Disclaimer: Personen und Orte, die Euch bekannt vorkommen, gehören selbstverständlich Meister Tolkien. Ich habe jedoch die Absicht, meinen eigenen Vorstellungen entsprechend mit diesen Vorlagen etwas freier umzugehen. Wer damit nicht einverstanden ist, sollte an dieser Stelle aufhören, und sich besser eine andere Geschichte aussuchen... Geld bekomme ich für mein Geschreibsel natürlich (leider) nicht...

A/N: Das hier ist mein erster Versuch als Schreiberling, also bitte nicht gar so böse sein, wenn mal was nicht so ganz hinhaut. Und bitte ganz viel reviewen, denn nur wer seine Fehler kennt, kann sie beim nächsten Mal vermeiden...

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Kapitel 1: Das Unglück nimmt seinen Lauf...

Vollkommen erschöpft und mit roten, geschwollenen Augen schloss ich die Haustür auf und trat in den Flur. Geistig abwesend gab ich der Tür einen leichten Stoß mit dem Fuß, ließ mich mit dem Rücken dagegen fallen und fing an, hemmungslos zu weinen – schon wieder.

Bevor meine Beine mir den Dienst völlig versagten, gab ich mir einen Ruck und stürmte die Treppe hinauf in mein Zimmer, um mich dort auf mein Bett zu schmeißen und in Selbstmitleid zu zerfließen.

Ich wollte endlich zur Ruhe kommen, die Geschehnisse der vergangenen Tage für einen kleinen Augenblick vergessen. Doch wann immer ich die Augen schloss, quälten mich die Erinnerungen aufs Neue. Ich hätte die Beerdigungsfeier nicht frühzeitig verlassen dürfen, war ich doch eigentlich die Gastgeberin, aber ich hatte den Anblick der mitleidigen Gesichter keine Minute länger ertragen können.

Mein Vater war vor ein paar Tagen bei der Arbeit von einem Gerüst gestürzt. Als sein Mitarbeiter mir die Nachricht von seinem sofortigen Tod überbrachte, war seine Erleichterung über meine stoische Gelassenheit förmlich greifbar. Ich konnte ihn verstehen. Da er als einziger Geldverdiener in der Familie eine pflegebedürftige Ehefrau und eine Tochter zu versorgen hatte, würde er wohl durch den plötzlichen Tod seines Arbeitgebers in der nächsten Zeit selbst mehr als genug Probleme haben.

So stürzte ich mich auf die Organisation der Beerdigung und die Erledigung der Formalitäten, und verschloss meine Gefühle vor den Anderen, und vor allem vor mir selbst. Wenn man es richtig betrachtete, habe ich in den vergangenen sechs Tagen nicht ein einziges Mal meinen Verstand gebraucht. Ich kannte all das noch vom Begräbnis meiner Großmutter, und erledigte nun diese undankbaren Aufgaben eher mechanisch, als bewusst. Zu tun gab es reichlich, ständig war ich unterwegs zum Bestattungsunternehmen, zum Pfarramt, zur Gärtnerei, der Gaststätte, in der der „Leichenschmaus" stattfinden sollte. Und wenn ich doch mal zuhause war, ärgerte ich mich am Telefon mit pietätlosen Behörden herum oder bekam zahlreiche Kondolenzbesuche. All das machte die Sache natürlich nicht wirklich leichter, doch zumindest bis zur Beerdigung hielt ich durch.

Beim Anblick der Trauergäste wurde mir einfach nur schlecht. Unsere Nachbarin war anwesend, was mich ziemlich wunderte, hatte sie doch vorher keine Gelegenheit ausgelassen, uns zu diskreditieren. Mein Onkel stand betreten in einer der hinteren Reihen, die Tatsache ignorierend, dass er mit dem Tod meiner Oma den Kontakt zu uns abgebrochen hatte, obwohl er im Nachbardorf wohnte. Meine Mutter stand mit Tränen in den Augen neben mir. Eigentlich hatte sie nicht die Pflicht, heute hier zu sein, da sie sich bereits vor zwei Jahrzehnten von meinem Vater hat scheiden lassen, doch sie wollte mir wohl ein wenig beistehen, denn ich wusste, dass ich bei ihrer eigenen psychischen Labilität von ihr keine weitere Hilfe erwarten konnte.

