. Sie flatterte vor und neben ihm her wie ein wunderschöner Schmetterling, den er einfach nicht mehr loslassen wollte.
Und doch war er dabei Pläne zu schmieden, die sie ausschlossen. Wieder fühlte er Schuld in sich aufkeimen. Doch er wollte sie ja nur schützen. Er würde es nicht ertragen, wenn ihr etwas geschähe. Zu wichtig war sie ihm geworden.
Hedwig flatterte geräuschlos durchs Fenster herein, setzte sich auf ihren Käfig und schuhute zu Harry hinüber, der aber nicht reagierte. Etwas eingeschnappt steckte sie den Kopf unter den Flügel und beschloss ein Nickerchen zu machen.
Harry regte sich nicht.
Es gab noch einen schönen Gedanken, den er sich die letzten Tage nicht hatte eingestehen wollen.
War es denn ein Verbrechen, nicht rund um die Uhr besorgt und in Alarmbereitschaft zu sein? Ihm kam es langsam so vor. Wenn er sich dabei ertappte, dass er sich über etwas völlig „normales" freuen konnte oder an etwas lustiges dachte, spürte er diese fiesen Schuldgefühle in seinem Bauch rumoren.
Da war noch jemand, der ihn von seinem düsteren Gedanken abzulenken vermochte, die ihn immer wieder quälten.
Nellie.
Er hatte sie ein paar Tage nachdem er in den Ligusterweg zurückgekehrt war, im Park kennen gelernt. Harry hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, die meiste Zeit des Tages in der Grünanlage zu verbringen, da er dort vor gezischten Verwünschungen und gebrüllten Androhungen sicher war.
Na ja, eigentlich war es Nellies Frettchen Polly gewesen, die er kennen gelernt hatte, wenn auch auf eher erschreckende Art und Weise.
Polly war aus einem Gebüsch heraus auf ihn losgestürmt wie ein wild gewordener Staubwedel („Polly, du kleines Biest, kommst du wohl her?"). Nellie hinterher. Harry war vor Schreck rückwärts von dem großen Stein gepurzelt, auf dem er gerne saß („Oh verdammt! Polly!").
Harry hatte sich einen Moment lang damit amüsiert das Schauspiel zu beobachten, das sich ihm nun bot, als sich ein Mädchen etwa in seinem Alter mit dem Staubwedel auf dem Boden wälzte („Du – kleines – Monster!").
Es war einer der seltenen Momente gewesen, in denen Harry sich nur als fast 17-jähriger Junge gefühlt hatte, der einfach Spaß haben durfte.
Nach kurzer Rangelei hatte das Mädchen mit grasfleckigen Knien vor ihm gestanden, den Staubwedel auf der Schulter, und ihm die Hand entgegengestreckt („Hey, man nennt uns auch das verrückte Doppel"). Der Staubwedel hatte sich als Nellies Haustier entpuppt, das eine Schwäche für Harry zu haben schien und sich kurz darauf wieder auf ihn stürzte („Oh, Polly, du Scheusal! Sorry!").
Er sah sich einen Moment lang von dem kleinen Ungeheuer überwältigt, als Polly es sich im nächsten Moment auch schon auf seinem Schoß gemütlich machte und sich genüsslich von ihm streicheln ließ.
Nellie war nicht schlecht überrascht gewesen über das nicht so wirklich typische Verhalten ihrer Begleiterin („Da wird doch die Polly in der Pfanne verrückt"), hatte sich mit der Situation aber schnell abgefunden.
„Normalerweise lässt sie sich nur von mir streicheln. Sie hat mal meinem Lehrer in die Hand gebissen, als der sie anfassen wollte. Ein bisschen Abwechslung tut ihr wohl ganz gut," und mit einen Schulterzucken fügte sie hinzu: „Und mir auch."
Doch es war mehr als offensichtlich, dass dieses verrückte Doppel, trotz all der Flüche, im Grunde genommen wie Pech und Schwefel war, einfach unzertrennlich.
Nach dieser ersten Begegnung hatte Harry Nellie ein paar Mal getroffen und musste zu seiner Bestürzung feststellen, dass er sich in ihrer Nähe sehr wohl fühlte.
