Der junge Krieger saß regungslos auf dem schwarzen Drehstuhl vor seinem Schreibtisch und starrte mit leerem Blick mehr oder weniger durch die hellgraue Tischplatte. Sein rechter Ellenbogen stützte das ebenfalls nach rechts verlagerte Körpergewicht auf der Armlehne ab, während sein linker Arm locker auf seinem angewinkelten Knie lag. Mit dem rechten Bein, das locker ausgestreckt unter dem Tisch lag, drehte er unbewusst seinen Stuhl hin und her, in einem gleichmäßigen und ruhigen Rhythmus.

Wie sehr er wirklich in seine Gedanken versunken war wurde ihm erst bewusst, als ein plötzliches Geräusch in seiner unmittelbaren Nähe ihn aus dem Nichts heraus überraschte und empfindlich zusammen zucken ließ. Blitzschnell und mit akribischer Präzision scannten seine tiefschwarzen Augen messerscharf über jeden Millimeter des kleinen Wohnraumes bevor sie schließlich die kleine LED Uhr auf dem Schreibtisch vor ihm ins Visier nahmen.

17:24 Uhr.

Über den Daumen gepeilt also dreieinhalb Stunden zu früh für die all abendliche Stippvisite seines besten Freundes, der sich bei dem Versuch ihn in die Bar zu komplimentieren, eine inzwischen routinemäßige Abfuhr abholen kam.

Bei dem Gedanken daran entfuhr ihm ein halb amüsiertes, halb ironisches Schnauben.

Bis vor ein paar Wochen – oder waren es Monate?! - gehörte er selbst, wie auch der Rest seiner Crew, schon beinahe zu dem Inventar dieser Spelunke. Jeden freien Abend haben sie die Krüge erhoben, auf ihre vergangenen Erfolge und künftigen Ziele angestoßen, die Stimmung war ausgelassen, das Bier erfrischend und kühl und irgendwann endete es darin, dass er mit irgendeiner Frau den Bar verließ um in ihrer Gesellschaft eine noch etwas intensivere Form der Ablenkung zu vollziehen.

Doch das hatte sich exakt an dem Tag geändert, als seinem Team ein neues Mitglied zugeteilt wurde.

Mit einem unbewussten Seufzen auf den Lippen fuhren seine Hände durch die wilde und unzähmbare schwarze Haarpracht, bevor er seinen Kopf auf die Handflächen stützte.

Ein weiteres, vorsichtiges Klopfen an seiner Tür ließ ihn zurück in die Realität zucken und verdeutlichte ihm auf diese Weise, dass er schon wieder ungewollt und unbemerkt mit seinen Gedanken abgedriftet war. Seine Hände verschränkten sich in seinem Nacken als der den Kopf genervt nach hinten warf und ein Zischen über die Lippen presste.

Er hatte wirklich nicht die geringste Lust die Tür zu öffnen und sich mit was-auch-immer auseinanderzusetzen, doch selbst das war ihm noch wesentlich lieber als weiterhin unbeabsichtigt über dieses elende Thema nachzudenken. Dementsprechend stand er mit einer schwungvollen und fließenden Bewegung von seinem Stuhl auf und war wenige Schritte später bereits an der Tür.

Doch kaum hatte er die Tür nur einen Spalt breit geöffnet, verfluchte er sich innerlich für diese Entscheidung. Denn dort vor ihm, auf der alten hellbraunen Fußmatte, stand eben jenes neue Teammitglied, welches ihm von der ersten Sekunde an beinahe ein Magengeschwür bereitete.

GINE.

Er unterdrückte sowohl das reflexartige Augenrollen, als auch das genervte Grollen, was unheilvoll in seiner Kehle lungerte, als er sich zwang die Tür vollständig zu öffnen.

Für jemanden, der an seine Tür geklopft hatte, schien sie erstaunlich überrascht zu sein, dass es tatsächlich er war, der diese Tür auch öffnete. Für einen kurzen Augenblick kam ihm der Gedanke, dass sie eventuell darauf spekuliert hatte, dass er nicht zu Hause war oder nicht öffnen würde, doch nicht einmal sie würde an eine Tür klopfen in der Hoffnung, dass niemand öffnen würde ... oder doch?!

