From Friends and Lovers – The Series ... Story 3
What Friends Are For
© Fu-Dragon
Summary: Teil 3 der FFaL-Series. Nach einem schweren Autounfall fällt Peter ohne Grund ins Koma. Sicher ist nur, dass die Gehirnströme immer mehr abnehmen und Peter sterben wird. Als nun Caine, bei dem Versuch Peter zu helfen, auch noch ins Koma fällt ist klar, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht.
Charaktere: Peter, Kermit, Caine, OC Cara
Warnung: Erwachsenenszenen, Gewalt
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Kapitel 1
Kermit und Jody prosteten sich mit ihren Kaffeetassen zu.
"Ich sehe noch immer Richards dummes Gesicht vor mir, als du den Haftbefehl aus der Tasche gezogen hast, Kermit", lachte Jody ausgelassen.
"Der Kerl kann froh sein, dass er sein Gesicht noch hat", brummte Kermit, während er sich gemütlich gegen die Sitzbank lehnte.
Die Verhaftung Dave Richards war schnell und ohne Probleme über die Bühne gegangen. Er war von ihrem plötzlichen Auftauchen so überrascht gewesen, dass er nicht einmal Gegenwehr geleistet hatte. Endlich konnte diese Akte geschlossen werden. Ein Dealer weniger auf der Strasse, der seinen Stoff verkaufte.
Um den kleinen Sieg zu feiern, hatten Kermit und Jody sich dazu entschlossen, einen schnellen Abstecher in die Kaffeebar zu machen, bevor sie zum Revier fuhren, um den ungeliebten Papierkram zu erledigen.
Jody schaute auf die Uhr. "Oh, ich fürchte, wir sollten uns langsam auf den Weg machen, Kermit. Ich möchte nicht dem Captain erklären müssen, warum wir nach vollbrachter Tat so lange zum Revier gebraucht haben", meinte sie und erhob sich aus ihrer Nische.
Kermit nickte zustimmend, stellte seinen leeren Kaffeebecher auf den Tisch und tat es Jody gleich. Nachdem er bezahlt hatte, folgte er seiner Partnerin ins Freie. Kurz darauf fädelte sich Kermit in den dichten Feierabendverkehr von Sloanville ein.
"Wenn du das Blaulicht anmachen würdest, kämen wir schneller voran als nur Stop and Go", beschwerte sich Jody.
Kermit schüttelte missbilligend den Kopf und entgegnete in einem tadelnden Tonfall: "Jody, Jody, Jody, du weißt doch, dass die Sirene nur in einem Notfall angemacht werden darf."
"Na komm schon, Kermit. Du willst mir doch nun nicht weis machen, dass du dich immer an die Vorschriften hältst. Gib schon zu, dieser Verkehr geht dir ebenso auf die Nerven wie mir."
Kermit warf Jody einen undefinierbaren Seitenblick zu. "Übertreibe es nicht, sonst endest du noch als Kühlerfigur auf meinem Wagen und kannst von dort aus den Verkehr regeln", warf er in einem leichten Ton ein.
Jody zuckte nur die Achseln. Selbst Kermits flapsige Bemerkungen konnten ihr ihre Laune nicht verderben.
"Okay, du hast gewonnen, ich bin ja schon ruhig", erwiderte sie mit einem breiten Grinsen.
Kermit konnte sich ein, 'Braves Mädchen' nicht verkneifen, was Jody erneut zum Lachen reizte.
Innerlich verdrehte Kermit die Augen. Er hatte wirklich nichts gegen Jodys gute Laune einzuwenden, immerhin war er heute ausnahmsweise auch guter Stimmung nach dem Coup, den sie da gelandet hatten. Doch, dass sie sich nun dermaßen albern benahm, das ging ihm schon wieder auf die Nerven.
*Frauen*, dachte er, *die soll mal einer verstehen.*
Die nächsten Minuten verbrachten die beiden in kameradschaftlichem Schweigen. Mittlerweile war der Verkehr noch wesentlich dichter geworden, so dass sie kaum noch voran kamen. Jody schaute gelangweilt aus dem Fenster in der Hoffnung, den Grund für den nun wirklich mehr als zäh fließenden Verkehr zu entdecken, während Kermit sich auf die Strasse konzentrierte. Sie befanden sich kurz vor der nächsten Kreuzung, als Jody plötzlich von ihrem Sitz auffuhr und den Hals lang machte.
"Hey Kermit, ich denke, ich habe den Grund für den Stau. Da drüben", sie deutete mit dem Finger in die Richtung, "scheint es einen Unfall gegeben zu haben. Ich kann noch keine Rettungsfahrzeuge ausmachen, scheint gerade eben erst passiert zu sein."
Jody stutzte einen Moment während sie sich halb aus ihrem Sitz lehnte, um besser sehen zu können.
"Uh...ich, ich denke, eines der beteiligten Fahrzeuge ist Caras Wagen."
Kermit, der die Corvair schon in die von Jody beschriebene Richtung gelenkt hatte, schaltete sofort das Blaulicht ein. Dennoch dauerte es eine gute Weile, bis die Autos vor ihnen in der vollgestopften Straße so weit Platz gemacht hatten, dass sie sich durchquetschen konnten.
Je näher sie der Unfallstelle kamen, desto mehr zog sich Kermits Magen zusammen. Ohne Zweifel war es Caras Wagen, der in einen Unfall mit einem schwarzen Rover involviert war.
Bei dem Rover war die gesamte Vorderfront eingedrückt, er musste Frontal auf Caras Wagen geprallt sein, der sich auch in einem verheerendem Zustand befand. Ebenso wie bei dem Rover, war an ihrem Wagen die gesamte Motorfront eingedrückt und auch die Beifahrerseite schien sehr gelitten zu haben. Mehr konnte er im Moment nicht erkennen.
Eine Menschentraube hatte sich um die beiden Fahrzeuge gebildet, so dass der angespannte Detective nicht ausmachen konnte, wo sich Cara und der andere Fahrer befanden. Der Verkehr auf dieser Straße war zum Stillstand gekommen. Zum einen wegen dem Rover, der noch immer halb auf der Kreuzung stand, als auch wegen der Schaulustigen.
Kermit spürte, wie ihm eiskalt bei dem Gedanken wurde, was er hier vorfinden würde. Kaum hatte er den Wagen mit quietschenden Reifen zum Halten gebracht, sprang er heraus. Jody kam so schnell nicht hinterher.
In der Ferne war das Heulen der Sirenen der Ambulanz, der Polizei und auch der Feuerwehr zu vernehmen, doch das kümmerte Kermit wenig. Er zückte seinen Ausweis und bahnte sich fast brutal einen Weg durch die Menschenmenge.
"Machen sie Platz, Polizei!", raunzte er die Schaulustigen an, die einfach nicht von der Stelle weichen wollten. Jody, die inzwischen zu Kermit aufgeschlossen hatte folgte ihm dichtauf.
Endlich hatten sich die beiden bis zum Geschehen vorgekämpft. Im ersten Moment blieben sie wie erstarrt stehen, mussten erst einmal verdauen, was sie hier sahen. Auf der gesamten Kreuzung lagen Wrackteile und Glassplitter verteilt. Es sah aus, wie auf einem Schlachtfeld.
Jody schlug entsetzt die Hand vor den Mund und flüsterte: "Oh mein Gott."
Beide erkannten mit einem Blick, dass dem Mann in dem Rover nicht mehr zu helfen war, den zwei Passanten auf die Straße gezogen hatten. Eine große Blutlache hatte sich um seinen Kopf gebildet. Er musste mit der Stirn gegen die Windschutzscheibe geknallt sein, an der halb angetrocknetes Blut klebte wie Kermit mit einem schnellen Blick erkannte. Die Augen blickten starr und vollkommen leblos in dem zerschlagenen Gesicht des Fahrers, sofern man es noch als solches erkennen konnte.
Gewaltsam riss Kermit den Blick von der leblosen Gestalt los. Er erholte sich schneller als Jody und bellte seine Anweisungen: "Du kümmerst dich darum, dass die Hilfsfahrzeuge hier durchkommen können. Ich sehe nach Cara. Und ihr", er wandte sich an die umstehenden Passanten, die alle in absurder Faszination das Ganze beobachteten, "macht ganz schnell, dass ihr hier weg kommt, bevor ich jeden einzelnen von euch ins Gefängnis werfe."
Seiner Autorität hatten die Passanten nichts entgegen zu setzen, widerwillig und langsam entfernten sie sich von dem Schauplatz des Geschehens.
Kermit beeilte sich an die Stelle zu gelangen, an der Caras Wagen, zumindest das, was noch davon übrig war, stand. Das ganze Geschehen hatte nur wenig Sekunden gedauert, doch Kermit kam es wie eine Ewigkeit vor, bis er das Autowrack erreichte.
Zwei Männer waren damit beschäftigt, sich um eine zierliche Gestalt zu kümmern, die zwischen ihnen stand, und sich gegen die beiden Männer zu wehren schien. Er erkannte, dass es sich bei der Frau tatsächlich um Cara handelte.
Mit zwei schnellen Schritten war er bei ihr, die Aufmerksamkeit vollkommen auf sie gelenkt. Die beiden Männer schob er einfach zur Seite. Wenigstens stand sie von alleine, da konnte es sie nicht so schlimm erwischt haben.
"Cara, Mädchen. Alles in Ordnung mit dir?", erkundigte sich Kermit besorgt.
Cara ließ die Hand sinken, die sie noch eben abwehrend erhoben hatte und hob den Kopf. Weit aufgerissene, trübe Augen voller Entsetzen und Horror schauten zu ihm auf.
"K.. Kermit?", stotterte sie.
Der Detective betrachtete Cara eingehend, die unwillkürlich einen Schritt auf ihn zugetat. Außer ein paar leichten Schnittwunden am Hals und an den Armen konnte er keine, zumindest äußerliche, Verletzung bei ihr fest stellen. Erleichterung durchflutete ihn. Er legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.
"Ja, ich bin es Cara. Es ist alles in Ordnung, du hast nur einen Schock. Hast du Schmerzen, tut dir etwas weh, siehst du verschwommen?", erkundigte er sich.
Cara ging gar nicht darauf ein, sie konnte ihn nur weiterhin mit großen, schreckgeweiteten Augen anstarren.
"K...Kermit. S...sie w...wollen mich nicht zu P...Peter lassen", wisperte sie.
"Peter?"
Eisiger Schreck durchzuckte den ehemaligen Söldner. Er hatte den Männern, die an der Beifahrerseite des Wagens standen, keinerlei Aufmerksamkeit gezollt. Cara wurde fürs Erste zur Nebensache degradiert. Kermit drehte sich auf dem Absatz herum und hechtete zum Wagen.
"Jody, komm sofort hierher!", schrie er, um die lauter werdenden Sirenen der Einsatzfahrzeuge zu übertönen. Im Moment hatte er keine Zeit, sich um Cara zu kümmern, das sollte Jody für ihn übernehmen. Peter war jetzt viel wichtiger.
