Warnung: AU, Angst, CD, Drama, OOC, Rape, Torture, Violence
Die Personen und Mittelerde gehören Tolkien. Ich habe sie mir nur geborgt und verfolge mit Sicherheit keine kommerziellen Ziele.
In Rechtschreibung und Grammatik habe ich mir größte Mühe gegeben und hoffe der Spaß beim Lesen überwiegt allzu kleinliche Fehlersuche.
Für Fehler in Dingen, die Mittelerde betreffen: ich bin kein Experte. Ich habe zwar HdR, Silmarillion und Hobbit gelesen (und auch die vorhandenen Filme gesehen), aber damit fühle ich mich noch lange nicht angekommen in dieser riesigen, von Tolkien erschaffenen, Welt.
Ich habe versucht, trotz AU, viele Dinge an Historie und Orten betreffend, korrekt wiederzugeben. Für Fehler entschuldige ich mich und bewundere wirklich und ernsthaft all jene, die über das Wissen verfügen.
Da ich die Ortsbezeichnungen meistens aus Sicht der Elben benenne, nutze ich die Begriffe in deren Sprache. Das ist der eine Punkt für Abweichungen der Ortsnamen. Der andere ist, einige Namen entstanden im späten zweiten oder im dritten Zeitalter und da es in dieser Geschichte einige Änderungen diesbezüglich (siehe Warnung: AU) gibt, habe ich auf ältere Namen zurück gegriffen. Die Erläuterungen finden sich dann jeweils am Ende des Kapitels.
„..." - wörtliche Rede in Westron
... - wörtliche Rede in Sindarin (bzw. Quenya oder ein Dialekt)
Die Farm
Der getrocknete, angeschwemmte Lehm knirschte und Legolas Füßen und färbte die Haut noch weiter in einem braun-rotem Ton. Er nahm den geflochtenen Korb von seinem Rücken, bückte sich und sammelte weiter die größeren Steine ein. Er ruhte keinen Augenblick. Innehalten bedeutete Strafe.
Und die Wache war, trotz der übermäßigen Wärme der hoch stehenden Sonne, aufmerksam.
Bücken, einsammeln, Korb aufnehmen und die nächste Ansammlung störender Steine aufsuchen. Seit zwei Wochen waren die Sklaven der Farm auf den Schwemmfeldern dabei, diese für die weitere Bearbeitung von den Steinen frei zu legen, welche durch die Frühjahrsüberflutungen, neben dem gewollten Schlamm, auf die Felder gespült worden waren. Außer Legolas waren noch zwei weitere Sklaven auf den Feldern.
Und die Wache.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie diese den Trinkschlauch ansetzte. Schnell konzentrierte sich Legolas wieder auf seine Arbeit. Für ihn und die anderen beiden Sklaven gab es erst in der kurzen Mittagspause etwas zu trinken. Doch das interessierte jetzt im Augenblick seine Zunge herzlich wenig. Sie forderte. Der Elb ignorierte es und zwang seinen Körper weiter in die Arbeit.
Legolas leerte gerade zum ungezählten mal seinen Korb auf dem Karren, als der Pfiff der Wache ertönte. Pause. Wenig elegant ließ er den leeren Korb fallen und ging zum vorderen Teil des Wagens. Dort war ein Tonkrug. Das darin enthaltene Wasser war warm. Er nahm kurze Schlucke, beließ sie lange im Mund bis er ihnen erlaubte die Kehle hinab zu laufen und ignorierte verbissen das Gefühl der mit Leder unterlegten Kette, welche bei jeder Bewegung des Halses ihn spüren ließ, dass sie ihn gleich einem Hund einem Besitzer zuordnete.
Er reichte den Krug weiter, denn die anderen beiden Sklaven waren heran.
Elben wie er und doch anders. Denn sie lebten seit Jahrhunderten hier.
Legolas wusste einfach immer noch nicht, wie er es bezeichnen sollte. Es war noch immer verwirrend, es war ... er wurde jedoch abrupt aus den Gedanken gerissen. Oder besser: erlöst, denn jedes Nachdenken darüber, was geschehen und was jetzt war, hinterließ traurige Schmerzen und Sehnsucht an Vergangenes und in dieser Welt nicht existierendes, Verzweiflung an dieses große, schwarze Nichts, welches sein Leben jetzt war.
