Kommander Cullen ging die Berichte des Tages durch. Er war so vertieft, dass er die neue Rekrutin nicht bemerkte, die ihn mit glänzenden Augen beobachtete. Ihre schmachtenden Blicke und ihre leicht geröteten Wangen aber blieben nicht unbemerkt. Doch niemand unterbrach ihren Tagtraum, da beinahe jeder von ihnen den Kommandanten bewunderte. Es waren nicht nur seine blonden, lockigen Haare, seine himmelblauen Augen oder seine vollen sinnlichen Lippen, sondern auch seine aufrechte Art, die ihn attraktiv machte. Viele blickten zu ihm auf. Er verlange viel von seinen Solaten, doch noch mehr verlangte er von sich selbst.
Oft sahen die Soldaten ihn bei Morgengrauen trainieren und weit nach Sonnenuntergang noch Berichte schreiben oder Befehle verfassen. Viele träumten davon ihm bei seinen Pflichten zu helfen oder ihn für einen kurzen Moment abzulenken. Genau so wie die Rekrutin, die noch immer tagträumend den Kommandanten betrachtete und ihre Aufgabe vollkommen vergessen hatte. Doch der Kommandant war unnahbar und machte für niemanden eine Aussnahme und als er von dem Bericht aufblickte und die Rekrutin tagträumen sah, verfinsterte sich sein Gesicht und er blaffte sie an: "Haben sie ihre Aufgaben bereits erledigt Rekrutin?"
Das Gesicht der Angesprochenen lief dunkelrot an und sie stotterte etwas unverständliches vor sich hin.
"Dann machen Sie sich an die Arbeit!"
Als die Rekrutin, glücklich darüber, dass er sie bemerkt hatte, immer noch an Ort und Stelle verweilte, fuhr Cullen sie wütend an: "Sofort!"
Da endlich wachte sie auf, zuckte zusammen und rannte los ihre Aufgabe zu erfüllen. Der Kommandant brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen, dass hinter ihm der Inquisitor stand und von einem Ohr zum anderen grinste. Cullen seufzte schwer, nahm Haltung an und drehte sich langsam um, um den Inquisitor eine Zusammenfassung der letzten Berichte zu geben: "Inquisitor!"
"Cullen, jetzt weiss ich endlich warum ihr so eine unförmige, hässliche Rüstung tragt, gar nicht auszudenken, was geschehe, wenn wir euch in eine schicke Uniform steckten."
Cullen fuhr sich mit der Hand über den Nacken und blickte zum Himmel empor. Bevor der Inquisitor zu ihnen gestossen war, hatte er noch keine eigene Rüstung gehabt, wollte aber auch nicht die Templeruniform tragen. Er seufzte bei der Erinnerung, wie die Frauen und auch einige Männer anfingen sich um ihn zu streiten. Seine jetztige Rüstung versteckte ein wenig seinen durchtrainierten Körper und liess seine Muskeln nur erahnen.
Bevor Cullen etwas erwiedern konnte fuhr der Inquisitor fort: "Ich könnte euch ja einmal bitten im Kriegsrat in Uniform zu erscheinen, damit die Mädchen etwa zu schauen haben."
Der Blick des Inquisitors aber sagte eindeutig, dass es er weder Leliana noch Josephine diesen Anblick gönnte. Cullen fuhr sich erneut mit der Hand über den Nacken und lächelte nervös. Er vermutete, dass der Inquisitor sich zu ihm hingezogen fühlte, doch sicher war er sich nicht. Bei den Templern waren Beziehungen zwischen Männer geduldet gewesen, doch er hatte nie gewusst, wie er mit dem Thema umgehen sollte und war diesen Dingen eher aus dem Weg gegangen. Cullen seufzte und sein Blick wurde trauig, er war eingentlich jeglicher Art von Beziehung aus dem Weg gegangen. Nachdem was man ihm im Zirkel der Magier von Ferelden angetan hatte, hatte er es nicht ertragen, jemanden in seiner Nähe zu haben und der Gedanke das jemand ihm Nahe kam oder gar berührte, beängstigte ihn. Er fühlte, dass der Schmerz den ein geliebter Mensch einem zufügen konnte, den der Einsamkeit bei weitem übertraf. So hatte er sich vor jedem Annäherungsversuch zurückgezogen und niemals jemanden ansich herangelassen. Niemals. Hoffentlich erfuhren die anderen nicht, dass er noch nie...
Cullen schluckte schwer. Der Inquisitor beobachte Cullens Reaktion aufmerksam, als hoffte er auf ein Zeichen. Cullen jedoch wurde bevor er etwas sagen konnte von einem Soldaten, der ihm einen Bericht überreichte abgelenkt. Der Kommandant nutzte die Gelegenheit zur Flucht, lächelte entschuldigend: "Verzeiht, die Pflicht ruft."
Er nickte dem Inquisitor zu und als er sah wie dieser auf sein Lächeln verlegen wurde, fluchte er innerlich und fügte in Gedanken hinzu in Zukunft den ernsten Gesichtsausdruck eines Soldaten beizuhalten um Missverständnisse zu vermeiden.
Die Sonne war schon seit Stunden untergegangen und Steff Trevelyen, den alle Inquisitor nannten, sah noch immer Licht in Cullens Turm. Er seuftze schwer. Als Cassandra ihn als Inquisitor seinem Militärberater vorgestellt hatte, fühlte er sich sofort zu seinem Kommandanten hingezogen. Er hatte heimlich Cullen bei seinen morgendlichen Übungen beobachtet und manchmal, wenn sein Kommandant dachte, er wäre unbeobachtet, sah er so zerbrechlich, einsam und hilfesuchend in die Ferne, dass er sich gefragt hatte, ob das die selbe Person war, wie sein makelloser, selbstsicherer Kommandant der niemals Schwäche zeigte. Auf den ersten Blick schiehn Cullen ein oberflächlicher, Quadratschädel zu sein. Doch stille Wasser sind tief und Steff hoffte er würde nicht in Cullens Tiefen ertrinken.