Die Männer, einer davon mit einem Brecheisen gewaffnet, traten respektvoll zurück aufgrund Kermits Körperhaltung. Der Detective spürte Übelkeit in sich aufsteigen, als er die total verkeilte, von den erfolglosen Versuchen sie aufzuhebeln, verkratzte und deformierte Beifahrertüre erreichte und durch die zersplitterte Scheibe in den Innenraum schaute.
Im gesamten Innenraum des Wagens lagen die Glassplitter verteilt. Ein relativ großes Glasstück steckte in Peters Schulter, so dass die Wunde nicht einmal blutete, dafür aber all die anderen kleineren Schnitte. Der massige Motorblock hatte sich fast ganz bis in den Fahrerraum geschoben. Ein ungefähr 50 cm langes Metallstück hatte sich aus dem Motorblock gelöst und sich tief in Peters Linke Seite gebohrt. Blut quoll in dicken Strömen aus der Wunde. Peter Kopfs war weit nach hinten gesackt, die Augen waren fest geschlossen. Nur schwach konnte Kermit das Heben und Senken seiner Brust ausmachen. Zumindest lebte er, es war nur die Frage wie lange noch. Man musste kein Arzt sein, um zu erkennen, in welch Lebensgefährlicher Situation sich der junge Mann befand.
In einem aussichtslosen Unterfangen, seinem Freund zu helfen rüttelte Kermit an der Türe, die keinen Millimeter nachgab. Sein Blick irrte zum gegenüberliegenden Fenster, durch das man Cara gezogen haben musste, denn die Türe war auch dort verkeilt. Keine Chance für einen erwachsenen Mann durch das Fenster einzusteigen. Die Öffnung war gerade groß genug, dass die Helfer die zierliche Cara dort heraus holen hatten können.
Ein erstickter Laut zu seiner Linken ließ ihn herum fahren. Es war ihm nicht bewusst gewesen, dass Cara ihm gefolgt war. Nun stand sie vollkommen entsetzt neben ihm, am ganzen Körper zitternd und blass wie ein Leintuch.
"P…Peter", war alles, was sie heraus brachte, die Augen hatte sie starr auf die leblose Gestalt im Inneren des Wagens gerichtet. Sie stand eindeutig unter Schock, schien jeden Moment zusammen zu brechen.
Kermit fluchte verhalten und handelte rein instinktiv. Er packte Cara nicht gerade sanft an den Schultern und drehte sie gewaltsam von dem grausigen Anblick weg.
"Verdammt, Powell, wo bleibst du denn!", schrie er Jody an, die in diesem Moment die beiden erreicht hatte.
"Oh guter Gott", hauchte Jody, als sie Peter erkannte. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und ihr Gesicht verlor jegliche Farbe.
Kermit warf Jody einen scharfen Blick zu, während er ihr die widerstrebende Cara in die Arme drückte. Er hasste es, so grob zu werden, doch er hatte keine andere Wahl, wollte er nicht, dass die Situation vollkommen aus dem Ruder lief.
"Detective Powell reißen sie sich gefälligst zusammen!", befahl er barsch.
Der harsche Tonfall riss zumindest Jody aus ihrem schockähnlichen Zustand. Sie warf Kermit einen entsetzen Blick zu, aber zog dann Cara doch vom Unfallwagen weg.
Kermit wandte seine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz Peter zu. Seine Gedanken überschlugen sich. Verzweifelt suchte er einen Weg, seinem Freund zu helfen. Doch egal was er versuchte, er kam keinen Schritt weiter.
Wenige Sekunden später wurde es plötzlich ruhig. Die Sirenen der Einsatzfahrzeuge waren verstummt. Sie hatten den Einsatzort erreicht.
Aus dem Augenwinkel sah Kermit, wie einer der Sanitäter auf Cara zueilte und der Notarzt zu ihm kam.
"Oh, Shit", hörte er den Notarzt murmeln, als sich dieser ihm näherte.
Kermit trat einen Schritt zurück, um dem Mann Platz zum Arbeiten zu geben. Ihm folgten zwei Feuerwehrmänner und ein Polizist.
Der Polizist kam auf ihn zu. "Was ist hier passiert?", erkundigte er sich.
"Ein Unfall, oder sehen sie schlecht? Kümmern sie sich gefälligst darum, dass der Weg frei gemacht wird und verschonen sie mich mit ihren dummen Fragen!", blaffte Kermit den vollkommen überraschten Mann an, während er seinen Ausweis zückte.
Ohne den Mann weiter zu beachten, wandte er sich an der Arzt, der schon fieberhaft arbeitete.
"Wie sieht es aus Doc?"
Die Antwort des Arztes klang erstickt, da er gerade halb mit dem Oberkörper im Fahrerraum hing, um Peter zu untersuchen, soweit es die Verhältnisse erlaubten.
"Schlecht fürchte ich. Wir müssen sehen, dass wir ihn so schnell wie möglich hier heraus bekommen."
Kermit verdrehte die Augen. Er hatte sich schon ein wenig mehr erhofft. Doch wie konnte der Arzt schon nach so kurzer Zeit sagen, wie es tatsächlich um Peter stand? Auch er war nur ein Mensch und kein Gott.
"Kann ich helfen?", erkundigte er sich, bemüht ruhig zu bleiben.
"Ja, indem sie zurück treten und mich machen lassen", lautete die Antwort des Arztes.
Wortlos tat Kermit das, was der Mediziner verlangte. Er registrierte nur am Rande, wie Cara in einen der Krankenwagen geführt wurde, der sich nun langsam einen Weg durch die verstopfte Straße bahnte.
Jody gesellte sich zu ihm. "Wie siehst es aus?", wiederholte sie mit zittriger Stimme die Worte, die Kermit kurz zuvor dem Arzt gestellt hatte.
"Nicht gut", gab er knapp zurück.
Mehr wurde nicht gesprochen. Beide konnten nur hilflos mit ansehen, wie sich die Feuerwehrmänner nach Leibeskräften bemühten, Peter aus dem Wrack zu schneiden. Mit einer hydraulischen Schere und unter lautem Getöse wurde das Dach Stück für Stück vom restlichen Wagen abgetrennt.
Der Arzt war, kaum, dass sie ein kleines Loch hineingeschnitten hatten, in den Innenraum geklettert. Er intubierte Peter, legte eine Infusion an, fixierte seinen Hals mit einer Manschette und schob ihm vorsichtig, mit Hilfe eines weiteren Sanitäters, der von Außen mithalf, ein Rückenbrett unter. Die Eisenstange als auch die Scherbe in Peters Schulter wurden mit einem festen Verband fixiert, damit sie nicht aus versehen heraus gezogen werden konnten.
Nachdem das Dach nach einer halben Stunde harter Arbeit letztendlich vollkommen entfernt war, kam das größte Problem. Man musste nun Peter aus dem Autowrack bekommen, ohne ihm noch mehr Verletzungen zuzufügen, oder ihn unnötig zu bewegen. Kermit als auch Jody halfen bei dem Unterfangen kräftig mit.
Es dauerte noch weitere, quälende Minuten, bis man es mit vereinten Kräften schaffte Peter aus dem Wrack zu hieven, und in den Krankenwagen zu verfrachten. Sofort nahmen die Sanitäter fieberhaft ihre Arbeit wieder auf. Peters Hemd wurde aufgeschnitten und dann wurde er an mehrere piepsende Apparate angeschlossen. Kermit und Jody konnten nur wie erstarrt daneben stehen und alles mit besorgten Gesichtern verfolgen.
Endlich hob der Arzt den Kopf und gab das Kommando zur Abfahrt.
Kermit trat einen Schritt nach vorne. "Wird er es schaffen Doc?", erkundigte er sich.
Der Arzt warf ihm einen halb mitleidigen, halb genervten Blick zu, bevor er seufzend erwiderte: "Ich weiß es nicht. Er hat einen Rippenserienbruch und innere Verletzungen soweit ich es feststellen konnte, als auch Probleme mit dem Atmen. Mehr kann ich ihnen im Moment nicht sagen. Es sieht gar nicht gut aus. Er muss auf jeden Fall auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus. Ich weiß nicht wie lange ich ihn stabil halten kann."
"Kann ich mit ihnen fahren?", erkundigte sich Jody mit dünner Stimme.
Der Arzt schüttelte vehement den Kopf. "Auf keinen Fall, wir brauchen Platz zum Arbeiten. Folgen sie uns einfach nach, wir bringen ihn ins City Hospital."
Das waren die letzen Worte, die Kermit und Jody hörten, bevor sich die Türen der Ambulanz vor ihren Nasen schlossen.
Jody konnte nicht verhindern, dass sie bei diesem leisen Geräusch zusammen zuckte. Dieser Klang hatte irgendwie etwas endgültiges an sich. Sie hoffte von ganzem Herzen, dass dies kein Vorbote des Kommenden war. Obwohl es sehr warm war, fröstelte sie.
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Nur wenige Minuten nach der Ankunft der Ambulanz stürmten Kermit und Jody in das Krankenhaus. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Peter eilig in Richtung des Operationssaales geschoben wurde.
Jody hatte Mühe die Tränen zurück zu halten, die unwillkürlich in ihr aufstiegen. Sie machte sich furchtbare Sorgen um Peter.
Auch Kermit musste hart schlucken. Wie schon so oft war er froh, dass er diese grüne Sonnenbrille trug, die seine wahren Gefühle so gut verbergen konnte.
Mit einer Stimme, die nicht ganz so sicher klang, wie er es gerne gehabt hätte, wandte er sich an Jody.
"Gib du auf dem Revier Bescheid was passiert ist, damit jemand Annie benachrichtigen kann und sie sollen verdammt noch mal heraus finden, wo Caine steckt. Peter braucht ihn jetzt mehr denn je. Ich werde mich nach Cara erkundigen."
Jody nickte nur, sie fürchtete durch den dicken Kloß, der in ihrer Kehle steckte, eh keinen Ton heraus bringen zu können. Bevor sie sich den Anrufen zuwandte, flüchtete sie sich erst einmal auf die Damentoilette, um sich in den Griff zu bekommen. Dort konnte wenigstens niemand sehen, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen.
Kermit wandte sich an die Schwester, die am Informationspult saß. "Können sie mir sagen wie es Cara Thompson geht? Sie ist gerade eingeliefert worden, hatte einen Verkehrsunfall", erkundigte er sich so freundlich wie es ihm derzeit möglich war.
Dennoch zuckte die Schwester bei seiner Erscheinung zusammen. Zu spät wurde Kermit bewusst, dass sein schwarzer Anzug als auch das ehemals weiße Hemd, diverse Blutspuren aufwies, die von Peters Rettungsaktion stammten.
Die Krankenschwester fasste sich schnell wieder und blätterte in ihren Akten.
"Ah ja, da haben wir sie." Sie schaute zu ihm auf. "Warten sie einen Moment, ich werde den zuständigen Arzt holen", meinte sie, bevor sie sich erhob und weg ging.
Kermit schaute der Schwester einen Augenblick hinterher, dann begann er unruhig hin und her zu laufen. Warten war noch nie seine besondere Stärke gewesen, und schon gar nicht in so einer Situation.