Bei ihr war er nicht der berühmte Junge-der-lebt, sondern einfach jemand aus der Nachbarschaft und in ihrem Beisein erinnerte ihn nichts an die schreckliche Aufgabe, der er sich zwangsläufig irgendwann würde stellen müssen.
Und Nellie schien einen sechsten Sinn dafür zu haben, wann Harry jemanden brauchte, der ihn von seinen Grübeleien ablenkte. Sie konnte stundenlang von ihren kleinen Schwestern („Lisa ist der reinste Sack Flöhe und Rosie hält sich selbst für einen Engel, wobei sie mit der Einstellung völlig alleine dasteht") oder amüsanten Familienfeiern erzählen („ich werde nie das Feuerwerk vergessen, bei dem mein Onkel es schaffte, sich den Bart zu versengen"). Oder wann er einfach nur damit zufrieden war, wenn Polly friedlich auf seinen Beinen lag und ihm die Finger ableckte. Nellie konnte erstaunlich ruhig neben ihm sitzen.
Harry war ihr unendlich dankbar für die Momente „normaler" Freizeit, die sie ihm ermöglichte und dafür, dass sie nicht ständig versuchte, ihn auszuquetschen. Obwohl sie sich mit Sicherheit mit seinen lahmen Ausreden nicht zufrieden gab, wenn sie ihn nach seiner Familie fragte oder in welche Schule er ginge.
Was hätte er ihr denn schon erzählen können?
Draußen vor Harrys Fenster war inzwischen der Mond aufgegangen.
Harry drehte ganz langsam den Kopf in die Richtung in der Hedwig schlummerte und streckte Arme und Beine aus. Sie fühlten sich ganz taub an.
Hedwig, von der plötzlichen Bewegung aufgeschreckt, spreizte die Flügel und flatterte auf Harrys Schulter, wo sie sich genüsslich von ihm streicheln ließ.
„Na, meine Süße, bist du bereit, aufzubrechen?" wisperte er ihr entgegen, woraufhin die Schneeeule leise schuhute und sich wieder auf ihrem Käfig nieder ließ.
„Ich muss vorher nur noch was erledigen," flüsterte der Junge, stand auf, schüttelte seine Beine etwas aus und ging dann ans Fenster. „Es wird nicht lange dauern."
Er konnte Nummer elf von hier aus sehen. Es brannte noch Licht.
Harry hatte beschlossen, dass er sich von Nellie verabschieden wollte, bevor er aufbrach. Schließlich würden sie sich wahrscheinlich nicht mehr wieder sehen.
Er hatte nicht vor, jemals wieder zum Ligusterweg zurückzukehren. Die Dursleys würden ihn nicht vermissen. Aber er wollte seiner neuen Freundin Aufwiedersehen sagen, so viel war er ihr schuldig.
Er schlich so leise er konnte, die Treppe hinunter und aus der Haustür hinaus.
Nachdem er seinen Onkel am Vorabend dermaßen abserviert hatte, war er ihm erfolgreich aus dem Weg gegangen. Auch wenn er sich um das Zauberverbot für minderjährige Zauberer nicht mehr besonders scherte, wollte er nicht riskieren von seinen Verwandten zu irgendeiner leichtsinnigen Aktion verleitet zu werden, die zu viel Aufmerksamkeit seitens der Zaubererwelt auf ihn gezogen hätte. Was er im Moment am wenigsten brauchte, war ein Strafverfahren.
Harry schlüpfte aus dem wohl gepflegten Vorgarten von Nummer vier und rannte quer über die Straße zu Nummer elf.
Der Vorgarten hier war so ganz und gar nicht nach den Vorstellungen von Tante Petunia. Einige üppige Rosenbüsche rankten sich hier zwischen Hortensien, die kreuz und quer zwischen Beerensträuchern wucherten. Es war ein wilder Garten, in dem es in allen Schattierungen blühte und in dem man sich hier und dort eine süße Frucht abpflücken und direkt in den Mund schieben konnte.
Harry mochte diesen Garten sehr.
Mit ein paar Sprüngen stand er vor der Haustür und klingelte. Hinter der Tür ging ein Licht an und Harry konnte Schritte hören.
„Wer ist da?" hörte er Nellies feste Stimme.
„Ich bin's, Harry."
Hinter der Tür kamen die Schritte näher und Harry konnte hören, wie ein Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Die Tür wurde mit einem Ruck aufgezogen und Nellies fröhliches Koboldgesicht kam zum Vorschein.
