Langsam glitten ihre Finger über das raue Papier, das mit schwarzer Tinte schwungvoll beschrieben war, bis sie den Rand der Bücherseite erreichte und sie Seite geräuschvoll weiter blätterte. Das nächste Kapitel des Buchs Höchst potente Zaubertränke war endlich das, was sie gesucht hatte.

„Ah… Der Feuertrank! Was benötigt man genau für dafür…" Hermine redete leise vor sich hin, während sie mit ihrem Zeigefinger über die einzelnen Buchzeilen fuhr. Sie war so sehr in ihr Tun vertieft, dass sie nicht bemerkte, wie sich jemand hinter sie stellte und ihr über die Schulter blickte.

„Na Granger? Verbringst du mal wieder den Abend mit deiner absoluten Lieblings-beschäftigung?" Erschrocken drehte sie sich um und blickte in das arrogante Gesicht von Draco Malfoy, der sich lässig an ein Bücherregal gelehnt hatte und die Arme vor seinem Körper verschränkt hielt.

„Was willst du, Malfoy? Vielleicht weißt du es noch nicht, aber das hier ist eine Bibliothek und eigentlich kommen die Leute hier her und wollen sich kein Gespräch aufzwingen lassen!", gab sie bissig zurück, nachdem sie erkannt hatte, wer sie gerade gestört hatte.

„Wir sind aber heute wieder äußerst gut gelaunt, Granger? Was ist los? Hast du deine Tage?" Er sah sie belustigt an, während er einen Schritt näher auf sie zuging.

„Da du für mich definitiv nicht der richtige Gesprächspartner im Themenbereich Menstruation bist und ich auch sonst nicht wirklich Lust habe, dieses Gespräch mit dir noch lange fort zu führen, frage ich dich erneut: Was willst du, Malfoy?" Sie klang gelassen und kühl, während sie sich wieder ihrem Buch widmete.

Doch in Hermines Innerem schien sich langsam eine brodelnde Wut auszubreiten. Was bildete sich dieser Scheißkerl eigentlich ein?

„Nun gut… Um nicht lange um den heißen Brei herum zu reden…" Er deutete auf das Buch, das vor Hermine auf dem großen Tisch lag. „Ich will das Buch… Also gib es her, klar?"

„Was?" Nun war sie es, die ihn belustigt ansah. „Malfoy, ich weiß nicht, ob in deinem Oberstübchen noch alles richtig tickt, aber du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass du hier einfach so rein schneist und ich dir das Buch, das ICH gerade lese, überlasse?"

Ein selbstherrliches Schmunzeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Doch, natürlich glaube ich das, Granger! Schließlich haben wir bald Abschlussprüfungen und ich muss noch ne Menge Stoff lernen... Und wie du dir sicherlich vorstellen kannst, " Er machte Handbewegungen neben seinem Kopf, die Hermine scheinbar den Prozess des Denkens symbolisieren sollten. „…brauche ich dazu gewisse Bücher!" Nun deutete er wieder sehr überzogen auf das dicke Buch vor Hermine, die ihn immer fassungsloser anstarrte.

„Also ich weiß nicht, ob dir folgendes bewusst ist, Malfoy! Aber in der Regel kann man sich ein Buch…" Nun war sie es, die wie für einen Begriffsstutzigen auf das Buch deutete. „…nur aus der Bibliothek ausleihen…", sie deutete auf das große Schild, dass in der Mitte des Raumes hing und auf den in großen Lettern Hogwarts-Bibliothek geschrieben war. „… wenn es nicht bereits durch einen anderen Schüler…", sie deutete auf sich. „…ausgeliehen ist!"

„Vielleicht hast du es nicht verstanden, Granger! Ich brauche dieses Buch und ich will es JETZT!" Er schien wütend. Noch während er mit ihr sprach, hatte er bereits seine Hand auf das Buch gelegt und wollte es zu sich ziehen, doch Hermine war schneller und hielt es fest.

„Gib es mir, Granger!", zischte er leise. „Ich werde mir doch nicht meine Noten ruinieren lassen, nur weil so ein dreckiges Schlammblut wie du es bist, sich hier aufspielen will… Sei froh, dass du Hogwarts überhaupt besuchen darfst!"

„DAS IST JA WOHL…", sagte sie entrüstet und blinzelte ihn zornig an. „DU KRIEGST DIESES BUCH NUR ÜBER MEINE LEICHE!"

„Wenn es weiter nichts ist…" Er zückte seinen Zauberstab, doch auch Hermine hatte den ihren bereits während ihrer Unterhaltung aus ihrer Umhangtasche genestelt und hielt den dunklen Stab gegen Malfoy gerichtet, während sie das Buch weiter fest umklammerte.

„Nun mach hier nicht so ein Drama, Granger! Gib mir das Buch!" Draco, der seinerseits aufgesprungen war, schnauzte sie in einem sehr rüden Ton an. Auch er hielt seinen Zauberstab auf sie gerichtet.

„Besser du verschwindest, oder du kannst was erleben…", zischte Hermien bösartig und konnte förmlich spüren, wie das eigene Blut ihr durch die Ohren rauscht.

„ACCIO HÖCHST POTENTE ZA…", schrie der Slytherin, doch noch bevor er seinen Spruch beenden konnte, donnerte Hermine dagegen. „PROTEGO!" Das Buch, das ihr schon fast aus der Hand geglitten war, blieb in ihrer Hand.

„RICTUSEMPRA!" Malfoy verfehlte Hermine nur knapp, was allerdings zur Folge hatte, dass er ein riesiges Loch in eine Bücherwand sprengte. Papierfetzen segelten durch die Luft, einige von ihnen brannten.

Und auch Hermines Fluch, der kurz auf seinen folgte, schlug dicht neben seinem Kopf ein, da er sich zur Seite geworfen hatte und zerstörte damit das nächste Regal.

Was in den nächsten fünf Minuten passierte, ließ sich nicht in Worte fassen. Sie schossen mehrere Flüche, die mehr oder minder erfolglos waren, gegen sich ab und in kürzester Zeit lag ein großer Teil der Bibliothek in Schutt und Asche…

„ACCIO ZAUBERSTÄBE!" Eine laute Frauenstimme ertönte und im nächsten Moment spürten sie nur noch, wie ihre beiden Zauberstäbe ihnen aus den Händen glitten.

Professor McGonagall, gefolgt von Professor Dumbledore stand mitten unter dem großen Türbogen. Beide blickten fassungslos auf das Bild das sich ihnen bot. Völlig benommen sah der Schulleiter dabei zu, wie ein großes, kokelndes Blatt direkt vor seiner Nase nieder segelte und fast Professor McGonagalls Rocksaum im Band steckte.

Doch Hermine und Draco blickten nicht minder geschockt zu ihnen hinüber. Es schien beiden, als wären sie gerade erst aus einer Art Trance erwacht… Und so war es auch beinahe!

Sie hatten sich so sehr in Rage befunden, dass sie sicht nicht mehr eindeutig bewusst waren, was sie gerade getan hatten.

„Professor…", stammelte Hermine kaum hörbar und hielt sich immer noch an das Buch geklammert, dass Auslöser dieses Infernos war.

Dumbledore blickte sie an und das erste Mal in ihrem Leben konnte Hermine einen Ausdruck in seinem Gesicht erkennen, den SIE noch nie gesehen hatte. Er war wütend!

„Sie beide…", sagte er grollend. „Mitkommen!"