Zum Glück ließ der Arzt nicht lange auf sich warten. "Doktor Walters", stellte er sich vor und reichte Kermit die Hand. "Und sie sind?"
"Detective Kermit Griffin, 101. Revier", stellte sich Kermit vor und erwiderte den Handschlag. "Wie geht es Miss Thompson?"
"Sind sie verwandt mit Miss Thompson?", erkundigte sich der Arzt.
Kermit spürte, wie es langsam in ihm zu kochen anfing. Nur mit Mühe konnte er seinen freundlichen Ton beibehalten, auch wenn sein Gesichtsausdruck etwas gänzlich anderes ausdrückte.
"Miss Thompson hat keine Verwandten mehr, Doc. Ich bin ein Freund von ihr und ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn sie endlich damit heraus rücken würden, was mit ihr los ist."
Mittlerweile wirkte Kermits gesamte Körperhaltung auf den Arzt so einschüchternd, dass dieser unwillkürlich einen Schritt zurück wich. Kermit überbrückte den Abstand zwischen ihn sofort wieder. Der Arzt fummelte unbehaglich an seiner Krawatte herum. Man sah ihm an, dass Kermit ihm nicht geheuer war. Er beeilte sich, Kermits Auforderung nachzukommen.
"Miss Thompson geht es den Umständen entsprechend gut. Sie hat einen Schock, eine leichte Gehirnerschütterung, diverse leichte Schnittverletzungen und Prellungen am gesamten Körper, besonders im Rippen- und Oberköperbereich, die vom Sicherheitsgurt stammen. Ansonsten konnte ich nichts weiter fest stellen."
"Kann ich zu ihr?"
"Natürlich, Detective. Vielleicht können sie die junge Dame dazu überreden, meinen Anordnungen zu folgen. Ich würde sie gerne zur Beobachtung hier behalten, aber sie weigert sich stur zu bleiben. Außerdem wollte sie das Beruhigungsmittel nicht annehmen, das ich ihr spritzen wollte. Dabei hat sie es bitter nötig."
Kermit lächelte grimmig. "Eher können sie einen Eisberg dazu überreden, die Sahara zu durchqueren.", erwiderte er. "Ich werde sehen, was ich tun kann. Im Notfall werde ich sie eben zu dem zwingen, was gut für sie ist."
Der Arzt wirkte irgendwie erleichtert nach dieser Aussage. Kermit konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass Cara diesem Mann eine harte Zeit bereitet hatte. Er kannte ihren Dickkopf nur zu gut.
Kermit folgte dem Arzt in das nächst gelegene Behandlungszimmer. Cara saß mit hängendem Kopf auf der Untersuchungsliege. Sie schaute nicht einmal auf, als sie herein traten im Gegensatz zu der Schwester, die ebenfalls einen ziemlich genervten Gesichtsausdruck zur Schau trug.
Diverse Pflaster und Verbände deckten Caras Schnittwunden ab. Man hatte sie in ein geblümtes Krankenhaushemd gesteckt, das in krassem Kontrast zu ihren blassen Gesichtszügen stand. Das verfilzte Haar hing ihr in wirren Strähnen ins Gesicht, stellenweise noch mit getrocknetem Blut verschmiert, das wohl eher von Peter als von ihr stammte.
Kermit schnitt es tief ins Herz bei diesem Anblick. Sie wirkte so klein und vollkommen verloren in dem steril anmutenden Raum. Der Wunsch sie zu beschützen und alles negative von ihr fern zu halten, wurde fast übermächtig in ihm. Leider war es dafür viel zu spät. Das Unglück war geschehen und er konnte weder ihr noch Peter das Leid ersparen.
Auf das auffordernde Nicken des Arztes hin, trat er näher an Cara heran. "Hey Kleines", sagte er leise, unbewusst Peters Kosewort für sie benutzend.
Cara zuckte bei dem Gebrauch dieses Wortes wie unter einem Peitschenschlag zusammen. Das Zittern, das aufgehört hatte, begann erneut. Kermit hätte sich sonst wohin treten können, weil er bei seiner Wortwahl nicht besser aufgepasst hatte.
"P...Peter", brachte sie stotternd hervor.
"Er lebt und wird gerade operiert", erwiderte Kermit in beruhigendem Tonfall.
"W…will zu ihm", verlangte Cara.
"Das geht nicht, Cara. Ich sagte doch gerade, er wird operiert. Wir können nicht mehr tun als warten. Warum legst du dich nicht hin und lässt den Doktor hier seine Arbeit verrichten? Es bringt nichts, wenn du uns auch noch zusammen klappst", versuchte Kermit auf sie einzureden.
Cara schüttelte stur den Kopf. "N...nein. W...will zu Peter", versetzte sie vehement.
"Na nun komm schon, du kannst doch im Moment auch nichts ausrichten", versuchte es Kermit erneut und streckte die Hand nach ihr aus.
Mit einer Schnelligkeit, die jeden im Raum überraschte, sprang Cara von der Liege und drängte sich mit weit aufgerissenen Augen in eine Ecke des Zimmers. Kermit warf dem Arzt einen Blick zu, der mit dem Lippen lautlos das Wort "Schock" formte. Der Ex-Söldner nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte und signalisierte dem Arzt und der anwesenden Schwester, sich ein wenig zurück zu ziehen, was sie auch taten.
Vorsichtig trat er einen Schritt auf Cara zu. Sie streckte sofort abwehrend ihr Hände aus und ihr Blick irrte wirr durch den Raum.
"Scht, schon gut Cara. Niemand tut dir hier etwas", sprach er auf sie ein.
"W...will nicht hier bleiben. W...will zu Peter", stammelte sie erneut.
Kermit nahm langsam seine Brille ab und trat noch einen Schritt auf sie zu, so dass er nun direkt vor ihr stand.
"Schau mich an, Cara", verlangte er.
Sie reagierte nicht auf die Worte.
"Du sollst mich ansehen", wiederholte Kermit seine Worte, nun mit einem deutlich schärferen Unterton in der Stimme.
Diesmal reagierte Cara auf den Unterschwelligen Befehl. In Zeitlupe hob sie den Kopf, bis sich ihre Blicke trafen. Kermit schluckte hart. Es gehörte mit zu den schwersten Dingen, die er jemals getan hatte, diesem gejagten und gepeinigten Blick stand zu halten.
"Ich mache dir einen Vorschlag. Du schläfst jetzt eine Weile und wenn du wieder wach bist, dann kannst du zu Peter, einverstanden?"
Cara schien einen Moment zu überlegen. Sie suchte in seinem Blick nach der Wahrheit. Kermit fiel es immer schwerer diesem Starren stand zu halten.
"V...Versprochen?", wisperte sie im Tonfall eines kleinen Kindes.
"Versprochen", bestätigte Kermit, mit aller Macht darauf hoffend, dass er dieses Versprechen auch wirklich halten konnte. "Gib mir deine Hand."
Kermit streckte seine Hand aus, die Cara nach langem Zögern ergriff.
"Ja, so ist es gut", lobte Kermit und führte sie auf die Liege zurück.
Er half ihr, sich zu setzen und gab dem Arzt mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er ihr nun die Spritze geben konnte.
Cara, die die Bewegung in ihrem Rücken gespürt hatte, wollte den Kopf drehen, um zu schauen was los war. Kermit reagierte schnell und umfasste mit beiden Händen ihren Kopf.
"Nein, Cara. Schau mich an."
"P...Peter", wisperte sie erneut.
"Ja, du kannst zu ihm, wenn er wieder aufwacht", bestätigte Kermit die unausgesprochene Frage.
Die fremde Hand an ihrem Arm und der kleine Pieks ließen Cara zusammen zucken.
"N...nein", stotterte sie, als ihr klar wurde, was gerade geschehen war.
"Doch. Glaube mir, es ist nur zu deinem Besten", gab Kermit zurück, dem nichts besseres einfiel.
Sekunden später setze die Wirkung des Sedativums ein und Cara fielen die Augen zu. Kermit lies sie sanft auf die Liege zurück sinken. Mit einem tiefen Atemzug straffte er sich und setzte sich in einer fließenden Bewegung die Brille wieder auf die Nase.
"Wie lange wird sie schlafen?", erkundigte sich Kermit.
"Ein paar Stunden, oder auch länger, das kommt auf den Grad ihrer Erschöpfung an. Ich habe ihr nur ein leichtes Sedativum verabreicht", erwiderte der Arzt.
"Gut. Sie rufen mich sofort, wenn sie wieder aufwacht. Ich bin im Wartezimmer bei meiner Kollegin", antwortete Kermit.
Der Arzt nickte zustimmend, sichtlich erleichtert, die schwere Aufgabe bewältigt zu haben.
"Das werde ich ganz bestimmt tun, Detective."
Kermit antwortete ebenfalls mit einem leichten Nicken und wandte sich zum Gehen. Er legte gerade die Hand auf den Türgriff, als der Arzt ihn mit einer weiteren Frage zurück hielt.
"Einen kleinen Moment noch Detective. Sie hatten vorhin erwähnt, dass Miss Thompson keine Verwandten hat. In ihrem Zustand kann man sie kaum alleine lassen, auch wenn ihr körperlich nicht viel fehlt. Hat sie jemand, der sich um sie kümmern kann, wenn sie morgen entlassen wird, oder muss ich sie noch ein paar Tage länger hier behalten?"
Kermit spürte wie sich bei dieser Frage alles in ihm zusammen zog. Oh ja, Cara hatte schon jemand, der sich um sie kümmerte, sogar sehr. Doch dieser Jemand lag wenige Meter entfernt auf dem Operationstisch und kämpfte um sein Leben.
Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, bevor er mit nicht ganz fester Stimme erwiderte: "Oh ja, sie hat jemanden..." Eine kurze Pause entstand, dann sprach er wesentlich entschlossener weiter. "Ich werde mich um sie kümmern."
Ohne die nächsten Worte des Arztes abzuwarten, stürmte Kermit daraufhin regelrecht aus dem Zimmer, total überrascht davon, wie leicht ihm die letzten Worte gefallen waren und wie natürlich sie sich anhörten.
Im Wartezimmer kam ihm schon Jody entgegen. Er brauchte nicht viel, um zu erkennen, dass sie geweint hatte. Innerlich stählte sich Kermit gegen die Worte, die er meinte, von ihrem Gesicht ablesen zu können.
"Wie geht es Cara?"
"Was ist mit Peter?", erkundigten sich die beiden gleichzeitig.
Kermit stieß erleichtert den Atem aus. Doch nicht das, was er vermutet hatte.
"Ich habe noch nichts von ihm gehört", gab Jody bereitwillig Auskunft.
"Sie schläft. Der Schock ist wohl das Heftigste an der ganzen Sache, ansonsten hat sie nur ein paar Schnittwunden und Prellungen und eine leichte Gehirnerschütterung", erwiderte Kermit.
"Gott sei dank. Einer weniger, um dem man sich Sorgen machen muss", erwiderte sie inbrünstig.
