Zehn
„Niemals!", rief Snape und sprang so energisch vom Tisch auf, dass sich die Spielkarten über den Boden verstreuten. Das Gelächter von Albus, Minerva und Remus schmerzte ihn in den Ohren.
„Severus, Spielschulden sind Ehrenschulden. Morgen wirst du deine Schuld begleichen müssen!", kicherte Remus.
„Grmmmpf!"
Während am nächsten Tag die Schüler aus dem Hause Gryffindor und Slytherin das Tränkeklassenzimmer betraten, nahm Snape sich vor, die Angelegenheit schnell, kurz und schmerzvoll hinter sich zu bringen. Missmutig betrachtete er Hermine Granger, die eben an ihren Tisch getreten war und heute ungewöhnlich blass aussah.
Er wies die Schüler an, die Zutaten für den vorgegebenen Trank zu holen und fragte dann: "Welche Wirkung hat der Trank bei korrekter Zubereitung?", und drehte sich ganz selbstverständlich in Hermines Richtung.
„Ja, Miss...", aber zu seinem Erstaunen hatte die Göre ihre Hand nicht erhoben.
„Niemand? Äh, gut! Er hebt Ahnungen aus dem Bereich der Unterbewusstseins ins Bewusstsein!"
Er klopfte abwesend mit seinen Zauberstab auf seine Unterlagen und überlegte sich eine nächste Frage, der Miss Granger hundertprozentig nicht würde widerstehen können.
„Was passiert mit dem Trank, wenn man die letzte Zutat weglässt?"
Er ließ angespannt seinen Blick über die Klasse schweifen und stellte irritiert fest, dass Granger auch auf diese Frage nicht antworten wollte. Von Nicht-Können konnte bei ihr erfahrungsgemäß nicht die Rede sein. Was bei Merlins Geheimratsecken ging hier nur vor?
Hermine schien sich intensiv mit der Maserung ihres Tisches zu beschäftigen, den sie so krampfhaft umklammert hielt, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
Ihre Klassenkameraden hingegen feixten und konnten ihre Heiterkeitsausbrüche nur mühsam unterdrücken. Snape holte tief Luft.
„Miss Granger! Was veranlasst Sie ausgerechnet heute dazu, mich mit Ihrer Zurückhaltung zu erfreuen? Möchten Sie sich nicht noch ein letztes Mal zu Wort melden und zehn Punkte für Ihr Haus abholen?"
Den letzten Satz presste er hörbar unter Druck durch die Zahnzwischenräume. Alle, selbst die Slytherins, meinten sich verhört zu haben. Hermine schüttelte vorsichtig den Kopf.
„Also gut!", zischte er, stützte sich am Tisch ab und fixierte Hermine mit verengeten Augen.
„Wie heißt der Trank, den wir heute zubereiten wollen? Niemand?"
Dabei übersah er geflissentlich die erhobene Hand eines erfreuten Ron, der sich zum ersten Mal auf der sicheren Seite fühlte, und das auch nur, weil der Name direkt hinter Snapes Kopf in großen Buchstaben auf der Tafel geschrieben stand.
„Weiß jemand die tiefere Bedeutung des Vornamens ‚Hermine'? Keine zehn Punkte, Miss Granger?"
Jetzt war Hermine auch von ihrem Sessel aufgesprungen, weigerte sich aber nach wie vor beharrlich, den Mund aufzutun und funkelte Snape böse an, was dieser mit einigem Wohlwollen registrierte.
„Haben wir überhaupt eine Hermine in der Klasse? Nein?", fragte er und ließ einen gefährlich harmlosen Blick über die Klasse schwenken. Niemand wagte sich jetzt auch nur zu rühren. Snape schnaubte.
Er schlenderte langsam auf Hermine zu.
„Wieder keine Antworten, schade!", seufzte er mit aufgesetztem Bedauern.
„Aber wusstet ihr, dass ein altes Magiergesetz besagt, dass man zwanzig Jahre früher verstirbt, wenn man ohne Erlaubnis des Ministeriums Vielsafttrank herstellt?"
„So ein Blödsinn!", platzte es aus Hermine voller Entrüstung heraus. Auf Snapes Gesicht zeigte sich die Andeutung eines zufriedenen Lächelns.
„Richtig, Miss Granger! Zehn Punkte für Sie!"
„Wette verloren, Hermine!", riefen Harry und Ron unisono und jubelten.
„Du hast es keine ganze Stunde geschafft, deine Klappe zu halten. Zehn Galleonen für uns!"
