Disclaimer: Tolkien alles, ich nix.
Abgesang
Ich halte Blumen in meiner Hand. Ein paar Stengel nur, mit kleinen Blüten.
Ich habe sie schnell aus einem Beet neben meiner Haustüre gepflückt und dann habe ich meinen Sohn an der Hand genommen und bin hier her gegangen.
Wie ein Lauffeuer hatte es sich in der Stadt verbreitet, daß die Männer wieder auszogen nach Osgiliath. Dabei waren sie doch gerade erst zurück gekommen.
Wir alle, die wir hier stehen, wissen, daß sie in den sicheren Tod reiten. Die Stadt wimmelt nur so vor Orks und niemand kann sich ihr ungesehen nähern. Und doch reiten die Männer, folgen einem Befehl, der unzählige Witwen und Waisen zur Folge haben wird.
Was diese Männer nicht wissen, was niemand hier weiß außer uns Frauen, ist, daß wir nicht an ihrem Tod zerbrechen werden. Das Leben geht weiter, die Kinder wollen getröstet werden, das Vieh will versorgt sein und die ersten Kartoffeln müssen bald aus dem Boden. Das Leben geht weiter.
Mein eigener Mann starb schon vor einigen Wochen. Es war keine große und ruhmreiche Schlacht, in der er fiel, nur ein kleines Scharmützel. Doch was macht da schon den Unterschied, tot ist und bleibt er.
Die erste Zeit, danach, durchlebte ich wie betäubt. Ich tat, was ich tun mußte, ich arbeitete und aß und schlief wie ich es immer getan hatte.
Und dann eines Tages stürzte das wissen, daß er nie wieder zurück kommen würde, mit aller Macht auf mich ein. Ich weinte stundenlang und wollte mich nicht mehr beruhigen.
Erst als meine Freundin zu mir kam, mich in ihre Arme nahm, mein Haar streichelte und mir beruhigend zusprach, konnte ich mich wieder fangen.
Sie blieb die ganze Nacht bei mir, tröstete mich, wenn die Albträume mich plagten und küßte meine heiße Stirn.
Im Morgengrauen dann fand ich in ihren Armen die Art von Trost, wie sie mir bisher nur mein Mann gespendet hatte. Unsere Lippen trafen sich zu langen Küssen und meine Hände erforschten einen weichen Körper, der dem meinen so ähnlich war.
Später erzählte sie mir, wie es ihr vor einigen Monaten ergangen war, als ihr eigener Mann auf einer Patrouille in einen Hinterhalt geraten war und nicht mehr nach Hause zurück kehrte.
Eine Freundin hatte ihr in ihren schwersten Stunden geholfen, wie auch sie nun mir geholfen hatte.
Denn das hatte sie damals versprochen, einer anderen zu helfen wie ihr geholfen wurde. Und auch ich legte an diesem Morgen das Versprechen ab, einer Frau in Not zu helfen, so, wie wir Frauen es am besten konnten. In dem wir da waren und zuhörten. Anpackten, wo es nötig war und unseren ganzen Körper in tiefer Freundschaft zur Verfügung stellten.
Die Stunde, mein Versprechen zu erfüllen, wird bald kommen. Ich sehe in die Gesichter der Frauen neben mir und weiß, was eine jede von ihnen denkt: Wird er wiederkehren? Werden meine Kinder morgen noch einen Vater haben? Werde ich noch einen Mann, Bruder, Geliebten haben?
Neben mir reicht eine Frau ihre Blumen einem Krieger, der sie mit ernster Mine entgegen nimmt. Ich halte meine Blumen fest in der Hand. Fast dauert es mich, daß ich sie so eilig ausgerissen habe, sind sie doch ein kleines Stückchen Leben in diesen Zeiten des Todes.
Wem der Männer soll ich dieses Zeichen des Lebens geben? Wen soll ich auserwählen? Kann ich überhaupt wählen? Sie hätten es doch alle verdient, zu leben!
Entsetzt über meine eigene, abergläubische Art werfe ich die Blumen von mir. Sie landen mitten auf der Straße, liegen dort im Dreck bis ein Pferd sie nieder trampelt.
Dort liegen sie nun, zerstört und tot.
Wie überaus passend, denke ich mir und wende mich ab. Ich nehme mein Kind an der Hand und gehe zurück nach Hause.
Das Leben geht weiter.
ENDE
