Der junge Malfoy saß allein in einem der Abteile des Hogwarts-Express. Es war der Beginn seines sechsten Schuljahres und er war komplett am Ende!
Lucius Malfoy, sein hoch angesehener Vater, war in Askaban, der gute Ruf seiner Familie existierte nicht mehr und er war vor einer Woche selbst zum Todesser gebrandmarkt worden. Er hatte die Aufnahme in die dunkle Familie sehr herbeigesehnt, denn er hatte geglaubt, die Verbindung mit dem dunklen Lord würde ihm Stärke oder Wissen bringen. Stattdessen hatte es Draco nur Angst und Schmerz gebracht! Zumindest würde niemand das Mal sehen, solange er ihn nicht rief, oder Draco es wollte.
Das Gravierendste aller Ereignisse dieser Ferien war jedoch erst vorgestern geschehen. Dieses Ereignis war der Grund dafür, dass er zum ersten Mal allein auf den Zug gewartet hatte, dafür, dass er nun hier ohne die Gesellschaft seiner zwei Bodyguards (die vor seiner Abteiltür wache standen) und einem Haufen gackernder Hühner saß und auch dafür, dass er sich vor allem, was weibliche Formen besaß, ekelte! Ja, er hätte sich fast übergeben müssen, als seine Freundin, nun Ex-Freundin, Pansy Parkinson ihn hatte küssen wollen!
Denn er hatte mit seiner eigenen Mutter geschlafen!
Es war alles seines Vaters Schult gewesen! Er hatte Narzissa zu sehr verwöhnt und nach dem Lucius nun einfach nicht mehr zu Hause war, hatte die arme kranke Frau ihren Sohn, der ihrem geliebten Gemahl nun noch ähnlicher sah, da Dracos Haare Schulter lang waren, für Lucius gehalten. Sie hatte mit allen Waffen einer Frau versucht ihn ins Bett zu bekommen. Hatte sich vor ihm ausgezogen und darum gebettelt, dass er sie befriedigte! Immer wieder hatte er sie ignoriert, oder es so weit es ging zumindest versucht. Und dann, als sie keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte, war sie in die Kellergewölbe gestiegen und hatte einen Liebestrank gebraut!
Ihm wurde jedes Mal schlecht wenn er nur daran dachte, wie innig sie sich geliebt hatten und welche Namen sie sich zugehaucht hatten!
Nachdem der Trank wirkungslos geworden war, hatte Draco sich erst ein Mal für lange Zeit auf der Toilette verschanzt, geheult und sich übergeben, bis sein Margen vollkommen entleert gewesen war!
Natürlich würde niemand, außer vielleicht Snape, etwas davon erfahren, zumindest nicht wenn er, Draco, es verhindern konnte, doch wie sollte er sich im Unterricht konzentrieren, wenn ihn jedes Mädchen an seine Mutter und ihre Tat erinnerte!
Darüber hinaus, machte er insgeheim sich selbst am meisten für diesen Zwischenfall verantwortlich. Er hätte sich die Haare schneiden, oder sich in irgendeiner Form wehren sollen. Hatte er seine geehrte Mutter in irgendeiner Weise vielleicht sogar dazu angestiftet, den Trank zu brauen? Besonders große Vorwürfe machte er sich, weil er seinen Vater sicher wieder einmal über die Maßen enttäuscht hatte! Er, Draco Malfoy, war ein Versager, dass hatte sein Vater ihm oft genug gesagt, eigentlich war er es gar nicht wert ein Malfoy zu sein!
„Warum existiere ich überhaupt noch?", fragte sich der Blonde nicht zum ersten Mal in Gedanken, traute sich jedoch nicht es auszusprechen. Zu wem hätte er es auch sagen sollen?
Der Zug fuhr an.
Eigentlich würde er den meisten Leuten einen Gefallen tun, wenn er einfach abkratzte. Seinem Vater zum Beispiel, Draco war nie wirklich von ihm akzeptiert worden und der Junge war sich sicher eine unnötige Last für den mächtigen Magier zu sein. Für seine Mutter war es wahrscheinlich auch besser, wäre ihr zweiter Lucius endlich begraben! Die meisten Schüler in Hogwarts hassten ihn sowieso und wenn nicht offen, dann waren sie doch auch nur hinter seinem Geld oder nun demolierten Ruf her!
