Kerkermond
Lady of the Dungeon
Alle Figuren gehören J.K. Rowling. Ich werde sie unbeschadet zurückgeben, soweit sie selbst diese Figuren angemessen behandelt.
1. Lucius: Aristokratische Perfektion
‚Gibt es die perfekte Folter?' fragte sich Lucius Malfoy und ließ sich in seinem breiten, ledergepolsterten Sessel zurücksinken. Seine eleganten, langen Finger mit den teuren Ringen glitten sanft an der Maserung des kostbaren Mahagonischreibtisches entlang, auf dem neben einem Tintenfass und einer Feder nur ein Gebäudeplan und ein paar alte Bücher aus den geheimen Bibliotheken eines Jesuitenordens lagen.
Er blätterte beinahe beiläufig durch eine antike Handschrift. Die Kupferstiche zeigten Menschen, die aufs Rad geflochten, in kochendes Wasser getaucht oder bei lebendigem Leibe gehäutet wurden.
Oh ja, die Muggel früherer Tage waren kreativ gewesen, wenn es darum ging, ihresgleichen Schmerzen zuzufügen. Doch all dies war nichts gegen die glühenden Explosionen namenloser Pein, die mit einem einzigen, perfekt ausgeführten Cruciatusfluch auf das Opfer einwirkten.
Er hatte also den Schlüssel zur Höllenqual in der Hand, er konnte seine Gefangenen mit nur einem einzigen Fluch so lange foltern, bis ihr Herz still stand.
Dazu gab es nur eine Steigerung: Man zwang das Opfer, dabei zusehen, wie ein ihm emotional eng verbundener Mensch dem ‚König der Flüche' ausgesetzt wurde.
Lucius hatte diese Methode perfektioniert. Für jeden Gegner gab es den einen Menschen, dessen Qual er nicht aushalten konnte.
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Der Werwolf zerrte an den schweren, rostigen Eisenketten, die in der Wand hinter ihm in den feuchten Stein eingelassen waren. Vor ihm stand eine Schüssel mit Wasser. Leider hatte man sie so weit weg gestellt von ihm, dass er sie gerade eben nicht erreichen konnte. Absicht? Er hätte es vermutet, doch sie hatten ihn bisher noch nie dursten lassen.
Im Vergleich zu vielen anderen war er bisher geradezu glimpflich davon gekommen. Ein kurzes Verhör, ein paar schmerzhafte, aber lächerliche Spielereien mit silbernen Nadeln, ein paar arkan schlechte gebündelte Cruciati.
Nach einem Leben mit zwölf schmerzhaften Transformationen in jedem Jahr war er ziemlich abgehärtet. Er konnte eine Menge mehr einstecken als das.
Was ihn jedoch quälte waren die Schreie der anderen. Irgendwann kamen sie in ein Stadium, in dem man nicht mehr wusste, wer dort schrie. Die Stimmen verloren ihre Erkennbarkeit.
Er wusste, er hatte Moody gehört. Tonks. Minerva. Die beiden Frauen waren tot, er hatte gesehen, wie man ihre Leichen den Gang entlang geschleift hatte.
Er hatte auch die Kinder sterben gehört. Sie hatten sie alle den Dementoren vorgeworfen, in einer einzigen Nacht.
Harry allerdings, Harry war nicht unter ihnen gewesen. Er hatte zu der Gruppe des Ordens gehört, die nicht bei dem Überfall der Todesser umgekommen oder gefangen genommen worden waren.
Doch trotz dieses Wissens schwand die Hoffnung mehr und mehr mit jedem Tag.
Remus Lupin fühlte sich schuldig, weil er sie nicht hatte schützen können. Neville war zu seinen Füßen gestorben, Dean Thomas wenige Meter neben ihm. Die Todesser hatten sie abgeschlachtet. und es waren so viele gewesen…
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Lucius warf einen Blick auf den Grundrissplan.
Von insgesamt sechs miteinander durch Querwege verbundenen Gängen gingen Zellen ab. In jeden der Räume waren mit grüner Tinte Namen eingetragen, und viele davon waren bereits mit dunkelrotem Blut durchgestrichen, und neue Namen prangten daneben.