„Ist das alles was du bis jetzt geschafft hast?", knurrte es hinter Legolas. Dieser holte kurz Luft und drehte sich zu dem Mann um. Er forschte in seinen Gedanken um die beste Antwort zu finden, damit er den Aufseher zufrieden stellen konnte. Er versuchte es mit der Wahrheit und hoffte die Wache hatte keine Neigungen und Lust bei der Wärme einen Sklaven ordentlich heran zu nehmen.
Der Elb deutete auf die Strecke welche er bearbeitet hatte. „Die Fläche war recht frei von Steinen, Herr, dafür konnte ich ein wenig mehr als üblich ablaufen." Er vermied beim Sprechen den Augenkontakt. Eine Erfahrung, die er schmerzhaft gelernt hatte. Wie einiges andere auch.
Die Wache richtete sich im Sattel auf und überblickte die Strecke. Dann sah er hinunter auf den elbischen Sklaven der mit gesenktem Kopf vor ihm stand. Der Mann zog die Brauen zusammen.
Die Arbeit sah sauber aus und er hatte den Elben auch tatsächlich nicht bummeln sehen. Er war diesem Sklaven jedoch misstrauisch gegenüber. Genau wie die anderen Wachen auf der Farm. Etwas an diesem hier war seltsam. Nicht das er widersprach oder rebellierte. Zumindest nicht mehr. Aber es hatte vor einigen Monaten Ärger mit ihm gegeben. Er war plötzlich ein wenig bockig geworden und er hatte erst mal wieder erinnert werden müssen, wo er hin gehörte. Aber es blieb etwas anders an diesem Burschen, auch wenn er jetzt wieder gefügig war, und das beobachteten alle auf der Farm misstrauisch.
Der Reiter trieb sein Tier dichter an den Sklaven heran. Der Mann lächelte als er sah, wie sich einzelne Muskelstränge bei dem Elben anspannten. Das Pferd stand jetzt nah an dem blonden Eigentum. Die Wache löste langsam die aufgerollte Peitsche vom Sattel. Dabei ließ er den Sklaven nicht aus den Augen.
Legolas versuchte ruhig weiter zu atmen. Es wären nicht die ersten Hiebe und auch sicher nicht die letzten. Er konzentrierte sich auf die einzelnen Sandkörner zu seinen nackten Füßen. Registrierte ihre unterschiedlichen Farben, ihren Glanz im Sonnenlicht. Der Peitschenknauf fuhr unter sein Kinn und forderte den Kopf in die Höhe. „Du wirst dich ein wenig mehr anstrengen, sonst ..." Der Mann lächelte und nickte zu den anderen beiden Sklaven. Ein einfaches Vorgehen. Es hatte sich bei diesem Sklaven bewährt. Wenn man ihn strafen wollte, dann fügte man nicht nur ihm sondern auch einem der anderen Schmerzen zu. Legolas` Blick flackerte kurz zu den Augen der Wache, dann sah er schnell an ihm vorbei. „Ja Herr, verzeiht Herr." Eine Formel. Der meist genutzte Satz unter den Sklaven.
Als Legolas am Ende des Tages im Verschlag saß, der den Sklaven zugewiesen war, lehnte er den Kopf an die Wand und schloss kurz die Augen. Erlaubte sich Erinnerungen an eine andere Welt. Ein Mittelerde, das fort war, so als ob es nie existiert hätte.
Immer wieder versuchte er zu verstehen, was geschehen war, doch er konnte es nicht begreifen. In einem Moment hatte er dort auf dem Amon Hen gestanden und gekämpft. Gimli nahe bei sich, irgendwo in den Wäldern die anderen: Aragorn, Boromir, die Hobbits. Uruk-hai waren überall. Und dann? Er schüttelte sich. Dann war er hier aufgewacht. Einfach so, als ob er nie anders gelebt hätte. Die ersten Tage waren hart und schmerzhaft gewesen. Dann hatte er gelernt zu überleben. Leider wusste er inzwischen noch immer genauso wenig wie am ersten Tag und er war jetzt schon einige Monate hier.