„Herein mit dir," sagte sie gut gelaunt. Polly saß wie üblich auf ihrer Schulter. „Ich mach uns Tee," und schon war sie in der Küche verschwunden.
Harry zog hinter sich die Tür zu und verriegelte sie.
Er wusste, dass Nellie alleine zu Hause war. Ihre Eltern und Schwestern waren für vier Wochen zu Freunden aufs Festland gefahren, und Nellie fühlte sich im Haus wohler, wenn die Haustür verriegelt war.
Dann folgte er ihr in die Küche.
Es war alles hier so völlig anders als bei seinen Verwandten. Wo es bei den Dursleys pingelig sauber und steril war, war es hier etwas chaotisch und gemütlich.
Man sah schnell, dass hier ein Teenager allein zu Hause war, denn zu dem üblichen Durcheinander kam jede Menge ungespültes Geschirr dazu.
„Irgendwo hatte ich noch Kekse," murmelte Nellie und verschwand mit dem halben Oberkörper in einem Schrank. Polly sprang von ihrer Schulter und hüpfte über den Küchentisch hinweg auf Harrys Arm. „Wusst ich's doch!" Triumphierend mit einer Packung Kekse kam Nellie wieder zum Vorschein und wuselte wieder zur Teekanne.
Harry setzte sich an den Tisch, auf dem schon zwei Tassen standen. Nellie kam mit dem Tee und den Keksen dazu und setzte sich Harry gegenüber.
Polly schnappte sich einen der Kekse und verschwand damit auf den Kühlschrank, bevor Nellie ihr die Beute wieder abluchsen konnte.
„Was ist los Harry? Du siehst aus, als hättest du was auf der Leber." Nellie sah ihn aufmerksam an, während sie ihnen Tee einschenkte. Dieser Blick erinnerte ihn an Hermine und er musste unweigerlich grinsen.
„Na ja, ich wollte mich eigentlich von dir verabschieden."
„Verabschieden?" Nellie zog die Augenbrauen hoch, dass sie unter ihrem fransigen Pony verschwanden. „Fängt bei euch die Schule so früh schon wieder an?"
„Schule? Oh, ähm, nein, ich muss weg…. ähm……" wie sollte er ihr das eigentlich erklären? Er hatte sich darüber gar keine Gedanken gemacht, als er hier her gekommen war. „Ich kann dir das nicht erklären…"
„Ach, es ist ja nicht so, dass ich nicht bemerkt hätte, dass du so deine kleinen Geheimnisse hast," Nellie schien seine dürftige Antwort nicht so sehr zu stören, aber Harry war sich sicher so etwas wie einen enttäuschten Ausdruck in ihren Augen zu erkennen.
Schon wieder fühlte er sich schuldig.
„Ich habe……"
Doch weiter kam Nellie in ihrem Satz nicht, als hinter ihnen im Wohnzimmer mehrere laute PLOPP's ertönten. Im nächsten Moment wurde die Verbindungstür zur Küche aufgerissen und Nellie von einem roten Lichtblitz in eine Ecke der Küche geschleudert.
Harry ließ sich seitlich vom Stuhl rutschen und suchte Deckung.
Im nächsten Moment hatte er seinen Zauberstab in der Hand und richtete ihn auf den ersten Todesser, der in die Küche gestürzt kam.
„Stupor" schrie er ihm entgegen.
Der maskierte Todesser fiel nach vorne aufs Gesicht, doch hinter ihm drängten sich schon fünf weitere Gestalten heran.
Bevor Harry auch nur den Mund zu einem weiteren Fluch aufmachen konnte, wurde ihm sein Zauberstab aus der Hand gerissen.
Ohne weiter nachzudenken stürmte Harry aus der Küche und auf die Haustür zu. Wenn der Orden ihn immer noch beschatten ließ, würde er draußen schnelle Hilfe finden können. Auch wenn sich seine Innereien schmerzvoll zusammenzogen bei dem Gedanken, schon wieder vor Voldemorts Todessern davon zu laufen, ging es doch hier nicht nur um sein Leben. Was würden sie mit Nellie machen? Und ohne seinen Zauberstab hätte er keine Chance gegen sie. Es wäre das beste, Hilfe zu holen.
