Titel: Streng vertraulich
Autor: Zanna
Disclaimer: Die Jungs und GW gehören nicht mir, und ich will auch kein Geld damit verdienen.
Betadank: Laren
Pairings: 1x2 (fürs erste, später wohl noch mehr)
Inhalt: Heero muß ein Praktikum absolvieren um seine Berufsausbildung zu beenden. Doch so einfach und problemlos wie er sich das vorgestellt hat ist das nicht, denn er lernt jemanden kennen der sein Leben gehörig durcheinander bringt.
Kommentar: Seufz, ich hatte mir doch eigentlich vorgenommen mich nicht mehr von den bösen Plotbunnys beeinflussen zu lassen. Aber natürlich sind die Bunnys da ganz anderer Meinung. Kurz gesagt, dieses hier hat sich an mich geklammert und wollte mich nicht mehr loslassen, deshalb hab ich nachgegeben. Ich hab noch keine Ahnung wie lang diese Story wird, auch wenn ich schon ne recht klare Vorstellung hab was alles passieren soll. Ich hoffe sie gefällt euch auch und wünsch euch viel Spaß damit!
Kapitel 1
Heero hob die Hand und klopfte an der Tür. Obwohl es eigentlich gar keinen Grund dafür gab spürte er jetzt wo es tatsächlich soweit war doch eine leichte Nervosität. Aber das war verständlich, immerhin hatte er so etwas noch niemals gemacht und eigentlich auch gar keine Ahnung was ihn erwarten würde. Da war es wohl nur allzu klar dass er ein wenig nervös war.
„Herein!" rief eine Frauenstimme von Innen und Heero öffnete die Tür. Im Inneren des kleinen Büros saß eine Frau in Schwesterntracht an einem Schreibtisch. Sie trug eine Brille, hatte ihre langen Haare zu zwei Schnecken um den Kopf gewunden und sah ihm mit strengem Blick fragend entgegen.
Heero schluckte kurz. „Mein Name ist Heero Yuy," sagte er. „Ich bin hier wegen-"
„Ah ja," unterbrach die Frau ihn. „Unser neuer Praktikant."
Heero nickte leicht.
„Wir haben Sie schon erwartet. Ich werde nur schnell oben Bescheid sagen dass Sie hier sind und dann kommt jemand und holt Sie ab," sagte die Frau und griff nach dem Hörer des Telefons. Sie wechselte ein paar kurze Worte mit irgendjemandem am anderen Ende, dann legte sie auf und bedeutete Heero sich doch solange hinzusetzen, während er wartete.
Heero kam ihrer Aufforderung nach und setzte sich auf den Rand eines der Stühle. Er fühlte sich im Moment nicht sonderlich wohl in seiner Haut – so ging es ihm immer wenn er sich in einer ihm ungewohnten Situation und Umgebung wieder fand – und das zeigte sich deutlich in seiner angespannten Körperhaltung. Auch wenn Heero bezweifelte das es irgendjemandem aufgefallen wäre – die meisten Menschen waren der Meinung, er wäre stets völlig ruhig und gefasst, ja beinahe emotionslos. Das stimmte nicht, Heero war ebenso nervös und aufgeregt wie jeder andere auch, nur war eben seine Körperbeherrschung besser als die der meisten Menschen und so zeigte er seine Gefühle nur selten nach außen hin.
Glücklicherweise musste Heero nicht lange warten, schon Minuten später öffnete sich die Tür und eine weitere Frau in Schwesterntracht betrat den Raum. Sie war kleiner als Heero – vielleicht 1,60 Meter – hatte kurzes, dunkelblondes Haar, eine Menge Lachfältchen um die freundlichen Augen und ein fröhliches Lächeln im Gesicht.
„Ah, Helen, da bist du ja," begrüßte die Frau hinter dem Schreibtisch den Neuankömmling. „Das hier ist Heero Yuy, dein neuer Praktikant." Sie deutete auf Heero.