Und in seinen düstersten Stunden, da zweifelte er inzwischen, ob es das andere Leben überhaupt gegeben hatte. Vielleicht war ja das hier seine wirkliche Existenz: ein Sklave, wie alle Elben hier. Es wäre doch nur natürlich von Freiheit zu träumen, vom Taur-e-Ndaedelos1, Imladris, Lothlórien, Lord Elrond und den Zwillingen, Dame Galadriel und auch von Freunden wie Gimli und natürlich Aragorn.
Legolas drehte ein wenig den Kopf und lauschte. Draußen war es dunkel und inzwischen still geworden. Es war Zeit. Er erhob sich und stellte sich dorthin, wo er die anderen beiden Elben nicht störte. Er atmete aus, ein, tief und konzentriert. Erinnerte sich der Übungen, welche er als Krieger im Taur-e-Ndaedelos gelernt und über Jahrhunderte zu seiner Routine gehört hatte. Legolas hatte bemerkt, dass es ihm half, sie weiter auszuführen. Egal wie erschöpft er war. Dann wusste er wieder, dass er einmal frei und dies hier nicht sein Leben war. Dass er nicht ... verrückt war.
Die leblosen Augen der anderen beiden Sklaven folgten den fließenden Bewegungen Legolas`. Er hatte zu Beginn versucht sie einzubinden. Sie hatten den Kopf geschüttelt, geschwiegen. Sie schwiegen immer. Dass die elbischen Sklaven sich viel austauschten wurde nicht gern gesehen. Also ließ man es.
Die Hofarbeit begann für die Sklaven früh und musste noch vor der Feldarbeit erledigt sein. So war die Sonne erst am Aufgehen, als ein Bote eintraf. Er preschte staubwirbelnd in den Hof, achtete nicht auf rechts oder links und sprang ab. Legolas nahm das erschöpfte Pferd des Reiters entgegen. Er strich ihm über die Nüstern, sah sich vorsichtig um und sprach dann leise zu dem Tier in seiner Sprache. Das Pferd wurde ruhiger und er führte es in den Stall. Seine Hand verharrte über dem Emblem auf der Schabracke: der weiße Baum Gondors. Seine Finger strichen zitternd den gestickten Verästelungen nach.
War auch er hier in Gondor? Er warf einen Blick über die Schulter zum herrschaftlichen Haus. Und ungefragt schlichen sich Gedanken durch seinen Kopf während er rasch mit seiner Arbeit fortfuhr. Wenn es Gondor und den weißen Baum gab, war auch Aragorn hier? War er, wie er selbst, hier aufgetaucht? In einem Körper, der schon hier war und scheinbar nur auf sie gewartet hatte? Denn als er damals hier erwacht war, hatte sich niemand gewundert, er hatte schon hierher gehört. Sein sonderbares Verhalten, das hatte verwundert und etliche Strafen nach sich gezogen.
Wo also war Aragorn? Und wenn er ... wo waren wohl die anderen? Legolas presste seine Zähne so hart aufeinander, dass es schmerzte.
Das Pferd war versorgt und er wollte sich zu den anderen Elben begeben um die letzten Felder abzusammeln, als einer der Aufseher im Eingang des Stalles auftauchte und das herein fallende Sonnenlicht verdeckte. Rasch senkte Legolas den Kopf. „Du bleibst heute hier. Hilf in der Küche, wir erwarten Gäste." Damit verschwand der Mann und hinterließ einen Elb mit noch mehr Fragen.
Arbeit in der Küche bestand hauptsächlich darin für Holz und Wasser zu sorgen, abzuwaschen, Abfall zu entfernen und sich um das Feuer zu kümmern. Der Koch behielt ihn scharf im Auge damit der Sklave auch ja keine langen Finger machte. Und Legolas hätte, wenn er die Möglichkeit bekommen hätte. Die Menschen hatten über die Jahrhunderte wohl genau gelernt, wie viel solch ein elbischer Sklave zum Essen benötigte um noch Arbeiten zu können, aber kein Gramm mehr. Und so hatten die Sklaven Hunger. Sogar für einen Elb war lange knappe Verköstigung hart zu ertragen.