Doch bevor er auch nur bei der Tür ankam, hatte ihn ein Beinklammerfluch erwischt.
Der Länge nach flog er auf den Steinboden in der Diele, wobei er sich mit den Handflächen aufzufangen versuchte und mit dem Kinn schmerzhaft auf den harten Untergrund knallte. Seine Handflächen bluteten und von seinem Kinn glaubte er das gleiche behaupten zu können.
Als er sich auf dem Rücken drehte konnte er sechs Gestalten in schwarzen Umhängen sehen, die auf ihn zu schritten.
„So, Potter, nicht mehr ganz so stark, was?" höhnte der vorderste.
„Wie überaus freundlich von dir, uns entgegen zu kommen, oder sollte ich sagen, wie dumm?" ein zweiter Todesser beugte sich über Harry und zog ihn auf die Beine. „Deine kleine Muggelfreundin hat uns genau den richtigen Ort geliefert, um an dich ran zu kommen. Nur zu blöd, dass sie diese Ehre nicht mehr genießen kann."
„Lasst sie in Ruhe, sie hat damit nichts zu tun!" rief Harry, der vor Wut bebte.
Ja, er hatte ihnen genau den richtigen Anlass geliefert, um ihn zu erwischen.
Würde schon wieder jemand leiden müssen, nur weil er im falschen Moment mit ihm zusammen gewesen war? Verdammt!
Und was würde jetzt aus seinem Plan werden?
Nellie erinnerte sich an laute Geräusche aus dem Wohnzimmer als sie etwas gegen die Brust traf und alles um sie herum schwarz wurde.
Als sie wieder zu sich kam, spürte sie Pollys beruhigende Nähe an ihrer Wange.
Sie öffnete die Augen und wunderte sich darüber, sich auf dem Fußboden wieder zu finden. Von ihrer Position aus konnte sie erkennen, dass mehrere Personen im Flur standen. Harry war nirgends zu sehen.
Was war hier los? Wieso lag sie auf dem Boden und was machten diese Leute hier? Wie kamen sie überhaupt hier rein? Sie hatte gehört, dass Harry die Haustür abgeschlossen hatte, also was hatte das zu bedeuten? Einbrecher? Diebe?
Dann hörte sie Stimmen, auch Harrys Stimme und nach allem, was sie heraushören konnte, wurde er bedroht.
So leise sie konnte rappelte sie sich auf, schob Polly zur Seite, nahm eine volle Essigflasche vom Bord und schlich sich hinter die schwarz verhüllten Gestalten in die Diele.
Das konnten nur Einbrecher sein, so wie die sich maskiert hatten.
Mit ganzer Kraft schlug sie dem Kerl, der ihr am nächsten stand, die Flasche über den Kopf und stürzte sich dann auf den, der direkt vor Harry stand.
Nellie trat ihm mit aller Kraft in den Rücken, rammte ihm dann einen Ellenbogen in dem Magen und als die Gestalt in die Knie ging schlug sie ihr mit der Handkante kräftig gegen die Kehle.
Auf diese Weise vorerst außer Gefecht gesetzt, drehte sich Nellie schnell zu den anderen Einbrechern um, die sie nur perplex anstarrten. Bevor Nellie sich aber auf den nächsten stürzen konnte, schrie eine der verhüllten Gestalten panisch auf und schwenkte eine Hand, an der ein braun-grauer Fellknäuel hing, wie wild durch die Luft.
„POLLY!" schrie Nellie panisch und hechtete auf das Frettchen zu, als der Gebissene das Tierchen schon gepackt und mit Wucht an die nächste Wand geschmettert hatte.
Entsetzt stürzte Nellie zu dem kleinen Wesen, das sich nicht mehr rührte.
Im nächsten Moment hatte sie jemand von hinten um den Leib gepackt. Das Mädchen trat und schlug um sich, bekam die Kapuze zu fassen und riss daran.
„Verdammte Wildkatze! Schock die doch mal einer!" rief der Todesser, der versuchte, die völlig wild gewordene Nellie festzuhalten.
Einen Augenblick später traf sie erneut ein roter Lichtblitz und sie erschlaffte.
Harry stand da und war sprachlos, dann traf auch ihn ein Stupor-Fluch und zum zweiten Mal schlug sein Kinn hart auf den Steinboden auf.
