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Eine Blöde Wette

Endlich war es soweit: die letzten Besucher verließen die Grabkammer von Maes Howe und das Besucherzentrum wurde abgesperrt.

„Wieso habe ich mich nur auf diese dämliche Wette eingelassen!" flüsterte ich, als ich mich Richtung Eingang schlich. Die Sonne war gerade untergegangen und das Steinzeitgrab lag im Schatten. Vorsichtig stieg ich über das Tor und huschte die restlichen Meter zum Eingang. Hatte sich da in der Dunkelheit des Grabes nicht etwas bewegt? Puh, nein, das war nur ein Schatten.

„Ich hätte mir gestern vielleicht doch lieber nicht ‚Die Mumie' anschauen sollen."

Behutsam kroch ich in den niedrigen Gang der zur Grabkammer führte.

„Autsch!" Fuck, war der Gang niedrig.

Endlich war ich in der innersten Kammer. Ich suchte mir eine Ecke, legte meinen Rucksack neben mich und wickelte mich in meine Decke.

Nach einer Stunde wurde mir langsam kalt und meine Beine waren bereits eingeschlafen. Stöhnend setzte ich mich anders hin.

„Wie konnte ich mich nur auf so eine blöde Wette einlassen!"

Meine Freundin Katya und ich waren bei Katyas Oma auf Besuch, die auf den Orkney Inseln lebte. Ihre Oma war echt cool, sie zeigte uns jede Menge Steinkreise und alte Gräber und wusste auch jede Menge interessante Geschichten über Geister und über die Kelten, die einst auf Orkney lebten. Eine meiner Lieblingsgeschichten war die über Niamh und Oisín, die in Irland spielte:

Vor langer, langer Zeit, von der Zeit des Conn Céadchathach im zweiten Jahrhundert nach Christus bis zum Tode des Cairpre Liffechair im dritten Jahrhundert, gab es in Irland eine Bande von Kriegern, die die Fianna genannt wurden und Irland gegen Eindringlinge verteidigten. Ihr Anführer war Fionn mac Cumhail finn mac cuhl und sein Sohn war Oisín der Dichter.
Eines Tages jagten Fionn und die Fianna in Kerry und rasteten auf einem Hügel, der den Atlantischen Ozean überblickte, denn so konnten sie sehen ob irgendwelche Eindringlinge kamen. Und sie sahen einen. Es geschah nicht oft, dass ein Eindringling sich Irland ohne eine Flotte von Booten und einer ganzen Armee hinter sich näherte, aber dieser hatte nicht einmal ein Boot. Dieser Eindringling ritt ein majestätisches weißes Pferd über die Wellen, und als Fionn und Oisín und der Rest der Fianna verwundert starrten, konnten sie sehen, dass der Eindringling eine schöne junge Frau war mit langen goldenen Haare, die im Wind wehten.
Sie war die schönste Frau, die der junge Oisín je getroffen hatte. Als die Frau mit ihrem Pferd den Hügel hinaufritt, auf dem Fionn und Oisín standen, begannen Oisíns Knie zu zittern. Sie hielt vor Fionn und Oisín, und Fionn sagte, „Ihr seid herzlich willkommen in unserem Land, junge Lady. Ich glaube nicht, dass ich Euch schon einmal gesehen habe."
"Aber ich habe Euch gesehen," sagte sie, „als Ihr mich nicht sehen konntet, Fionn mac Cumhail. Ich kam oft nach Irland um Euch und die Fianna zu beobachten ... und Euren Sohn Oisín."
Als er seinen Namen von ihren Lippen hörte, wurden Oisíns Knie weich. „Was ist Euer Name und woher kommt Ihr und wer ist Euer Vater und wie ist der Name Eures Ehemanns?" sagte Fionn.
"Mein Name ist Niamh niav Chinn Óir von Tír na nÓg, und mein Vater ist Manannán mac Lir, der Herr in jenem Lande."
Ihr Name – Niamh – bedeutet „Helligkeit". Niamh des Goldenen Haares, aus dem Land der Jugend, wo niemand je alt wird. „Du hast den Namen deines Ehemanns in Tír na nÓg nicht erwähnt," erinnerte Fionn sie, und Oisín und jeder Mann der Fianna hielt seinen Atem an.
"Viele Männer in Tír na nÓg haben mir ihre Liebe angeboten," sagte Niamh, „aber ich habe meine Liebe keinem von ihnen gegeben."

Oisín und die Fianna atmeten mit einem erleichterten Seufzer wieder aus. Fionn sah sie an mit einem Auge das geübt darin war, eine gute Ehefrau zu erkennen. „Es scheint sehr unfair von Euch, Eure Liebe keinem Mann zu geben," sagte er ernst, denn er war ein Mann mit einem guten Sinn für Gerechtes.

