Grauer Zigarettenrauch sammelte sich in der Luft und verstärkte nur die zwielichtige Atmosphäre des Arbeitszimmers. Es war absolut ruhig in der Wohnung und lediglich das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos, hallte in den Ohren des schönen Blonden wieder. Mit gerunzelter Stirn schaute er auf den Brief in seiner Hand. Es war ein ganz gewöhnlicher Briefumschlag, allerdings ohne irgendwelche Adressen. Mit der Post war er jedenfalls nicht gekommen, auch wenn er dazwischen gesteckt hatte.

Mit einer schnellen Bewegung, nahm der Halbjapaner den Zigarettenstummel aus seinem Mund und drückte ihn in dem überlaufenden Aschenbecher aus. Bevor er nach dem Brieföffner auf seinem Arbeitstisch griff. Elegant schnitt er das billige Papier auf und ließ ein einzelnes Blatt herausgleiten, welches er auch sofort entfaltete.

Ausgeschnittene Schriftzeichen aus Zeitungen, waren ungerade auf das Papier geklebt. Einen Moment, war Yuki Eiri starr und konnte seine nahezu hellgrünen Augen nicht davon nehmen.

Kurz kam ihm der Gedanke, dass der Brief für Shuichi sein könnte, aber das war völlig unmöglich. Diese Wohnung war neu und der Sänger achtete fast schon penibel darauf, nicht gesehen zu werden, wenn er sie betrat, zudem besaß er noch eine offizielle Wohnung an deren Adresse Fanpost und ähnliches geschickt wurde, um die Beziehung der beiden nicht mehr in die Öffentlichkeit rücken zu lassen. Kaum jemand, und schon gar kein Fremder, wusste, dass der Frontmann von „Bad Luck"meistens hier lebte. Dies war ganz offiziell Yukis Wohnung. Also, für wen sollte der Brief auch sonst sein?

Ein grimmiges Lächeln legte sich auf die Lippen des Romanciers und ließ seine Augen schneidend kalt werden.

„Soso, du willst mir also drohen?"

Mit der Falzkante des Briefes, tippte er sich gegen das Kinn. Er würde also sterben, wenn er nicht aufhöre? Darüber konnte er nur lachen, allerdings musste er dafür sorgen, dass Shuichi den Brief nie zu Gesicht bekam. Er kannte den kleinen Idioten nur zu genau. Mit absoluter Wahrscheinlichkeit, würde der 19jährige dann vor Sorge hysterisch werden und irgendeinen Blödsinn anstellen. Yuki verdrehte, bereits bei dem Gedanken daran die Augen. Shuichi war schon an normalen Tagen nur schwer zu ertragen, aber bei so einem Ausnahmefall, würde es nur noch komplizierter werden.

Das Papier knisterte laut und teilweise lösten sich einige schlechtgeleimte Schriftzeichen, als der Brief zusammengeknüllt wurde. Mit einer knappen Handbewegung, warf er den Papierball in den kleinen Eimer unter seinem großen Schreibtisch. Gerade noch rechtzeitig, wie das Geräusch einer Haustür, die gegen eine Wand knallte, bewies.

„Yukiii! Ich bin wieder da-ha", krähte eine überschwängliche Stimme durch das Haus.

Seufzend fuhr sich Eiri durch seine blonden Haare. Dieser Junge war einfach entsetzlich, eine Nervensäge sondergleichen und er fragte sich, warum er es immer noch mit ihm aushielt.

„Yuki?... Yuki, wo bist du?"

Die tapsenden Geräusche nackter Füße hallten bis ins Arbeitszimmer. Türen wurden aufgerissen und wieder zugeschmissen. Seit Wochen gab es keinen derartigen Krach mehr in der Wohnung. So eine Tour war wirklich etwas erholsames, besonders für einen gestressten Schriftsteller, der, solange, seine Wohnung wieder nur für sich hatte.

„Yukiiiiii! Komm schon! Ich hab soviel zu erzählen. Hab dir auch ganz viel mitgebracht..."

