Ich bin keine Fachfrau in Bereichen wie Medizin, Drogen, Flugzeugtechnik, Waffen oder Undercoverarbeit. Sollten Euch also Fehler auffallen, lasse ich mich gerne korrigieren.
Viel Spaß beim Lesen und ich freue mich auf Eure Kritiken.
Kapitel 1 - VulkanausbruchDas ‚normale' Leben kehrte zurück. Sam und Callen waren tief Undercover und nicht zu erreichen. Kensi und Marty waren überlastet, weil sie dadurch gezwungen waren, die Arbeit von vieren zu zweit zu erledigen. Nate war mal wieder auf einem Geheimeinsatz und niemand wusste, wann er wiederkommen würde. Eric schließlich versuchte, alles zu koordinieren und per Computerüberwachung auf alle aufzupassen, eine Vollzeitbeschäftigung. So war Joann seit ihrem Krankenhausaufenthalt zum ersten Mal wieder alleine auf sich gestellt. Sie vermisste die ‚Frauengespräche' mit Kensi, die Blödeleien mit Marty und die ernsthaft-amüsanten Diskussionen mit Sam. Aber am meisten vermisste sie Callen: seine blauen Augen, die tief in ihr Innerstes zu sehen schienen; das charmant-freche Grinsen, wenn er sie mal wieder veralbert hatte; die Sicherheit, die ihr seine Nähe vermittelte; das Gefühl von Verständnis, weil er oft als einziger ihren Gedankensprüngen folgen konnte. Sie vermisste sogar die Streitereien mit ihm.
Schließlich kam ihr erster Arbeitstag. Doch trotz ihrer Leistungen und ihres Einsatzes bei dem Empfang, wurde Joann von ihren Kollegen immer noch gemieden. Der Vergangenheit verschwand eben nicht einfach. So kehrte sie zu einem einsamen Berufsleben zurück. Trotzdem riss Joann sich zusammen und leistete gute Arbeit. Ihretwegen sollte kein Agent auf Grund falscher, unvollständiger oder fehlender Information in Gefahr geraten.
Nachdem Callen sich zurück gemeldet hatte, waren sie ein paar mal ausgegangen: Kino, Essen, ein Bummel über die Promenade in Venice Beach, ein Besuch des Santa Monica Piers, ganz normale Sachen eben. Joann war gerne mit G zusammen, fühlte sich in seiner Gegenwart sicher. Sie genoss seine Berührungen und liebte es, ihn zu küssen. Zu mehr war sie noch nicht bereit, aber Callen akzeptierte das. Sie war dankbar für seine Geduld.
„Ach, komm schon, Joann, lass mich nicht betteln! Ich muss mal wieder raus und Du auch. Wann bist Du das letzte Mal in einem Club tanzen gewesen? Du kannst doch nicht immer einsam in Deiner Wohnung hocken!" „Ich bin nun mal nicht der Typ, der in Clubs geht, Kensi. Ich ‚hocke' auch nicht ‚einsam' in meiner Wohnung. Du weißt doch, dass ich meine Bücher liebe und gerne Zeit mit ihnen auf meiner Couch verbringe." „Jo, dafür bist Du zu jung! Das kannst Du machen, wenn Du alt und grau bist und im Rollstuhl sitzt. Komm schon, geh mit mir aus!" „Ach, Kens…" „Du hast meine Frage nicht beantwortet, Joann. Wann bist Du das letzte Mal tanzen gewesen?" Schweigen antwortete ihr. „Jo?" „Okay, vor etwa zwei Jahre, Kens." „Na, wenn das alleine kein Grund ist…" Erwartungsvoll schwieg Kensi. Schließlich hörte sie Joann nachgiebig seufzen. „Wann soll ich fertig sein?" „Ja! Ich hole Dich in einer Stunde ab." Bevor Joann es sich anders überlegen konnte, legte Kensi auf.
Zur vereinbarten Zeit stand Joann an der Straße. Sie fühlte sich nicht wirklich wohl in ihrem Kleid und hoffte, dass Kensi sie nicht warten ließ. Unruhig sah sie die Straße hinauf und hinunter. Dann musste sie lächeln. Diesen Fahrstil würde sie überall wieder erkennen. „Hey, Jo, Du siehst toll aus." „Ich hasse es…" Kensi lachte. „Wir werden uns heute toll amüsieren. Freu Dich und mach das Beste daraus." Joann rollte nur mit den Augen.
