SEQ CHAPTER \h \r 1 Unsortiert

Das Denkarium stand auf einem Regal tief drinnen in der Höhle, die dem verstorbenen dunklen Lord als sicherstes Versteck diente. Auf dem Deckel lag ein kleiner Zettel, auf dem in zittriger Schrift stand 'mein Fehler'. Harry Potter müde und zerschunden nahm das steinerne Bassin vorsichtig an sich und brachte es nach Hogwarts. Er fühlte sich schwach und krank und war weit davon entfernt seiner natürlichen Neugierde nachzugeben und doch...

Am Abend des anderen Tages tauchte er in die Erinnerung des dunklen Lords, um zu sehen, was dieser als seinen Fehler bezeichnen würde.

Er stand inmitten eines dunklen Waldes. 'Muss der verbotene Forst in der Nähe von Hogwarts sein'. Seine Augen wandern über den Boden auf der Suche nach einer seltenen Pflanze, die nur in dieser speziellen Nacht blüht.

Es regnet stark. Das Rauschen des Regens verschluckt fast alle Geräusche.

Dennoch hört er etwas, ein Rascheln und ein unterdrücktes Schluchzen.

Als er sich herumdreht, sieht er im blassen Licht seines Zauberstabs ein nasses Bündel, das sich aber sofort erhebt und dem dunklen Lord zwei Wespenhexe in die Waden feuert. "Au!" schreit er empört, wonach er von einer ganzen Kette von Flüchen getroffen wird, die, das muss er zugeben, optimal aufeinander abgestimmt sind. Während er versucht halb hüpfend und halb rennend der Tirade auszuweichen ruft er immer wieder: "Hör doch auf! Ich tue dir doch nichts!" Schließlich springt er beherzt auf das Ding zu und greift den Aggressor mit beiden Händen und hält ihn fest.

Es ist ein Kind. Ein verdammtes kleines schwaches Kind treibt den dunklen Lord durch den Forst. Er nimmt den kleinen Angreifer und appariert mit ihm in seine Hütte.

Er setzt ihn ab und schaut ihn an. Er ist nass, sehr nass, vermutlich war er schon lange draußen. Tom Riddle schüttelt den Kopf. Ein Kind. Nicht so ein Kind, dem man mal eben über den Kopf streicht oder dem man einen Bonbon zusteckt. Eher eines von der Sorte, die man mit einer unwirschen Handbewegung wegscheucht, wenn sie einem zu nahe kommen, weil man dann denkt, man wird beklaut. Die Schuluniform hat vorher schon drei anderen gehört. Er ist blass, klein und mager. Zu wenig Essen, zu wenig Sonne, zu wenig Liebe.

Sie schauen sich lauernd an. Schließlich meint Riddle: "Was wolltest du da draußen, Junge? Solltest du nicht in deinem Hogwarts-Bettchen schlafen?" Der Kleine zuckt mit den Schultern. "Ich geh' da nicht hin." sagt er sachlich.

"Warum?" Er macht ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter und erklärt dann ruhig. "Hogwarts, ist voller Kinder." Er spricht das aus wie eine schlimme Krankheit. "Zu laut, zu albern. Ich dachte, da lernt man was." Hm. "Was wolltest du denn lernen?" Tom Riddle ist sich nicht sicher, warum er das fragt.

"Schau her!". Der Junge nimmt seinen Zauberstab und schaut sich suchend um. Dann zeigt er auf eine Fliege an der Wand und flüstert: "Imperio musca".

Die Fliege gehorcht und nimmt auf dem schmutzigen Zeigefinger Platz. Er starrt sie an und dann geschieht etwas. Sie erhebt sich auf die Hinterbeine, hält die Vorderbeine in die Höhe und summt eine grässliche Version von 'Amazing Grace'.

Der dunkle Lord ist beeindruckt. Er hat in seinem langen Leben auf der Gratwanderung zwischen heller und dunkler Magie eine Menge gesehen, aber das hier ist geradezu - obszön.

Der Junge grinst dämonisch und sagt: "Siehst du?". Tom Riddle nickt beklommen. "Wer ist dein Papa?" fragt er. Der Junge denkt über die Frage nach. "Du meinst meinen Vater?" vergewissert er sich schließlich. Tom nickt. "Snape." antwortet der Junge. Riddle ist erstaunt. "Ach, haben die jetzt ein Kind?" fragt er überrascht. "Seit zehn Jahren." kommt die trockene Antwort. Ah, ein ganz Logischer.

Dieser Snape muss ein kompletter Idiot sein. Hält sein Kind schlimmer als einen Hauselfen. Hat ihm für den ersten Schultag noch einen Haarschnitt verpasst, mit einem Topf als Schablone. So einer wäre im Waisenhaus wirklich besser aufgehoben. Tom Riddle fühlt einen kleinen Stich, genau da wo früher mal sein Herz gewesen ist. Komisch.