Endlich wurde auch die Tür des Arbeitszimmers aufgerissen und ein zierlicher, junger Mann mit pinkfarbenem Haar und fröhlichen, blauen Augen platzte herein, nur um von einem Briefbeschwerer am Kopf getroffen zu werden.

„Mach gefälligst nicht so einen Krach, ich muss arbeiten", schimpfte der Blonde und erntete dafür einen vernichtend traurigen Blick Shuichis.


Die hellen Augen schlugen auf und blickten sich suchend um. Es war noch dunkel und lediglich der Mond spendete etwas Licht für das Schlafzimmer. Eiri setzte sich aufrecht und strich sich durch seine Haare. Neben ihm, schlief sein Freund tief und fest. Mit einem ausdruckslosen Blick, bedachte der Blonde Shuichi. Das Gesicht des Pinkhaarigen, war entspannt und teilweise vom Kissen verdeckt. Yuki betrachtete ihn einen Moment und fand mal wieder keine Antwort, warum er ihn in seinem Bett schlafen ließ. War es, weil es ihn beruhigte?

Seufzend griff er nach der Decke und zog sie über Shuichis nackte Schulter. Der junge Sänger quittierte das mit einem leisen Grunzen und noch tieferem Kuscheln in das herrlich große und flauschige Kissen. Yukis nachdenklicher Blick haftete noch immer auf ihm. Es waren bereits einige Wochen seit dem ersten Brief vergangen und er hatte es schon fast vergessen, bis heute. Völlig unvermittelt, war ein weiterer Brief ins Haus geflattert. Wieder ohne jegliche Schrift auf dem Umschlag. Jemand bedrohte sein Leben und was das so gefährlich machte: dieser jemand wusste, wo er nach seinem Opfer suchen musste. Zwar konnte oder wollte Eiri die Sache noch immer nicht ernst und hielt den Zusteller nur für einen Spinner, aber ein wenig mulmig wurde ihm nun doch.

Er schnaubte, um sich selbst zu tadeln. Das war ein Spinner, wo wie es viele gab, wirklichen Mut, ihm etwas anzutun, würde er ohnehin nicht aufbringen. Yuki glaubte, sich wie ein dummes Kind zu benehmen, das sich aus lauter Angst vor dem schwarzen Mann, unterm Bett verstecken wollte. Es war absolut nicht nötig, dem ganzen nachzugehen, schon gar nicht mit der Gefahr im Nacken, Shuichi als selbsternannten Bodyguard zu bekommen.

Seine hellen, stechenden Augen, bohrten sich in den Wirbelwind neben ihm. Oh ja, Shindou würde garantiert erst heulen und dann völlig überreagieren. Er konnte gar nicht anders, in seiner kindlichen Naivität. Warum musste Eiri sich auch einen unreifen Teenager aussuchen?

Kopfschüttelnd legte der Halbjapaner sich wieder hin, möglichst weit weg von Shuichi und schloss die Augen, um wieder einzuschlafen.

Er war kurz davor, wieder einzuschlafen, als das Geräusch, das ihn beim ersten Mal geweckt hatte, wieder erklang. Es schepperte laut und Glas zerbrach. Murrend drehte Yuki sich um und zog sich die Decke über den Kopf. Sicher, wühlte wieder irgendein Tier im Müll vor dem Haus und stieß dabei die Flaschen um. Ihm konnte es ja egal sein. Es war die Aufgabe der Müllabfuhr, das Chaos morgen wegzuräumen. Wenn es nur nicht so verdammt laut wäre.


„Musst du schon gehen?"

Müde saß Shuichi im Bett und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Seine Haare, mit der außergewöhnlichen Farbe, standen in alle Himmelsrichtungen und ein Träger seines Shirts, war ihm über die Schulter gerutscht. Frühmorgens, sah er noch weniger, wie ein bereits erwachsener Mann aus, sondern, wie ein Mittelschüler, wenn überhaupt.