Kermit legte Jody die Hand auf die Schulter und führte sie zu den Wartestühlen zurück. Irgendwie spürte er, dass sie im Moment eine menschliche Berührung brauchte. Peters Unfall schien ihr sehr zu schaffen zu machen.
"Hast du das Revier erreicht?", erkundigte er sich.
"Ja. Sie waren alle sehr betroffen, als sie die Nachricht hörten. Strenlich hat Skalany los geschickt, damit sie Annie benachrichtigen kann. Er wollte nicht, dass sie es über das Telefon mitgeteilt bekommt. Ich schätze sie werden in der nächsten Stunde hier eintreffen", erwiderte Jody mit nicht ganz fester Stimme. Die Hände hatte sie fest in ihrem Schoß verkrallt, so dass die Knöchel ihrer Hand schon weiß hervor traten.
"Und was ist mit Caine?", wollte Kermit wissen.
Jody zog die Schultern nach oben. "Nichts. Er scheint mal wieder wie vom Erboden verschwunden zu sein. Anscheinend hat er vor drei Tagen Chinatown verlassen und ist seitdem nicht mehr auffindbar. Und...und die einzige Person, die uns mitteilen könnte, wo er ist liegt hier und..."
Jody unterbrach sich mitten im Satz, sie konnte nicht mehr weitersprechen, ohne in Tränen auszubrechen, die erneut an die Oberfläche drängten.
Kermit konnte nicht länger nur herum sitzen, obwohl er eben erst Platz genommen hatte. Ihm fiel auch keine passende Entgegnung ein auf Jodys Satz, so dass er beschloss lieber nichts zu antworten. Er erhob sich, nachdem er noch einmal aufmunternd ihre Schulter gedrückt hatte und nahm erneut seine Wanderung auf, gesprochen wurde nicht mehr. Im Moment gab es einfach nichts mehr zu bereden, zu viele Gedanken schossen ihnen durch den Kopf. Alles was sie tun konnten, war zu warten und zu hoffen, dass Peter den Kampf auch dieses Mal überstehen würde.
Kapitel 2
Die Türe zum Wartesaal wurde geöffnet. Zwei uniformierte Polizisten, die weder Jody noch Kermit bekannt vorkamen, betraten den Raum.
"Detectives Powell und Griffin?", erkundigte sich der Jüngere der beiden.
Kermit drehte sich vom Fenster weg, an dem er gestanden hatte. "Das sind wir", bestätigte er schroff.
"Officers McMullan und Joyner", stellte der Mann sich und seinen Kollegen vor.
Kermit beobachtete, wie die beiden Männer zögernd einen Schritt näher traten. Jody, die sich in der Zwischenzeit ebenfalls erhoben hatte, stellte sich neben ihn.
"Was können wir für sie tun?", erkundigte sich Jody.
"Wir wollen sie über den Unfallhergang an der Ecke Maples/Chestnut befragen. Wir sind die ermittelnden Officers in dem Fall", antwortete dieses Mal der Ältere der beiden.
"Wir sind aber erst später dazu gekommen, als der Unfall schon passiert war", warf Jody ein.
Kermit beachtete ihren Einwurf nicht, er wollte endlich wissen was genau geschehen war.
"Was haben sie bis jetzt?"
Der Mann zuckte bei dem harten Klang seiner Stimme zusammen.
"Noch nicht viel. Ein paar Zeugenaussagen, die den Unfall beobachtet haben. Es scheint, als ob der Todesfahrer des Rovers bei rot über die Kreuzung gefahren ist und dem anderen Wagen die Vorfahrt genommen hat. Genaueres werden wir erst wissen, wenn die Wagen untersucht worden sind und wir Miss Thompson befragt haben. Sie ist wohl die Einzige, die Licht in die Sache bringen kann."
"Den Teufel werden sie tun", knurrte Kermit.
Joyner sah Kermit erstaunt an. "Wie? Nun, da sie uns auch nichts näheres mitteilen können, werden wir Miss Thompson befragen, ob sie wollen oder nicht."
Das war der falsche Satz. Kermit sah rot. Seine ganze Wut und Sorge entlud sich in einer blitzschnellen Aktion, die er gegen Joyner richtete.
Der vollkommen überraschte Mann wusste gar nicht, wie ihm geschah, als er im nächsten Moment gepackt und an die Wand gedrückt wurde. Kermits rechter Arm presste hart gegen seine Kehle.
Kermits Gesicht war nur wenige Millimeter von dem Joyners entfernt, als er in einem leisen, bedrohlichen Tonfall zu sprechen begann: "Nun hören sie mir mal gut zu. Sie werden nichts, rein gar nicht unternehmen was Miss Thompson anbelangt. Um ihre Aussage werde ich mich später persönlich kümmern. Das Mädchen ist vollkommen fertig mit der Welt und ich werde unter keinen Umständen zulassen, dass sie sie mit ihren Fragen noch mehr quälen, habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?"
"Kermit, was soll das denn. Hör auf damit", drang Jodys Stimme an sein Ohr.
Sie versuchte den Griff an der Kehle des Officers zu brechen, indem sie an Kermits Arm zerrte, doch dieser gab keinen Millimeter nach. Der ehemalige Söldner schenkte Jody keinerlei Beachtung. Im Gegenteil, er schob sie mit der anderen Hand einfach zur Seite, als sei sie ein lästiges Insekt. Seine Aufmerksamkeit galt voll und ganz dem Mann, den er in seinem Griff hielt.
Als keine Antwort von dem Mann kam, verstärkte er seinen Griff und hakte noch einmal nach: "Haben sie verstanden?"
Joyners Lippen verfärbten sich langsam ins Bläuliche. Er zappelte hilflos in Kermits hartem Griff wie eine Fliege, die sich in einem Spinnennetz verfangen hatte. Er konnte nur sein Gegenüber verängstigt anschauen, denn zum Reden fehlte ihm schlichtweg die nötige Atemluft.
Der zweite Officer trat näher und machte Anstalten, seinem Kollegen zu helfen. Jody befürchtete das Schlimmste und tastete unwillkürlich nach ihrer Waffe.
"Detective Griffin! Lassen sie den Mann sofort los!", klirrte die Stimme von Captain Karen Simms in diesem Moment durch den Raum.
Selten war Jody so erleichtert gewesen, die Stimme des Captains zu hören. Niemand von den vieren hatte bemerkt, dass zwei weitere Menschen den Wartesaal betreten hatten.
Kermit reagierte im ersten Moment nicht. Captain Simms trat einen Schritt näher.
"Detective Griffin, das war ein direkter Befehl! Zwingen sie mich nicht dazu, andere Maßnahmen zu ergreifen", betonte sie jedes Wort in ihrem schärfsten Tonfall.
Mehrere Sekunden lang herrschte angespannte Stille im gesamten Raum. Schließlich ließ Kermit den Officer widerstrebend los und trat einen Schritt von ihm zurück.
Joyner sank auf die Knie und hustete heftig. Er hatte sichtlich Probleme, Luft in seine Lungen zu bekommen. Sein Kollege kniete neben ihm, um ihm zu helfen. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Joyner wieder normal atmen und sich mit Hilfe seines Kollegen in eine stehende Position aufrichten konnte.
"Blake, begleiten sie die beiden Kollegen hinaus und stellen sie sicher, dass sich ein Arzt um Officer Joyner kümmert. Anschließend kommen sie zurück und erstatten mir Bericht", gab der Captain Anweisungen, die auch prompt befolgt wurden.
Kaum hatten die drei Personen den Raum verlassen, wandte sich der Captain mit einem Gesicht, das nichts gutes verhieß an Kermit.
"Sind sie denn von allen guten Geistern verlassen? Wie können sie einen Polizeibeamten anzugreifen!", herrschte sie ihn an.
Kermit gab ihr keine Antwort. Demonstrativ wandte er sich von ihr ab und starrte aus dem Fenster.
Der Captain seufzte leise. Es war nicht leicht mit einem Kermit Griffin umzugehen, vor allen Dingen nicht, wenn er sich in einer Stimmung wie dieser befand. Sie beschloss, angesichts der übrigen Situation, ihm später die Leviten zu lesen und fügte nur noch hinzu: "Ihnen ist ja wohl klar, dass sie ein saftiges Disziplinarfahren am Hals haben, sollte sich der Officer dazu entschließen, Anklage wegen Körperverletzung zu erheben. Das kann sie ihre Dienstmarke kosten."
Erneut weigerte sich Kermit einen Ton zu sagen.
Der Captain wandte sich an Jody. "Was war hier los?", wollte sie wissen.
Jody erklärte ihr kurz was geschehen war. Der Captain war höchst erstaunt zu hören, wegen welch einer, in ihren Augen, Kleinigkeit Kermit den Officer angegriffen hatte. Zeugenbefragungen waren nichts ungewöhnliches nach einem Unfall wie diesem und sie sah keinerlei Veranlassung dazu, warum es hier anders sein sollte.
Captain Simms sah sich nach dieser Aussage von Jody genötigt, Kermit noch einmal ins Gebet zu nehmen. Sie trat neben ihn ans Fenster, um sicher zu stellen, dass er sie ja auch verstand.
"Detective, ich verlange nicht von ihnen, dass sie sich bei dem Officer entschuldigen, das sollte ihnen schon ihr Gewissen mitteilen. Aber was sie tun werden, und da hören sie mir am besten ganz genau zu, ist, dass sie in diese Untersuchung NICHT, ich wiederhole NICHT noch einmal eingreifen. Die Officers haben ihre Vorschriften und tun ihre Arbeit. Und wenn ich sie noch einmal dabei erwische, wie sie sich in unangemessener Art und Weise in diese Arbeit einmischen, dann werde ich sie höchstpersönlich am höchsten Fahnenmast aufhängen, den ich finden kann. Ist das klar?"
Von Kermit kam noch immer keine Antwort. Captain Simms holte tief Luft. Soviel Missachtung ihrer Autorität, war ihr in ihrer gesamten Amtszeit noch nicht unter gekommen. Ungeachtet der Folgen, die das haben konnte, ergriff sie Kermits Arm und drehte ihn mit einer Kraft, die man ihr gar nicht zugetraut hätte, zu sich herum.
Sie spürte, wie sich die Muskeln unter ihren Fingern verhärteten und sah auch, wie Kermits andere Hand ruckte, so als wolle er sich mit Gewalt aus diesem Griff befreien. Dennoch zuckte der Captain mit keiner Wimper, als sie Kermit, zu allem entschlossen, in die Augen bzw. in die Sonnenbrille starrte.
"Ist das klar, Detective Griffin?", wiederholte sie mit autoritärer Stimme ihre letzten Worte, in denen eine Eiseskälte mitschwangen.
Ein Muskel in Kermits Gesicht pochte, die kleine Ader an seiner Stirn, trat deutlich hervor. "Glasklar", quetschte er zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor.
"Gut", erwiderte der Captain und ließ seinen Arm los. "Ich erwarte, dass sie sich daran halten, ansonsten..." Sie ließ den Satz offen. Es war auch so vollkommen klar, was sie meinte.