Der Koch konzentrierte sich ansonsten aber lieber auf die Magd und den Küchenjungen und Legolas empfand es fast als angenehm.
Zur Mittagszeit wurde es auf dem Hof laut. Der Koch riss den Kopf hoch, wischte sich die Hände sauber und spähte nach draußen. Sofort schoss er herum und trieb nun seine beiden Hilfen noch mehr an. Er warf einen drohenden Blick auf den Sklaven. „Wenn ich auch nur die Fingerspitze von dir am Essen finde, bist du ihn los!" Er erwartete keine Antwort des Elben sondern konzentrierte sich sofort wieder auf die Gerichte.
Die Angekommenen hatten einen anstrengenden Ritt hinter sich und würden einen ersten, reichhaltigen Imbiss erwarten.
Ein Aufseher steckte den Kopf herein und rief den Sklaven nach draußen. „Kümmere dich um die Pferde", befahl er knapp. Legolas verkniff sich ein Augenrollen. Wozu sonst hätte er wohl hier bleiben sollen?
Er besah sich die Tiere, viel Arbeit für einen einzigen Sklaven. Doch er holte Luft, konzentrierte sich und sortierte schnell die, welche sich vertrugen und brachte sie zuerst eilig in kleinen Gruppen auf die angrenzenden Koppeln, in denen sonst die Schafe sortiert wurden, unter. Er zog nur rasch die Trensen herunter und wandte sich dann den nächsten Tieren zu.
Dann erstarrte er kurz. Trotz monatelanger Übung als folgsamer Elb gelang es ihm zuerst nicht, sich wieder zu sammeln. An der Spitze der Angekommenen, direkt neben dem Verwalter am Eingang des Hauses, stand Boromir.
Legolas zwang seinen Körper energisch weiter zu arbeiten. Würde er ihn erkennen? Er war hager und in recht raue Kleidung gesteckt, sein Haar kürzer und zu einem Zopf zurück genommen, doch er musste doch noch zu erkennen sein? Zumindest ein Zögern sollte sich bei dem Sohn des Truchsess doch zeigen wenn er ihn sah?
Endlich hatte er die letzten Pferde vom Hof. Die Reiter, die bis zuletzt hatten warten müssen, zeigten sich schon erbost über den faulen Elb. Der Aufseher jedoch hatte ihn im Auge behalten und hatte wenig zu beanstanden. Der Sklave machte seine Arbeit recht zügig. Fünfzehn Pferde hatte Legolas jetzt vollständig zu versorgen. Nachdem die Tiere trocken, getränkt und satt im Stall versorgt waren, eilte der Elb zurück zur Küche und wie erwartet, stand dort schon ein nicht zu verachtender Berg zum Abwasch bereit.
Als der Koch ihn endlich aus seinem Machtbereich entließ, wünschte er sich ein Bad. Doch wann er so etwas das letzte mal in Anspruch hatte nehmen können, war auf jeden Fall in seinem alten Leben geschehen.
Er machte sich noch ein einmal auf den Weg zum Stall. Eine Laterne hing sicher an einem Balken und verströmte ein wenig Licht. Die Pferde kauten ruhig an ihrem Heu oder lagen schon dösend. Legolas ging von Box zu Box sprach kurz in seiner Sprache zu den Tieren als er beim vorletzten Tier eine ungewöhnliche Bewegung spürte. Er richtete sich auf und sah genauer hin. Jetzt trat ein Mann an die Box und legte seine Hände auf die Tür. Scharf fasste er den Elb ins Auge. „Du wagst es in deiner Zunge zu sprechen?"
Legolas` Herz pochte. Er trat einen Schritt zurück und jetzt erkannte er den Mann. Boromir. Und er hatte ihn nicht erkannt! Nicht wenn er in solch einer Weise auf ihn reagierte. Boromir kam aus der Box, sah sich um und griff nach einem Reitstock. Legolas presste die Lippen zusammen. Er würde jetzt der Strafe nicht entkommen aber er betete zu den Valar, dass Boromir nicht wusste, dass wenn er bestraft würde auch immer einer der anderen Elben herhalten musste.