Die Frau – Helen – sagte „Danke, Une," drehte sich um und kam lächelnd auf Heero zu. „Heero, schön dich kennen zu lernen," sagte sie und streckte Heero die Hand entgegen. Heero erhob sich und schüttelte ihre Hand. „Ich bin Schwester Helen," fuhr Helen fort, „die Stationsleiterin von Station 15."
Heero nickte ihr zu und murmelte ein paar Begrüßungsworte.
Helen legte den Kopf schief und lächelte zu Heero auf. „Dann wollen wir dich erst einmal einkleiden, und dann zeige ich dir die Station, in Ordnung?"
Heero nickte. Schwester Helen drehte sich um und verließ das kleine Büro forschen Schrittes, und Heero folgte ihr. Gemeinsam liefen sie den Gang entlang wieder hinaus in die große Eingangshalle des Krankenhauses und dann weiter zum Treppenhaus.
„Also Heero," sagte Schwester Helen während sie die Treppen ins Untergeschoß hinabliefen, „wie lange wirst du denn jetzt hier bei uns bleiben?"
„Sechs Wochen," antwortete Heero.
„Ah ja. Sechs Wochen," antwortete Schwester Helen, „das ist lang genug um sich wirklich ein Bild machen zu können. Wir haben hier auch viele Praktikanten die gerade mal eine Woche bleiben – und wirklich, was kann man in einer Woche schon mitkriegen?" Sie lächelte Heero freundlich zu.
„Nicht viel, denke ich," murmelte Heero. Genau wie mit ungewohnten Situationen hatte er auch mit ihm fremden Menschen ebenso seine Schwierigkeiten. Er war einfach nicht die Sorte Mensch, die sofort mit jedem Fremden einfach so ins Gespräch kommen konnte.
Doch Schwester Helen schien sich nicht daran zu stören, sondern plauderte fröhlich weiter mit Heero, deutete auf verschiedene Stationen an denen sie vorbeikamen und erklärte Heero, dass er sich deren Standorte am besten gleich merken könnte, da er wahrscheinlich die meisten Botengänge in den nächsten sechs Wochen übernehmen würde.
Heero nickte dazu – es machte Sinn den Praktikanten dafür herzunehmen – und versuchte sich den Grundriss des Gebäudes so gut wie möglich einzuprägen. Dann war Schwester Helen schließlich an ihrem Ziel angekommen. 'Wäschekammer' stand an der Tür, an die sie kurz klopfte und dann öffnete.
Im Inneren der Wäschekammer waren sämtliche Wände mit Regalen ausgekleidet, in denen sich weiße Uniformen stapelten. Hosen, Hemden, Kittel in allen Größen. Der zuständige Pfleger kam ihnen entgegen und begrüßte sie. Dann wurde Heero nach seiner Kleidergröße gefragt, und anschließend wurde ihm ein Stapel Hosen und Oberteile in die Hand gedrückt. So voll beladen folgte er Schwester Helen schließlich wieder hinaus zum Treppenhaus.
Doch diesmal nahmen sie nicht die Treppe, sondern Schwester Helen drückte den Knopf für den Aufzug. „Es ist auch so schon heiß genug, da müssen wir uns nicht auch noch zusätzlich abplagen und zu Fuß bis in den zweiten Stock laufen, oder?" sagte sie zwinkernd.
Heero konnte ihr hinter seinem Wäschestapel nur zustimmen. Es war Ende Juni, und das Wetter draußen konnte nur als scheußlich bezeichnet werden. Zumindest wenn man arbeiten musste und nicht faul irgendwo im Schwimmbad rumhängen konnte. Die Sonne schien, es hatte über 30 Grad, und es herrschte eine derart drückende, feuchtschwüle Hitze dass einem schon vom Atmen allein der Schweiß ausbrach.
