Disclaimer: Die Figuren sowie der Schauplatz der folgenden Fanfiction gehören nicht mir, sondern Stephenie Meyer. Ich spiele nur ein bisschen mit ihnen...

Warnung! Das hier ist keine einfache Geschichte, Edward hat eine traumatische Vergangenheit, die in diesem Kapitel angesprochen wird. Es wird besser, versprochen, aber anfangs ist es eine sehr traurige Geschichte...

Betrachtet euch hiermit als gewarnt!

Über Reviews würde ich mich unglaublich freuen!

Liebe Grüße, Red

1. Erinnerungen

Edward

Mit einem leisen Seufzen vergrub ich den Kopf in meinen Händen, starrte auf das ausgebleichte Plastik des Cafeteriatisches, ohne es zu sehen. Da waren sie wieder. Die Bilder, die mich nicht losließen, die immer vor meinem inneren Auge vorbeizogen, wenn ich es am wenigsten erwartete. Genügte es nicht, wenn sie mich in meinen Alpträumen verfolgten, Alpträume, die mich Nacht für Nacht schreiend aus dem Schlaf fahren liesen? Mussten sie mich nun auch am Tage peinigen, diese Erinnerungen? Ich wünschte, ich könnten nur für einen einzigen Moment vergessen. Vergessen, wer ich war. Vergessen, was ich gesehen hatte.

Ich wusste, dass mich viele beneideten. Die meisten sahen nur das silbern glänzende, neue Auto, die teuren Designerklamotten, die heile Familie, die wir nach außen hin waren. Keiner konnte verstehen, warum ich in der Mittagspause stets alleine an diesem Tisch saß und ins Leere starrte, warum ich mit niemandem sprach. Anfangs hatten viele versucht, ein Gespräch mit mir anzufangen. Sie waren geblendet von meinem Äußeren, von dem schönen Schein, der mich umgab. Keiner sah mich, wie ich wirklich war, keinen interessierte es wirklich.

Ich hatte sie alle zurückgewiesen, anfangs höflich, dann immer bestimmter, und schließlich so schroff und kalt, bis es schließlich auch der Letzte verstanden hatte. Edward Cullen – Achtung, Gefahr. Auf Abstand bleiben.

So war es einfacher. Und wenn ich hin und wieder die neidischen Blicke bemerkte, die sie auf mein Auto warfen, dann musste ich mir oft ein bitteres Grinsen verkneifen. Sie hatten ja keine Ahnung...

„Mr Cullen!", riss mich die nasale Stimme des Englischlehrers aus meinen Gedanken. Mit einem leisen Seufzen richtete ich meinen Blick wieder nach vorne auf die Tafel, auf der Mr Comb gerade die Beziehungen der verschiedenen Charakter in Shakespeares bekanntestem Stück anhand eines Schaubildes verdeutlichte. Gott, wie ich das Thema hasste, ich meine, Romeo und Julia, wirklich? Als ob irgendein normaler Mensch auf diesem gottverdammten Planeten noch an so etwas wie die wahre Liebe glaubte! Wurden nicht zwei von drei Ehen wieder geschieden? Und selbst die Ehen, die nicht geschieden wurden, waren nicht immer rosarot und zuckersüß, dass hatte ich aus bitterer Erfahrung gelernt.

Sobald man einen anderen Menschen zu nahe an sich heranlässt, sobald man sich öffnet, sobald man sich an einen anderen Menschen bindet, wird man verletzlich. Liebe macht schwach. Liebe liefert dich aus, und der, den du einst zu lieben glaubtest, wird dich mit Freuden verraten, ausnutzen, und dich letztendlich vernichten. Liebe macht schwach, und die Welt wird von den Starken regiert.

Ich hatte meine Wahl getroffen. Ich hatte die Einsamkeit gewählt. Doch manchmal, nur manchmal, fragte ich mich, ob das die klügere Wahl gewesen war. Manchmal fragte ich mich, ob so wohl der Rest meines Lebens aussehen würde. Halb durchwachte Nächte, halbverworrene Tage, an denen ich meinen müden Arsch von Stunde zu Stunde schleppte, ohne jemals wirklich das Gefühl zu haben, irgendwie lebendig zu sein. Manchmal fragte ich mich, ob dieses...existieren...dem Tod nicht ähnlicher war als das Leben. Ob ich nicht mit ihr gestorben war, damals, an jenem Tag vor zehn Jahren. Vielleicht lebte ich noch, doch ein Teil von mir war mit ihr gestorben. Der bessere Teil.

Und dann waren sie wieder da, die Erinnerungen, umfingen mich mit ihren eisigen Klauen, nahmen mich gefangen. Das beinahe schon sterile, weiße Klassenzimmer verschwand, verblasste wie ein Trugbild, wie eine Erscheinung...

...und ich war wieder sieben Jahre alt und spielte eine Runde Memory mit meiner Mutter. Es war das Memory mit den Früchten und Blumen gewesen, noch immer konnte ich die unechten, quietschbunten Farben vor mir glänzen sehen. Ich war eigentlich schon zu alt dafür gewesen, doch es war das einzige Geburtstagsgeschenk gewesen, dass ich jemals erhalten hatte, und aus diesem Grund hatte ich es geliebt.

