Hin und vielleicht auch wieder zurück
Prolog

Ich bin seit einigen Jahren ein riesengroßer Fan von Mittelerde und allem, was dazugehört. Seit Peter Jackson sich dazu entschlossen hatte, das Buch auf die Kinoleinwände zu bringen, entflammte eine richtige Leidenschaft in mir. Ich las zwar von Natur aus sehr gern Bücher, aber soviel, wie ich in der letzten Zeit gelesen hatte, hatte ich mein ganzes Leben lang noch nicht. Ich vergrub mich richtig in meiner Mittelerdewelt und es nahm dann, beim Lesen, immer mehr reale Züge an. Meine beste Freundin hält mich daher schon für vollständig verrückt.

„Man steckt dich eines Tages noch in die Irrenanstalt, wenn du nicht aufhörst, ständig von Mittelerde zu faseln", meckerte sie mal wieder an mir rum. „ Du bist schließlich kein Teenager mehr, man... du bist 24 Jahre alt! Du solltest dich mal langsam wieder in die Realität begeben!" Sie hatte ja recht, aber ach..., es wäre doch zu schön, Mittelerde, und ich mittendrin.

Wiedereinmal verbrachte ich den Samstag damit, auf einem Flohmarkt nach alten Ausgaben von „Herr der Ringe" und anderen Tollkienbüchern zu stöbern. So ein komischer alter Typ hatte einige, in altaussehendem Leder eingebundene Bücher, in einer Kiste unter dem Verkaufstisch stehen. Wow... die sahen echt klasse erhalten aus. Aber auf dem ersten Blick war nichts dabei, was meine Aufmerksamkeit erregte. Ich wollte schon weitergehen, als mich der Typ ansprach: „Du bist wohl auf der Suche nach etwas ganz besonderem?" Ich nickte nur und fragte mich, was er von mir wollte „Ich habe da etwas, was dich interessieren dürfte. Warte mal..."

Er ging zu seinem Wagen, der hinter ihm geparkt stand und holte aus dem Kofferraum eine flache Holzkiste mit Metallbeschlägen heraus. Hey, das war ja richtig spannend, aber mit Sicherheit wollte er einen ganzen Haufen Geld dafür haben. Mal sehen was er da drin hatte. „Es ist sehr alt. Ich habe es schon vor Jahren von meiner Großmutter bekommen. Es ist nicht viel wert, aber für bestimmte Menschen ist es ein wahrer Schatz". Na toll, also doch teuer. Was hatte ich eigentlich noch an Geld in meiner Tasche? Ich sah nach und war enttäuscht, oh... nur noch knapp 20 Euro. Das würde wohl sicher nicht reichen. „Möchtest du nicht mal in die Kiste sehen?" Und ob ich möchte...

Ich nahm ihm die Holzkiste vorsichtig aus den Händen. Ich drehte sie in den Händen hin und her und sah, das sie mit einigen merkwürdig aussehenden Zeichen und Runen versehen war. Die Beschläge sahen sehr alt, aber nicht beschädigt aus. Ich öffnete langsam das Schloss. Die Innenseite des Deckels war mit weiteren Runen und vielen geschwungenen Linien versehen. Irgendwie kamen mir die sehr vertraut vor. Sie hatten viel Ähnlichkeit mit den Zwergenrunen und Elbenbuchstaben. Es kam ein in ein sauberes Leinentuch gewickeltes Buch zum Vorschein. Vorsichtig schob ich das Tuch zur Seite. Ich wusste nicht wieso, aber meine Hände fingen langsam an zu zittern, als ich das letzte Stück Leinen zur Seite klappte.

Schluck! Das durfte doch nicht wahr sein. Es war ein dickes, in schwarzes Leder gefasstes dickes Buch. Die Ecken waren wiederum mit goldenen Beschlägen verziert, und in roten Buchstaben stand der Titel „MITTELERDE!" auf dem schwarzen Buchdeckel. Mit meinen Fingern fuhr ich über die Buchstaben, als wollte ich prüfen, ob sie wirklich da standen. Ich wollte gerade das Buch aufschlagen, da nahm mir der alte Mann die Kiste wieder aus der Hand.