„So, und das hier ist Station 15," sagte Schwester Helen als der Aufzug im zweiten Stock hielt und sie und Heero ausstiegen. Heero warf einen Blick um seine Uniformen herum und sah mehrere breite Gänge die durch je zwei große Glastüren vom Flur und dem Treppenhaus abgetrennt waren. Schwester Helen führte ihn direkt zu einem dieser Gänge.
„Hier auf Station 15 haben wir hauptsächlich Patienten mit Problemen an der Wirbelsäule," erklärte Helen. „Ab und zu ist auch der eine oder andere Patient mit Hüft- oder Beingeschichten dabei, aber eher selten. Die sind normalerweise auf Station 16." Sie blieb vor einer Tür direkt am Anfang der Station stehen. „Aber zieh dich zuerst einmal um. Da drinnen sind unsere Spinde, such dir einfach einen leeren Spind aus. Ich warte hier so lange."
Heero nickte stumm und betrat den Raum. Wie Schwester Helen gesagt hatte befanden sich einige Spinde darin, und Heero nahm einfach den ersten leeren den er finden konnte. Erleichtert legte er die Uniformen hinein – warum nur hatte der Mann unten in der Wäschekammer ihm so viele davon gegeben? – zog seine Jeans und sein T-Shirt aus und schlüpfte in eine der weißen Hosen und Hemden. Dann trat er wieder hinaus auf den Gang.
Schwester Helen lächelte ihm entgegen. „Fertig? Dann komm mit." Sie drehte sich um und ging auf die Mitte des breiten Ganges zu, wo Heero so eine Art Tresen erkennen konnte. Zu beiden Seiten des Tresens und auch an der gegenüberliegenden Wandseite befanden sich Türen, die zu den Patientenzimmern führten, wie Heero anhand der Namensschilder erkennen konnte.
Der Tresen auf den sie beide zusteuerten entpuppte sich als der Eingang des Schwesternbereichs, der aus bestand einem kleinen Büro, einem Aufenthaltsraum, einer winzigen Küche und einer Toilette bestand. Und wie Heero von Schwester Helen erfuhr, hatten die Patienten keinen Zutritt zu diesem Bereich, etwas dass einige der besagten Patienten nicht immer zu begreifen schienen.
„So," sagte Schwester Helen als sie zusammen mit Heero den Aufenthaltsraum betrat. „Das hier ist Heero, unser Praktikant für die nächsten sechs Wochen," stellte sie Heero vor. „Und das hier sind Alex, Sylvia, Mary, Ben und Hilde," nannte sie die Namen der um den großen Tisch im Aufenthaltsraum sitzenden Personen. Heero nickte jedem stumm zu.
„Ich hoffe du hast nichts dagegen dass wir uns hier alle völlig unabhängig von Alter und Rang duzen, Heero," sagte Helen. „Nur die Ärzte sind ein etwas anderes Kaliber, einige von ihnen haben ebenfalls nichts dagegen geduzt zu werden, andere wiederum bestehen darauf mit 'Sie' und 'Doktor' angeredet zu werden. Aber das wirst du auch noch merken," fügte sie mit einem Zwinkern hinzu.
„Hey Heero," sagte das schwarzhaarige Mädchen das ihm mit 'Hilde' vorgestellt worden war. „Wir haben gerade Frühstückspause, willst du auch etwas essen?"
Heero schüttelte den Kopf. „Nein danke, ich hab gerade erst gefrühstückt," erwiderte er.
Hilde legte den Kopf schief. „Wie sieht's mit Kaffee aus?" fragte sie, hob die Thermoskanne die sie in der Hand hielt und schüttelte sie leicht.
Heero nickte. Gegen Kaffee hatte er jetzt wirklich nichts einzuwenden. Er nahm sich eine der Tassen die in der Mitte des Tisches standen und hielt sie Hilde hin, die ihm auch prompt eingoss. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Platz zurück und Heero folgte ihrem Beispiel und suchte sich ebenfalls einen Platz am Tisch.