Kermit stand noch einen Moment erstarrt wie eine Salsäule da, dann fluchte er plötzlich laut und stürmte mit langen, eiligen Schritten an den beiden überraschten Personen vorbei aus den Wartesaal.
"Also das ist doch...!" Dem Captain fehlten schlichtweg die Worte. Sie war sehr in Versuchung, dem scheinbar irre gewordenen Detective hinterher zu eilen und ihn zur Vernunft zu bringen. Jodys leise Stimme hielt den Captain zurück und erinnerte sie an den tatsächlichen Grund ihres Hier seins.
"Captain, es ist so viel geschehen in den letzten Stunden, da können die Nerven schon mal blank liegen. Hier befinden sich gleich zwei Personen, um die er sich Sorgen machen muss."
Jody duckte sich unwillkürlich, als sich der Captain zu ihr umdrehte, doch die erwartete Strafpredigt blieb aus. Statt dessen nahm sie neben Jody auf einem der Stühle platz und erkundigte sich: "Wie geht es Peter? Haben sie schon etwas gehört? Und was ist mit Miss Thompson?"
Jody schüttelte den Kopf, leise Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit.
"Nein, leider rein gar nichts. Wir wissen nur, dass es bei Peter auf Messers Schneide steht. Der Arzt konnte uns nicht sagen, ob Peter überleben wird. Cara ist da wesentlich besser weggekommen, sie hat nur leichte Verletzungen, aber wie Kermit berichtete, ist ihr der Unfall schwer an die Psyche gegangen. Im Moment schläft sie."
Der Captain hatte das Gefühl, als ob eine kalte Hand nach ihrem Herzen griff. Das waren keine guten Nachrichten. Ein Mann tot, der andere rang um sein Leben, die dritte Person stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch und ihr Detective war mal wieder ausgerastet. Nein, definitiv keine guten Nachrichten.
Jody riss den Captain mit ihrer nächsten Frage aus ihren Gedanken.
"Verzeihen sie die Frage, Captain, aber wie kommt es, dass sie persönlich hier erscheinen?"
Jody wand sich unbehaglich, als sie Karen Simms anklagenden Blick zu spüren bekam, in dem doch deutlich zu merken war, wie der Captain, trotz ihres autoritären Auftretens vor wenigen Minuten, tatsächlich empfand.
"Ich meine...uh...Peter ist kein Kollege mehr von uns und da dachte ich..." Ihre Stimme verlor sich immer mehr bei dem Versuch, ihre Frage in das rechte Licht zu rücken.
Auf dem Gesicht des Captains erschien die Andeutung eines Lächelns zum Zeichen, dass sie Jodys Gestammel sehr wohl verstanden hatte.
"Detective, auch wenn Peter kein Kollege mehr von uns ist, so hat er doch in meinem Dienst gestanden. Und wenn einem meiner Officers, egal ob ehemalig oder nicht, etwas derartiges zustößt, dann ist das Wenigste, was ich tun kann, hier zu sein und zu schauen, ob ich helfen kann. Offensichtlich habe ich damit richtig gelegen, finden sie nicht auch?"
Jodys Gesicht lief rot an. Sie wusste nicht, was sie auf diese Frage antworten sollte. Zum Glück wurde sie einer Antwort erhoben, da Blake in den Wartesaal zurück kehrte. Zwei fragende Augenpaare schauten ihm entgegen. Blake kam diesem unausgesprochenen Befehl sofort nach.
"Officer Joyner fehlt nichts weiter. Der Arzt meinte nur, er wird die nächsten Tage mit dem Schlucken Probleme haben. Von einer Anzeige gegen Kermit hat er abgesehen."
Ein zweistimmiges, erleichtertes Aufatmen folgte seinen Worten.
"Wenigstens eine gute Nachricht", ließ sich der Captain vernehmen.
"Da hat er wirklich noch mal Glück gehabt", murmelte Jody.
"Gibt es etwas neues von Peter?", erkundigte sich der zurückhaltende Detective im Gegenzug.
Simultanes Kopfschütteln antwortete ihm.
Tiefe Traurigkeit überschattete Blakes Gesichtszüge bei dieser Nachricht. Um das zu überspielen erkundigte er sich: "Kann ich euch etwas bringen? Kaffee, etwas zu Essen?"
Jody schüttelte stumm den Kopf. Der Captain schaute auf ihre Uhr und erhob sich.
"Ich denke, für uns beide wird es Zeit wieder zum Revier zurück zu kehren, Detective. Hier können wird leider nicht viel tun. Jody, sie unterrichten mich bitte sofort, wenn sie etwas neues von Peter hören. Er sollte nicht alleine sein, wenn er aufwacht."
"Sicher Captain", erwiderte Jody mit nicht ganz sicherer Stimme. Ihr war nicht ganz geheuer, hier vollkommen alleine zu sitzen. Wer wusste schon, wo sich Kermit im Moment aufhielt.
Die Hand des Captains legte sich auf ihre Schulter und drückte sie aufmunternd. Jody hob den Kopf und sah ihrer Vorgesetzten in die Augen. Die beiden Frauen wechselten einen verstehenden Blick, bevor sich Captain Simms zu Blake umdrehte und die beiden den Warteraum verließen.
Jody setzte sich seufzend in ihren Stuhl zurück. Warten...wie sehr sie das hasste! Verstohlen wischte sie sich eine Träne aus den Augenwinkeln.
oooooooooo
Schwer atmend kam Kermit zum Stehen. Er war einfach nur gelaufen und gelaufen. Irgendwie in der Hoffnung, den Dämon Schuld loszuwerden, der ihn unbarmherzig mit glühenden Messern quälte. Nun stand er mitten im Grünen neben einer kleinen Parkbank und fragte sich, wie er hierher gekommen war.
Er wusste nicht einmal genau, weshalb er vorhin dermaßen ausgetickt war. Natürlich kannte er die Vorgehensweise bei einem Autounfall, noch dazu bei einem mit tödlichen Ausgang. Doch die Vorstellung, wie Cara unter diesen Fragen ohne Zweifel leiden würde, hatte seinen eh schon angegriffenen Nerven den Rest gegeben. Woher sollten die anderen auch wissen, dass er derjenige war, der dieses ganze Leid verursacht hatte?
Die schwere Last auf seiner Seele ließ ihn den Kopf senken, sein Blick fiel auf seine Hände. Er erstarrte. Ihm war nicht bewusst geworden, dass er sie noch nicht gewaschen hatte. Hartnäckig hatten sich die bräunlich-roten Flecken auf seinen Hände gehalten, es war Blut...Peters Blut. Peters Blut klebte an seinen Händen! Und das nicht nur im sprichwörtlichen Sinne.
Kermit musste ein paar Mal tief durchatmen, um der Welle der Übelkeit stand zu halten, die ihn zu überschwemmen drohte. Er konnte den Blick nicht von seinen blutbefleckten Händen abwenden, die immer mehr zitterten, je länger er darauf starrte. Die Beine gaben unter ihm nach und er sank auf die Parkbank.
Erst vor drei Tagen hatte Cara ihn gebeten, nach ihrem Wagen zu schauen und neue Bremsbeläge einzubauen. Kermit hatte dem auch zugestimmt, aber es immer ein wenig vor sich her geschoben, da das Liegen unter fremden Autos nicht gerade zu seiner beliebtesten Freizeitbeschäftigung gehörte. Wenn er ehrlich gegenüber sich selbst war, dann hätte er das schon längst erledigen können, immerhin hatte er gestern frei und die Bremsbeläge hatte er noch am selben Tag besorgt, als Cara ihn gefragt hatte. Und nun das hier!
Er hatte wieder einmal versagt! Genauso wie bei seinem Bruder David, dessen Tod er auch nicht hatte verhindern können. Erneut fiel sein Blick auf seine blutigen Hände.
*Kermit, du hast Blut an deinen Händen!*
Die Worte hämmerten wie eine Endlosschleife durch seine Gedanken. Worte, die ihm die Dämonen damals auf 'The Gables' zugeflüstert hatten, als er versucht hatte seine Schwester Marilyn zu beschützen. Nicht einmal da war er in der Lage gewesen, ihr zu helfen. Wer sie in Wahrheit gerettet hatte, das waren Caine und Peter gewesen.
Und nun hatte er auch noch ausgerechnet gegenüber Peter, Cara, Caine und vor allen Dingen auch Paul versagt. Wie gestern erschien es ihm, als er Paul hoch und heilig versprochen hatte, sich um Peter zu kümmern und ihn zu beschützen, solange Paul auf der Jagd nach seinen eigenen Dämonen war. Er konnte förmlich Pauls anklagendes Gesicht vor sich sehen, wie er ihn mit diesem bestimmten Ausdruck anschaute, der bedeutete: 'Du hast meinen Sohn umgebracht!'
Ja, und wenn Peter starb, dann hatte er das tatsächlich getan!
Alles was hier noch geschah, war seine Schuld und sonst Niemandes! Dessen war sich Kermit absolut sicher.
*Kermit, du hast Blut an deinen Händen!*
"Nein!"
Kermit sprang auf und schrie dieses eine Wort aus Leibeskräften heraus, in der Hoffnung, diese laute Stimme in seinem Kopf übertönen zu können.
Sie wurde nicht leiser.
"Nein, nein, nein", schrie er erneut und sank auf die Knie, nicht mehr länger fähig, diesem enormen Druck stand zu halten.
Plötzlich hörten die Stimmen in seinem Kopf auf. Fast erleichtert seufzte er auf, doch er konnte nicht verhindern, dass sich seine Gedanken weiterhin nur um eine Richtung drehten. Das war sie, seine eigene ganz persönliche Hölle.
Er fragte sich, warum immer alle anderen seine Missgriffe ausbaden mussten. Er hätte in diesem Auto sitzen müssen. Er hätte derjenige sein müssen, den es erwischte. Er war derjenige, der sich darum gedrückt hatte die Bremsbeläge zu erneuern. Warum also passierte das alles den anderen und nicht ihm?
War das seine Strafe für all die Menschenleben, die er auf dem Gewissen hatte? Musste er deswegen immer zusehen wie andere Menschen, die ihm am Herzen lagen, unter seinen Fehlern zu leiden hatten?
Liebend gerne hätte er jegliche Art der Folter auf sich genommen, und wäre sie auch noch so schlimm, wenn er die Zeit zurück drehen könnte. Selbst diese Stimme von eben in seinem Kopf würde er mit Freude weiter ertragen.
Etwas drückte sich in seinen Rücken, als er sich leicht aufrichtete. Es war seine Waffe. Seine Hand glitt unwillkürlich zu seinem Desert Eagle, der sicher in seinem Holster verwahrt war. Fast liebevoll ließ er die Finger über den kalten Stahl gleiten. Ja, da war sie, die vermeintliche Lösung für all seine Probleme. So würde nie wieder jemand unter seiner Unfähigkeit zu leiden haben.
Es war wie ein kleines Ritual, als er den Eagle aus dem Holster zog, kurz das Magazin checkte und die Sicherung entfernte. Schwer, kalt und dennoch seltsam angenehm, lag die großkalibrige Waffe in seiner Hand. Sie fühlte sich für ihn so natürlich an, wie für andere ein Kugelschreiber, oder Besteck.