„Lucius Malfoy, Kerkermeister", zischte er durch zusammengepresste Zähne. Ja, es war eine Strafe gewesen, als der Dunkle Lord ihn an diesen abgelegenen, von der Welt vergessenen Ort verbannt hatte. Herr über ein leeres Gefängnis, welch eine Demütigung für die ehemalige rechte Hand des Dunklen Lords. Aber Lucius hatte seinem Meister bewiesen, dass er ein würdiger Diener war.
Ausgerechnet Arthur Weasley, mit dem er weitläufig verwandt war, erwies sich als Schlüssel zu Lucius' Erfolg. Denn es stellte sich heraus – und es überraschte Lucius nicht einmal sehr – dass man alles aus diesem degenerierten muggelliebenden Idioten heraus bekam, wenn man seine geliebte kleine Tochter bedrohte.Arthur aus dem Ministerium zu entführen war ein Kinderspiel gewesen, die kleine Ginevra Weasley in Hogsmeade zu kidnappen war nicht so einfach gewesen. Doch Lucius' Plan war sorgfältig ausgearbeitet gewesen, und er hatte nur die besten, fähigsten Leute eingeweiht.
Dumbledores Orden war doch ein Haufen von degenerierten Weichlingen. Sie vertrauten einander ja so sehr, dass sie einen Einzelnen in derartig viele Geheimnisse einweihten, dass es beinahe unter seiner Würde war, sie alle aus Weasley heraus zu pressen.
Es bereitete am Ende wenig Vergnügen, doch es war effektiv. Der verzweifelte Mann hatte gesungen wie eine Lerche – nicht, dass es seinem missratenen Balg etwas genutzt hätte am Ende. Man hatte das Mädchen getötet, nachdem der Vater offenbar nichts Verwertbares mehr preiszugeben hatte.
Lucius empfand keinerlei Befriedigung bei dem Gedanken. Weder das Töten noch das Quälen an sich interessierte ihn, nur die Effizienz war entscheidend – der Erfolg.
Und erfolgreich waren sie nun. Weasleys Informationen verdankten sie die Möglichkeit, bei einem sorgsamen Anschlag die Hälfte der aktiven Mitglieder des Phönixordens entweder töten oder gefangen nehmen zu können. Und Merlin sei Dank ergaben sich weitere zweckdienliche Paarungen.
Von Kingsley Shacklebolt erfuhren sie viel über das Ministerium; er liebte seine Frau gar zu sehr. Unbefriedigenderweise versagte ihr Herz schon beim zweiten Folterfluch, und danach konnte man den Auror nur noch töten, der seine Kinder rechtzeitig außer Landes gebracht hatte.
Minerva McGonagall erwies als ebenso mitteilsam, wie Alastor Moody verschlossen blieb. Vielleicht liebte er sie nicht genug. Vielleicht war er auch einfach zu sehr überzeugt von seiner ‚Mission'. Aber es spielte keine Rolle, denn die stellvertretenden Direktorin von Hogwarts war ein wahrer Schatz an Informationen.
Nymphadora schließlich, die Kusine seiner Frau, sagte ihnen alles, was sie wusste, um ihre Mutter Andromeda zu schützen. Nun, Bella hatte sich dieses unwürdigen Zweiges der ehrenwerten Familie Black angenommen, und dafür gesorgt, dass er die Familieehre nicht weiter beschmutzen würde.
Lucius strich mit Bedacht den Namen der ehemaligen Verwandlungslehrerin durch.
Der dunkle Lord hatte ihm eine andere Position offeriert, aber Lucius hatte darum gebeten, weiterhin Kerkermeister von Dolores Isle zu bleiben. Es ermöglichte ihm, seinen Herrn mit dem kostbarstem Gut zu versorgen: Wissen. Information. Geheimnisse.
Sie hatten das Ministerium in der Hand, die Presse, Hogwarts. Sie waren weit gekommen. Eigentlich hatten sie bereits gesiegt.
Es war nur ein Schönheitsfehler, dass eines noch fehlte: Harry Potters Tod. Obwohl von untergeordneter Bedeutung, aber der Dunkle Lord haderte mit diesem Umstand. Niemand unter den Gefangenen wusste, wo sich der ‚Junge-der-lebt' verbarg.