Schwester Helen hatte sich inzwischen ebenfalls wieder niedergelassen und unterhielt sich jetzt angeregt mit der Frau die sie als Mary vorgestellt hatte. Heero lehnte sich leicht zurück und ließ seinen Blick über die Runde wandern. Glücklicherweise trugen alle hier Namensschilder. Heero hätte sonst sicherlich Schwierigkeiten am Anfang gehabt – er hatte ein wirklich schreckliches Namensgedächtnis, normalerweise brauchte es einige Zeit bevor er sich neue Namen merken konnte.
Außer den Namen standen außerdem auch noch die genauen Berufsbezeichnungen auf den Namensschildern und so studierte Heero die hier Anwesenden neugierig. Außer ihm selbst waren noch zwei weitere Männer anwesend – Alex und Ben. Beide waren älter als er, sicherlich Ende 30, und beide trugen die Berufsbezeichnung 'Krankenpfleger'.
Die Frauen waren sich vom Alter her nicht so ähnlich. Die jüngste schien Hilde zu sein, Heero schätzte sie auf sicherlich drei bis vier Jahre jünger als er selbst. Und ihre Bezeichnung bestätigte diese Einschätzung auch – 'Schwesternschülerin' stand auf ihrem Namensschild. Die nächste war Sylvia, die Heero auf ungefähr Ende Zwanzig, Anfang Dreißig schätzte. Sie war blond, hübsch und offensichtlich schwanger.
Als letztes blieben nur noch Mary und Helen übrig, die ungefähr gleich alt zu sein schienen. Auf Marys Schild stand 'Krankenpflegehelferin', im Gegensatz zu Sylvias und Helens Schildern auf denen 'Krankenschwester' stand. Heero grübelte einen Moment was wohl der Unterschied zwischen den beiden wäre, kam aber zu keinem Ergebnis.
Inzwischen war die Frühstückspause offenbar zu Ende, denn die Schwestern und Pfleger standen auf und begannen das benutzte Geschirr wegzuräumen. Heero folgte ihrem Beispiel und half ihnen dabei.
Als der Aufenthaltsraum wieder ordentlich war, wandte sich Schwester Helen wieder an ihn. „So Heero, am besten kommst du einfach mit mir mit. Wenn du Fragen hast, dann frag uns, ansonsten machst du einfach das was wir dir sagen."
Und genau so sahen die nächsten sechs Stunden dann für Heero auch aus. Wie sie es gesagt hatte folgte Heero Schwester Helen einfach auf Schritt und Tritt. Er lernte welche Formulare bei der Aufnahme neuer Patienten auszufüllen waren, wie man den Blutdruck maß, wo man den Puls fand, wie man frisch an der Wirbelsäule operierte Patienten richtig drehte, schob gebrauchte Betten aus den Zimmern der soeben entlassenen Patienten um sie anschließend durch saubere Betten zu ersetzen und erledigte jede Arbeit die ihm aufgetragen wurde.
Dabei ging es gar nicht so hektisch zu wie Heero sich das erst vorgestellt hätte. Natürlich gab es Phasen wo es fast zu wenig Schwestern und Pfleger zu geben schien, um all die Aufgaben und Wünsche der Patienten zu erledigen. Doch dazwischen gab es auch immer wieder Momente, in denen es völlig ruhig war. Kein Klingeln der Patienten, kein Bett das geschoben werden musste, kein Botengang der zu erledigen war. In diesen Momenten saßen die Schwestern und Pfleger im Aufenthaltsraum und im Büro, gaben Aufträge an das Labor und die orthopädische Werkstatt in den Computer ein, vervollständigten die Patientenkurven und füllten die Medikamentenschächtelchen der Patienten für den nächsten Tag auf.
Heero hatte während solcher Momente nichts zu tun. Aber dadurch das alles einfach noch so neu und ungewohnt für ihn war langweilte er sich dennoch nicht. Es war wirklich interessant zu beobachten was all diese verschiedenen Zeichen in den Kurven zu bedeuten hatten. Und er lauschte interessiert den Gesprächen der anderen.