Meine Stiefmutter, die sich ebenfalls vor ein paar Jahren von ihm hat scheiden lassen, stand schluchzend und schniefend zu meiner Linken. Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, wie sie theatralisch ein Taschentuch hervorkramte und sich, nachdem sie geräuschvoll die Nase geschnäuzt hatte, die Tränen aus dem Gesicht wischte. Dabei konnte ich mir die innerliche Frage nicht verkneifen, ob sie aufgrund des Todes ihres Ex-Mannes so sehr in Trauer war, oder nur, weil sie in Zukunft von eben diesem keinen Unterhalt mehr bekommen würde.

Außer meinen Stief- und Halbgeschwistern waren mir die anderen anwesenden Trauergäste weitestgehend unbekannt, es mussten wohl alte Bekannte, Schulfreunde oder Kollegen sein, die sich aufgrund der Zeitungsanzeige eingefunden hatten; zumindest bei denen schien die Trauer wirklich aus tiefstem Herzen zu kommen.

Dann starrten mich plötzlich alle erwartungsvoll an. Ich war so tief in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkt hatte, wie der Pfarrer seine Rede beendet hatte, und nun erwartete offensichtlich jeder von mir, dass ich als Erste zu dem kleinen Loch in der Erde ging, um mich still zu verabschieden, und meine Blume hineinzuwerfen. So trat ich denn an die Grabstätte und versuchte meine Gedanken zu sammeln, was mir natürlich kläglich misslang. Also warf ich die Blume einfach nur hinein, und begab mich zurück auf meinen Platz. Dabei musste ich ein wenig blinzeln, mir fiel auf, dass ich durch meine Brille eine recht matschige Sicht hatte, und endlich drang dann auch die Erkenntnis zu mir durch, dass mir wohl schon seit geraumer Zeit die Tränen in wahren Sturzbächen über das Gesicht liefen. ‚Nun gut, Gefühle hab ich offensichtlich noch', stellte ich sarkastisch fest.

Nachdem jeder sich vom Verstorbenen verabschiedet hatte, oder wenigstens so getan hatte, als ob, zog die Gemeinschaft zu der kleinen Dorfkneipe, in der das Essen stattfinden sollte. Ich hatte in der Zwischenzeit meinen übermäßigen Tränenfluss unter Kontrolle gebracht, und als auch ich endlich Platz genommen hatte, passierte es schon wieder: Einer der Trauergäste erhob sich, und erklärte, dass ich als Tochter des Verstorbenen doch eine Rede zu halten hätte, was die übrigen Gäste mit großer Begeisterung bestätigten. Ich blickte entsetzt zwischen dem Redner und meiner Mutter hin und her, und die Worte „Sorry, ich muss hier raus"müssen dabei so deutlich in meinen Augen zu lesen gewesen sein, dass sogar meine Mutter meine stumme Bitte verstand. So nickte sie nur, und ich verließ fluchtartig das Gebäude, schon wieder hemmungslos weinend, in dem Wissen, dass meine Mutter sich um den Rest der Gesellschaft kümmern würde.

Nun lag ich also in meinem Zimmer auf dem Bett und ließ meinen Gefühlen vollends freien Lauf, allerdings schon weniger tränenreich, denn es gab da wohl bereits ein kleines Nachschubproblem. Nach einer Weile stellte sich sogar mein Verstand wieder ein, und es meldete sich eine innere Stimme, die mir sagte, dass ich da ja noch so ein kleines Pröblemchen hätte. Ich konnte mich zunächst nicht daran erinnern, etwas vergessen zu haben, so begab ich mich erst einmal in eine sitzende Position, den Rücken an die Wand gelehnt, und starrte die gegenüberliegende Wand an, was nicht wirklich eine interessante Tätigkeit war, da ich jeden Fleck von einer totgeschlagenen Mücke darauf kannte, schließlich war es ja MEIN Zimmer.

An dieser Stelle meldete sich mein Verstand dann gleich noch mal mit den Worten:,Ähhh, hallo!?... DEIN Zimmer???', und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich mir eine neue Bleibe suchen musste, da die Bank mit Sicherheit das Grundstück verkaufen würde, um die Kreditzinsen meines Vaters zu begleichen. Verzweiflung bemächtigte sich meiner, und die Wand noch immer nach Flecken absuchend, die ich noch nicht kannte, blieb mein Blick einige Zeit später am Familienwappen hängen, welches als einzige Dekoration meine Wand zierte. Unter dem eigentlichen Wappen war auf einem Schriftband das Familien-Credo „virtus nescit labi"zu lesen. Mein Vater hatte es mal mit „Die Tugend kennt kein Untergehen"übersetzt, doch als alter Lateiner war ich mit dieser Übersetzung nicht wirklich einverstanden. Bevor ich noch weiter in Erinnerungen versinken konnte, fasste ich einen Entschluss.