„Dreh dich um, zieh den Kittel hoch und lehn dich an die Wand." Boromirs Stimme war emotionslos. Legolas gehorchte – fast. Als er entsprechend vor der Wand stand, drehte er seinen Kopf über die Schulter und sah zu den Pferden. „Herr, bitte, die Pferde, könnten wir weiter nach hinten gehen?" Die Tiere würden bei dem Zischen des Stocks unruhig werden und wie sollte Legolas sie dann beruhigen, ohne Sindarin und mit zerschlagenem Rücken?
Boromirs Stirn furchte sich bei dieser Bitte. Eigentlich interessierte er sich nicht um Belange von Sklaven, doch in diesem Fall musste er dem Elb widerwillig Recht geben. Die Pferde würden sehr unruhig werden. Stumm nickte er also mit dem Kopf nach hinten. Den Reitstock fest in der einen, nahm er die Laterne in die andere Hand.
„Das reicht", befahl er kurz und der Elb blieb stehen und stützte sich mit den Händen gegen einen Balken. Interessiert begutachtete Boromir den Körper des Elben. Für einen Feldsklaven war er erstaunlich gut gebaut und bewegte sich ... aufreizend. Feine weiße und rosafarbene Linien kreuzten die Haut an unterschiedlichsten Stellen. Ein kleiner Unruhestifter, wie es schien. Er wusste, dass viele der elbischen Sklaven zu Beginn ihres neuen Lebens hart hatten heran genommen werden müssen. Doch nachdem man sie gebrochen und gezähmt hatte, war nicht mehr viel nötig gewesen.
Boromir besah sich den Körper noch einmal genauer und in ihm keimte eine Idee. Doch zuerst ...
Legolas Fingerknöchel wurden weiß als er sich an dem Balken fest hielt. Boromir hieb fest zu und verteilte die Schläge. Es zischte kurz und endete mit einem klatschenden Geräusch.
Es war seine Haut, die hier wieder einmal zerschlagen wurde. So oft er schon Schläge empfangen hatte, es wurde nicht einfacher zu akzeptieren, dass er es hinnehmen musste. Er war dankbar, dass erwartet wurde, auch jetzt den Kopf gesenkt zu halten, denn wie hätte er die atemlose Wut in seinen Augen entschuldigen sollen?
Boromir ließ den Arm sinken. Er hatte ein gefälliges Muster auf den Rücken des Sklaven gebracht, mit nur wenig Blut. Wenn die Striemen zu tief gingen, konnten die Sklaven nicht mehr effektiv arbeiten. So aber würde seine Arbeit zwar schmerzhaft, aber nicht unmöglich sein.
„Dreh dich um", befahl er, runzelte die Stirn als er sah, wie sich der Sklave anspannte und kurz zögerte und erst nach drei tiefen Atemzügen dem Befehl folgte.
„Komm her."
Legolas gehorchte. Verwirrt jedoch, was der Mann jetzt noch wollte. Es hatte ihn eben fast mehr Kraft gekostet sich wieder zu sammeln und die Wut aus seinem Gesicht zu streichen als die Schläge zuvor. Er bemerkte nicht, wie sich seine Faust um den Kittel verkrampfte.
Boromir umkreiste ihn und Legolas fühlte sich begutachtet wie ein Ross auf dem Markt. „Zieh dich aus."
Jetzt konnte Legolas es nicht mehr verhindern: sein Kopf schoss hoch.
Als hätte Boromir damit gerechnet, war er sofort heran und schmetterte dem Sklaven die Faust ins Gesicht. Er hatte es geahnt, dieser Elb war noch lange nicht so folgsam wie viele andere seiner Art. Wie hatte solch ein bockiger Sklave die Jahre hindurch überleben können? Die Antwort behagte Boromir gar nicht. Dieses Eigentum Gondors, denn die Farm wie auch viele andere Güter waren Eigentum der Krone, musste über genug Intelligenz und Stärke verfügen um seinen anscheinend freien Willen zu verstecken.
