Kapitel 1

Da nun ihre beiden älteren Schwestern gut verheiratet waren, war das wichtigste Anliegen all derer, die Margaret Dashwood nahe standen, und derer, die nichts Besseres zu tun hatten, einen passenden Ehemann für sie zu finden. Ihr Mangel an Vermögen oder die Knappheit geeigneter junger Männer im Umkreis von Meilen, ja selbst ihre eigenen Gefühle in dieser Angelegenheit waren in ihren ernsthaften Hoffnungen und Bemühungen in keiner Weise von Bedeutung.

„Gib dir keine Mühe, noch ein Kleid auszubessern, es ist völlig zwecklos, Elinor, diese Reise nach London wird von sowieso nutzlos und ohne Bedeutung sein", verkündete Margaret in lebhaftem Ton, während sie ihren kleinen Neffen, den sie in ihren Armen hielt, sanft schaukelte.

Die nachmittäglichen Sonnenstrahlen schienen durch das Fenster und erhellten das kleine Wohnzimmer des Pfarrhauses von Delaford bis in den letzten Winkel. Elinor saß gerade inmitten einer Flut von Musselin und Seide und arbeitete konzentriert an einem hübschen lila Kleid, auf das sie nach dem Diktat der neuesten Mode einige Perlen nähte. Das bedeutsame Ereignis, dass Margaret für die Saison nach London abreisen würde, war das Hauptthema, anstelle ihrer üblichen Gespräche über Edwards Predigten oder den Appetit der Kinder oder über das Geflügel und das Weideland, und es war der Grund für diese Beschäftigung an diesem Tag.

„Du hast mehr Begeisterung gezeigt, als Marianne und ich nach London fuhren." Elinor unterbrach ihre Näharbeit für einen Moment, schaute zu ihrer Schwester auf und sagte scherzhaft: „Und ich war doch so überglücklich, dass Mrs. Jennings dich endlich dazu überredet hat, all das irdische Glück zu erleben, das dir in London begegnen wird."

Dieser Einwurf löste bei Margaret ein vergnügtes Kichern aus. „Ich dachte in der Tat, ich hätte meine Pflichten mit dem Ball erledigt, den Oberst Brandon vor drei Jahren für mich gab, und ich glaubte aufrichtig, mein bisheriges Unvermögen, einen Mann zu bekommen, würde jedermann ausreichend abschrecken. Aber das scheint nicht der Fall zu sein."

Elinor nahm ihre Arbeit lächelnd wieder auf. Margaret hatte sich hartnäckig geweigert ihnen zu erlauben, mehr in Kleidung für sie zu investieren. Die Kleider, die für den Ball zu ihrer Einführung in die Gesellschaft angefertigt worden waren, waren noch so gut wie neu, da sie sie kaum benutzt hatte, und Elinor hatte sich entschlossen ihr Bestes zu tun, um sie zumindest so modisch wie möglich herzurichten. „Wir sind alle deiner Ausreden, Barton nicht zu verlassen, müde geworden, nach alledem, Liebste ... mein Wochenbett, Mamas Rheumatismus ... Du bist 21 und es ist einfach jedermanns Wunsch zu sehen, dass du jemanden findest, den du lieben kannst."

„Lieben? Komm jetzt, Elinor, das ist ein wertloses, müßiges Gefühl für junge Männer ohne ernsthafte Beschäftigung und wird im Allgemeinen deshalb unterstützt, um die Frauen in Knechtschaft zu halten", erklärte Margaret nachdrücklich, als sie sich setzte, während ihre Hände über ihrem Neffen kreisten, der jetzt fest schlief. Elinor lächelte, da sie die von ihr zitierten radikalen Ansichten jetzt schon seit einigen Jahren gehört hatte, aber ihr Lächeln verwandelte sich in ein leichtes Stirnrunzeln, als Margaret hinzufügte: „Wünsche mir das nicht. Alles, was es dir und Marianne eingebracht hat, ist Herzschmerz und Leiden".