„Ihr hättet sie sehen sollen!" Kensi war voller Begeisterung. „Zuerst war sie wie auf ihrem Barhocker festgenagelt. Jedes mal, wenn ein Mann sie angesprochen hat, musste ich verhindern, dass sie fluchtartig den Club verließ. Bis sie plötzlich aufsprang, mir ‚Den Song liebe ich!' zurief und auf die Tanzfläche stürzte. Dann bekam ich sie praktisch nicht mehr davon herunter. Sie hat die Tanzfläche gerockt!" Sam und Callen warfen Kensi ungläubige Blicke zu. „Reden wir hier von der selben Frau? Oder hattest Du Samstag ein paar Drinks zu viel?" „Vielleicht sprichst Du ja auch von Dir, Kens. Schließlich bist Du unser Partygirl." Deeks konnte gerade noch in Deckung gehen, bevor Kensis Schlag in treffen konnte. „Jungs, ich sag die Wahrheit! In Joann schlummerte ein Vulkan, der am Samstag ausgebrochen ist." Ihr kam eine Idee. „Wie wär's, an einem der kommenden Wochenenden gehen wir alle gemeinsam aus. Dann könnt Ihr euch selber davon überzeugen." Die drei sahen sich an. „Warum nicht? Wir waren lange nicht mehr zusammen weg, es wird mal wieder Zeit." „Und was machst Du, wenn sie nicht ‚abrockt'?" „Ich besorge eine Woche lang die Doughnuts, Sam." Callen und Marty lachten. Sams Laster war ein ständiger Witz zwischen ihnen allen. „Die richtig guten mit der leckeren Füllung, Sam. Wie klingt das?" Er starrte sie nur an, was die anderen zu einem breiten Grinsen veranlasste.
„Du willst schon wieder ausgehen?", hakte Joann nach. „Wir waren doch erst vor zwei Wochen!" „Na und? Eigentlich wollte ich schon letztes Wochenende gehen, aber das hat ein Einsatz verhindert. Joann, das Leben ist kurz und ich will viel Spaß darin haben. Das Team wollte mal wieder etwas gemeinsam machen und wir waren alle der Meinung, dass Du auch dazu gehörst. Also, stell Dich nicht so an und sag ja." Joann seufzte tief und wollte weiter ablehnen, als Kensi sie noch mal unterbrach. „Und komm ja nicht auf die Idee zu sagen, Du gehörst nicht dazu. Falls Du es vergessen hast, wir haben Dich adoptiert." „Klar, ich bin das Maskottchen vom OSP…" „Joann, es sind Callen, Sam, Deeks, Eric und ich. Ach, und Nate, er ist wieder zurück. Lass mich doch mal nicht die einzige Frau sein." „Ich weiß nicht...", Joann zögerte immer noch. „Joann MacKenzie, Du verpasst einen einzigartigen Abend, wenn Du nicht mitkommst. Außerdem sind die anderen bestimmt sehr enttäuscht, wenn Du ‚nein' sagst." „Kensi, Psycho-Tricks erkenne ich und hab sie auch drauf." Einen Moment schimmerte die Agentin durch. „Tut mir leid, Joann, aber warum muss ich Dir jedes Mal die Daumenschrauben anlegen, wenn ich mit Dir ausgehen will? Liegt es an mir?" „Nein, Kensi, es liegt am Ausgehen." „Aber Du hattest Spaß!" Joann lächelte vor sich hin. „Ja, Kens, hatte ich wirklich. Okay, ich gehe mit."
Es war Freitag Abend und Joann starrte den Eingang an. Kensi hatte einen All-in-One-Club ausgesucht: Restaurants, Bars, Cafés, Discos und Lounges. Er war riesig. Ein paar Mal atmete sie tief durch. Nein, sie hatte keine Angst, sie war nicht alleine. Dort drinnen waren ihre Freunde, sie musste nur zu ihnen gehen.