Der Schlag hatte Legolas zu Boden geworfen und es überlief ihn in kalten Schauern, dass er seine Deckung hatte fallen lassen. Natürlich hätte er Boromir leicht überwinden, sogar töten können, wenn er an dessen Waffe gekommen wäre. Etwas, was er überhaupt nicht in Frage stellte. Ein Pferd nehmen und hinaus aus dem Tor preschen.
Doch was dann? Er wusste noch immer nicht, wo exakt er war. Gab es noch freie Elben? Die Mahnmale entflohener Sklaven aus dem Beginn der Versklavung hingen hier und dort an Wegkreuzungen oder anderen markanten Stellen. Skelette und Überreste von dem, was einst freie Elben gewesen waren.
Er schob diese Möglichkeit also zum wohl hundertsten mal weit nach hinten in seinen Gedanken.
Sein Tag würde kommen!
„Bitte vergebt mir, Herr", murmelte Legolas stattdessen und stand auf. Dann löste er mit unsicheren Finger das Band seiner Hose und ließ den zerschlissenen Stoff hinunter rutschen. Natürlich hatte er gehört, dass Elben nicht nur zur Arbeit gezwungen wurden, aber hier im Nichts auf einer Farm mit jeder Menge Arbeit und Männern die ihre Ehefrauen dabei hatten, hatte er nicht damit gerechnet.
Und jetzt war es ausgerechnet einer seiner ehemaligen Gefährten. Auch wenn dieser nichts davon ahnte.
Wieder schritt Boromir um Legolas herum. Es gefiel ihm was er sah. Dieser Elb war in einer recht guten Verfassung. Er trat dicht hinter den Sklaven. Lächelte als er bemerkte, wie sich jetzt die Atmung des Elben verstärkte, ruckartiger wurde. Er streckte die Hand aus und ließ seine Fingerspitzen über den Rücken hinab gleiten. Beobachtete wie leichte Schauer von seinen Berührungspunkten über die Haut liefen. Ein Verdacht regte sich in Boromir. „Bück dich", sprach er leise. Inzwischen rasselten die Atemzüge des Sklaven. Und nach nur einem winzigen Zögern beugte er sich vor. Boromir wollte Gewissheit und drang sofort mit einem Finger in das präsentierte Loch des Blonden. Ein Wimmern entwich dabei den Lippen des Elben.
Das Loch war glatt, nicht vernarbt und damit war dieser Elb tatsächlich unberührt. Oder er war seit einer sehr langen Zeit nicht benutzt worden.
Umso besser für seine Pläne. Er drehte auf dem Absatz um und verließ den Stall.
Legolas ging in die Knie und blieb noch eine Weile dort hocken. Er konnte das Wimmern, seine eigenen Geräusche welche die Hilflosigkeit des Ausgeliefertseins widerspiegelten, nicht vollständig unterbinden.
In seinem Training, mit den Kriegern seines Vaters, waren sie auf sämtliche Grausamkeiten vorbereitet worden, wenn sie in die Hände von Saurons Kreaturen fallen würden. Doch Boromir war einer seiner Gefährten gewesen. Sie hatten Seite an Seite gekämpft.
Legolas Magen zog sich zusammen und er beugte sich würgend vor. Als er sich sicher sein konnte, dass der Mann wohl nicht zurück kommen würde, zog er sich Hose und Kittel wieder an und begann gleich hier mit seinen mentalen und körperlichen Übungen. Er hätte sonst nicht gewusst, wie er geraden Schrittes den Hof hätte überqueren können.
Erinnerungen an die Ausbildung fluteten dabei sein inneres Auge während sein Körper in die Bewegungsabläufe glitt. Ein jeder Krieger hatte die Verantwortung für seinen Kameraden, bis zum Ende. Nie durfte man zulassen lebend in die Hände der dunklen Wesen zu geraten. Die Reihenfolge war klar definiert, zuerst die Elbinnen, dann die jüngsten bis zuletzt der Ranghöchste übrig blieb. Entweder hatte dieser noch Zeit selber den Dolch zu setzen oder er musste das Kommende ertragen. Doch wenn die Qual zu groß war, würde der letzte Elb eh dahin scheiden. Sein Lebenshauch würde ihn verlassen.