Bei dieser Äußerung blickte Elinor mit einem besorgten Ausdruck auf und fragte etwas aufgeregt: „Margaret, denkst du, dass wir nicht glücklich sind?"

Mit einem nachdenklichen Blick räumte Margaret nach einem Moment des Schweigens ein: „Ich glaube, ihr beide seid glücklich", und fuhr dann mit ernster Stimme fort: „aber das hat sich rein durch Zufall ergeben, wenn du mich fragst. Ich bin immer noch überrascht, dass ihr beide schließlich euer Glück gefunden habt. Alles, woran ich mich nach eurer Rückkehr von dieser Reise nach London erinnere, sind die gequälten, verletzten, verzweifelten Gesichter meiner geliebten Schwestern und das werde ich nie vergessen."

„Willst du damit sagen, dass du ohne Liebe heiraten willst?" rief eine nervöse Elinor.

„Nein", entgegnete Margaret kopfschüttelnd. „Wirklich nicht. Ich bezweifle in erster Linie die Notwendigkeit der Ehe. Was soll diese Vorstellung, die besagt, dass man sein Glück nur finden wird, wenn man jemanden zum Lieben und zum Heiraten findet?" fragte sie und wandte ihren Kopf Edward zu, der gerade mit einem Notizbuch in seiner tintenbefleckten Hand den Raum betrat und sich am Kopf kratzte, zweifellos wegen der Länge seiner bevorstehenden Predigt. „Das Glück findet man nur im eigenen Herzen, nicht in den Händen anderer. Bist du nicht einverstanden Edward?"

Elinor lächelte ihren Mann an. Sie war nicht besonders besorgt wegen Margarets gebieterischen Verlautbarungen gegen die Ehe. Irgendwie erschienen sie sehr abstrakt und jugendlich und sie wäre mehr besorgt gewesen, wenn sie gesagt hätte, sie würde ohne Liebe heiraten. Margarets alltägliches Verhalten und Urteilsvermögen hatte ihnen kaum je irgendwelche Sorgen gemacht und deshalb wurden solche Erklärungen immer mit einer gewissen Heiterkeit gehört. „Edward, du solltest Margaret nicht diese Bücher geben. Sie wird eindeutig von Tag zu Tag rebellischer", tadelte sie ihn sanft.

„Oh nein, das war sie schon vorher, nicht wahr Captain Margaret?" Edward lächelte, als er die Hand seiner Frau nahm und sie sanft küsste. „Bitte sag uns doch, Margaret, was du vorhast, wenn du nicht beabsichtigst zu heiraten?"

„Na, Piraterie natürlich, Edward, du solltest das wissen", sagte Margaret mit verletzter Miene.

„Ah", nickte Edward weise.

„Ernsthaft Elinor, ich kann immer etwas flicken, dich und Marianne belästigen, mit Mama streiten und dabei bis an mein Lebensende rundum glücklich sein", fuhr sie fort.

Als er sah, dass die besorgte Miene seiner Frau wiederkehrte, tröstete Edward sie sehr vernünftig: „Mach dir keine Sorgen Elinor, sie sagt das alles doch nur, weil sie noch keinen geeigneten Mann gefunden hat."

„Auch wenn dieses unwahrscheinliche Ereignis geschieht, wird er mich überhaupt nicht geeignet finden. Ich habe kein Vermögen und sogar Mama denkt, dass ich wenig Aussicht habe, es mit euch aufzunehmen." Dies wurde in allerbester Stimmung ausgesprochen, so dass Elinor ganz verwirrt war und nicht wusste, was sie sagen sollte.

„Aber natürlich, du bist sogar besser als sie, meine Liebe", korrigierte Edward sie mit einem Lächeln und tätschelte ihr liebevoll den Kopf.