„Möchtest du es haben? Wenn ja, dann solltest du es dir zu Hause in Ruhe ansehen, nicht hier, bei diesem Gedränge. Dafür ist es einfach zu wertvoll für dich." Häh? Was war los? Wie... wertvoll... für mich? Der machte mich noch wahnsinnig. Ich kaufte doch nicht etwas, was ich noch nicht einmal richtig angesehen hatte! „Was soll das Buch den überhaupt kosten?" Einen Preis hatte ich nirgendwo entdecken können. „Was ist es dir wert?" Tolle Frage, erst sagte er zu mir, es sei für mich sehr wertvoll, und jetzt fragte er mich, was ich dafür ausgeben würde. „Ich habe nur noch knapp 20 Euro bei mir. Aber das wird sicher nicht reichen."

„Was es dir wert ist, habe ich dich gefragt, und nicht, was du dafür bezahlen willst!" Nun verstand ich gar nichts mehr. „Das verstehe ich nicht ganz, was meinen sie damit?" Fragend sah ich ihn an. „Was bedeutet Mittelerde für dich?" Bahnhof? Kofferklauen? Was wollte denn der Kerl von mir? Ich drehte mich nach allen Seiten um. War hier irgendwo eine versteckte Kamera, oder so etwas? Steckte da womöglich meine Freundin dahinter, um mich zu belehren? Doch nirgends war etwas zu entdecken. Hmm... na gut, was bedeutete mir Mittelerde: „Ich liebe es, mich nach Mittelerde zu versetzten. Ich lese die Geschichten ständig und kann nie genug davon bekommen. Es hilft mir, mit der grausamen Realität des Alltages fertig zu werden."

„Wünscht du dir nicht manchmal, du könntest wirklich dort hingehen?" Und wie ich mir dies wünschte!!! „Ja, sogar sehr oft. Es gibt mir ein Gefühl der Freiheit, das ich sonst nicht fühle. Ich glaube, ich würde so einiges hier aufgeben um wirklich nach Mittelerde zu kommen." Gott, wie blöd war ich eigentlich? Ich hörte mich ja an wie eine Verrückte! Der wird sicher gleich die Männer in den weisen Kittel mit dieser netten Jacke, die nur hinten auf und zugeht, rufen. Ein Lächeln ging über sein Gesicht. Er legte das Tuch wieder sorgfältig über das Buch und schloss den Deckel der alten Holzkiste. Mit einem sehr zufriedenen Gesichtsausdruck drückte er mir die Kiste in die Hand. „Dann soll es dir gehören."

„Aber, was soll ich ihnen denn jetzt dafür bezahlen?" Ratlos sah ich ihn an. „Du hast es doch schon bezahlt. Deine Worte waren mir wert genug, denn manches kann man nicht mit Geld bezahlen." Oh Gott, der wollte mir das Buch mitsamt der Kiste jetzt also wirklich schenken!!! „Eine Frage habe ich aber noch an dich, mein Kind. Wie ist dein Name, wenn du in Mittelerde bist?" Okay, jetzt holten mich gleich die Männer mit den weißen Kitteln, aber so ganz unrecht hatte er gar nicht. Ich heiße mit richtigem Namen Maren und wenn ich mal wieder zu viel gelesen hatte und das Träumen anfing, kam ich immer wieder auf den Namen Melian.

Melian war eigentlich eine Maid aus den Gärten Lóriens. Sie kam zur Zeit des Erwachens der Elben nach Mittelerde und man sagte, von ihr sollen die Vögel das Singen erlernt haben. Sie war es auch einst gewesen, die den Banngürtel um Doriath legte. Ihre Tochter Lúthien und ihre Freundin Galadriel dürften ja fast jedem bekannt sein. Ich liebte diesen Namen, auch wenn er nicht all zu viel mit meinem zu tun hatte. „Ah, Lady Melian also! Ja, das ist ein guter Name für dich. Ich werde ihn mir merken. Jetzt aber geh, ich habe keine Zeit mehr mit dir zu plaudern. Die Sachen verkaufen sich ja nicht von selbst, doch wir sehen uns sicher bald wieder"

Ein paar interessierte Leute drängten mich von seinem Stand weg und ich hatte keine Chance mehr, darauf zu antworten. Ich ließ mich mit dem Strom der Menschen in Richtung Parkplatz mitziehen. Hatte der in meinen Gedanken gelesen, oder was? Und was meinte er damit, wir sehen uns wieder? Oh man, das war ja das verrückteste, was ich je erlebt hatte. Als ich bei meinem Auto angekommen war, merkte ich erst, wie kalt mir eigentlich war. Die Sonne war hinter einigen bedrohlich aussehenden Regenwolken verschwunden. Nun aber schnell ins Auto und ab nach Hause.

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