„Hey, da bist Du ja!" Callen legte eine Arm um Joann und drückte sie kurz. „Wow, Du siehst toll aus!" Sie errötete vor Verlegenheit und strich sich fahrig über die Jeans. „Er hat Recht." Sam lächelte sie an. Auch die anderen machten ihr Komplimente. Erleichtert atmete Joann auf, als ihr Tisch frei wurde und sie nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. „Als ob wir uns abgesprochen hätten!" Kensi deutete lachend auf die Outfits. Sie hatte sich für ein figurbetonendes schwarzes Kleid mit weißem Gürtel und schwarzen hochhackigen Pumps entschieden, während Joann eine hautengen schwarze Jeans mit passender Jacke, ein weißes Tanktop und schwarzen Cowboystiefel trug.
Das Essen war einfach nur lustig. Joann fühlte sich wie in einer Screwball-Komödie. Ein Wort gab das andere, ein Scherz jagte den nächsten. Die sechs kannten sich sehr gut und mochten sich aufrichtig, das war mehr als deutlich zu spüren. Trotzdem fühlte sich Joann als Teil davon. Es war ein gutes, lang vermisstes, Gefühl.
„Los, Leute, ich will endlich tanzen!" Kensi drängte, den Clubbereich zu wechseln, während den Männer mehr nach Bier war. Als Kompromiss suchten sie sich einen Tisch oberhalb der Tanzfläche. Neugierig sah Joann sich um und lauschte begeistert der Musik. Kensi lachte sie an. „Ich hab im Internet gelesen, dass heute 80er Jahre Nacht ist, da habe ich sofort an Dich gedacht." Joanns Augen funkelten. „Ach, wieso?" „Als wir letztens aus waren, bis Du erst aufgetaut, als die alten Sachen gespielt wurden, deswegen. Liege ich falsch?" „Nein, Kens, es ist eine tolle Idee." Spontan umarmte Joann sie. „Danke." Dann war wieder das Funkeln da. „Los, machen wir die Tanzfläche unsicher." Arm in Arm zogen sie los und überließen die Männer ihrem Bier.
Es dauerte nicht lange und die Männer vergaßen ihr Bier und sahen verblüfft zu, wie Joann sich verwandelte. Kensi hatte Recht gehabt, sie rockte die Tanzfläche. So extrovertiert hatte Callen sie nur bei ihrem Ausflug mit dem Strandpicknick erlebt. Er konnte gar nicht aufhören, sie anzusehen. Sam stieß seinen Freund an. „G, wir sind auch noch da." „Ich scheine eine Menge verpasst zu haben." Fragend blickte Nate die anderen an. Die zuckten nur mit den Schultern.
Strahlend tauchte Joann am Tisch auf. „Himmel, hab ich einen Durst!" Gierig stürzte sie ein Glas Wasser hinunter. „Was ist mit Euch, wollt Ihr denn gar nicht tanzen?" Fragend blickte sie in die Runde.
„Kommt schon, es ist doch bloß Tanzen." Sie griff G's Hand und lächelnd ließ er sich von Joann Richtung Tanzflächen ziehen.
„Oh, Mann, die Frau schafft mich! Sie wird überhaupt nicht müde!" Stöhnend setzte sich Callen wieder zu seinem Team. Alle lachten, aber sie sahen auch die Wärme in seinem Blick, als er ihr zuschaute. „Kensi hatte Recht mit dem Vulkan, was, Callen?" Deeks grinste. „Mach keine dummen Sprüche, sondern schwing Deinen Hintern da runter. Du bist jetzt dran!"
Während Joann und Kensi die Tanzfläche kaum verließen, wechselten sich die Männer als ihre Tanzpartner ab. Sie stöhnten zwar darüber, hatten aber eindeutig Spaß. Der Abend schien perfekt zu verlaufen.
Bevor Joann die Tanzfläche verließ, machte sie Kensi ein Zeichen in Richtung Waschräume. Aufstöhnend sah sie die Schlange vor der Damentoilette, reihte sich dann aber seufzend ein. Plötzlich legte sich eine Hand auf Joanns Schulter. Sie drehte sich lächelnd um und erwartete, einen von ihren Freunden zu sehen, doch es war ein vollkommen Fremder. „Hy, Süße, hat's weh getan, als Du vom Himmel gefallen bist?" Sie traute ihren Ohren nicht. Es gab also tatsächlich Männer, die so einen dämlichen Anmachspruch von sich gaben. Während Joann mit spitzen Fingern seine Hand von ihrer Schulter pflückte, schenkte sie ihm einen Blick, der ihn hätte schockfrosten können. Doch der Kerl musste hart im Nehmen sein, denn er ließ sich nicht abschrecken. Also fügte Joann noch ein unfreundliches „Verpiss Dich!" hinzu, das leider ebenso wirkungslos war. Der Kerl wollte einfach nicht von ihrer Seite weichen und bombardierte sie mit dummen Sprüchen. Erlöst wurde sie erst, als Joann die Toilette betreten konnte.