Ein Sonnenstrahl fiel auf den schwarzen Stahl, ließ ihn aufblitzen wie einen kostbaren Diamanten. Ein leichtes Lächeln breitete sich auf Kermits Lippen aus, als er die Waffe von einer Hand in die andere gleiten ließ. Konnte das wirklich so einfach sein? Nur einmal den Finger am Abzug gekrümmt...und Schluß?
Ein plötzlicher Wind kam auf und wirbelte das Laub zu seinen Füßen auf. Ihm war so, als hörte er im Rauschen der Windes eine Stimme, die leise flüsterte: "Das ist nicht die Lösung."
Ein Schauer lief ihm über den Rücken, die Waffe in seiner Hand sank schlaff in seinen Schoß hinab. Er kannte diese Stimme nur allzu gut. Eine Stimme, die ihn in zahllosen Alpträumen verfolgte. Diese Stimme gehörte eindeutig seinem Bruder David.
Warum jetzt? Warum meinte er ausgerechnet jetzt Davids Stimme zu hören? Hatte der ihn in seinen zahllosen Alpträumen nicht immer wieder verflucht, weil er ihn im Stich gelassen hatte? Nein, er musste sich getäuscht haben. Die Stimme hatte er sich nur eingebildet. Er konnte sie sich nur eingebildet haben!
Kermit zog tief die Luft in seine Lungen. Wie unter Zwang wanderte sein Blick zu dem kalten Stahl in seiner Hand zurück.
*Soll ich es wirklich durchziehen? Ist das die Lösung für alles?*, dachte er.
Eines der letzten Gespräche mit Peter driftete durch seine Gedanken. Es war um den Selbstmord eines jungen Mannes gegangen, der gerade mal 22 Jahre alt geworden war. Peter hatte ihm auf seine Frage nach dem warum geantwortet: "Selbstmord ist die Lösung der geringsten Widerstandes. Wer Selbstmord verübt, ist nur zu feige den Tatsachen ins Auge zu sehen und die Konsequenzen seines Handelns zu ertragen."
Das waren ziemlich ungewohnte Worte von dem ansonsten eher diplomatischen Peter, die ihn erstaunt hatten.
*Wer Selbstmord verübt, ist nur zu feige den Tatsachen in das Auge zu sehen und die Konsequenzen seines Handelns zu ertragen.*
Immer wieder hallten die Worte wie ein Mantra in ihm wieder, vertrieben für eine kurze Weile sämtliche anderen Gedanken.
Kermit straffte sich. Nein! Kermit Griffin, war kein Selbstmordkandidat! Er würde sich den Konsequenzen stellen.
Sicher, er war an allem Schuld, aber nun musste er auch für diejenigen einstehen, denen er soviel Leid verursacht hatte. Sie mussten jemanden haben, an dem sie ihre Wut und ihren Schmerz auslassen konnten, und derjenige würde er sein!
Entschlossen, wenn auch mit leicht zitternden Händen, sicherte er den Eagle und steckte ihn in sein Holster zurück. Im selben Moment, als er den Eagle wieder an seinem angestammten Platz verstaute, hörte auch der Wind auf. Kermit konnte nur den Kopf schütteln. Seltsam...einfach nur Seltsam.
Die Schultern tief gebeugt durch die schwere Last, machte er sich auf den Weg zurück ins Krankenhaus. Es wurde Zeit, dass die anderen erfuhren, wer in Wirklichkeit Schuld an diesem Unfall war.
Kapitel 3
Skalany betrat gemeinsam mit Annie den Warteraum. Jody, die einsam am Fenster stand, drehte sich bei dem leisen Geräusch um. Ihr Blick streifte Skalany, die Annie in den Raum führte. Sie schüttelte den Kopf, um Skalany anzudeuten, dass sie noch nichts über Peter wusste. Einen kurzen Augenblick trafen sich ihre Blicke. Das genügte Jody, um zu erkennen, wie sehr auch Skalany von den schlechten Nachrichten betroffen war.
Jodys Blick wanderte zu Annie, die sich mit schleppenden Schritten von Skalany führen ließ. Die Sonnenbrille verdeckte einen Großteil ihres Gesichtes, aber sie konnte nicht die Spuren der Tränen verdecken, die sie zweifelsohne ebenfalls vergossen hatte.
Schnell trat sie auf die beiden zu, froh darüber, dass Annie ihr Gesicht nicht sehen konnte, das ähnliche Spuren aufwies, wie das ihrige.
"Oh, Annie", mehr brachte Jody nicht heraus, als sie ihre Hand ergriff.
"Jody", erwiderte Annie. "Hast du etwas neues von Peter gehört?"
Jody hasste es, immer wieder dieselbe Frage beantworten zu müssen, die so an ihrer Seele nagte. Ein wenig forscher als geplant klangen daher auch ihre Worte: "Nein, er wird noch operiert."
Annie seufzte leise, tastete hinter sich und lies sich in einen Stuhl sinken. Ihre Hände lagen verkrampft in ihrem Schoß.
"Kannst du mir wenigstens erzählen wie das passiert ist? Ich weiß nur, dass es einen Unfall gegeben hat", meinte sie mühsam beherrscht.
Ein schneller Blick wechselte zwischen Jody und Skalany, die nur mit den Schultern zuckte und sie halb verzweifelt anschaute. Mit Erschrecken wurde Jody klar, dass sie diejenige sein würde, die ihnen die schlechten Nachrichten mitteilen musste. Um sich Mut zu machen, zog sie tief die Luft in ihre Lungen ein.
"Es war ein Autounfall, Annie. Der Fahrer eines entgegenkommenden Autos hat wohl die rote Ampel übersehen und ist frontal in Caras Wagen geprallt. Mehr wissen wir im Moment leider auch nicht."
Ein leichtes Zittern erfasste Annies Körper bei Jodys Worten. Die ansonsten ziemlich starke Frau, wirkte mit einem Male richtig alt und gebrechlich.
"Ich war so froh, dass Peter endlich gekündigt hat und nun so etwas", sagte sie so leise, dass Jody sie nur mit Anstrengung hören konnte.
Eine unangenehme Stille entstand. Niemand von ihnen wusste, was er sagen sollte. Skalany hatte ihr Gesicht hinter ihren Händen verborgen, sie wollte Jody nicht zeigen wie es ihr gerade ging, zumal sie immer die Beherrschtere der beiden war. Die Nachricht von Peters Unfall hatte sie doppelt getroffen. Zum einem war da die Sorge um Peter und dessen Wohlergehen und zum anderen der verzweifelte Wunsch, Caine hier zu haben, den sie sehr vermisste.
Schließlich war es Annie, die die Stille unterbrach. "Wo ist Kermit, ist er bei Cara?"
Jody wusste nicht genau, was sie darauf antworten sollte. Sie wollte Annie nicht noch mehr aufregen.
"Ich denke schon", erwiderte sie matt.
Annies Kopf ruckte nach oben. "Jody, ich mag zwar blind sein, aber bin sehr wohl in der Lage zu erkennen, wenn Jemand versucht mir etwas zu verheimlichen", erwiderte sie, nun mit etwas festerer Stimme.
Jody sah, wie Skalany die Hände vom Gesicht nahm und fragend eine Augenbraue nach oben zog. Sie schüttelte ihren Kopf in Skalanys Richtung, laut meinte sie: "Ich weiß es wirklich nicht genau, Annie. Er ging vorher aus dem Raum und ist seitdem nicht mehr aufgetaucht. Du weißt, dass er selten Bescheid gibt, wenn er irgendwohin geht."
Immerhin war das die halbe Wahrheit. Jody hoffte nur, dass Annie es ihr abkaufte. Die Frau hatte so einen scharfen Verstand, dass man selten mit einer Lüge oder ähnlichem bei ihr durchkommen konnte.
Bevor Annie eine Erwiderung abgeben konnte, wurde die Türe erneut geöffnet und der Mann ihrer Diskussion betrat den Raum.
Jody, der die Szene von vorhin noch gut im Gedächtnis war, schaute zu Boden, während Skalany ihren Kollegen scharf beobachtete. Täuschte sie sich, oder hatte er tatsächlich einen Moment gezögert, als er Annie gesehen hatte?
"Annie", sagte er leise. Seine Schultern sanken noch ein wenig mehr herab.
Annie streckte dem langjährigen Freund die Hände entgegen. Die Geste hatte etwas hilfloses und gleichzeitig Schutzsuchendes an sich, dass sich Kermit fühlte, als hätte man ein glühendes Messer mitten in sein Herz gestochen. Tief Luft holend ergriff er Annies bebende Hände.
"Kermit, ich bin so froh, dass du hier bist. Hast du etwas gehört?", brach es aus ihr hervor.
Kermit schluckte hart. Sanft drückte er ihre Hände und kniete sich vor sie. Wie konnte sie ihm nur so vertrauensvoll entgegen kommen, wo doch er Derjenige war, der die gesamte Schuld an der Sache trug? Zeit für sein Bekenntnis.
"Es gibt noch nichts neues von Peter, Annie, aber ich habe dir etwas zu sagen."
"Geht es um Cara? Mein Gott, wie konnte ich nur. Ich war so besorgt um Peter, dass ich nicht einmal gefragt habe wie es ihr geht", fiel ihm Annie ins Wort.
Kermit spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Das Ganze war noch schwerer, als er es sich vorgestellt hatte.
In seiner Stimme klang ein unsichererer Unterton mit, als er meinte: "Nein. Cara schläft noch, sie hat nur ein paar Prellungen und leichte Schnittverletzungen. Es geht um etwas ganz anderes, ich..."
Kermit wurde mitten im Satz unterbrochen, als zum x-ten Mal an diesem Abend die Türe geöffnet wurde. Diesmal war es der Arzt, der mit sehr ernstem Gesicht auf das kleine Grüppchen zukam.
Aller Aufmerksamkeit wandte sich ihm zu.
"Sind sie die Angehörigen von Peter Caine?", erkundigte er sich.
Annie erhob sich mit Kermits Hilfe aus ihrem Stuhl. Er trat einen Schritt zurück, während Annie einen unsicheren Schritt auf den Arzt zumachte.
"Ja, das sind wir. Ich bin Annie Blaisdell, die Mutter von Peter. Wie geht es meinem Sohn?", brachte Annie mit einer Stimme hervor, in der all ihre Sorge mitschwang.
Der Arzt zögerte einen Moment, bevor er die ausgestreckte Hand von Annie ergriff, sie drückte und sie gleichzeitig an ihren Platz zurück führte.
"Ich bin Dr. Saunders und habe ihren Sohn operiert, Mrs. Blaisdell. Bitte setzen sie sich zuerst, bevor ich weiter rede."
Das klang gar nicht gut. Kermit spürte wie sämtliche Farbe aus seinem Gesicht wich. Haltsuchend lehnte er sich an die Wand. Auch Jody und Skalany erblassten, beide hatten die Hand vor den Mund geschlagen, Tränen standen in ihren Augen.