Yuki blickte ihn nicht mal an, während er sich das Hemd zuknöpfte und aus der Tür verschwand. Sauer, plusterte Shuichi seine Wangen auf. Er hasste es wirklich so im Regen stehen gelassen zu werden und leider, passierte das jeden Tag.

Stöhnend ließ sich der junge Sänger ins Kissen zurückfallen, als die Wohnungstür zuklappte. Es hatte keinen Sinn sich noch weiter zu ärgern. Die noch bleibende Zeit, konnte er auch für ein zweites Nickerchen nutzen. Energie sammeln, bevor er, mit K's Magnum im Nacken, wieder stundenlang in Studio stehen musste.


Der kühle Herbstwind zerrte an Yukis sandfarbenen Mantel, während er, mit seinem neuesten Manuskript unterm Arm, zu seinem Auto schritt. Wie üblich, glimmte eine Zigarette zwischen seinen Lippen und seine stechenden Augen, wurden von einer Sonnenbrille verdeckt. Verblüfft blieb er stehen, als es laut unter seinen Designerschuhen knirschte. Seine blassen Pianofinger, griffen nach seiner Brille und nahmen diese langsam ab. Überall lagen kleine und kleinste Glasscherben, die von dem eher schwachen Licht der Tiefgarage beleuchtet wurden. Die glitzernde Spur, war in der kleinen Garage des exklusiveren Apartmenthauses, kaum zu übersehen und nährte einen üblen Verdacht in dem jungen Mann. Mit schnelleren Schritten, durchquerte er die Garage zu seinem, etwas abseits stehenden, Mercedes und wollte laut aufschreien, als er diesen sah.

Tatsächlich endete die Glasspur an dem Auto. Die Scheiben waren eingeschlagen und der Innenraum voller Splitter. Sie wurden nicht einmal beseitigt, um die Sitze aufzuschlitzen, deren Inneres nun sehr deutlich hervorbrach. Der Lack war zerkratzt, die Reifen zerstochen und die Felgen fehlten völlig.

„Verdammte Scheiße", fluchte Eiri und kam langsam näher.

Mit gehobener Braue, betrachtete er abschätzend sein Auto überschlug in seinem Kopf sofort die Kosten für die Reparatur. Wütend, wandte er seinen hübschen Kopf zu Kamera und runzelte die Stirn bei deren Anblick. Hier war jedenfalls kein gewöhnlicher Spinner am Werk gewesen. Bei dem Anblick, der Farbe auf der Kameralinse, musste Yuki unwillkürlich schlucken. Da hatte es wirklich jemand auf ihn abgesehen und er konnte es nicht mehr einfach so abtun. Allerdings hatte er auch keine große Lust, die Polizei einzuschalten. Die Bullen neigten einfach dazu, zu viele Fragen zu stellen und die Presse anzulocken. Auf einen Skandal hatte er nun wirklich keine Lust. Nein, damit musste er schon allein fertig werden, was an sich auch kein Problem darstellte. Angst, hatte er sicher nicht. Niemand fordert ihn heraus und glaubt, unbeschadet davon zu kommen. Was ihm Kopfzerbrechen bereitete, war momentan sein hyperaktiver Lover. Shuichi würde es mit Sicherheit schaffen, alles zu verkomplizieren, dafür hatte er eine natürliche Begabung. Da konnte Yuki die Presse auch gleich anrufen. Dies war wirklich der perfekte Zeitpunkt, die singende Nervensäge endlich loszuwerden. Er konnte sich ja ohnehin nicht erklären, wie er den Jüngeren so lange ertragen konnte.


Es war bereits weit nach Mitternacht und die Straßen waren bereits nur noch von Ratten und Katzen bevölkert, als Shuichi heimkam. Leise öffnete er die Tür und schlich nur auf Zehenspitzen herein. Auf keinen Fall, wollte er Yuki stören oder gar wecken.