Wie in Zeitlupe sah ich, wie die Haustüre aufflog, dunkles Nussbaumholz, noch heute konnte ich mich an das spinnennetzartige Gewirr der Maserung erinnern, als sei es gestern gewesen. Und an das wutverzerrte Gesicht meines Vaters, an den übelkeitserregenden Geruch nach abgestandenem Bier, den er an jenem Abend ausgeströmt hatte. Es war immer ein schlechtes Zeichen, wenn er getrunken hatte.

Meine Mutter fuhr erschrocken zusammen. Dann sah sie mich an, und der ernste, eindringliche Blick aus dunkelgrünen Augen bannte mich. Eine Entschlossenheit lag darin, die mich schaudern ließ. Es war, als wüsste sie, was nun folgen würde, doch da war keine Angst, keine Furcht in ihr. Nur so etwas wie...Akzeptanz?

„Edward, geh in dein Zimmer! Geh!", meinte sie ruhig. Ruhig, aber dennoch in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.

Ich sah beunruhigt zu meinem Vater hinüber, der immer näher kam, auch wenn er schon ein wenig schwankte und sich für einen kurzen Moment an der Wand abstützen musste. Vielleicht würde es von selbst zusammenbrechen. Dann wären wir in Sicherheit...zumindest für eine kleine Weile. Doch dann schien er sein Gleichgewicht wieder gefunden zu haben, und er näherte sich uns, langsam und bedächtig, mit der Anmut eines Bullen, der versucht, sich an ein rotes Tuch heranzuschleichen. In den Händen hielt er den Baseballschläger, den ich so fürchtete. Jenen Baseballschläger, der für gewöhnlich direkt neben der Tür stand, jenen Baseballschläger, den ich schon so oft auf meinem Rücken gespürt hatte.

Ich bekam immer böse blaue Flecken von dem Baseballschläger, und einmal war es einem Lehrer aufgefallen, und ich hatte gesagt, ich wäre die Treppe hinunter gefallen – das hatte ich Mommy versprechen müssen. Ich hatte versprechen müssen, niemals jemandem zu erzählen, wie Vater war, denn sonst würden sie mich ihr wegnehmen, und sie wäre ganz alleine.

„Willst du das, Schätzchen? Dass sie kommen und dich holen?", hatte sie gefragt.

„Nein", hatte ich geflüstert, alleine bei dem Gedanken war mir übel geworden. Ich wollte bei Mommy bleiben. Und wenn ich bei Mommy war, musste ich damit leben, dass Vater mir manchmal weh tat. Ich hatte es verdient, sagte er dann immer. Weil ich ein böser Junge war.

„Nein, Mommy, ich lass dich nicht alleine!", rief ich jetzt, während ich mich wie gehetzt nach einem Ausweg umblickte. Es gab keinen. Die Wohnung war klein, die einzige Türe war die zum Schlafzimmer, und mein Vater hatte den Schlüssel. Wir waren in der Ecke zwischen Küche und Wohnzimmer gefangen, und mein Vater kam immer näher. Es gab keinen Ausweg. Ich wusste das. Ich wusste es aus Erfahrung. Mir blieb nicht mehr genug Zeit. Ich konnte nur hoffen, dass er sich zuerst mich vornehmen würde, dann bliebe Mommy genug Zeit, um zu fliehen.

Entschlossen baute ich mich vor meiner Mutter auf, stellt mich meinem Vater in den Weg.

„Lass sie in Ruhe!", brachte ich mit bebender Stimme hervor. Mein Vater musterte mich einen winzigen Augenblick nachdenklich, fast ein wenig überrascht.

„Du hast Mumm, Kleiner, dass muss man dir lassen", lallte er grinsend. „Aber das wird dich auch nicht retten. Lass mich vorbei, ich kümmere mich nachher um dich, wenn du so scharf darauf bist. Ich will mich erst ein wenig mit deiner Mutter vergnügen. Aber du darfst gerne zuschauen..."

Im Hintergrund vernahm ich das verzweifelte Flehen meiner Mutter: „Lass ihn, Ed, ich bitte dich, er ist doch noch ein Kind, bitte..." Und dann schlossen sich die breiten Hände meines Vaters um meine Oberarme. Noch heute konnte ich den Biss des Leders spüren, mit dem er meine Arme gefesselt hatte. Ich hatte verzeifelt die Augen geschlossen, ich hatte nicht sehen wollen, was er ihr antat. Doch meine Ohren hatte ich nicht verschließen können, und irgendwann ertrug ich es auch nicht mehr, wegzusehen. Ich musste wissen, was geschah, ich musste wissen, ob es ihr gut ging, ob sie noch lebte.

Sie starb lautlos. Und vielleicht war genau das das Schlimmste daran. Dieser lautlose Seufzer, der ihr letzter Atemzug war, und der beinahe friedliche, erlöste Ausdruck in ihren Augen, als das Leben für immer in ihnen erlosch.