Lucius Finger glitt wieder über den Plan des Gefängnisses. Es war voll dort unten. Wie vorteilhaft, dass man ihm einige Dementoren geschickt hatte, um die Gefangenen zu bewachen und ruhig zu halten.
Die meisten dort unten waren mittlerweile nur noch kleine Fische. Emmeline Vance, dieser Name war noch nicht durchgestrichen. Sie lebte allein, hegte keine intensiven Freundschaften, und sie schwieg beharrlich. Doch sie wusste nichts von Bedeutung. Man konnte sie ebenso gut gleich töten.
Remus Lupin. Dumbledores Haustier. Für wen würde Lupin wohl sein Schweigen brechen? Vielleicht für eines der Kinder, doch sie hatten derzeit keins mehr übrig. Ein hässlicher Zwischenfall mit ein paar ausgehungerten Dementoren. Hätte man Black gehabt… Aber Sirius Black war tot, schon etwa zwei Jahre. Außerdem hatten sie von Weasley und von McGonagall erfahren, dass Dumbledore dem Werwolf nie wirklich so sehr vertraut hatte, dass er ihm den Aufenthaltsort des wertvollen Jungen anvertraut hätte. Nein, Lupin wusste zu wenig. Nicht so wenig, dass man sich seiner jetzt gleich entledigen musste, um Platz für die Neuen zu schaffen, aber nicht genug, um sich jetzt intensiver mit ihm abzugeben.
Werwolfsgesockse, Abschaum. Er würde es Crabbe und Goyle überlassen, Lupin in die Hölle für Dunkle Kreaturen zu foltern und ihm irgendwann eine Silberkugel zu verpassen. Oder vielleicht konnte man Greyback dafür gewinnen, ihnen allen einen Gladiatorenkampf bei Vollmond zu liefern. Lupin hatte seit Wochen keine Nahrung mehr bekommen, bis zum nächsten Vollmond würde er so schwach sein, dass es für Greyback kaum mehr ein Risiko darstellen würde, mit ihm in den Ring zu steigen.
Doch dann war da noch der eine, dessen Wissen so unendlich kostbar war, und in dessen Kopf nicht einmal der Dunkle Lord hinein sehen konnte. Snape. ‚Mein guter alter Freund Severus.' Snape hatte wie Vance weder Verwandte noch Freunde. Es gab niemandem, dem an dem Tränkemeister persönlich etwas lag, und Severus selbst schätze ebenfalls niemanden.
Wie konnte man das Schweigen des Severus Snape brechen? Sie hatten es mit Ordensmitgliedern versucht. Tonks starb, ohne dass Snape eine Miene verzog. Und die junge Aurorin war entnervend zäh gewesen. Auch eine Schülerin aus Snapes eigenem Haus hatten sie vor seiner Nase langsam exekutiert. Doch scheinbar schätzte Snape Miss Parkinson ebenso wenig wie zwei Tage zuvor Miss Tonks.
Lucius seufzte. Wenn er mit Snape nicht bald weiterkam, würde der Dunkle Lord verärgert sein. Aber im Moment schien keine Lösung für dieses Problem in Sicht. Und abgesehen von der Ungeduld des Dunklen Lords glaubte Lucius, dass Snape zwar viele Informationen besaß, aber die eine, über den Verbleib Potters gehörte vermutlich nicht dazu.
Es klopfte an der Tür.
„Herein", schnarrte Malfoy.
Crabbe, in eine schwarze Kutte gehüllt, mit einer lächerlichen Ku-Klux-Clan-Haube über dem Kopf, erschien in der Tür.
„Wir sind soweit mit Hagrid", sagte er heiser.
Ah, Hagrid. Noch ein Name in grüner Schrift. Der Wildhüter von Hogwarts hatte so lange unter dem Cruciatus überlebt und geschwiegen, dass Voldemort persönlich sich der Angelegenheit angenommen hatte. Legilimantik erwies sich als lächerlich einfach bei dem Halbriesen.
Und die Wut war seinem Meister ins Gesicht geschrieben gewesen: Sie hatten viel von Hagrid erfahren, aber nicht, wo sich Potter befand.
Der Dunkle Lord hatte am Ende einen eindeutigen Befehl gegeben: „Schlachtet ihn. Wie ein Schwein."