Ich riss mir die Trauerkleidung vom Leib, schlüpfte in meine grün-weiße Lederkombi, die wie immer über dem Stuhl vor meinem Schreibtisch hing, schnappte mir im Rausgehen noch eben meine getönte Brille – die war wenigstens nicht zugeheult – und marschierte in die Garage. Dort angekommen komplettierte ich meine Kleidung durch Helm und Handschuhe, und schob meine heißgeliebte Ninja auf die Straße. Ich saß auf, klappte den Helm zu, ärgerte meine Nachbarn noch ein wenig, in dem ich im Leerlauf ein paar mal Gas gab – ich liebe dieses Aufheulen des Motors, meine Nachbarn hassten es – und fuhr los.

Mein Ziel war ein kleines Kuhkaff namens Audigast. Das dortige Rittergut hatte vor sehr langer Zeit (vor Napoleons Einmarsch in Sachsen) mal der Familie gehört, und wann immer ich Zeit und Ruhe zum Nachdenken benötigte, besuchte ich dieses mittlerweile verwahrloste Gemäuer. Den Weg kannte ich im Schlaf und so gab ich mich einfach dem Gefühl von Freiheit hin, als ich bei diesem wunderschönen Wetter die sich in zahlreichen Kurven dahinschlängelnde Landstraße entlangfuhr. Nach einer Weile hob ich sogar das Visier ein wenig an, um die Luft um meine Nase herum wehen zu lassen. Es war schon immer so gewesen, dass ich, wenn ich total deprimiert war, einfach nur auf meinen „Bock"zu steigen brauchte, und es ging mir augenblicklich besser. Auch heute verfehlte dieser Ausflug seine Wirkung nicht.

Als ich mich wieder auf die Straße konzentrierte, erkannte ich, dass ich schon fast am Ziel war. Ich war wohl doch schneller gefahren als sonst, und hatte dabei nicht einmal auf Blitzer geachtet. Beinahe hätte ich die Kreuzung verpasst, doch ich setzte noch rechtzeitig den Blinker und bog rechts ab. Ich fuhr nun nur noch Schrittgeschwindigkeit, vorbei an der kleinen Kirche, in der den Erzählungen meines Vaters zufolge sogar einer meiner Vorfahren unter dem Altar begraben lag, und hielt ein paar hundert Meter weiter meine Maschine an. Nachdem ich mich meines Helmes entledigt und die Ninja aufgebockt hatte, schritt ich ehrfürchtig, wie jedes Mal, durch das mittlerweile schräg in den Angeln hängende, rostige Eisentor.

Die Stallgebäude linkerhand beachtete ich nicht weiter. Sie waren schon bei meinem ersten Besuch vor sechs Jahren derart baufällig gewesen, dass ich Angst haben musste, sie würden bei dem kleinsten Windzug vollends zusammenbrechen. Deshalb richtete ich mein Augenmerk zunächst auf das weitläufige, rechts von mir gelegene Gartengelände. Die verwahrloste Vegetation zeugte davon, dass sich schon seit sehr langer Zeit niemand mehr um das Land gekümmert hat, und beim Anblick der Trauerweiden, die am durch einen Kanal begrenzten Ende des Gartens standen, schoss mir kurz der Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht doch keine allzu gute Idee war, ausgerechnet hierher zu fahren. Selbst bei strahlendem Sonnenschein machten diese Bäume ihrem Namen alle Ehre und boten einen ziemlich deprimierenden Anblick.