Das er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, ein Shirt anzuziehen, wurde ihm erst bewusst, als ihr Blick deutlich erkennbar über seinen nackten Oberkörper scannte. Er war kurz davor ihr zu sagen, dass sie ein Foto machen sollte, damit sie länger etwa von dem Anblick hat, als ihre großen mandelförmigen Augen zu ihm hinauf sahen. Für einen flüchtigen Moment sahen sie sich einfach nur an, bevor nur einen Wimpernschlag später die sonst dauer präsente Unsicherheit und Nervosität in ihren Blick zurückfanden.

„T-Tut mir leid, falls ich störe, Boss ... aber ... also ... ich habe eine Bitte." Es war offensichtlich, dass sie darum bemüht war mit fester und entschlossener Stimme zu sprechen, doch es war noch offensichtlicher, dass sie dabei auf ganzer Linie versagte. Selbst ohne das jämmerliche Stammeln und die viel zu hohe Tonlage hätte sie ihre Körperhaltung schon auf weite Distanz verraten. Diese dauerhafte Nervosität ihrerseits war eines der Dinge, die innerlich zur Weißglut trieb, vermutlich sogar zusammen mit ihrer Anspannung das allerschlimmste Detail der nicht geringen Liste. Ein Teil von ihm hatte nicht wenig Lust ihr eiskalt die Tür vor der Nase zuzuknallen und sie auflaufen zu lassen. Immerhin war es schon entschieden genug, dass er sich während der Missionen mit diesem Abziehbild eines Saiyajin herumschlagen musste, doch dummerweise war er im Endeffekt nichts anderes als ihr Kommandant und damit sollte er sich wenigstens anhören, was dieser kleine Quälgeist von ihm wollte. Außerdem konnte er ihr dann noch immer die Tür vor der Visage zuknallen, wenn ihm danach war. Vorausgesetzt, dass sie in diesem Leben noch mit der Sprache rausrücken würde und das bevor er die Geduld verlieren würde. Ohne auch nur ein Wort zu verlieren, verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich locker in den Türrahmen, in der naiven Hoffnung, dass sie das vielleicht dazu bringen würde, den verdammten Stock auf ihrem Hintern zu ziehen.

„Ich ... also ... ich hab es wirklich versucht ... zu trainieren, meine ich. ... Wirklich ... Aber ... naja, allein..."

Der Saiyajin musste sich jetzt regelrecht daran erinnern in einem gleichmäßigen und ruhigen Rhythmus zu atmen, was nicht einmal ansatzweise so einfach war, wie es vielleicht klingen mochte. Doch das letzte was er wollte, war dass diese Weib sich vor Schreck noch nass machte, wenn er sie jetzt anfahren würde – zumindest nicht solange sie auf seiner Fußmatte stand. Abgesehen davon ... was zum beschissenen Teufel stimmte mit dieser verdammten Frau nicht? Zugegeben, er war nicht unbedingt Prince Charming, zumindest nicht während der Missionen und besonders ihr gegenüber fand er zumeist sehr deutliche Worte ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen, aber nach inzwischen fast sechs beschissenen Monaten, sollte selbst ihr klar sein, dass es nicht den kleinsten denkbaren Grund für diese angespannte Nervosität ihm gegenüber gab! Im Gegenteil, sie sollte wissen, dass es für sie nichts anderes als der Jackpot alles Jackpots war, ausgerechnet in seinem Team gelandet zu sein, verdammt noch mal! So harsch und überdeutlich seine Worte ihr gegenüber auch sein mochten, er beließ es stets bei verbaler Kritik und damit war er einer von wenigen! Außerdem war es niemand anderes als er selbst, der ihr auf jeder Gott verfluchten Mission ihren jämmerlichen Arsch rettete. Noch so etwas, was ihm – gelinde gesagt – gewaltig auf den Sack ging, aber es kam nicht in Frage, dass er eines seiner Teammitglieder im Stich lassen würde. Seine Quote war tadellos in dieser Hinsicht und das würde nicht mal jemand wie sie ruinieren!

Es dauerte eine ganze Weile, bis die Frau auf seiner Türschwelle endlich aufhörte ihre Finger wie einen Knautschball zu missbrauchen und einmal tief durchatmete, bevor sie es endlich schaffte das auszusprechen, was nach ihrem gestammelten Halbsatz ohnehin schon relativ klar war – und was er ganz entschieden ablehnen würde!