Seufzend griff er sich an die Kehle. Der abrupte Wechsel von kalter Nachtluft zu warmer, stickiger Wohnungsatmosphäre, reizte seine angeschlagenen Stimmbänder nur noch mehr. Müde entledigte er sich seiner Jacke und des Schals und schmiss sie an die Garderobe. Seine Füße tapsten über den Holzboden ins Wohnzimmer, wo sie erstarrten. Im flackernden Licht des Fernsehers, saß Yuki auf dem Sofa. Seine stechenden Augen wanderten zu Shuichi, der nur verwundert dreinschaute.

„Du kommst spät", bemerkte der Blonde trocken und richtete sich etwas auf.

Seine Hand angelte sich die Zigarettenpackung und das Feuerzeug vom Wohnzimmertisch. Geschickt, schnappten sich seine Lippen einen Glimmstängel aus der Packung. Klackend sprang das Sturmfeuerzeug auf und genüsslich nahm der junge Mann einen tiefen Zug, um die Zigarette richtig anzuzünden.

„D-du hast auf mich gewartet?"

Etwas klickte in Yukis Kopf. Er kannte diesen erstaunten Ausdruck in Shuichis Stimme, die in einem Wimmern endete. Wie konnte er das nur provozieren.

„Argh, verdammt Shuichi", fluchte er, als der Jüngere sich förmlich auf ihn stürzte und seinen Kopf fast schmerzhaft gegen Eiris Bauch drückte. Er hätte wissen müssen, was es bedeutete, dem kindlichen Sänger auch nur einen Hauch von Hoffnung zu machen. Aber nun gut, heute sollte es mal nach Shuichis Nase gehen, als Abschiedsgeschenk sozusagen.

Shuichi ließ sich in seinem Enthusiasmus nicht einmal von der Zigarette stören, deren glühende Asche drohend über seinem nackten Nacken schwebte.

„Du erdrückst mich!"

Shuichi stoppte in seiner Knuddelattacke und blickte mit seinen blauen, treuen Augen hoch. Yuki hasste diesen feuchten Blick. Es war, als hätte man ein kleines Kind vor sich und wer wollte schon mit einem Kind schlafen?

Ruckartig schnellte Shuichi hoch und saß nun breitbeinig auf Yukis Oberschenkeln. Vorsichtig, beschämt und entschuldigend, blickte er dem Blonden ins Gesicht.

„Uhm... entschuldige. Es ist nur... du hast eben noch nie auf mich gewartet. Und mein Tag war so anstrengend und da freut es mich eben sehr... und..."

„Sei still!"

Doch Shuichi war nicht still. Er stammelte unaufhörlich weiter, wechselte zu einer atemlosen Rede, aufgeregtem Hampeln und einem glücklichen, breiten Grinsen. Irgendwann war Yukis mäßige Geduld vollkommen erschöpft und die Ader an seiner Schläfe pulsierte sehr gut sichtbar. Es gab nur noch eine Möglichkeit, Shuichis Redefluss zu stoppen. Der Blonde legte eine Hand in den Nacken des Jüngeren und schon die Finger in das weiche, pinkfarbene Haar hinauf. Überrascht, riss Shuichi die Augen auf, als er die herben Lippen des schönen Halbjapaner spüren konnte. Jeder Gedanke in seinem Kopf löste sich auf, während es in seinem Magen zu kribbeln begann. Seufzend gab er sich und seinen Körper ganz dem Kuss und dem Verlangen seines Geliebten hin.


Einzelne Wortfetzen drangen in das Unterbewusstsein, das langsam aus dem Schlaf zurückkehrte. Trübes Blau, blickte zwischen den Lidern hervor und versuchte sich an den hellen Morgen zu gewöhnen. Ein Schatten huschte an seinem verschwommenen Blickfeld vorbei und brachte ihn zum Lächeln. Die Matratze sank etwas herab, als noch mehr Gewicht auf sie drückte. Schlanke, kühle Finger, strichen durch Shuichis Haar und ließen ihn leise aufseufzen. Er lag noch immer in den Nachwehen und gab sich ganz seinem Glücksgefühl hin.