Doch ich war nun schon einmal hier und wollte mich nicht schon wieder solchen kontraproduktiven Gedanken hingeben. Also ging ich schnurstracks auf den Seiteneingang zu, denn das große Portal war, wie ich schon vor Jahren feststellen musste, verschlossen. Im Gehen betrachtete ich dabei die Fassade, welche nur allzu deutlich die Spuren des Alters und Verfalls zeigte. Der Putz bröckelte an zahlreichen Stellen und einige Fenster waren eingeschlagen. Ich brauchte nicht erst um das Gebäude herum zu gehen, um den riesigen Riss zu sehen, der das dreistöckige Gemäuer an der rückwärtigen Hauswand vom Dach bis zum Fundament durchzog. Ich wusste bereits seit Jahren von dessen Existenz und beim bloßen Gedanken daran durchzuckte mich der Schmerz aufs Neue.

Ich betrat also das Haus durch den „Personaleingang", und versuchte mir nicht allzu sehr den Kopf über die merkwürdigen Räume in diesem Teil des Hauses zu zerbrechen. Es waren einige kleinere Kammern, die teilweise wohl vor langer Zeit mal mit Türen versehen waren, teilweise aber auch einfach nur durch ein einfaches Holzgitter vom Gang getrennt wurden. Ich überlegte nun schon seit Jahren, welchen Nutzen diese Räume wohl in vergangenen Zeiten gehabt haben könnten, zuletzt ist meiner Fantasie sogar der irre Gedanke entsprungen, dass sie vielleicht einen Hühnerstall direkt im Wirtschaftsteil des Hauses untergebracht hatten. Heute hatte ich jedoch genug andere Dinge, über die ich nachgrübeln musste, also setzte ich meinen Weg fort und kam in den normalen Hausteil.

Ich streifte einige Zeit ziellos durch die Etagen auf der Suche nach einem geeigneten Plätzchen, als mich mal wieder der Ruf des „Türmchens"ereilte. Eigentlich handelte es sich hierbei nicht um einen Turm, sondern um eine Art Erker, der sich in Form eines kleinen Turmes an das Gemäuer schmiegte, und ein Treppenhaus beherbergte. Das Treppenhaus an sich bot natürlich nichts Spektakuläres, doch das kleine Fenster in der Wand, welches eher einer Schießscharte glich, verlieh dem „Türmchen"ein Flair, das, wenn man wie ich eine blühende Fantasie besaß, ein bisschen an Rapunzel und deren Leidensgenossinnen erinnerte. Der untere Zugang war schon seit langer Zeit versperrt, also lief ich in die obere Etage, um von dort aus in mein Refugium zu gelangen.

Auf meinem Weg stellte ich fest, dass sich hier seit meinem letzten Besuch nicht wirklich etwas verändert hatte. Das Haus schien zwar baufällig und verlassen, doch hatte ich bei meinen vorherigen Besuchen einige Male feststellen müssen, dass sich hier irgendwer vorübergehend einquartiert hatte, folglich lag die Vermutung auf der Hand, dass sich zumindest etwas geändert haben könnte. Die Tapeten in den Räumen fand ich nach wie vor geschmacklos, der Fußboden des kleinen Tanzsaales war noch immer schief und die Stufen der Haupttreppe knarrten beträchtlich. Da ich das alles schon kannte, störte es mich nicht im Geringsten und ich setzte meinen Weg zielstrebig fort; zu zielstrebig, wie sich dann herausstellen sollte.

Während die Treppen im „Türmchen"aus Stein gefertigt waren, war der Fußboden des Raumes, der zum Treppenhaus führte, mit Holzbohlen ausgelegt. Ich eilte also durch diesen Raum, als plötzlich kurz vor dem Durchgang zum Stiegenhaus eine dieser besagten Bohlen unter meinem Fuß nachgab. Durch meine hastige Gangart hatte ich ziemlich viel Schwung, der auch durch ein leichtes Verhaken meines linken Schuhs mit dem noch vorhandenen Fußboden nicht wirklich gestoppt wurde. Vielmehr verlor ich das Gleichgewicht, und segelte, mit den Händen vergebens nach Halt suchend, recht unelegant, aber dafür ungemein stuntwoman-like in hohem Bogen auf die Steinstufen zu.

Die Stufen näherten sich mir in einer beängstigenden Geschwindigkeit, und vor meinem geistigen Auge sah ich mich bereits mit gebrochenem Genick am Fuße der Treppe liegen, wo man mich wahrscheinlich frühestens in ein paar Jahren finden würde. Und für alle, die sich schon immer brennend dafür interessiert haben, welche Gedanken einem in so einem Moment durch den Kopf gehen:

Meiner lautete: „Sch---e, das war's."

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