"Nicht einem Mann aus Tír na nÓg," sagte Niamh, „weil ich einen Mann aus Irland liebe, und ich kam hierher und ihn zu fragen, ob er mich heiraten will und mit mir nach Tír na nÓg zurückkehren will." Und dann lächelte sie Oisín an. Oisín sah seine heldenhaften Gefährten der Fianna an, und sah mehrere Sachen gleichzeitig in ihren Augen: Neid, dass Niamh nicht sie erwählt hatte, und Erleichterung, aber hauptsächlich sah er Traurigkeit wegen der Trennung von Freunden und Begleitern. Und Oisín sah Fionn an und sah die Befriedigung, die ein Vater fühlt, wenn sein Sohn eine gute Ehe eingeht, aber hauptsächlich Traurigkeit, weil sein Sohn ihn verlies.
Sie verzauberte ihn mit ihrer überirdischen Schönheit. Sie verzauberte ihn mit einem Kuss. Und ohne die geringste Schwierigkeit brachte sie ihn dazu, ihr nach Tír na nÓg zu folgen. Oisín sprang hinter ihr auf das große weiße Pferd, und sie galoppierten über die Wellen nach Tír na nÓg, wo Oisín von Manannán und seinen Leuten herzlich empfangen wurde. Und wenn Oisín sich auf den ersten Blick in Niamh verliebt hatte, verliebte er sich doppelt so sehr in sie jedes mal, wenn er sie ansah.
Sie lebten drei Jahre lang glücklich, bis Oisín eines Tages zu Niamh sagte, „Ich erinnere mich immer wieder an die Traurigkeit in den Augen meines Vaters und in den Augen meiner Freunde in der Fianna, als ich Irland verließ. Falls sie mich ebenso sehr vermissen wie ich sie, werden sie so glücklich sein mich wiederzusehen, wie ich es sein werde, wenn ich sie wiedersehe. Ich würde mir gerne das weiße Pferd ausleihen und für einen kurzen Besuch nach Irland zurückkehren."
"Verlasse diesen Ort nicht," sagte Niamh. „Gehe nicht weg von mir, mein Liebling. Falls du
Tír na nÓg verlässt, wirst du nie wieder zurückkehren."
"Natürlich werde ich zurückkehren," sagte Oisín. "Ich liebe dich und ich konnte ohne dich nie glücklich sein. Ich werde so schnell zurückkehren, dass du nicht einmal bemerkst, dass ich fort war."
Als Niamh sah, dass er entschlossen war zu gehen, sagte sie, "Erinnere dich, als ich nach Irland kam um dich hierher zu bringen, blieb ich die ganze Zeit auf dem Pferd. Was auch immer du tust, versprich mir, dass du nicht von dem Pferd absteigen wirst. Berühre den Boden nicht einmal."
"Ich verspreche es," sagte Oisín. „Ich werde schnell zurück sein." Und er galoppierte über die Wellen auf dem Rücken des großen weißen Pferdes, und in kürzester Zeit kam er in Irland an. Er ritt direkt nach Dún Áileann, wo Fionn und die Fianna lebten, wenn sie nicht unterwegs waren und jagten oder Irland gegen Eindringlinge verteidigten. Dies ist ein massives Fort auf dem Hügel von Knockaulin in County Kildare, das von Fionns Urgroßvater Nuada Airgetlámh gebaut wurde. Aber als Oisín den Hügel hinauf galoppierte, bemerkte er, dass die Straße überwachsen und die Felder unbebaut waren, und er hörte keine Stimmen und sah keine Menschen. Und als er Dún Áileann erreichte, sah er, dass das Dach eingefallen war und die Wände zerfielen. Er konnte sich nicht vorstellen, was geschehen war.
Das Hauptquartier der Fianna war verlassen. Oisín ritt die Straße zurück und wandte sein Pferd in Richtung Glenasmole einer der Lieblingsjagdgründe der Fianna in der Nähe von Dublin. Es war in Glenasmole dass er die ersten Menschen sah. Eine Gruppe von Männern bemühten sich, einen großen Felsen zu bewegen, und Oisín verwunderte dies. Jeder der Fianna hätte den Felsen mit einer Hand aufheben können. Und hier waren zehn Männer, die versuchten den Felsen zu bewegen, und sie waren nicht in der Lage, ihn auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Was war mit den Menschen geschehen, seit Oisín Irland für Tír na nÓg verlies?
Oisín erkannte keinen der Männer als er näher heran ritt. Er bemerkte, dass sie klein und kümmerlich waren, ungefähr so groß wie du und ich und jeder andere heutzutage. Die Männer waren überrascht, als sie Oisín auf dem großen weißen Pferd sahen. Er grüßte sie und fragte sie, wo er Fionn mac Cumhail und die Fianna finden könnte. „Fionn mac Cumhail?" sagten sie. „Die Fianna? Es gibt hier keinen der Fionn mac Cumhail genannt wird und es gab auch nie einen. In den alten Tagen erzählten die Leute Märchen um die Kinder zu erschrecken, von einer Rasse von bösen Riesen, genannt die Fianna, die Menschen aufaßen. Aber jetzt erzählt niemand mehr diese Geschichten."
Da begriff Oisín – 300 Jahre waren in Irland vergangen, während er dachte, er sei drei Jahre weggewesen, und sein Vater und seine Freunde waren schon seit langem tot. „Es ist gut, dass sie diese Geschichten nicht mehr erzählen," sagte Oisín. „Sie sind Lügen. Ich bin Fionns Sohn Oisín und ich war selbst ein Mitglied der Fianna. Wir waren keine Riesen, aber jeder von uns konnte diesen Felsen mit einer Hand aufheben."
Und er wendete das Pferd Richtung Westen und Tír na nÓg, aber einer der Männer sagte, „Beweise die Richtigkeit deiner Worte, indem du diesen Felsen für uns aufhebst, und wir werden uns deine Geschichten von Fionn und der Fianna anhören."
"Ich werde es tun," sagte Oisín, „als Beweis, und dann werde ich zurück nach Tír na nÓg gehen, denn für mich gibt es nichts mehr in diesem Land." Oisín erinnerte sich an die Worte Niamhs, also beugte er sich aus dem Sattel und legte seine Hand unter den Felsen. Aber als er begann, ihn hochzuheben, riss der Sattelgurt unter der Belastung und Oisín fiel zu Boden. Und sobald er den Erde Irlands berührte, verwandelte er sich in einen verwelkten, blinde alten Mann. Niamhs großes weißes Pferd galoppierte davon.