Die Finger wanderten weiter und strichen über die Lippen. Leicht bog der Mittelfinger die Unterlippe des 19jährigen herunter. Elektrisierendes Prickeln, breitete sich in Yukis Fingerkuppe aus, als Shuichis Atem darüber strich, abgelöst von der feuchten Zungenspitze, die neugierig daran stupste.

Kurz wanderten Eiris kalte Augen zu dem halbschlafenden Jungen, der geradezu hungrig auf seine Zärtlichkeiten einging, dabei war er nur halbherzig bei der Sache.

Shuichi hörte noch immer Yukis Stimme nur sehr weit entfernt. Sie galt auch gar nicht ihm, der Schriftsteller telefonierte, aber immerhin gönnte er ihm etwas Nähe. Voller Genuss, kostete er Yukis kalten Finger, der ihn noch etwas der Zärtlichkeiten letzter Nacht spüren ließ. Es war kein wilder, leidenschaftlicher Sex wie sonst gewesen, sondern sanft, leise, voller Streicheleinheiten, die der Teenager so selten bekam. Es war einer der wenigen Nächte, in denen Yuki mehr auf ihn, als auf sich selber achtete.

„... nachher und machen sie sich keine Sorgen wegen des Geldes."

Es klickte, als Yuki auflegte und das Telefon zur Seite legte. Sein Blick fiel erneut auf Shuichi, dessen Zunge noch immer über seine empfindliche Fingerkuppe strich und damit einen Schauer über seinen Rücken jagte. Der Blonde zog seinen feuchten Finger zurück und zeichnete eine Linie über Hals, Brust und Bauch des Jüngeren. Ein Blick in die verschleierten, blauen Augen, verriet ihm, welche Gedanken unter dem grellen Haar entstanden. Er legte seine Hand nun flach auf den zuckenden Bauch Shuichis und schob sie unter die Decke hinab zu seinem Schritt. Erregt keuchte der Pinkhaarige auf und krallte seine Finger, neben seinem Kopf, ins Kissen. Yuki verhinderte einen weiteren Laut mit einem Kuss, dessen berechnende Kälte, fast unter der gespielten Leidenschaft verschwand und dennoch war es für Shuichi die Erfüllung seiner Sehnsüchte.

„Wann wirst du zurück sein?" fragte Yuki gegen die bebenden Lippen des Jüngeren.

Dieser, aus seinem siebten Himmel gerissen, wirkte erst verwirrt, antwortete dann aber doch.

„So gegen acht, schätze ich. Heute wird es wohl nicht ganz so lang. Nur einige Interviews."

„Gut."

Enttäuscht blickte Shuichi zu seinem Geliebten, als dieser sich zurückzog und Anstalten machte, zu gehen. Das war die typische Grausamkeit Yuki Eiris. Er würde selbst einem Ertrinkenden einen Schwimmring zuwerfen und diesen dann Stück für Stück zurückziehen, damit der Sterbende hinterher schwimmen musste.


Überschwänglich, wurde die Tür aufgerissen und „Bad Luck"stürzte aus dem Fernsehstudio. Mit einem breiten Lächeln und tiefster Zufriedenheit, streckte Shindou Shuichi seine Arme in die Luft und verbog sich erst einmal genüsslich, um die Spannung aus dem Körper zu bekommen. Am wenigsten an seinem Stardasein, gefielen ihm die Interviews. Er war Sänger und sollte auf der Bühne stehen oder wenigstens im Studio und nicht ständig herumtingeln und immer wieder die gleichen Fragen beantworten. Innerlich zuckte er dann doch gleichgültig die Schultern. Nun ja, es gab weitaus Schlimmeres und so schlecht war es auch nicht, auch, wenn er lieber sang.

Eine Hand, legte sich auf die schmale Schulter des Frontmanns und stieß ihn aus der Tür. Überrascht drehte Shuichi sich um und blickte in das Gesicht eines jungen Mannes, der eigentlich immer so aussah, als wäre er gerade aus dem Bett gekrochen. Ein amüsiertes Grinsen, erhellte das Gesicht, welches von langem, braunem Haar umrahmt war.

