Leah war noch immer nervös. Es fiel ihr schwer sich zu konzentrieren, aber sie wusste, dass die nächsten paar Minuten ihr ganzes Leben beeinflussen konnten. Konnten, sollten, würden? Sie wusste es nicht genau. Niemand wusste dass wohl so genau… außer ihm natürlich. Irgendwie war alles so schrecklich absurd.

Fast hätte Leah ein ersticktes Lachen von sich gegeben, doch im letzten Augenblick konnte sie sich noch zurück halten. Noch vor ein paar Tagen hätte sie der weißhaarige, alte Mann mit dem schwarzen Umhang verschreckt, doch nach diesem Brief… oh ja… dieser Brief… dieser seitenlange Brief… Der Brief den ihre Mutter ihr nach ihrem Tod hinterlassen hatte. Bitter dachte Leah an das dunkle Mal, dass über ihrem Haus aufgetaucht war und das sie hatte wissen lassen was passiert war, noch bevor sie es betreten hatte.

Nun Leahs Leben war schon immer furchtbar kompliziert gewesen, doch nach dem Tod ihrer Mutter war alles nur noch viel schlimmer geworden.

Schon seit ihrer Geburt lebte sie allein mit ihrer Mutter- auf der Flucht. Sie hatten nie länger als vier oder fünf Monate an einem Ort gelebt, denn eine unheimliche Macht schien sie immer zu verfolgen. Leah hatte nie genau gewusst, was ihre Mutter mit solcher Macht antrieb, andauernd umzuziehen und Leah oft genug daran zu erinnern, dass sie niemals jemandem wirklich vertrauen durfte. Für Leah war ihre Mutter die einzige Freundin und Bezugsperson die sie je gehabt hatte. Alle anderen Menschen in ihrem Leben waren nur so an ihr vorbei geflossen. Ein reißender Fluss hatte sie ihr sprichwörtlich immer wieder entrissen.

Leah war nie auf eine Schule gegangen, sondern hatte immer Privatunterricht bekommen. Zuerst von verschiedenen Lehrern, doch als sie zehn Jahre alt war hatte sich das geändert. Ihre Mutter selbst begann damit sie zu unterrichten und ihr auch endlich einige Fragen zu beantworten. Zum Beispiel erzählte sie ihr warum ihr Leben so turbulent war. Warum sie sich nie niederlassen konnten. Warum sie niemandem vertrauen durften.

Zu Anfang war es schwer gewesen für Leah zu verstehen. Warum sie? Warum musste gerade ihr Leben von diesen seltsamen Menschen, die ihre Mutter Todesser oder schwarze Magier nannte, zerstört werden? Warum verfolgten sie ihre Mutter und sie andauernd? Warum waren sie hinter ihnen her? Natürlich war Leah klar, dass ihre Mutter die Wahrheit sagte. Oft genug hatte sie Schatten gesehen, die sie regelrecht verfolgten. Oft genug waren sie kurz nach diesen Begegnungen wieder einmal weg gezogen. Dass ihre Mutter eine Hexe war, hätte Leah hingegen nie geahnt. Ihre Mutter hatte nie einen Zauberspruch benutzt, oder auch nur irgendetwas in diese Richtung angedeutet. Aber als sie Leah ihre alten Zaubersachen zeigte und ihr erklärte, dass Zauberei ihrer Meinung nach viel zu gefährlich war und ihr zu dem auch noch von diesem schrecklichen Zauberer- der nur du-weißt-schon-wer genannt wurde- erzählte, konnte Leah die Entscheidung ihrer Mutter, nie wieder zaubern zu wollen, nachvollziehen. Trotzdem war sie auf jede Minute scharf in der sich ihre Mutter überwand und ihr ein oder zwei Zaubersprüche zeigte und beibrachte. Meistens waren es nur die leichten, wie „lumos" oder „allohomora", aber ein oder zwei Verteidigungssprüche lernte sie auch. Zum Schutz, sagte ihre Mutter, dabei besaß Leah nicht einmal einen eigenen Zauberstab.

Das größte warum jedoch, dass warum wer ihr Vater war, hatte sich ihre Mutter für ihren letzten Brief aufgehoben und sie konnte es noch immer nicht fassen…

Leah Black konnte einfach nicht fassen, dass sie eine von ihnen sein sollte.