Die Geschichte endete zwar traurig, aber ich mochte sie trotzdem. Besonders der erste Teil gefiel mir.

Katyas Oma war es auch, die uns von dem keltischen Fest Beltane erzählt hatte, das in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai stattfand, eine der heiligsten und gefährlichsten Nächte im ganzen Jahr. In dieser Nacht würde die Verbindung zwischen dieser Welt und der Welt der Toten oder der Feen und Geister offen sein. Besonders gefährliche Orte wären alte Gräber, Steinkreise und sogenannte Feen-Hügel. Dort sollen immer wieder Geister von Toten oder Feen und Kobolde gesehen worden sein, die dort in jener Nacht tanzen und feiern. Wir haben natürlich kein Wort geglaubt und es für eine Schauergeschichte gehalten, die dazu dient, kleine Kinder davon abzuhalten, nachts nach draußen zu gehen. Oder dazu, um tolle Romane zu schreiben, siehe Claire und Jamie.

Als wir dann am Abend vorm Fernseher saßen und uns einen uralten Gruselfilm ansahen, unterhielten wir uns darüber, dass es doch lustig wäre, eine solche Nacht unter freiem Himmel zu verbringen.

„Eigentlich müssten wir uns einen Steinkreis oder so suchen und dort die Nacht von Beltane verbringen" sagte ich.

„Warum nicht in Maes Howe, das wär' doch cool, und da würde man wenigstens nicht nass werden, wenn's regnet. Außerdem sollen da zusätzlich noch die Geister von ein paar ermordeten Wikingern rumspuken" schlug Katya vor.

So führte eins zum anderen, und schließlich schlug meine Freundin eine Wette vor:

„Wetten, dass du dich nicht traust, die Nacht ganz allein in Maes Howe zu verbringen!"

„Um was wetten wir denn?" fragte ich.

„Mm ... wie wär's mit einem Ticket für das Wallace Clan-Gathering? Meine Oma könnte da welche besorgen."

„Ok, abgemacht!" Schließlich konnte ich das nicht auf mir sitzen lassen, außerdem war ich ein absoluter Braveheart Fan.

Und da saß ich nun, mir war kalt und ich spürte meine Füße nicht mehr. Langsam kroch das Mondlicht den Gang hinein und warf gespenstische Schatten.

„Es gibt keine Geister, das sind alles nur Märchen. Nur nicht an die ermordeten Wikinger denken." Redete ich mir nervös ein. Ich sah auf meine Armbanduhr: Mitternacht – die Stunde der Geister. Ich seufzte:

„Noch ungefähr sechs Stunden, na toll. Ich hätte mir 'ne Wärmflasche mitnehmen sollen." Oder wenigstens 'ne Thermosflasche mit heißem Tee anstatt 'ner Colaflasche.

Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch, wie das Rauschen eines Wasserfalls. Ich schrak auf und sah mich um.

„Ganz ruhig, es gibt keine Geister, das ist entweder Einbildung, oder ... na vielleicht fliegt ja gerade ein Flugzeug vorbei" versuchte ich mich zu beruhigen. Doch das Rauschen wurde immer lauter. Nein, das ist definitiv kein Flugzeug. Scheiße.

„Was kann das nur sein?"

Auf einmal wurde mir schwindelig und ich sah bunter Lichter vor meinen Augen. Vorsichtig setzte ich mich wieder hin und klammerte mich an meinem Rucksack fest, als ob mir der im Notfall etwas helfen würde.

Mittlerweile hatte ich panische Angst, der Schweiß lief mir runter, mir war abwechselnd kalt und heiß und mir wurde schlecht. Doch dann wurde mir schwarz vor Augen und ich fiel in eine tiefe Dunkelheit.