Kapitel 1:
Dumbledores Büro sah aus wie immer. Die hohen Bogenfenster waren geöffnet und eine zarte Frühlingsblüte wehte ins Zimmer, was die filigranen, silbernen Instrumente in Bewegung brachte. In den Regalen reihten sich alte, ledergebundene Folianten und der Schreibtisch war übersäht mit vergilbten Pergamenten. Harry besah sich neugierig eines der oberen; es schien eine Art Rezept für etwas namens ‚Omelette Surprise' zu sein, mit angefügten kryptischen Notizen.
Es schien so absurd, dass der Raum unverändert, Dumbledore selbst aber nicht mehr hier war. Wie war es nur möglich, dass das vergängliche Papier auf dem Schreibtisch einen Menschen überdauern konnte? Sogar der lächerliche steinerne Wasserspeier, der die Tür bewachte, hatte den wohl größten Zauberer aller Zeiten überlebt. Wie sollte das möglich sein?
Der Wasserspeier hatte die Absurdität der Situation offenbar auch erkannt, er hatte sich kein Stück bewegt, als Harry versucht hatte, an ihm vorbeizukommen; auch nicht, als er alle ihm bekannten Passwörter heruntergerasselt hatte: Säuredrops, Sherbert Zitrone, Getrocknete Kakerlaten, Himbeermarmelade- nichts, bis er schließlich verzweifelt geseufzt hatte: „Schau, Ich habe keine Ahnung, wie das Passwort lauten könnte!"
Der Wasserspeier war zur Seite gesprungen und hatte ihn eingelassen.
Verwundert hatte er sich im Raum umgesehen. Irgendetwas musste doch hier sein, ein Tipp, ein Fingerzeig wenigstens, der ihm helfen konnte herauszufinden, was er zu tun hatte. Dumbledore musste ihm doch irgendetwas hinterlassen haben. Sein Blick fiel auf den massivhölzernen Schreibtisch mit seinen himmelsvielen Schubladen. Wäre es Einbruch, in den Schubladen eines Toten zu wühlen? Er zögerte einen Moment, begann dann aber doch, eine Schublade nach der anderen zu öffnen. Welche Kuriositäten da zum Vorschein kamen! Ein halbfertiges Manuskript über sumerische Bierbrauerei, geschrieben in Dumbledores eleganter Handschrift; ein Muggelausweis, ausgestellt aus einen gewissen ‚Alfred Dunn', mit einem Bild von einem grinsenden Dumbledore darauf; eine beachtliche Sammlung an Schokofroschkarten (die auch den wahnsinnig seltenen Enmerkar von Uruk enthielt, wie Harry bemerkte); Ein mit einer klaren Flüssigkeit gefülltes Marmeladenglas, das eine halbe Makrele enthielt und mit ‚Meerjungfrau, untere Hälfte' beschriftet war; ein kleines abgegriffenes Merkblatt mit dem Titel ‚Die verlorenen Marmeladenrezepte von Zhangzhung'; eine Gummispinne und… was war das? Etwas Goldenes, eingequetscht zwischen Mantikorzahnpasta und einer signierten Fotographie eines gewissen Uri Geller…
Das war der Zeitumkehrer! Aber waren die nicht alle in der Schlacht um das Ministerium zerstört worden? Moment… vielleicht war es auch Hermines Zeitumkehrer, den sie im dritten Schuljahr benutzt und zusammen mit Harry Sirius und Seidenschnabel befreit hatte? Hermine hatte ihn danach zurückgegeben, aber an wen? Harry hatte sie nie danach gefragt, sondern angenommen, dass er dem Ministerium wieder ausgehändigt worden und somit auch der Zerstörung zum Opfer gefallen war, wie die anderen.
Ja, das war sicher der gleiche Zeitumkehrer, ein kompliziertes kleines Ding an einer Kette. Offensichtlich hatte Hermine es dem Direktor zurückgegeben, vermutend, dass der es ans Ministerium weiterleiten würde.
Der Zeitumkehrer also! Harry lehnte sich in Dumbledores Sessel zurück, das zarte goldene Instrument fest in der Hand.
Mit dem Zeitumkehrer könnte er Dumbledore zurückbringen! Er könnte in der Zeit zurückreisen und Snape davon abhalten, Dumbledore zu töten. Nein, Moment, er könnte Sirius zurückbringen!
Und auch seine Eltern… Sein Kopf war ganz leicht von all den Möglichkeiten. Wo sollte er anfangen? In welche Zeit müsste er reisen, um jedes unschuldige Opfer Voldemorts verschonen zu können?
-An den Anfang natürlich, den Zeitpunkt abpassen, bevor Tom Riddle zu Voldemort wurde… Als Tom Riddle nur ein normaler Schüler war, wie er selbst auch. Ja, das war die Lösung!
Er würde in der Zeit reisen und den jungen Tom Riddle töten!
-Doch wie viele Umdrehungen am Zeitumkehrer waren dafür nötig? Er besah sich das Gerät von der anderen Seite und sah ein winziges Stückchen Papier, das dort eingeklemmt worden war, beschrieben mit noch winzigeren, aber eleganten Worten. Harry riss die Augen weit auf, dennoch konnte er das Geschriebene kaum entziffern: „42 ist eine gute Zahl, Harry!"
Er lächelte in sich hinein.
„Danke, Direktor!", flüsterte er.
Vorsichtig zählte er die Umdrehungen und der Raum, in dem er sich befand, begann sich zu drehen…