„Ein gutes Interview. Du bist ja heute richtig gut drauf."

Selbst die Sonne hätte nicht heller strahlen können, als das Lächeln des Sängers. Enthusiastisch nickte dieser und man musste Angst haben, dass sein hübsches Köpfchen von seinem eher feinen, androgynen Körper fiel. Plötzlich stoppte Shuichi und streckte seine Hand mit dem Victoryzeichen vor.

„Hab einfach einen verdammt guten Tag."

Wissend nickte Hiroshi und betrachtete seinen besten Freund zufrieden. Er wusste sehr genau, woran dieser zusätzliche Energieschub lag. Shuichi war nicht einfach nur verliebt, er war der Inbegriff uneigennütziger Liebe und jedes noch so kleine Wort Yukis, ließ die Endorphine durch seinen zarten Körper schießen.

Schmunzelnd legte Hiroshi einen Arm um Shuichis Schultern und stützte sich etwas auf.

„Lass uns gehen, bevor K und Sakano auf die Idee kommen, uns noch ein Fotoshooting machen zu lassen."

Mit dem Nervenbündel im Arm, dass sofort nickte, schob sich der Gitarrist zum Hinterausgang, um möglichen Fanhorden zu entgehen.

„Hast du noch Zeit für ein Bier?"

Shuichi erstarrte kurz bei der Frage und schüttelte dann seinen Kopf so heftig, dass Hiros Wange von violettem Haar geradezu gepeitscht wurde.

„Das geht nicht", jammerte der zierliche Sänger und schien schon fast einem Heulkrampf nahe, „ich habe Yuki gesagt, ich bin um acht wieder zu Hause."

Liebevoll, streichelte der junge Mann mit der braunen Mähne, seinem kleinen Freund über den Kopf.

„Wie du willst. Dann vielleicht ein anderes Mal und viel Spaß."


Sich selbst einredend, leicht wie eine Feder zu sein, hüpfte Shindou Shuichi die Treppen hoch und ließ dabei so einige aus. Mit zittrigen Fingern kramte er den Wohnungsschlüssel aus seiner Tasche und ließ ihn fast fallen. Wie immer, klopfte sein Herz wie wild, wenn er vor der nichtssagenden, hellbraunen Tür stand. Er atmete einmal tief ein, bevor er den Schlüssel in das Sicherheitsschloss steckte und stutzte. Er bekam den Schlüssel nicht rein. Immer nervöser werdend, versuchte er noch einige Male den Schlüssel hineinzubekommen und gab schließlich auf. Irgend etwas machte er falsch. Zur Überprüfung, betrachtete er den Schlüsselbart. Dieser schien jedoch völlig intakt. Ob es möglicherweise der falsche Schlüssel war? Aber auch das, war schlecht möglich. Für den jungen Mann, war das Objekt ein Heiligtum. Yuki selber hatte ihn ihm überlassen und nur er allein besaß einen weiteren Schlüssel.

Irritiert von diesem Problem, beschloss Shuichi zu klingeln. Zwar würde Yuki sich gestört fühlen und ihn anmaulen, weil er nicht den Schlüssel benutzte oder einfach zu unfähig dafür war, ganz sicher, würde er ihn einen Idioten nennen, aber anders ging es wohl nicht.

Sein Finger war nicht einmal bis zum Klingelknopf gelangt, als sich Schritte näherten. Sofort hellte sich seine Miene auf, als er hörte, wie die Klinke heruntergedrückt wurde. Vorsichtig, ging er einen Schritt zurück, damit die Tür richtig aufschwingen konnte.

„Yu..."