Margaret lachte. „Es besteht kein Zweifel, dass deine Zuneigung zu mir der Grund für diese Worte ist", und fuhr dann gefühlvoll fort: „Elinor, wenn nur du oder Marianne mich begleiten könntet. Zumindest werde ich vor Mariannes Entbindung wieder zurück sein. Ich hoffe, diesmal bekommt sie ein Mädchen Ich bin es müde, mit Neffen zu spielen. Jedenfalls bin ich nicht sehr scharf auf diese Reise. Ich weiß nicht, wer mehr zu bedauern ist – ich oder Mrs. Jennings, der anderen Gesellschaft leisten zu müssen. Und Mama sagt, ich soll auch Fanny und John besuchen."

Darauf folgte eine Zeit lang ein kurzes Gespräch über Mrs. Dashwood und über Norland. Später, nachdem sie mit ihren Neffen gespielt und ihnen dann längere Zeit vorgelesen hatte, wie sie es immer tat, verabschiedete sich Margaret.

Sie ritt eine Zeit lang in stetigem Galopp, bis sie das Dorf erreicht hatte, fiel dann in einen viel langsameren Schritt und genoss die Ruhe und Stille der grünen, fruchtbaren Wiesen. Nach langem Drängen hatte Margaret das Pferd von Oberst Brandon akzeptiert. Es half ihr, ihre Schwestern öfter zu besuchen. Die Vorteile hatten in diesem Fall ihre übliche Gewohnheit aufgewogen, ihren Schwestern nicht zur Last fallen zu wollen. Das Einkommen von 400 Pfund für ihre Mutter und sie ermöglichte eine Lebensweise, die ihr komfortabel genug war; sie war mit einfachen Vergnügungen vollauf zufrieden und hatte kein besonderes Verlangen nach feinen Sachen. In der Verwaltung der Ausgaben war sie so geschickt geworden, dass sogar Elinor stolz auf sie war. Sie bedauerte einzig, dass sie es sich nicht leisten konnte, so viele Bücher zu besitzen, wie sie gern gehabt hätte. Es gab kaum Gesellschaft in ihrem Alter oder eine, die ihrem wachen Verstand ausreichenden Anreiz bot; sogar die Zahl der Hausbälle von Sir John hatte deutlich abgenommen, so dass das einzige, was ihre Phantasie gefangen nahm, Bücher waren. Sie verschlang sie - die veraltete Sammlung auf Barton Park, die paar Bände im Pfarrhaus, aus der kleinen Leihbücherei im Dorf und auch jene auf Delaford. Dadurch hatten ihr Geschmack und ihre Begabung eine bemerkenswerte Verfeinerung erfahren, in einer ganz besonderen Art und Weise, aus dem Schatten ihrer Schwestern heraus.

Ein schöner Tag. So recht um ihn in ihrem Baumhaus zu verbringen, nach den zwitschernden Vögeln und dem plätschernden Bach zu spähen. Noch immer stieg sie, sehr zum Ärger ihrer Mutter, in ihr Baumhaus hinauf und verbrachte dort manch faule Nachmittage, las ein Buch und lauschte dem Wind. Sie ritt in einem gemächlichen Tempo nach Hause und genoss dabei die Schönheit des Ganzen. Als sie das Holztor öffnete und den Pfad zu Barton Cottage hinaufging, kam ihr die Reise nach London in den Sinn und der Gedanke daran bedrückte sie. Ihr Reich aufzugeben, mochte es auch nur für kurze Zeit sein! Vielleicht kann ich ja die Sehenswürdigkeiten besichtigen. Sie seufzte. Immerhin würde es an sich schon ungeheuer unterhaltsam sein, Mrs. Ferrars, Mrs. Dashwood und Mrs. Palmer zuzuhören. Dann heiterte sie der Gedanke auf, dass hinterher sogar Mrs. Jennings entmutigt genug wäre, ihre Kuppelei aufzugeben.