Jemand war ins Schloss eingedrungen, das spuerte Severus Snape ganz deutlich. Das brennende Mal liess in ihm einen schrecklichen Verdacht hochkommen. Sollte der Dunkle Lord etwa Recht gehabt haben, sollte Potter wirklich so toericht gewesen sein, nach Hogwarts zurueckzukommen?

Ohne zu zoegern stuermte er aus dem Duero des Direktors. Er war nur wenige Minuten gegangen, da sah er, wie Minerva McGonagall um die Ecke bog. Leise schlich er ihr nach, aber er wurde trotzdem bemerkt.

"Wer da?", kamdie schneidende Stimme von Gryffindors Hauslehrerin und er merkte, dass alles an ihr auf Duell eingestellt war.

"Ich bin es", erwiderte er leise, in der Hoffnung, dass es freundlich klang, dann trat er offen hervor. Sein Blick wanderte an ihr runter und ploetzlich wusste er, dass der dumme Junge tatsaechlich hier war, bei ihr. Sie mussten die Carrows niedergestreckt haben, sonst waere Potter sicher in deren Gefangenschaft, immerhin hatten sie das Brennen des Mals ausgeloest und so den Lord gerufen.

"Wo sind die Carrows?", fragte er dennoch. Die Antwort war merklich kuehl: "Vermutlich dort, wo immer sie die beiden auch hinbefohlen haben, Severus."

Sie hatte den Zauberstab noch nicht gesenkt, Potter hatte seinen unter dem Umhang sicher ebenfalls bereit. Er musste ihnen irgendwie vermitteln, dass es hier zu gefaehrlich fuer den Jungen war.

"Ich hatte den Eindruck", sagte Severus, "dass Alecta einen Eindringling gefasst haette."

"Tatsaechlich?", schoss McGonagall feindseelig zurueck, "Und was vermitteln Ihnen diesen Eindruck?"

Er hasste es, das Mal zeigen zu muessen, aber vielleicht wuerde ihnen dann aufgehen, in welcher Gefahr sie alle schwebten. Langsam winkelte er den Arm an, doch die erhoffte Wirkung blieb aus - der Hass, den der Mord an Dumbledore hervorgerufen hatte, machte seine ehemaligen Verbuendeten blind vor Wut: "Oh, aber natuerlich, Todesser wie Sie haben ihre ganz eigenen Mittel und Wege, miteinander in Verbindung zu treten, das hatte ich vergessen."

Aeusserlich blieb er ruhig, doch innerlich fluchte er. Dumbledores ach so genialer, grosser Plan stand sich selbst im Weg, das hatte der alte Mann wohl nicht bedacht. Unbewusst wanderte sein Blick dahin, wo er Harry Potter vermutete. Es blieb ihm wohl nur, mit offenen Karten zu spielen. Er trat naeher und meinte: "Ich wusste nich, dass Sie heute Nacht an der Reihe sind, in den Korridoren zu patroullieren, Minerva."

"Haben Sie etwas dagegen einzuwenden?"

"Ich frage mich, was Sie zu so spaeter Stunde aus dem Bett geholt haben koennte."

"Ich dachte, ich haette eine Ruhestoerung vernommen."

"Wirklich?", erwiderte Severus so gelassen wie moeglich, "Aber es scheint alles still zu sein."

Jetzt kommt`s, dachte er. Er holte tief Luft, dann sagte er gerade heraus: "Haben Sie Harry Potter gesehen, Minerva? Wenn ja, muss ich naemlich darauf bestehen -"

Bevor er den satz zu Ende sprechen konnte, sah er ein verraeterrisches Augenzucken bei McGonagall. Ihm blieb gerade noch Zeit, ein Schild hochzureissen, bevor der Angriff ihn niedergestreckt haette. Schwankend liess die Lehrerin aus einer Fackel Feuerringe auf ihn zuschiessen. Zurueckweichend verwandelte er diese in eine Schlange, doch die alte Frau war flink, nur eine eilig herbeigerufene Ruestung bewahrte ihn vor den fliegenden Dolchen.

"Minerva!"

Ploetzlich war der Flur voll, Flitwick, Sprout und Slughorn kamen angelaufen.

"Nein! Sie werden in Hogwarts nicht weiter morden!", schrie ihm Flitwick entgegen. Bei diesen Worten war Severus klar, dass er hier nichts Gutes mehr Zustande bringen konnte. Der kleine Lehrer hetzte Ruestungen auf ihn und nur mit Muehe konnte er sich aus dem Gewimmel rauskaempfen. Fluchend rantte er davon, dicht gefolgt von den anderen Lehrern. Er musste Hogwarts erstmal verlassen und sich ueberlegen, wie er nun Potter helfen sollte. Kurzentschlossen stuermte er ein Klassenzimmer und sprang aus dem Fenster. Mit einigen gemurmelten Worten befahl er dem Wind, ihn zu tragen.

"Feigling! FEIGLING!"", ertoenten hinter ihm die zornigen Worte Minerva McGonagalls. Das Verlangen, umzudrehen und ihr zu erklaeren, was er durchmachte, warum Dumbloedore gestorben war und wie dessen Plaene ausgesehen hatten, war geradezu uebermaechtig. Immer wieder wurde er als Feigling beschimpft, schon zu Schulzeiten. Kein Mensch hatte sich je dafuer interessiert, warum er so handelte, wie er es tat. Keiner - ausser Lily Evan. Und auch sie hatte sich spaeter von ihm abgewandt. Sogar Dumbledore, dem er sein Herz geoeffnet hatte, in der Hoffnung, Lily retten zu koennen, sogar dieser aeusserlich herzensgute Mensch hatte ihn nur fuer seine Plaene benutzt, ihm nie alles anvertraut und opferte nun bereitwillig den Jungen, den Severus so sehr hasste und den er zugleich um jeden Preis beschuetzen wollte. Dumbledore hatte aus ihm, der nie Freunde gehabt hatte,einen Menschen gemacht, der von allen Verbuendeten abgrundtief gehasst wurde. Und diese dumme Frau nannte ihn einen Feigling.

Unbestimmt wanderte Severus` Blick ueber die Laenderein von Hogwarts, waehrend er in Richtung Hogsmead flog. Ploetzlich nahm er auf dem Innenhof des Schlosses eine zart Gestalt wahr. Fuer einen Moment verlangsamte er seinen Flug. Braune Locken. Da stand Hermine Granger und schaute nachdenklich in den Himmel. Was tat sie hier? Wenn sie schon so dumm war, Potter zurueck nach Hogwarts zu begleiten, sollte sie bei ihm sein und nicht hier unachtsam in der Gegend rumstehen.

Geraeuschlos liess er sich einige Schritte hinter ihr zum Boden sinken. Hermine Granger, der kluge Kopf des Goldenen Trios, war in Ordnung. Obwohl auch sie unbestreitbar den Gefuehlsschwankungen der Frauen unterlegen war, benutzt sie doch meist ihr Gehirn, das schaetzte Severus sehr. Warum sie nun so gedankenlos hier herumstand, verstand er hingegen nicht. Er wuerde ihr eine Lektion erteilen, die ihr klarmachte, in welcher Gefahr sie schwebte.