Annie straffte sich ein wenig. Wenn schon, dann wollte sie die Nachricht mit Fassung entgegen nehmen. Immerhin war sie die Frau des ehemaligen Captains und musste Stärke zeigen. Zumindest redete sie sich das ein.
"Reden sie Doktor", sagte sie entschlossen und auf alles gefasst.
"Nun, die Operation ist erfolgreich verlaufen, wir konnten die Eisenstange als auch die Glassscherbe entfernen. Mr. Caine hat noch Glück im Unglück gehabt, denn die Eisenstange hat nur die Milz getroffen, die wir leider entfernen mussten. Das CT hat im Bereich seines Kopfes auch keine Verletzungen ergeben, so dass wir Gehirnschäden vorerst ausschließen können." Der Arzt machte einen Moment Pause.
Annie, die spürte, dass da noch ein großes 'Aber' hinterher kam, forderte den Arzt zum weiterreden auf.
Der Arzt holte tief Luft, wie um sich Mut zu machen.
"Nun lassen sie sich nicht alles aus der Nase ziehen Doc. Was ist mit Peter?", mischte sich Kermit ein, dem die ausschweifende Rede des Arztes extrem auf die Nerven ging.
Der Arzt zuckte zusammen. Sein Blick streifte kurz den Ex-Söldner, der nun wie ein Racheengel an der Wand lehnte. Der Gerücht über Kermits "Ausfall" hatte schon die Runde im Krankenhaus gemacht, so dass der Arzt diesem unterschwelligen Befehl sofort nachkam, sogar bei den ersten Worten ein wenig ins stolpern geriet.
"Mr. Caine hat zwei angebrochene Brustwirbel, eine ausgerenkte Schulter, mehrere Schnittwunden und Prellungen, sowie Quetschungen an der Wirbelsäule davon getragen. Dass wir die Milz entfernen mussten sagte ich ihnen ja schon. Durch den Aufprall hat er außerdem einen Serienbruch der Rippen erlitten, wovon eine davon seine Lunge perforiert hat und dieser Lungenflügel ist zusammen gefallen, ein sogenannter Pneumothorax. Da Mr. Caine Probleme mit dem Atmen hat, haben wir ihn vorsichtshalber an das Beatmungsgerät angeschlossen, um seine Atmung zu unterstützen. Außerdem scheint sich eine Infektion im Bereich der Eintrittswunde dieser Eisenstange zu entwickeln."
Atemlose Stille herrschte im Raum nach dieser Rede. Annie war es, die als Erste die Sprache wiederfand.
"Und was bedeutet das nun, wird er es überleben?"
Der Arzt seufzte tief auf.
"Darauf kann ich ihnen keine Garantie geben, Misses Blaisdell. Wir müssen erst abwarten wie die Infektion verläuft, die Antibiotika angeschlagen und auch wie sich der Pneumothorax entwickelt."
"Seien sie ehrlich zu mir. Welche Chancen geben sie ihm?", fragte Annie mir erstickter Stimme.
Der Arzt zögerte einen Moment, bevor er mit der Sprache heraus rückte.
"So wie es im Moment um Mr. Caine steht würde ich sagen die Chancen stehen 50:50. Sein Körper ist durch den hohen Blutverlust dermaßen geschwächt, dass er nicht alleine gegen die Infektion ankämpfen kann. Das ist auch der Grund, warum wir ihn vorläufig im künstlichen Koma behalten wollen. Sein Körper soll Ruhe haben, um sich zu erholen. Es tut mir leid, Misses Blaisdell, dass ich keine besseren Nachrichten für sie habe."
Der Arzt erhob sich, deutliches Bedauern lag auf seinem Gesicht. Annie erhob sich ebenfalls, gestützt von Skalany, die ihr eine helfende Hand unter den Arm gelegt hatte.
"Kann ich zu ihm Dr. Saunders?"
"Er liegt auf der Intensivstation, sie können nichts für ihn tun, Misses Blaisdell. Ich schlage vor, sie fahren nach Hause und kommen morgen früh wieder."
"Ich bin aber jetzt hier, und ich will meinen Sohn sehen", erwiderte Annie, diesmal mit fester Stimme.
Kermit drückte sich von der Wand ab und trat einen Schritt auf den Arzt zu. Unwillkürlich wich dieser einen Schritt zurück. Seine Augen wanderten von Annie zu Kermit, der ebenfalls einen sehr entschlossenen und, vor allen Dingen, bedrohlichen Eindruck auf ihn machte.
"Nun gut, aber nur fünf Minuten und auch nur sie beide. Mr. Caine ist in einer sehr kritischen Verfassung und braucht absolute Ruhe."
oooooooooo
Kermit spürte, wie sich Annies Griff an seinem Arm verhärtete, als sie, nachdem sie in die sterilen Kittel geschlüpft waren, auf die Intensivstation geführt wurden.
Das rhythmische Piepen des Herzmonitors und das stetige Heben und Senken der Beamtungsmaschine waren die einzigen Geräusch, die in dem Raum zu hören war.
Kermits Herz setzte einen Schlag lang aus, als er den jungen Shaolin so still und ruhig in dem Bett liegen sah. Die wächserne Blässe von Peters Gesicht, das halb durch den Intubator verborgen war, hatte fast dieselbe Farbe wie die weißen Laken. Die vereinzelten Schnitte an seinem Hals und Brustansatz, die nicht von der Decke oder dem Verband an der Schulter bedeckt waren, leuchteten hingegen in einem tiefen Rot.
Mehrere Schläuche, unter anderem auch das Drenagesystem für die zusammengefallene Lunge, führten unter der Bettdecke hervor, die an die zugehörigen Apparaturen angeschlossen waren. Eine Infusionsnadel steckte in seinem rechten Arm, der zusätzlich noch an das Bettgitter fixiert war, so als hätte man Angst, er würde sich bewegen. Um den linken Arm war die Manschette des Messgerätes angebracht, das in regelmäßigen Abständen den Blutdruck und Puls maß.
Einzig das kaum wahrnehmbare Heben und Senken seiner Brust deutete an, dass die Person, die hier im Bett lag, tatsächlich noch am Leben war.
Kermit musste hart schlucken bei diesem Anblick, der sich wie heißes Feuer in sein Gehirn einbrannte. Er war regelrecht dankbar dafür, dass Annie zumindest dieser Anblick erspart blieb, wenn auch nicht die Sorge um ihren Sohn, der hier mit dem Leben rang.
Er führte Annie zu Peters Bett und zog den einzigen Stuhl im Zimmer für sie heran, damit sie sich setzen konnte.
"Wie sieht er aus Kermit?", kam auch schon Annies Frage, von der er gehofft hatte, dass sie sie nicht stellte.
Kermit musste sich räuspern, bevor er ihr eine Antwort geben konnte.
"Er wirkt friedlich, Annie, scheint keine Schmerzen zu haben", erwiderte er fest, die Wahrheit vor ihr verheimlichend. Sie sorgte sich schon genug, da musste man nicht auch noch in diese Kerbe schlagen.
Annies Stimme zitterte leicht.
"Ich will mich selbst davon überzeugen. Wo kann ich ihn anfassen? Ich habe Angst, einen Schlauch oder etwas heraus zu reißen."
Der Detective straffte die Schultern, ergriff Annies Hände und führte sie an Peters Kopf.
"Hier besteht keine Gefahr, Annie, kein Verband, nur der Intubator."
"Danke, Kermit."
Der Detective strich Peter eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn, bevor er einen Schritt zurück trat und sich an die Wand lehnte. Mit blutendem Herzen beobachtete er, wie Annie zärtlich, wenn auch mit zitternden Fingern, über Peters Stirn glitt, so als wolle sie jeden Millimeter ihres Sohnes in sich aufnehmen. In dieser Geste lag soviel Liebe und Zuneigung, dass Kermit im wahrsten Sinne des Wortes mit den Tränen zu kämpfen hatte.
"Er ist so warm", flüsterte Annie.
Sie strich Peter die verschwitzen Haare aus der Stirn. Ihre Finger glitten an seinen Schläfen entlang, wanderten weiter hinab, bis sie den Rand des Intubators erreicht hatte. Sie zuckte zusammen bei dieser Berührung.
"Wo ist denn nur Caine. Warum ist er nicht da, jetzt wo Peter ihn so dringend braucht?", brach es aus ihr heraus.
Kermit musste sich räuspern, bevor er ihr antworten konnte. "Sie sind schon auf der Suche nach ihm, Annie. Ich denke, er ist bestimmt schon unterwegs hierher. Er wird sicherlich gespürt haben, dass etwas mit Peter passiert ist."
"Und was wenn nicht?", fragte Annie mit einem verzweifelten Unterton in der Stimme.
Drauf konnte Kermit ihr keine Antwort geben. Mehr als ein lahmes: "Die Ärzte tun für ihn was sie können", brachte er nicht hervor.
Annie erwiderte nichts mehr. Er sah wie eine Träne unter ihrer dunklen Sonnenbrille hervorquoll und über die Wange rollte. Nichts wünschte er sich in dem Moment mehr, als die richtigen Worte zu finden, um sie wenigstens etwas zu trösten, doch sein Gehirn schien sich in eine leere Wüste verwandelt zu haben.
Einen Moment lang überlegte er sich, ob er ihr nicht sagen sollte, wer tatsächlich Schuld an Peters Unfall hatte, doch dann schob er den Gedanken zur Seite. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, ihr noch mehr schlechte Nachrichten zu überbringen. Auf keinen Fall wollte er ihr noch mehr Qual bereiten, auch wenn es ihn innerlich fast zerfetzte.
Ein leises Klopfen an der Türe riss ihn aus seinen trüben Gedanken. Kermit wandte den Blick in die Richtung. Eine Schwester trat ein. Schwester Carmen, konnte er auf dem Namensschild lesen.
Argwöhnisch betrachtete er die Schwester. Er konnte nicht sagen warum, aber er hatte ein komisches Gefühl, was diese Frau anbelangte, so als würde sie nicht das sein, was sie hier darstellte. Energisch rief er sich zur Ordnung. Äußerlich wirkte die Frau absolut unschuldig, seine überreizten Sinne spielten ihm eindeutig einen Streich.
Suchend wanderte der Blick der Schwester zu der Gestalt, die noch immer an der Wand lehnte.
"Detective Griffin?"
Kermit stieß sich von der Wand ab und schaute die Frau auffordernd an.
"Ich soll ihnen von Dr. Walters ausrichten, dass Miss Thompson erwacht ist."
"Danke schön Schwester Carmen", erwiderte Kermit.
Sein Blick wanderte zu Peter und Annie. Er war hin- und hergerissen ob er sie verlassen konnte, oder nicht. Dieses seltsame Gefühl der Krankenschwester gegenüber wollte einfach nicht weichen.
"Du kannst ruhig gehen Kermit", warf Annie ein.
"Bist du sicher, dass du alleine zurecht kommst?"
Annie warf ihm ein eher klägliches Lächeln zu. "Ja, das bin ich, außerdem dürfen wir hier eh nicht mehr lange bleiben."