Nun, Lucius war in Stilfragen nicht immer einig mit seinem Meister, aber ein Befehl war ein Befehl. Selbstverständlich würde er diese Order ausführen.
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Severus Snape lehnte sich gegen die kühle Kerkermauer in seinem Rücken. Er nahm einen Schluck des Rotweins, den man ihm gebracht hatte. Kein Chateau Neuf du Pape, aber sicher ein Tropfen aus Lucius' persönlichen Vorräten.
Die alte Freundschaft schützte ihn nicht, er gab sich keinen Illusionen hin. Aber sie verschaffte ihm ein paar Privilegien, wozu auch dieser herbe, erdige Wein gehörte, seine private Kleidung und ordentliches Essen.
Leider schützten ihn diese Annehmlichkeiten weder vor den Gerüchen noch vor den Geräuschen dieses Vorhofs zur Hölle. Crabbe und Goyle, diese beiden magischen Analphabeten, lebten hier hemmungslos ihre grausamsten Phantasien aus. Und das alles unter der Regie des edlen, sich vornehm zurückhaltenden Lucius Malfoy, der die Kerker nur betrat, wenn es sich nicht vermeiden ließ und ansonsten oben in seinem Arbeitszimmer residierte.
Severus hatte bereits den einen oder anderen Abend dort oben mit Lucius beim Schach oder beim Kartenspielen verbracht.
Lucius behandelte ihn höflich, wie einen Gast – einen Gast ohne Zauberstab allerdings. Severus wusste, diese menschliche Fassade war dünn wie brüchiges Eis. Sie dient dem Amüsement des blonden Mannes, und Severus war klug genug, die Vergünstigungen nicht brüsk abzuweisen.
Es würde noch früh genug mehr als unangenehm werden.
Er hörte Schritte näher kommen und erhob sich, als sie vor seiner Zellentür inne hielten.
„Guten Tag, Severus", drang Malfoys geschliffene Stimme aalglatt durch das Verlies. „Ich hoffe, der Wein mundet?"
„Vielen Dank, Lucius. Er ist von exzellenter Qualität", erwiderte Snape.
„Das freut mich." Der blonde Zauberer schlug den Kragen seines dunklen Umhangs hoch. „Ich nehme an, es ist sinnlos, dich an Hagrids Exekution teilnehmen zu lassen, um dich dazu zu bringen, ein paar interessante Details zu verraten – zum Beispiel über Potters derzeitigen Aufenthalt?"
„Deine Annahme ist korrekt, Lucius", entgegnete Snape kühl, aber höflich. „Wenn du Gesellschaft wünschst, werde ich dir jedoch selbstverständlich zur Verfügung stehen."
Lucius lachte leise und perlend. Es klang beinahe angenehm.
„Ich leide allerdings an einem Mangel an kultivierter Gesellschaft, Severus. Ich würde jedoch deine Anwesenheit heute Abend zu einem Spiel unter alten Freunden deiner gleichmütigen Miene beim Tod deines ehemaligen Kollegen vorziehen."
Severus nickte stumm und kehrte an seinen Platz unter dem schießschartenartigen Fenster zurück. Er setzte sich wieder an den wackligen Holztisch und machte sich Notizen zu einem neuen Trank, einem Gift, das langsam die Seele zerstörte.
Es war ähnlich grausam wie ein Dementor, aber besser kontrollierbar. Die Nacht, in der seine Schüler gestorben waren, würde er niemals vergessen.
Als einige Minuten später die Schreie des Halbriesen durch das Gebäude hallten, war er so tief in seine Arbeit versunken, dass er das bittere Gefühl in seiner Brust erst bemerkte, als Hagrid endlich, endlich still war und der metallische Geruch von Blut – viel Blut – durch die feuchten Mauern drang.
Er hörte Lupins Schreie am Ende des Kerkers, heiser und verzweifelt, noch fast eine halbe Stunde lang. Der Gestank musste den Werwolf mit seiner empfindlichen Nase beinahe in den Wahnsinn treiben. Riesenblut enthielt eine beachtliche Portion Schwefel. Endlich bereitete einer der Wächter dem Elend Lupins mit einem Stupor ein jähes Ende, und Severus konnte sich wieder auf seine Arbeit konzentrieren.
Fortsetzung folgt