Als sie wieder hinaus ging, stand der Typ immer noch im Gang vor der Damentoilette. Joann beschloss, ihn zu ignorieren. Während sie an ihm vorbei ging, packte er ihren Arm und zog sie schwungvoll an sich heran. Als er seinen Arm um Joanns Hüfte legen wollte, verpasste sie ihm einen Tritt auf den Fuß und stieß ihren Ellenbogen ruckartig in seinen Solarplexus. Abrupt wurde sie losgelassen. Erleichtert ging sie weiter und spürte, wie die Panik in ihr wieder abklang. „Nur ein Betrunkener, nur ein Betrunkener." Wie in Mantra murmelte Joann die Worte vor sich hin.
Suchend blickte sie sich nach Kensi um und entdeckte sie an der unteren Bar, wo sie heftig mit einem ziemlich attraktiven Mann flirtete. In diesem Moment kam Deeks die Treppe herunter und erblickte die beiden. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, seine Schritte wurden langsamer, fast ein wenig unsicher. Dann drehte er sich um und ging zurück. „Oho, so ist das also." Joann hatte sofort begriffen, was los war. Sie war Marty bereits einige Stufen nachgehen, als sie einen Stich im Rücken verspürte. Sofort wurde ihr schwindelig. Verwirrt registrierte sie, wie jemand von hinten ihren Arm mit eisernem Griff umschloss und so heftig an ihm zog, dass sie beinahe die Treppe herunter fiel. „Solche Spielchen machst Du nicht mit mir, Du kleine Schlampe!" Es war der betrunkene Kerl von gerade und er sah wirklich sauer aus. „Ich bin nett zu Dir und Du schlägst mich! Das wird Dich etwas kosten!" Brutal zog er sie hinter sich her.
In Joanns Kopf herrschte nur Leere, sie war unfähig, sich zu wehren, ihre Knie waren wie aus Gummi. Joann verstand nicht, was mit ihr los war. Irgendwie schaffte sie es, sich trotz des feste Griffs umzudrehen und sah Deeks oben an der Treppe stehen. „Marty!" Joann hatte keine Ahnung, woher sie die Kraft nahm, ihn zu rufen.
Deeks hörte jemanden seinen Namen rufen und drehte sich um. Er sah, wie ein ziemlich großer Kerl Joann die Treppe herunterzerrte. Sie wirkte hilflos, als wäre sie nicht richtig bei sich. Während er die Treppe hinunter lief, griff er zu seinem Handy und rief Callen an. „Joann steckt in Schwierigkeiten. Richtung untere Waschräume."
Callen stieß Nate beinahe vom Stuhl, als er aufsprang. „Sam, komm mit. Joann hat Probleme, Deeks ist schon dran." „Wohin?" „Untere Waschräume." Callen drängte sich die Treppe runter, Sam dicht auf seinen Fersen.
Er zerrte sie in einen Lagerraum. Als Joann versuchte, sie loszureißen, schlug er sie hart ins Gesicht. Dann stieß er sie gegen eine Wand und versuchte, sie zu küssen. Seine Alkoholausdünstung ließ Joann den Kopf wegdrehen. Brutal packte er ihr Kinn und drehte ihren Kopf zurück.
„Lass sie los." Deeks hatte sie eingeholt. „Verschwinde, das hier ist mein Mädchen!" Der Betrunkene gönnte Deeks nur einen kurzen Blick. „Nein, sie ist meins. Also, tu, was der Mann Dir gesagt hat." Callen war hinter Deeks aufgetaucht und seine harte Stimme ließ keinen Zweifel aufkommen, dass das unausgesprochene ‚sonst' nichts Gutes bedeutete.