Eines der Hauptgesprächsthemen waren natürlich die Patienten. Obwohl natürlich jeder von ihnen der Schweigepflicht unterlag was Patientendaten anging, so galt das natürlich nicht für Gespräche untereinander. Sie gehörten schließlich zum Pflegepersonal. Und auch wenn Heero mit den meisten Namen der Patienten noch nicht viel anfangen konnte – einfach weil er die Patienten noch nicht kannte – so konnte er sich dennoch bereits eine recht klare Meinung über sie bilden.
Es gab Patienten die mitarbeiteten, sich an die Anweisungen des Personals hielten und kurz gesagt einfach eine Freude waren. Und dann waren da die anderen. Diejenigen die sich auffällig verhielten – sei es weil sie sich nicht an die Anweisungen hielten, oder weil sie nicht mitarbeiteten oder manchmal schlicht und einfach auch weil sie Nervensägen waren. So grausam das auch klang.
Denn das Personal hatte wirklich eine Menge zu tun – hier auf Station 15 kamen im Moment immerhin nur sechs Schwestern und Pfleger und ein ungeübter Praktikant auf ungefähr 30 Patienten. Da waren solche Wünsche wie 'Ich möchte geduscht werden und etwas frisches anziehen weil ich beim Essen etwas gekleckert habe' wirklich entnervend – vor allem wenn der Patient erst am selben Morgen geduscht und neu eingekleidet worden war. Wenn dann diese Forderungen auch noch im 5-Minuten-Takt wiederholt wurden, dann konnte man sicherlich verstehen warum das Personal davon mehr als genervt war.
Alles in allem musste Heero sagen, dass sein erster Tag im Praktikum doch sehr schnell verging. Er hatte gar nicht gemerkt dass schon beinahe sechs Stunden vergangen waren, als um halb eins die Spätschicht eintraf. Offenbar war Nachmittags nicht ganz so viel los, denn die Spätschicht bestand nur aus drei Leuten statt aus sechs. Und die Frühschicht schien auch heilfroh zu sein, endlich nach Hause zu können.
Da Heero seinen Dienst erst um acht Uhr begonnen hatte, statt wie die Frühschicht schon um sechs Uhr, musste er noch zwei Stunden bleiben. Nach der Dienstübergabe – die jedes Mal bei Schichtwechsel stattfand und bei der der neuen Schicht alles über die Patienten mitgeteilt wurde, was während der vorherigen Schicht angefallen war – verabschiedete er sich von Schwester Helen und den anderen.
Schwester Peggy, Schülerin Jenny und Pfleger Tom – so die Namen der Spätschicht – setzten sich in den Aufenthaltsraum und studierten erstmal die Kurven der Patienten. Da Heero im Moment nichts zu tun hatte, schloss er sich ihnen einfach an.
„Also Heero," sagte Tom, ein etwas älterer Mann in den Fünfzigern, schließlich als er mit seinen Kurven fertig war, „Wie findest du das Praktikum bis jetzt?"
Heero zuckte mit den Achseln. „Hektisch," war die schlichte Antwort.
Tom lachte kurz auf. „Das glaub ich dir. Aus welchem Grund machst du denn das Praktikum hier?"
„Ich mache zur Zeit eine Ausbildung zum MTA, und wir müssen im ersten Ausbildungsjahr ein sechswöchiges Krankenpflegepraktikum absolvieren. Und deshalb bin ich jetzt hier." (1)
„Ah ja," nickte Tom. „Und wenn du hier fertig bist? Hast du dann noch Unterricht oder Ferien?"
„Ferien," antwortete Heero. „Für mich sind die Prüfungen in diesem Jahr schon alle gelaufen."
„Du Glücklicher," stöhnte Jenny. „Ich hab meine erst noch vor mir."
„Na, so schlimm sind sie auch nicht," warf Peggy ein.