„Kannst du mich trainieren, Boss? ... Bitte bitte ...?..." Es war ganz genau das, womit er gerechnet hatte. Womit er allerdings keineswegs gerechnet hatte war, dass sie ihn zwei Mal anblinzelte und dann ganz unverhohlen ansah. In dieser Sekunde war da nichts mehr von all dem Zögern, der Anspannung oder der Nervosität in ihrem Blick zu erkennen, sondern sie sah ihn einfach nur mit ihren intensiven und durchdringenden Augen an, die es in diesem Augenblick nicht zum ersten Mal schafften, dass sein Kopf auf Leerlauf schaltete.

„05:30. Court B. Pünktlich." Obwohl sie unter seinem Blick eingeknickt war und die typische Nervosität wieder die Oberhand gewonnen hatte, hatte dieser nur Sekunden andauernde Moment scheinbar ausgereicht um ihm diese Worte zu entlocken. Sie blinzelte ihn überrascht an, bevor sich ein breites Grinsen auf ihre Lippen legte. Blitzschnell wanderte der Blick seiner schwarzen Augen über die schmale und kleine Frau vor ihm und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sich mit einem Augenrollen um und ließ die Tür zurück ins Schloss fallen.

Deutlich genervt lehnte er sich gegen die Wand und schloss die Augen. Ein wirklich missgelauntes Grollen entwich seiner Kehle, was allerdings niemand anderem als ihm selbst galt. Mental verpasste er sich nicht nur einen Kinnhaken für diese Aktion.

Was zum Teufel war aus der festen Absicht geworden, ihr eine entschiedene Absage zu erteilen? Er musste vollkommen bescheuert sein, dass er sich tatsächlich bereit erklärt hatte jemanden wie sie zu trainieren! Was in Dreiteufelsnamen stimmte denn bitte mit ihm nicht?

Es waren diese verdammten Augen!

Dieser verdammt beschissene Blick, mit dem sie ihn angesehen hatte!

Immer wieder schaffte sie es mit diesem Blick, dass sein Verstand eine Auszeit nahm und das zusammen mit seiner Fähigkeit logisch zu denken.

Wütend presste er die Kiefer aufeinander, während sich gleichzeitig seine Augen missmutig zusammenzogen.

Schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen hatte dieser Blick ihn derart schachmatt gesetzt, dass er nicht einmal mehr seinen Namen wusste – und selbst als ihm dieser wieder eingefallen war, hatte er ihn nur mit einem Stottern über die Lippen gebracht!

Eine Erinnerung, die sich noch immer wie ein Stachel in ihn hinein bohrte.

Dieses Weibsbild war das pure Gift und jetzt hatte er sie auch noch in seiner sogenannten Freizeit an der Backe.

„Glanzleistung, Bardock. Echt klasse..." Mit diesen halb gemurmelten, halb geknurrten Worten ging er kopfschüttelnd zurück in den überschaubaren Wohn-, bzw. Schlafraum und ließ sich rücklings auf sein Bett fallen, bevor er die Arme vor dem Gesicht verschränkte.

Ganz kurzzeitig kam ihm der Gedanke, einfach nicht am Trainingsplatz zu erscheinen und sie ins leere laufen zu lassen, doch so schnell dieser Einfall kam, so schnell verwarf er ihn auch wieder. So etwas entsprach einfach nicht seiner Art. Er war jemand, der sein Wort zu halten pflegte, ganz gleich wem er es gegeben hatte oder wie wenig Lust er hatte und das galt besonders für Mitglieder seines Teams – auch wenn er sich in dieser Sekunde dafür verfluchte. Er hatte sich die Suppe eingebrockt, jetzt würde er sie auch auslöffeln müssen. Den Schwanz einziehen wäre nichts anderes als feige und das letzte was er war, war ein Feigling.

Außerdem ... es war mehr als offensichtlich wie viel Überwindung es sie gekostet hatte, diese Bitte zu äußern, da wäre es nicht fair sie einfach eiskalt stehen zu lassen ...

Bei diesem unerwarteten Gedanken, riss er augenblicklich die Arme von seinem Gesicht und starrte mit finsterer Miene an die Decke. Das war lächerlich. Es war ihm herzlich egal, ob es fair wäre oder nicht ... warum dachte er überhaupt darüber nach?! Der Mist war beschlossene Sache und Basta! Ein abfälliges Zischen kam über seine Lippen, bevor er sich in Bauchlage warf und das Daunenkissen über seinen Kopf zog.

Seine Laune war jetzt endgültig im Keller angekommen.

Was ein verdammt beschissener Tag ...

Doch er hatte ernsthafte Zweifel daran, dass der nächste Tag besser werden würde ...