Entstanden für den 200-KT-Wettbewerb, wo es darum ging, das Phänomen Mary Sue mal so richtig schön auf die Schippe zu nehmen und zu zeigen, was passieren könnte, wenn Mary mal OOC, also nicht perfekt ist. Zu meiner großen Freude und Überraschung habe ich den Wettbewerb gewonnen und zu meiner noch größeren Freude und noch größeren Überraschung wurde diese Geschichte als YUAL im Juli 09 gewählt.
Disclaimer: Alle hier verwendeten Figuren sind das geistige Eigentum ihrer Schöpfer. Sollten ich nicht der Schöpfer sein, so habe ich die Figuren lediglich ausgeliehen. Auch verdiene ich mit dieser Geschichte kein Geld.
Schicksal? Nein danke!
Kapitel 1: Gestatten? Mein Name ist Mary
Jeder,
der das Märchen von Hans Christian Andersen „Die kleine
Meerjungfrau" kennt – und ich meine hier nicht die Walt Disney
Version – weiß, dass die Prinzessinnen erst mit ihrem fünfzehnten
Lebensjahr vom Vater die Erlaubnis erhielten, an die Wasseroberfläche
zu schwimmen.
Nun, bei uns ist es ähnlich… Doch vielleicht
sollte ich mich erst einmal vorstellen, ehe ich mich in Erklärungen
verfranse, die hinterher doch wieder keiner versteht. Mein Name ist
Mary Arabella Rasputina Ysopia Sue, kurz Mary Sue. Der letzte Name
ist mein Nachname, auch wenn er mehr wie ein Vorname klingt. Zusammen
mit meinen Eltern und meinen Geschwistern Nightingale Orelia Rose
Mary Angelica, Tristan Honorius Othello Marty Athanos Stewart, Mary
Isolde Alexandrina, und Evangeline Mary Ignatia Lucretia Yvette,
wohne ich im Traumland, jenem Ort, wo alle perfekt sind. Na ja, fast
alle, denn ich bilde die schmachvolle Ausnahme.
Ja, ja, ich weiß,
wie alle in meiner Familie trage ich einen, seien wir ehrlich, viel
zu langen Namen, wovon einer auch noch der Tradition folgt und Mary,
oder in Fall meines Bruders Marty, ist. Und bei mir scheint es als
wollten meine Eltern es auf die Spitze treiben. Wenn man sie fragt
wieso, dann sagen sie, dass bei meiner Geburt die Hebamme mit mir
gestolpert ist, als sie mich säubern wollte – natürlich ist mir
nichts passiert –, weshalb sie dachten, eine Portion Extraglück
könnte nicht schaden. Extraglück… Das ich nicht lache. Scheint
eher, als hätten sie das Gegenteil bewirkt. Aber egal, das alles ist
jetzt nicht mehr so wichtig, denn heute ist mein siebzehnter
Geburtstag, was heißt, dass ich endlich alt genug bin, um wie meine
Geschwister für eine Zeit in der Zaubererwelt auf der Erde zu leben.
„Simon, du willst Mary doch nicht allen Ernstes auf die Erde
lassen?"
„Liebes, du weißt, dass es Tradition ist. Und nur
weil Mary ein wenig…" Mein Vater, Sulfidius Ichabod Marty Orion
Nebukadnezar, unterbrach sich, aber ich wusste genau, was er sagen
wollte. Anders. Weil ich ein wenig anders bin. Oder mit anderen
Worten: Ich bin ein Tollpatsch. Und dieser Umstand ist auch die
Ursache dafür, dass ich so ziemlich alle entscheidenden Qualitäten
einer Mary Sue eben nicht besitze.
Etwa die umwerfende Schönheit.
Keine Mary Sue kommt mit perfektem Aussehen auf die Welt. Das wird
ihr erst mit der Muttermilch eingeflößt. Aber ich hab bestimmt die
Hälfte meiner Fläschchen fallen lassen und die Komponente, welche
für Schönheit zuständig ist, ist sehr stoßempfindlich. Was zur
Folge hatte, dass ich etwa nur die Hälfte der Dosis bekommen habe,
die ich für das perfekte Aussehen einer Mary Sue gebraucht hätte.
Oder die tragische Vergangenheit. Jede Mary Sue durchleidet
zwischen ihrem vierten und neunten Lebensjahr ein Trauma. Aber nur
eines. Wer es vermasselt, so wie ich, der hat Pech gehabt.
Ich
kann noch nicht einmal über meine Familiensituation klagen, außer
vielleicht, dass ich an einer nicht beklagenswerten Stelle in der
Reihenfolge geboren wurde. Klar, das erstgeborene Kind, meine
Schwester Norma, hat es am schwersten. Als Älteste muss sie früh
Verantwortung übernehmen, für alles der Vorkämpfer sein. Dann
Thomas, als ältester und auch einziger Sohn muss er der Rolle als
Stammhalter und Vorzeigekind gerecht werden. Mia ist das typische
mittlere Kind, die immer dann zu den Großen zählt, wenn es um
Pflichten geht und immer dann zu den Kleinen, wo Freiheiten im Spiel
sind. Und Emily als Jüngste… Ihr seht also, als viertes Kind in
einer Familie mit fünf Kindern geboren zu werden ist einfach nur
langweilig. Man zählt definitiv zu den Kleinen, hat aber noch eine
jüngere Schwester, die noch länger auf alles warten muss. Definitiv
nicht tragisch.
„Immerhin haben wir damals auch Norma gehen
lassen…", fuhr mein Vater fort, nur um auch diesen Satz unbeendet
im Raum stehen zu lassen. Meine Schwester Norma ist nämlich bei
ihrem Trauma gestorben. Aber natürlich stirbt eine Mary Sue bei so
etwas nicht wirklich, also wurde sie ein Geist. Und als ihre Zeit
kam, in die Zaubererwelt zu gehen, hat man ihr kurzerhand erlaubt, in
den Körper einer Hogwarts-Schülerin zu fahren und von diesem Besitz
zu ergreifen, eine gewisse Lily Evans. Norma sagt, es habe Spaß
gemacht, vor allem, als sie jemanden geheiratet hat, den Lily
eigentlich gar nicht ausstehen konnte.
„Es ist Tradition und du
weißt genau, was für Folgen es hätte, wenn wir Mary nicht gehen
ließen", wiederholte mein Vater nun.
Was für Folgen das sind,
von denen mein Vater sprach, haben wir Kinder nie herausbekommen,
aber ich denke, irgendwas von wegen, dass alles Gute und Perfekte ins
Negative verkehrt würde. Sprich, wir würden hässlich, dumm,
nicht-magisch… Also all das, womit mein Bruder mich als Kind immer
aufgezogen hat, um mich zu ärgern. Und hässliche, dumme Menschen
dürfen nicht im Traumland leben. Aber auch, wenn ich nur halb so
schön bin, wie meine Geschwister und der größte Tollpatsch, bin
ich immer noch perfekt genug für das Traumland! Ich bin und bleibe
eine Mary Sue!