Legolas zögerte kurz, nur eine Winzigkeit. Ärgerlich rief er sich zur Ordnung und begann von neuem mit den Übungen, achtete nicht auf die Erschöpfung seines Körpers und auch Geistes. Da war ein Gedanke, er hatte ihn nagend im Hintergrund gewusst und ihn doch nie greifen können. Jetzt hatte er ihn.
Wenn die Elben tatsächlich seit Jahrhunderten, wenn nicht sogar Jahrtausend in die Sklaverei gezwungen waren, warum lebten sie noch?
Der Schmerz und die Misshandlung welcher ihnen zugefügt worden sein musste um sie zu zähmen, das hätte dazu führen müssen, dass sie entweder schwinden oder bei einer Flucht Mithlond2 aufgesucht hätten. Warum also starben die Elben nicht?
Legolas beendete die letzte Übung und stand starr im Dunkel des Stalles.
Warum starben sie nicht?
Warum starb er nicht?
Er hatte nicht einmal das Gefühl sich dem Punkt zu nähern, dass er dem Wunsch nach dem Tod nachgab und sein Körper einfach dahin schied.
Er musste an die leblosen Augen der anderen beiden Elben denken. Sie hätten schon lange tot sein müssen. Zumindest im Mittelerde, welches er kannte. Nie hätte ein Elb so lange dort unfrei und unter Zwang und Peinigung überleben können.
Er musste Antworten finden. Aber wie?
Am nächsten Morgen schon bekam er einen Weg gezeigt, von dem Legolas jedoch nicht wusste, ob es wirklich zum Guten war. Er begann zu zweifeln, dass die Valar noch viel Interesse am Wohl ihrer Kinder hatten.
Noch vor Sonnenaufgang hatte er dem Koch helfen müssen und war danach sofort zu den Pferden geeilt. Die Arbeit hatte er fast fertig, als der Aufseher ihn rief.
Der packte seine Kette und Legolas spürte wie er etwas an ihr befestigte. Nur mit größter Mühe gelang es ihm nicht zurück zu weichen. „Das ist deine Marke und zeichnet dich als Besitz von Lord Boromir. Sattel die Pferde. Nimm den Fuchs aus unserem Stall für dich. Du wirst den Lord begleiten." Der Mann war fort und Legolas Hände fuhren an seinen Hals. Dort lag, wie er immer noch nicht akzeptieren konnte, die kräftige Kette straff auf der Haut. Vorne, an einem Ring, befand sich jetzt noch eine grob behaune runde Plakette und darauf das Wappen Boromirs. Jeder Sklave, der auf längeres den Hof oder das Heim verließ, wurde auf diese Weise gekennzeichnet um eventuelle lächerliche Fluchtversuche sofort zuweisen zu können. Ein Klumpen formte sich in der Kehle des Elben. Seine Finger tasteten zum wiederholten male nach einer Möglichkeit das Ding wieder los zu werden, doch ohne den Schlüssel dazu, würde sich der Mechanismus nicht bewegen.
Wütend machte er sich an die Arbeit und war genau fertig, als die Gruppe um Boromir in den Hof trat. Legolas brachte die Pferde hinaus, zuletzt den Fuchs für sich. Weder Boromir noch einer der anderen Reiter beachtete den Sklaven weiter und so reihte sich Legolas als letzter hinter die Gruppe und folgte ihnen hinaus aus dem Hof. Durch das Tor und fort von dem Ort, den er seit seiner Ankunft in diesem Mittelerde als einziges kennen gelernt und die erste Bekanntschaft mit den neuen Regeln für Elben erfahren hatte, in dieser für ihn neuen Welt.
Er warf keinen Blick zurück.
TBC
(1) Taur-e-Ndaedelos – Düsterwald (exakt: Wald der großen Furcht)
(2) Mithlond – Graue Anfurten
