Das Kreuzfahrtschiff machte gute Fahrt, es war schönes Wetter und die Gäste entspannten auf den Liegestühlen, die überall an Deck standen. Mittlerweile waren sie wieder auf dem Rückweg, die Fahrt neigte sich so langsam ihrem Ende zu.
Auch Harry stand an Deck und beobachtete das ruhige Meer, einige Vögel am Himmel oder er sah einfach nur zu, wie sein Cousin sich mit Eis vollstopfte.
Harry war nicht ganz klar gewesen, warum die Dursleys ihn mitgenommen hatten, aber sie wollten es Mrs. Figg wahrscheinlich nicht aufbürden, wochenlang nach Harry zu schauen. Sie war ja auch nicht mehr die Jüngste und wollte vielleicht auch mal ihre Ruhe.
Und ihn alleine zuhause zu lassen wäre auch unvorstellbar.
Das würde wohl damit enden, dass Harry das Haus in die Luft jagte.
Definitiv.
Also wurde entschieden, dass Harry mit durfte. Die Fahrt war sowieso ein Gutschein für vier Personen, also kostete es die Dursleys nicht zusätzlich.
Es wurde langsam dunkel, doch Harry blieb an Deck, während die meisten Fahrgäste sich in ihre Kabinen zurückzogen oder es sich im Speisesaal gemütlich machten und etwas aßen.
Harry starrte angestrengt in die Ferne.
Es war ihm, als hätte er dort die Silhouette einer Insel gesehen.
Aber das war nicht möglich, denn er hatte bei einem Besuch beim Steuermann die Seekarte gesehen und dort dürfte normalerweise keine Insel existieren!
Aber sie war da, mit dunklem Nebel umgeben wie eine finstere Aura. Harrys Magen sagte ihm, dass das nicht gut war, und bisher hatte sein Magen immer Recht behalten.
Sie kamen der Insel immer näher. Mittlerweile wurde es immer dunkler und man konnte die Insel kaum noch erkennen, aber Harry wusste, dass sie immer weiter auf sie zukamen.
Irgendwann ging er doch in seine Kabine, aber schlafen konnte er nicht.
Immer wieder dachte er an die Insel und an sein mulmiges Bauchgefühl.
Mitten in der Nacht brach auch noch ein Sturm über sie herein, sodass Harry aus seinem Halbschlaf bald wieder herausgerissen wurde.
Er rannte an Deck. Seine Vermutung wurde bestätigt, die Insel ragte unmittelbar vor ihm auf.
Das Schiff schwankte und eine riesige Welle überspülte das gesamte Deck. Harry hielt sich gerade noch an der Reling fest, sonst wäre er ins Meer gespült worden.
Einige Sekunden später jedoch passierte genau das: eine weitere große Welle ergoss sich über Harry und er ging über Bord.
Er war nicht der einzige, denn um ihn herum versuchten einige Leute, an der Oberfläche zu bleiben. Harry war schon immer gut im Schwimmen gewesen, auch wenn die Kleidung ihn behinderte.
Also machte er sich auf den Weg zum Strand.
Es waren knapp hundert Meter zu schwimmen, doch mit dem rauen Seegang und der nassen Kleidung war diese Strecke unglaublich kräftezehrend. Harry schaffte es mit Mühe und Not, sich an den Strand zu schleppen.
Überall lagen alte Schiffswracks, einige vermutlich über hundert Jahre alt!
Anscheinend kam es hier des Öfteren zu Schiffbruch. Aber das hieß auch, dass es hier wahrscheinlich auch Überlebende gab. Seltsam, dass allen Anschein nach noch niemand versucht hatte, sie zu retten.
Doch Harry hatte größere Sorgen. Er war durchnässt und auch wenn es Juli war, war es hier doch recht kalt und der eisige Wind trug auch nicht dazu bei, ihn aufzuwärmen.
Im Dunkeln suchte Harry nach einem Unterschlupf am Strand, sodass er mitbekommen würde, wann die anderen kamen.
Immerhin wollte Harry auf keinen Fall, dass sie ihn auf der Suche nach Zivilisation hier alleine zurückließen!
Er fand eine kleine Höhle im Fels, die am Eingang so mit Flechten und Gras überwuchert war, dass man sie beinahe nicht bemerkte. Sie war auch gerade so groß, dass Harry sich dort zusammen gerollt hinein kauern konnte.
Und auch wenn Harry es in diesem Moment noch nicht bewusst war, diese Höhle und sein Instinkt würden ihm das Leben retten…