Der Schwester schenkte ihm ebenfalls ein kurzes, aber aufmunterndes Lächeln und meinte: "Sie können ruhig gehen, Detective. Ich werde mich hier um alles weitere kümmern."
Kermit nickte nur. Noch immer unschlüssig beobachtete er, wie sie neben Annie an das Bett trat und die Infusion von Peter überprüfte. Anschließend entnahm sie aus einer Box neben Peters Bett ein Tuch und wischte ihrem Patienten sanft den Fieberschweiß von der Stirn.
Kermit, letztendlich doch überzeugt davon, dass seine Sinne ihm einen Streich spielten und Peter bei der Schwester in fähigen Händen war, verließ ohne ein Geräusch zu verursachen den Raum.
Der Detective hatte kaum den Raum verlassen und sich des Kittels entledigt, als ihm einfiel, dass er gar nicht wusste in welchem Zimmer sich Cara aufhielt. Die Türen der Intensivstation hatten sich schon hinter ihm geschlossen, so dass er nicht zurück kehren konnte, um zu fragen.
Er sah Dr. Walters den Gang entlang laufen und hielt direkt auf ihn zu.
"Dr. Walters, Schwester Carmen hat mir gesagt Cara ist wieder aufgewacht?", sprach er den Arzt an.
"Ja, das stimmt. Ich habe sie gerade noch einmal untersucht."
"Und, wie geht es ihr?"
"Sie ist noch ein wenig benommen durch die Medikation, das kann auch noch einige Stunden anhalten, aber ansonsten geht es ihr gut. Da sie sich stur weigert, zur Beobachtung im Krankenhaus zu bleiben, können sie sie jetzt mit nach Hause nehmen."
Kermit lächelte leicht. "Na das sind wenigstens einmal gute Nachrichten. Muss ich auf etwas achten?"
"Eigentlich nicht. Vielleicht darauf, dass sie noch ein paar Tage Ruhe hat und sie sollten ihr auch vorsichtig die Haare waschen, um die restlichen Glassplitter zu entfernen. Es kann auch sein, dass sie die nächsten ein, zwei Tage noch leichte Probleme mit der Orientierung haben wird. Und sie wird Probleme mit dem Bewegungsapparat haben, was nach so einem Unfall absolut normal ist. Ich habe an der Rezeption ein Rezept für Miss Thompson hinterlegt für Schmerz- und auch Beruhigungstabletten, falls sie Nachts nicht schlafen kann. Ich schätze, der Unfall wird sich nachträglich auf ihre Psyche auswirken, so dass sie nicht unbedingt Nachts alleine sein sollte."
"Wollen sie damit andeuten, dass sie Alpträume haben wird?", erkundigte sich Kermit.
Der Arzt zuckte mit den Schultern. "Es kann sein, muss aber nicht. Miss Thompson stand ziemlich unter Schock, als sie hier eingeliefert wurde. Ich kann nicht sagen wie schnell sie sich davon erholen wird, oder ob das Nachwirkungen haben wird. Um ehrlich zu sein, lasse ich sie auch nur ungern so früh von hier gehen, aber in der Richtung ist die Dame dermaßen Stur, dass ich keine andere Wahl habe. So benommen sie noch ist, so entschlossen war sie auch, hier nicht länger bleiben zu wollen. Die Schwester konnte ihr gar nicht schnell genug die Entlassungspapiere zum Unterzeichnen bringen."
Ein leichtes Lächeln umspielte Kermits Lippen. Oh ja, er konnte sich lebhaft vorstellen, wie das ausgesehen haben mochte. So lieb, nett und offenherzig Cara ansonsten war, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war es äußerst schwer, ihr das wieder auszureden.
"Nun dann sollten sie mir nur noch sagen, wo ich Miss Thompson finden kann", meinte Kermit, gar nicht näher auf die letzten Worte das Arztes eingehend.
"Den Gang entlang, Zimmer 154", Erwiderte er Arzt.
Kermit streckte dem Mediziner zum Abschied die Hand entgegen, die er ergriff und schüttelte.
"Vielen Dank, Doktor."
"Gern geschehen, Detective Griffin und viel Glück mit Miss Thompson. Die Dame scheint wirklich einen sehr eigenen Kopf zu haben", konnte sich der Arzt nicht verkneifen zu sagen.
Kermit nickte nur zustimmend, bevor er sich zuerst zur Rezeption und dann zu Caras Zimmer aufmachte.
Als Kermit geräuschlos das angewiesene Zimmer betrat, sah er die junge Frau auf dem Bett sitzen, den Kopf hatte sie zwischen den Händen verborgen.
"Hallo Cara", sagte er leise, um sie nicht zu erschrecken.
Dennoch ruckte ihr Kopf hoch. "Kermit", erwiderte sie mit schleppender Stimme.
Kermit trat näher, zwang sich zu etwas, das ein Lächeln darstellen sollte.
"Na, wie geht es dir?"
"Ganz gut, mir ist ein wenig schwindelig und ich habe das Gefühl, dass mein gesamter Körper jemand anderem gehört, aber ich mag mich nicht beklagen."
"Vielleicht solltest du doch zumindest diese eine Nacht hier bleiben", schlug er vor.
"Auf keinen Fall!", rief sie mit einem entschlossenen Unterton in der Stimme aus.
Kermit hob in Aufgabe beide Hände in die Höhe. "Schon gut, es war nur ein Vorschlag. Na dann lass uns eben nach Hause gehen, wenn ich dich nicht davon überzeugen kann, hier zu bleiben."
"Und Peter? Du hast mir versprochen, dass ich ihn sehen kann. Wie geht es ihm?", wandte sie ein.
Bittende Augen richteten sich auf ihn. Augen, denen er kaum widerstehen konnte.
Kermit straffte sich in Erwartung eines neuen Ausbruchs von ihrer Seite. "Tut mir leid Cara, da habe ich dir leider zuviel versprochen. Peter ist erst gerade aus dem OP gekommen und liegt noch auf der Intensivstation. Du kannst ihn heute nicht besuchen, er braucht Ruhe. Bitte verstehe das."
Zu seiner vollkommenen Überraschung nickte sie nur und meinte: "Okay."
*Aha, die Nachwirkung der Medikamente*, dachte Kermit.
Er reichte ihr die Hand, um ihr vom Bett zu helfen. Cara kam leicht schwankend auf die Beine und Kermit legte ihr fürsorglich seinen Arm um ihre Taille, um sie zu stützen.
Sie waren schon auf dem Weg ins Wartezimmer, als Cara auffiel, dass er ihre letzte Frage nicht beantwortet hatte.
"Wie geht es Peter?", wiederholte sie.
Kermits Griff verstärkte sich ein wenig um ihre Taille. Er zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde.
"Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Du musst dir keine Sorgen um ihn machen", log er sie an, aus dem Bedürfnis heraus, sie nicht erneut aufzuregen.
"Gut", erwiderte sie nur.
*Oh ja, die Medikamente wirken wirklich, und wie*, dachte er.
Er wunderte sich noch immer, dass sie sich brav wie ein Lämmlein seiner Führung unterwarf und nicht einmal den Versuch machte, ihren Willen durchzusetzen, was sie unter normalen Umständen auf jeden Fall versucht hätte.
Um zu verhindern, dass sie die Wahrheit über Peter erfuhr, setzte Kermit Cara vor dem Wartezimmer auf einen Stuhl und ging kurz hinein, um Skalany Bescheid zu geben. Annie war mittlerweile auch wieder da und die beiden befanden sich gerade im Aufbruch, Jody eingeschlossen.
"Wie geht es Cara?", wurde er von Annie begrüßt, die seinen Eintritt gehört hatte.
"Sie ist noch ein wenig benommen, ich bringe sie jetzt nach Hause", bekannte Kermit. "Jody, könntest du..."
Skalany unterbrach ihn mitten im Satz.
"Das ist schon geregelt. Ich werde Jody absetzen und Annie nach Hause bringen. Kümmere du dich erst einmal um Cara, die Ärmste muss ja vollkommen fertig sein."
"Das wird sie wohl auch sein, wenn die Medikamente ihre Wirkung verlieren. Im Moment ist sie nicht ganz sie selbst um das einmal so auszudrücken", erwiderte Kermit.
"Aha, du willst damit sagen, dass sie ausnahmsweise nicht versucht, ihren Dickkopf durchzusetzen", brachte es Skalany auf den Punkt.
Kermit nickte nur zustimmend.
"Und wie hat sie die Sache mit Peter aufgenommen?", erkundigte sich Annie, der man die Sorge sehr deutlich ansehen konnte.
"Ich habe es ihr noch nicht erzählt. Ich halte es für besser, sie erst einmal wieder zu sich selbst finden zu lassen, bevor sie sich mit dem auseinandersetzen muss", bekannte er.
Annie legte ihm eine Hand auf den Arm. "Kermit, ich kann deine Gründe verstehen, aber ich bin mir nicht sicher, ob Cara das auch so sehen wird. In der Richtung solltest du dir genau überlegen was du tust. Du weißt, wie nahe sich Cara und Peter stehen", erwiderte Annie eindringlich.
Kermit war nicht in der Stimmung über ihre Worte nachzudenken. Andere Sachen beschäftigten ihn weit mehr im Moment.
"Solange es geht werde ich diese Sache von ihr fern halten und wenn es nur ein zwei Tage sind und ihr werdet ihr gefälligst auch nichts sagen."
Annie zog die Hand von seinem Arm zurück. "Du musst wissen was du tust, Kermit, aber ich denke nicht, dass du damit die richtige Entscheidung getroffen hast", versuchte es Annie ein zweites Mal.
Ihre Worte fielen auf taube Ohren.
"Kann ich noch etwas für dich tun Annie?", wechselte er prompt das Thema.
"Leider nicht. Alles, was wir tun können ist hoffen, beten und warten. Oder doch: Kelly, Caroline und Todd sind gerade in New York, um ihre Tante zu besuchen und ich konnte sie noch nicht erreichen. Du könntest dafür sorgen, dass mich morgen früh jemand abholt, damit ich zu Peter kann."
"Das kann ich tun, ich habe morgen frei", mischte sich Jody in die Unterhaltung ein und legte der älteren Frau eine Hand auf die Schulter, die Annie dankbar drückte.
"Dann ist das auch geklärt, danke Jody."
Kermit beugte sich über Annie und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.
"Ich werde sehen, ob ich morgen früh ebenfalls vorbei schauen kann. So erschöpft wie Cara ist, wird sie morgen bestimmt den ganzen Tag verschlafen", meinte er zum Abschied.
Annie, die den Sinn hinter diesen Worten sehr wohl verstand, ließ sich vernehmen: "Kermit, du wirst doch wohl nicht..."
"Das ist meine Sache, ich tue das, was ich für richtig halte", unterbrach Kermit sie rüde, was ihm gleich wieder leid tat.
Dann drehte er sich um und ging aus dem Raum, ohne eine Antwort darauf abzuwarten.
Jody und Skalany tauschten nur erstaunte Blicke und Annie seufzte leise.
"Das kann nicht gut gehen", meinte sie leise zu sich selbst.