Gut, Severus Snape, sein Patenonkel war vielleicht der Einzige, der sich wirklich um den einsamen Slytherin - Prinzen kümmerte, doch dies würde sich in dem Moment ändern, in dem der Zaubertrank Professor erfuhr, dass sein Lieblingsschüler den selben Fehler begangen hatte, wie er, als er in Dracos Alter gewesen war.
Und Potter? Der gute, gerechte und unschuldige Harry Potter, was würde er dazu sagen, wenn sich sein Schulerzfeind die Pulsadern durchtrennte? Wahrscheinlich würde er es seinerseits als Erleichterung ansehen.
Draco nahm den grün/silbernen Schlangendolch aus seinem Umhang. Er war einer seiner wertvollsten Besitztümer und das letzte Geschenk seiner Vaters. Die spiegelglatte Klinge reflektierte die Strahlen der Sonne an die Abteilwand und sie war schärfer als eine Rasierklinge.
Zögernd setzte er die tödliche Waffe an sein linkes Handgelenk, direkt über der Pulsader. Nur ein kräftiger Schnitt trennte ihn von seiner Erlösung. Doch gerade als er ausführen wollte, was er sich schon länger überlegt hatte, klopfte er an der Abteilstür.
Erschrocken, da er für einige Momente seine Umwelt ganz vergessen hatte, verbarg er den Dolch, versteckte seine Gefühle tief in seinem Herzen und lies ein lautes, leicht verstimmtes, schnarrendes, „Ja" vernehmen.
Was tat er denn hier? Sich umbringen war wohl kaum die Art, wie ein Malfoy sterben sollte!
Vorsichtig wurde die Tür geöffnet und Goyle steckte seinen Kopf in den kleinen Raum: „Hey Draco, willst du was von dem Essenswagen?".
War es wirklich schon Mittag? Seltsam wie schnell die Zeit verging, wenn man in seinen Gedanken verlornen war. Aber wo er jetzt darüber nach dachte, hatte er wirklich Hunger und dass mit dem Umbringen hier im Zug war wohl kaum eine gute Idee!
Normalerweise sagte er immer „Nein danke!" zu den Süßigkeiten, von denen die meisten Schüler nicht genug bekommen konnten. Einerseits weil er es viel zu ordinär fand, „Bertie Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen" auszuprobieren oder die Bildkarten in den Schokofröschen zu sammeln (er hatte einen kompletten Satz der Sammlung zu seinem zehnten Geburtstag von Fudge, dem Zaubereiminister bekommen). Andererseits weil er sonst immer selbst gezauberte Leckereien von seiner Mutter mit hatte. Doch leider war seine gute Mutter nicht mehr in der Lage gewesen irgendeinen Zauberspruch auszuführen, nachdem Draco aufgehört hatte sie zu befluchen!
Also stand er nickend auf und trat durch die Tür. Er pickte ein paar der vielen bunten Dinge, bezahlte und wollte gerade wieder in sein Abteil verschwinden, da sah er eine vertraute, strubbelhaarige Gestallt mit gesenktem Kopf an der Gangwand lehnen.
„Potter?", dachte der junge Malfoy erstaunt. „Ganz allein?".
Doch was ging ihn das an, er hatte seine eigenen Probleme. Obwohl, vielleicht würde es ihm gut tun, wenn er das Narbengesicht ein wenig mehr betrübte. Außerdem hatte er noch ein Hünchen mit diesem ach so tollen Potter zu rupfen, da dieser unter anderem dafür verantwortlich war, dass Mr. Malfoy im Gefängnis saß.
Kalt lächelnd gab er Crabbe seine Sachen, sagte ihm er sollte es nicht essen und es ins Abteil bringen, und ging, sich eine der Süßigkeiten mitnehmend, zu dem Gryffindor.
Als Draco näher kam, sahen die Smaragdaugen für den Bruchteil einer Sekunde erschrocken auf, dann legte sich jedoch sofort wieder Gleichgültigkeit über sie. Erstaunt bemerkte Draco wie Harry, als er sich von der Wand abstieß, einen kleinen Gegenstand, eine rote Scherbe (!), in seinem Umhang verschwinden ließ. Er war wohl nicht der Einzige mit Problemen..