Augen, so kalt und abweisend wie antarktischer Winter, drangen durch Shuichis Körper bis zum tiefsten Punkt seiner Seele. Nur schwer, konnte der Sänger sich davon losreißen und blickte zu einer Frau, die sich an Yukis Arm klammerte und ihn wie ein Insekt, das zertreten werden musste, ansah. Ihr Silikonbusen, der fast aus dem engen, kurzen, knallroten Designerkleid platzte, bebte, als sie kichern musste. Mit einer geschmeidigen Handbewegung, warf sie ihr langes, schwarzes Haar mit den feuerroten Strähnen zurück.

„...ki ...?"

„Du bist doch dieser Typ aus dem Fernsehen... Gag Luck oder so ähnlich."

Ihre grauen Augen, wanderten am völlig verwirrten Shuichi auf und ab, der sich darunter wie ein Zootier vorkam.

„Du bist ja real noch niedlicher", gluckste diese störende Person, die es wagte, sich an seinen Yuki zu klammern.

„Willst du deine Sachen holen? Keine Angst, ich habe veranlasst, dass sie alle in deine Wohnung gebracht werden."

Mit geweiteten Augen, schnallte Shuichis Kopf zu Yuki, der nur einen überheblichen Blick für ihn übrig hatte. Auch die dunkle und eisige Stimme des Blonden zerschnitt dem jungen Mann das Herz.

„I-ich versteh nicht", stammelte Shuichi hilflos.

Sämtliches Glücksgefühl strömte aus seinem Körper und ließ ihn von seiner rosa Wolke stürzen.

Gelassen, fuhr Yuki sich durch sein schönes, blondes Haar.

„Was gibt's da groß zu verstehen? Ich hab genug von dir..."

Shuichi stolperte zurück. Er verstand nun gar nichts mehr.

„A-aber letzte Nacht und heute morgen..."

Nicht einmal ein überhebliches Grinsen, legte sich auf den Mund des Schriftstellers, als er Shuichi direkt in die Augen sah. Dieser konnte sehen, wie sich Yukis Lippen bewegten, aber der Sinn seiner Worte, drangen nur mit Verzögerung zu ihm durch. Sein Verstand weigerte sich einfach, die Worte aufzunehmen.

„Nenn es ein kleines Abschiedsgeschenk für mein Spielzeug. Ich hab einfach keine Lust mehr, auf Frauen zu verzichten."

Shuichis Herz zerbrach. Yuki konnte es nur zu deutlich in seinen Augen sehen. Das klare Blau wurde immer trüber und starrte hilflos ins Nichts. Diesmal hatte er es endgültig geschafft. Noch einmal würde Shuichi nicht zurückkehren.

„Habe ich etwas falsch gemacht?"

Die Frage des verletzten Jungen, die nicht mehr, als ein Wispern war, überraschte Yuki wenig und dennoch, brach sie so etwas wie Schuldgefühle in ihm auf.

„Du hast alles falsch gemacht. Du langweilst mich."

Seine tiefe, dunkle Stimme, erreichte den Jüngeren mit harter, verletzender Ehrlichkeit. Tief in seinem Inneren, hatte Shuichi diesen Tag immer vorausgeahnt. Es war ohnehin nicht das erste Mal, dass Yuki die Beziehung beendete, doch es war nie endgültig gewesen und auch nicht so hart.

Kopfschüttelnd trat Shuichi zurück, drehte sich schließlich um und stolperte hastig davon. Yuki war schon immer sehr unterkühlt gewesen, aber diesmal war es schlimmer, als alles andere. Es war einfach so plötzlich, ohne Vorwarnung und mit dem puren Willen ihn zu demütigen, geschehen.

Besorgt, blickte die junge Frau dem Sänger nach, bevor sie fragend zu Yuki aufsah.

„Ist es gut, ihn in dem Zustand wegzulassen?"

Yuki hatte seine Augen geschlossen und schien in Gedanken, antwortete aber doch.

„Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Shuichi ist nicht der Typ, der sich wegen so einer Sache, etwas antut. Ist ohnehin besser für ihn."

Betroffen blickte das Püppchen zu Boden. Die Kälte dieses Mannes war beängstigend. Hinter seiner schönen Erscheinung und all dem Geld, verbarg sich eine wahre Bestie.