"Komm her. Wir machen dich erstmal trocken und dann gibt es was zu Essen. Was magst du am liebsten." Der Junge schaut ihn an, als sei er von Sinnen. "Wie? Was mag ich?". Tom Riddle wird etwas ungeduldig. "Zu Essen." wiederholt er verstört. "Haferbrei." Haferbrei? Kein Kind auf der Welt isst gerne Haferbrei! "Des Menschen Wille ist sein Himmelreich." knurrt er und spricht den Trockenzauber. Dann stellt er einen Teller hin und holt das selbstkochende Kesselchen hervor. "Haferbrei." bestellt er mit fester Stimme. Er legt noch ein wenig Erdbeerkompott obenauf.

Das wird mit kritischen Augen beäugt. "Was ist das?" Tom seufzt nun laut. "Erdbeeren." erklärt er und wundert sich über seine Engelsgeduld. "Ähm, Sir - Das - das kann ich nicht." murmelt der Kleine verlegen. Damit wird Riddles Verdacht zur Gewissheit. "Zeig mal her." brummt er und legt seine Hand auf die Magengegend des Jungen. "Hier?". Der Kleine nickt betreten. "Lass mich mal machen. Ich bin der größte Schwarzmagier der Neuzeit, weißt du?". Das bringt ihm einen ungläubigen Blick aus den Tollkirschenaugen ein. "Echt? Lord Voldemort?". Tom Riddle nickt. "Dann ist's ja gut." Riddle spricht den Gegenspruch: "Restituto stomakdoloro!" Der Kleine hustet schrecklich und würgt schließlich einen kleinen blauen Frosch hervor, der sobald er den Boden erreicht sich in eine Silbermünze verwandelt.

"Siehst du. Deshalb solltest du nach Hogwarts, damit du lernst, wie so etwas geht." spricht Riddle gönnerhaft. Der Junge hört kaum zu und schiebt einen Löffel voller Erdbeeren in den Mund. Als er vor Wonne dabei die Augen zukneift, sieht er tatsächlich zum ersten Mal aus wie ein richtiges kleines Kind.

"In welchem Haus bist du eigentlich?" fragt Tom während des Essens. "Weiß nicht." kommt die Antwort. "Bin vorher weg. Als die Dame mal nicht aufgepasst hat, bin ich raus, bei dem Riesen durch die Beine und ab in den Wald." berichtet er freimütig. "Hat keiner gemerkt." Tom lacht. Geschieht den Muggelfreunden recht! "Und was nun?" fragt er. Der Junge schaut sich um. "Brauchst du keinen Gehilfen, oder so?". Riddle schüttelt den Kopf. "Nicht ohne UTZ und ZAG." stellt er klar. "Ich bringe dich morgen früh zurück. Keine Widerrede!"

Der Junge senkt den Kopf, hebt ihn aber mit einem triumphierenden Lächeln wieder "Aber danach?". Lord Voldemort steht auf und legt den Zauberstab an sein nicht vorhandenes Herz. "Danach auf alle Fälle. Zaubererschwur!".

Als am anderen Morgen Lord Voldemort maskiert die Türglocke von Hogwarts betätigt, gibt er seinem Schützling noch einige Hinweise. "Sag du gehörst nach Slytherin. Lass sie nicht erst sortieren. Und gib dem jungen Lord Malfoy meinen Brief. Das wird dir helfen, bis die Zeit gekommen ist."

"Unsortiert!" sprudelt Harry Potter hervor, als er aus dem Denkarium auftaucht. "Das war der Sinn von Trelawneys Gebrabbel. Jemand, der zu keinem Haus gehört!"

Er wendet Voldemorts Notiz und liest seine Abschiedsworte. "Ich hätte ihn ertränken sollen wie eine junge Katze an diesem Tag."

Harry fand die Denkariums-Szene ziemlich witzig. Er sah sie sich in den folgenden Tagen noch ein paarmal an. Irgendwann erwähnte er sie gegenüber Madame Pomfrey und er zeigte sie ihr auch. "Originelles Kind." sagte sie wehmütig. "Da fällt mir etwas ein." sie stand auf und ging an ihren Aktenschrank. "Ich weiß nicht, wem ich das geben soll, Harry, ich denke, du solltest es haben. Es macht ja jetzt keinen Unterschied mehr..." hier stockte sie und wischte sich eine Träne ab. "ob man es liest oder nicht. Ich denke, es sollte mal gelesen werden." Sie drückte Harry eine Schachtel mit einem guten Dutzend Journalen in die Hand. "Mach' damit, was du willst, Harry, ich will das nicht mehr hier haben. Es bedrückt mich." murmelte sie.

Harry nahm die Sachen mit und sortierte sie. Das Journal Nummer eins begann datumsmäßig kurz nach der Denkariums-Szene und trug die Überschrift:

'Metamorphose - Umformung, Umwandlung, völlige Verwandlung'

und begann mit dem Satz 'Jeden Tag zwanzig Wörter...