Die Hand des Betrunkenen wanderte von ihrem Kinn zu ihrem Hals und drückte zu. Sie bekam keine Luft mehr. Ihre Sicht verschwamm. „Wehr Dich!" Sie wusste nicht, woher die Worte kamen.
Deeks, Sam und Callen hatten einen lockeren Ring um Joann und ihren Angreifer gebildet, wagten sich aber nicht näher heran, um den Mann nicht weiter zu provozieren. So mussten sie zusehen, wie Joann unter seinem Griff langsam schlaff wurde.
„Dein Mädchen? Wohl kaum." Der Betrunkene lachte. Dann zog er ein Messer aus seiner Tasche und ließ es aufschnappen. „Verschwindet, dann lass ich Dir vielleicht was über!"
Sie war in einem Alptraum gefangen. Sie hörte und sah alles wie durch Watte. „Wehr Dich!" Da waren sie wieder, diese Worte. Sie schienen etwas zu bedeuten, aber sie wusste nicht, was. Langsam glitt sie davon.
Kensi hielt Nate und Eric auf. „Wenn Ihr da rein geht, provoziert Ihr ihn nur noch mehr!" „Aber wir müssen etwas tun! Joann läuft die Zeit davon!" Eric fühlte sich hilflos. Solche Situationen bekam er normalerweise nur über seine Monitore und sein Headset mit und konnte technische Lösungen anbieten. „Nate?" Kensi behielt die Ruhe, obwohl sie Angst um ihre Freundin hatte. „Er ist betrunken, damit ist er unberechenbar." Nate sah Kensi ruhig an. „Eingreifen, so schnell wie möglich, und das Beste hoffen."
„Wehr Dich!" Joann riss ruckartig die Augen auf und griff nach der Hand an ihrer Kehle. Ihr blieb nicht viel Zeit, dass konnte sie spüren. Blindlings schlug sie um sich.
„Lass das!" Der Betrunkene drehte sich zu Joann um, überrascht von ihrer plötzlichen Gegenwehr. Das war der Moment, den sie brauchten. Deeks und Sam rissen ihn von Joann weg und Callen fing sie auf, als sie zusammensackte. Die beiden Männer hatten Mühe, den Tobenden auf dem Boden festzunageln. Kurzentschlossen löste Kensi das Problem, in dem sie sich den nächst besten Gegenstand griff und damit auf seinen Kopf schlug. Abrupt lag er still.
Joanns Blick war glasig, sie nahm ihre Umgebung nur noch verschwommen wahr. Das letzte, was sie sah, bevor sie ohnmächtig wurde, war ein Paar unglaublich blauer Augen.
Kensi blickte sich nach Sam und Deeks um. „Bringt das Schwein raus." Dann redete sie leise auf Callen ein. „Irgendetwas stimmt nicht mit ihr, Callen. Sie hätte sich niemals ohne Gegenwehr von dem Kerl mitzerren lassen." Nate sah vorsichtig um die Ecke. „Ist Joann verletzt, braucht sie einen Arzt?" „Ja, aber wir warten nicht auf einen Krankenwagen." Callen ergriff wieder die Initiative. „Sam, hol Deinen Wagen und beeil Dich. Ich komme mit Jo zum Hinterausgang." Dann sah er sich um und lauschte den Ausbrüchen auf dem Flur. „Du kümmerst Dich besser um Deeks, Nate, bevor ihn noch jemand hört. Eric soll Hetty anrufen. Wir dürfen in keine polizeiliche Ermittlung geraten, aber der Psychopath gehört eingesperrt."
Während Sam Callen und Joann ins Krankenhaus fuhr, warteten die anderen ab. Schließlich kam Eric in Begleitung zweier Zivilfahnder wieder. „Hetty trifft uns im Krankenhaus. Den Abfall werden die beiden entsorgen. Wir sollen hier schnell verschwinden. Unsere Rechnung habe ich bezahlt, also können wir durch den Hinterausgang raus." Er reichte Kensi die Handtaschen und verteilte die Jacken.