„Jaja, du hast gut reden. Du hast sie ja auch schon hinter dir," empörte sich Jenny, doch Heero konnte sehen dass die Empörung nicht ernst gemeint war. Peggy verdrehte daraufhin auch nur die Augen.
„Ts, hier wird man aber auch nie ernst genommen," schnaubte Jenny und stand auf. „Komm Heero, wir kümmern uns jetzt mal um die Wäschesäcke."
Heero stand ebenfalls auf und folgte Jenny nach draußen. Am vorderen und am hinteren Ende der Station stand jeweils ein Wagen mit vier bunten Stoffsäcken – rot, grün, gelb und blau.
„Die Wäsche wird hier schon sortiert bevor sie nach unten gebracht wird," erklärte Jenny. „Hier in die blauen Säcke kommt die Bezüge von den Bettdecken und den Kissen. In die grünen Säcke kommen Durchzieher und Bettlaken. In die gelben Säcke kommen kleine Sachen, so wie die Bezüge von den kleinen Kissen, Tücher, Schlabberlatz und so weiter. Und in den roten Sack kommen Handtücher und Waschlappen. Einmal jede Schicht müssen die Wäschesäcke ausgeleert werden."
Heero nickte und zog sich – Jennys Beispiel folgend – ebenfalls Handschuhe an und half ihr die Wäsche aus einem Wagen in die Säcke des anderen Wagens zu stopfen. Wozu sollte man schließlich zwei halbvolle Säcke jeder Farbe zusammenschnüren, wenn man auch nur einen ganz vollen Sack nehmen konnte?
Nachdem sie alle Säcke umgefüllt hatten schoben sie den Wagen mit den vollen Säcken aus der Station hinaus in den Flur. Dort, hinter einem Vorhang wurden die vollen Wäschesäcke abgeladen und dann später vom Wäschepersonal abgeholt.
Heero war gerade dabei den blauen Sack vom Wagen zu nehmen und zu verschnüren als plötzlich mehrere Stimmen und Gelächter zu hören waren. Vor allem eine Stimme stach besonders hervor – ein heller Tenor, die Stimme eines jungen Mannes.
„Oh, oh, schnell," rief Jenny hektisch, ließ ihren Wäschesack fallen und beeilte sich um den Kopf aus dem Vorhang hervorzustecken. Heero tat es ihr nach – schließlich hatte man ihm ja gesagt er sollte einfach alles tun was ihm gezeigt wurde, und wenn er ehrlich war dann war er auch neugierig was denn diese Reaktion ausgelöst hatte.
Doch alles was Heero noch sehen konnte waren die Rücken von mehreren in weiße Kittel gekleideten Personen, die gerade eine der Stationen betraten. Soweit er es sehen konnte waren es alles Männer. Halt nein, einer der Ärzte – denn es konnte sich nur um Ärzte handeln – hatte einen langen Zopf. Offenbar war auch eine Frau dabei, auch wenn Heero vorhin keine Frauenstimme vernommen hatte.
„Oh verdammt," seufzte Jenny und richtete sich enttäuscht wieder auf. „Zu spät, sie sind schon vorbei."
Heero sah sie fragend an und Jenny grinste. „Das war gerade Dr. Giardia, unser Chefarzt, zusammen mit seinem Ärztestab. Und dazu gehört auch der wohl schneckigste Assistenzarzt aller Zeiten. Doktor Duo Maxwell," sie seufzte übertrieben theatralisch und fächelte sich mit einer Hand Luft zu. „Ich sag's dir Heero, in diesem Krankenhaus laufen wirklich eine Menge gutaussehende Ärzte rum. Es ist eine wahre Freude." Sie zwinkerte ihm zu.
Heero zuckte mit den Achseln. Er hatte wirklich kein Interesse an Ärzten, egal ob sie nun gutaussehend waren oder nicht. Alles was er wollte war seine Ausbildung so schnell wie möglich und mit den besten Noten zu beenden. Und da es dieses Praktikum mit einschloss, würde er auch hier sein Bestes geben.