„Mr. Callen, was ist passiert?" Hetty sah ihn besorgt an. „Sie hat eine Überdosis." „Niemals!" Kensi war empört. „Joann nimmt keine Drogen!" Ein schwaches Lächeln erschien auf Callens Gesicht und seine Augen verloren für einen Augenblick den schweren Blick. „Sie hat die Droge nicht freiwillig genommen. Der Arzt hat einen Einstich in ihrem Rücken gefunden. Das war dieser Irre." „Und was geschieht jetzt?" Deeks sah Callen besorgt an. „Sie bekommt gerade etwas zur Entgiftung und spricht gut darauf an. Wir können bald zu ihr." Kensi sackte auf einen der Stühle und flüsterte „Es ist meine Schuld, ich habe sie überredet mitzukommen, obwohl sie nicht wollte." „Das ist doch Unsinn, Kens, und das weißt Du auch." Deeks setzte sich neben sie und legte vorsichtig einen Arm um ihre Schulter. Ausnahmsweise ließ Kensi ihn gewähren, sie brauchte den Trost.
Der Arzt kam und lächelte. „Miss MacKenzie geht es gut, sie ist wach und klar. Wenn sie möchten, gehen sie zu ihr. Aber bitte nacheinender, nicht alle gleichzeitig." „Danke, Doktor." Erleichterung machte sich breit.
An der Zimmertür blieben alle stehen, nur Callen und Hetty gingen hinein. Sanft küsste er Joann auf die Stirn. „Du machst Sachen, Kleine." „Du sollst mich nicht ‚Kleine' nennen!" Mit breitem Grinsen und Gelächter wurde der Ausruf von allen quittiert. „Wie ich hören kann, geht es Ihnen gut, Miss MacKenzie." „Ich fühle mich wie einmal durch die Mangel gedreht, aber sonst ja, mir geht es gut." Warm erwiderte sie Hettys Lächeln.
Nachdem sich alle überzeugt hatten, dass Joann bald wieder fit sein würde, gingen sie erleichtert nach Hause. Nur Hetty und Callen blieben noch. „Mr. Callen, vielleicht können Sie uns eine Tasse Tee besorgen, den können wir jetzt alle gut gebrauchen." Er verstand den Wink und ließ die beiden Frauen alleine.
„Ich wollte kurz mit Ihnen alleine sprechen, Miss MacKenzie. Was ist vorhin passiert, nachdem Sie zu den Waschräumen gegangen sind?" Joann schilderte sachlich die Geschehnisse, soweit sie sich daran erinnern konnte. „Es tut mir leid, Hetty, dass ich Ihr Team in Schwierigkeiten gebracht habe. Das war ganz gewiss nicht meine Absicht." Zum ersten Mal lächelte Hetty. „Um in Schwierigkeiten zu kommen, braucht mein Team Sie nicht, Miss MacKenzie, dass kann es auch ganz alleine. Und eine Entschuldigung ist auch nicht notwendig, Sie haben nichts getan, was eine erfordert." „Was geschieht jetzt?" „Nun, Ihr Angreifer ist nicht nur einschlägig vorbestraft, er wird auch wegen Drogenhandel und anderer Delikte mit einem aktuellen Haftbefehl gesucht. Meine Leute haben ihn der Polizei übergeben, die keine Fragen stellen wird." Hetty schwieg einen Moment. „Miss MacKenzie, ich weiß, was in New York geschehen ist und warum sie hier in Los Angeles sind. Im Gegensatz zu Ihren Vorgesetzten und Kollegen vom FBI halte ich sie trotzdem für eine fähige Agentin. Wenn Sie jemals wieder als solche arbeiten wollen, müssen Sie zu den Ereignissen stehen. Freunde ins Vertrauen zu ziehen, kann dabei sehr hilfreich sein." Joann hielt ihrem musternden Blick stand. „Falls Sie es vorher nicht wussten, Miss MacKenzie, nach heute Nacht sollte Ihnen klar sein, dass Sie hier Freunde haben." Wieder machte Hetty eine Pause. „Ich habe Mr. Callen seinerzeit geraten, Ihnen zu vertrauen. Er hat auf meinen Rat gehört. Jetzt gebe ich Ihnen den Rat, vertrauen Sie ihren Freunden."
Als Callen mit dem Tee wiederkam, war Hetty bereits weg. Er warf Joann einen Blick zu, doch die war eingeschlafen. Also zog er sich einen Stuhl heran und machte es sich bequem. Er würde die Nacht hier verbringen. Er nahm einen Schluck von dem Tee und verzog das Gesicht. Hetty hatte Recht, man schmeckte das Papier.