„Oh, und natürlich haben wir auch ein paar gutaussehende Ärztinnen," rief Jenny und grinste noch breiter.
Heero schnaubte nur. An Ärztinnen war er noch viel weniger interessiert, aber er hatte jetzt keine Lust über seine sexuelle Orientierung zu reden. Schweigend erledigten sie ihre Aufgabe und kehrten wieder in den Aufenthaltsraum zurück. Die nächste halbe Stunde verging wieder mit Geplauder – diesmal nicht über die Patienten sondern über die Ärzte.
Und genau wie Jenny war auch die etwas ältere Peggy der selben Meinung. Es schienen tatsächlich eine Menge gutaussehender Ärzte in diesem Krankenhaus rumzulaufen, auch wenn beide nicht immer gleicher Meinung waren was den 'Schneckigkeitsfaktor' (wie sie es nannten) dieser Ärzte betraf. Nur in einer Sache waren sie sich einig – Platz 1 der Rangliste der bestaussehndsten Ärzte führte mit weitem Abstand ganz eindeutig dieser Dr. Maxwell an, von dem Jenny schon draußen auf dem Gang gesprochen hatte.
Und dann war es endlich vier Uhr und auch Heero konnte nach Hause gehen. Er verabschiedete sich von Peggy, Jenny und Tom und ging sich umziehen. Nachdem er die gebrauchte Uniform in den dafür vorgesehenen Wäschesack warf (braun, die Wäsche des Personals wurde getrennt von der der Patienten gewaschen) verließ er den Umkleideraum und machte sich auf den Weg zum Treppenhaus.
Gerade als er die Station verlassen wollte ertönte auf einmal ein heller Signalton, der sich in kurzen Abständen wiederholte. Heero warf einen kurzen Blick über seine Schulter und sah wie Peggy, Jenny und Tom aus dem Schwesternzimmer gestürzt kamen und auf ein Zimmer zurannten, über dem ein rotes Licht hektisch leuchtete.
Bevor Heero noch irgendetwas anderes tun konnte wurde er von irgendetwas angerempelt und beinahe über den Haufen gerannt. „Tschuldigung!" hörte er eine Stimme rufen und als er sich wieder gefangen hatte konnte er gerade noch für eine winzige Sekunde zwei Ärzte, die ebenfalls auf das Zimmer mit dem Alarm zurannten und dann darin verschwanden. Einer davon war der, den Jenny ihm als den Chefarzt Dr. Giardia genannt hatte, die andere Person war die weibliche Ärztin mit dem langen Zopf, der hinter ihr herwippte. Heero runzelte die Stirn. Seltsam, er hätte schwören können dass die Stimme, die sich eben bei ihm entschuldigt hatte die selbe Stimme gewesen war, die vorhin im Flur gelacht hatte – nur zu wem hatte sie gehört? Doch wohl kaum zu Dr. Giardia – der Mann war sicherlich schon weit über Fünfzig, und das war die Stimme eines jungen Mannes gewesen.
Doch dann zuckte Heero mit den Schultern und wandte sich endgültig ab. Es hatte schließlich keinen Sinn lange darüber nachzugrübeln. Müde lief er die Treppe hinunter, durch die Eingangshalle und hinaus auf die Straße. Dieser erste Tag hatte Heero doch mehr erschöpft als er erwartet hätte, und so wollte er eigentlich nur noch nach Hause und sich ausruhen. Schließlich hatte er morgen Frühschicht – und die begann um sechs Uhr. Heero seufzte kurz – er war wirklich kein Frühaufsteher – und machte sich dann auf den Weg zur U-Bahn.
(1) MTA Medizinisch Technischer Assistent (kurz, das sind diejenigen, die in den Laboren die ganzen Blut-, Gewebe- und was es sonst noch so –proben gibt untersuchen)
