Teil I: VERBORGENES

„Das glaube ich einfach nicht! Verdammt!" der NCIS-Agent Gibbs fluchte energisch und donnerte seine rechte geballte Faust gegen die Fahrstuhltür.
„Gibbs..." Kate stand einen Schritt hinter ihm und versuchte mit leiser Stimme ihn zu beruhigen. Ohne Erfolg.
„Das kann einfach nicht wahr sein! So etwas passiert doch nur in diesen billigen und kitschigen Hollywood-Filmen!" erwiderte er energisch, während er weiterhin wütend vor der Stahltür stand als würde er hoffen, sie würde aufgrund seiner kargen Worte doch noch aufgehen.
„Aha! Du kennst dich also mit kitschigen Liebesfilmen aus, aber Moby Dick hast du nicht gesehen...?" fragte sie mit einer leisen und beruhigenden Stimme. Sie gab die Hoffnung nicht auf, ihn auf ein anderes Thema zu lenken. Doch ihre zu sehr bemühte Stimme wirkte merklich provozierend auf ihren wütenden Chef. Im Augenblick darauf, drehte er sich energisch zu ihr um und so kam es, dass sie ihre Worte in dem Augenblick beinahe bereute. Er sah sie an und etwas in seinen Augen glänzte, etwas Unbekanntes, das hinter dem durchbohrenden Blau seiner Augen verborgen war. Kate schluckte. Als er sich wütend zu ihr umgedreht hatte, war er ihr so nahe gekommen, dass sein heißer Atem auf ihrer Haut brannte. Direkt vor ihr stand er nun und man hörte nur seinen schnellen Atem in dem kleinen Raum.

Sie schwiegen einander an, Stille breitete sich aus und umschlang sie wie ein großes Tuch. Er ist ein erwachsener Mann, dachte sie, und sollte wissen, wie man sich in brenzligen Situationen verhält. Und ganz bestimmt sollte man nicht rumtoben und Panikattacken schieben, wie er es gerade tat. Aber in wie fern war diese Situation brenzlig, fragte sie sich selbst, während sie weiterhin im Bann seiner bohrenden Augen stand und einzig dem Klang seines tobenden Atems zuhörte.

Jede Bewegung schien unmöglich, jeder kleine Muskel ihres Körpers wie versteinert. Ich will wegsehen und kann es nicht, ich will weg von dir – und kann auch das nicht. Wild jagten ihre Gedanken einander – oder waren es keine Gedanken, waren es Gefühle?
Sie fragte sich, ob er von seiner Anziehung wusste, diese gefährliche Mischung aus witziger und charmanter Übellaunigkeit, diese abgrundtiefe Sicherheit, die man in seiner Nähe verspürte, allein und nur durch seine Anwesenheit. Oder ob er auch nur im Weitesten erahnen konnte, wie sehr sie sich wünschte, er würde sie persönlich in diesem spannungsgeladenen Augenblick all seine offensichtlichen sowie auch verborgenen Vorteile sehen lassen. Und da war es – die ungewollte und zeitlich falsch platzierte Einsicht, die ihr das eigene Unterbewusstsein gerade in dem Augenblick ins Bewusstsein rief: Agent Kate Todd, katholisch erzogen, musste gerade einsehen, dass alles in ihr darauf hindeutete – dass sie sich in ihren Chef verliebt hatte. Sie schluckte erneut und ihre Augen wurden größer.

So gelähmt konnten sie nicht die nächsten ihnen bevorstehenden Stunden verbringen, es ging so nicht weiter, das wussten sie beide. Und trotzdem konnte auch er sich nicht einfach so lösen. Es schien als würden Stunden vergehen.
Obwohl ein Dämmerlicht herrschte, sah Gibbs klar, dass –ohne es zu wollen und ohne es zu beabsichtigen – Kate gerade etwas von sich preisgegeben hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde, hatte er sie ertappt und sie hatte ihm Einblick in ihr Inneres gewährt, stumm und doch redend. Dieses sonderbare Schimmern ihrer glänzenden Augen im Halbdunkel, dieses erregte Zucken ihre Augenglieder. Doch was war es und viel wichtiger war die Frage, will ich es überhaupt sehen, fragte er sich. Nein, das dürfte er nicht, es gab Grenzen und selbstgemachte Regeln, an die er sich hielt. Gerade war Regel 12 in Gefahr, gebrochen zu werden.
Er räusperte sich laut, sah als erster weg und erlöste sie beide aus ihrer Gefühlsgefangenschaft. Mit beiden Händen fuhr er sich verzweifelt durch sein silbernes kurzes Haar, bewegte sich einige Schritte von ihr weg – und atmete schließlich schwer aus.

Überrascht musste sich Kate eingestehen, dass sie Nervosität bei ihm nicht kannte. Ganz im Gegenteil, sie hatte ihren Chef als einen Mann kennen gelernt, der immer und grundsätzlich über den Dingen stand. Ihr wurde klar, dass diese Situation aus irgendeinem Grund eine Seite ihres Chefs ans Licht brachte, die sie bis dahin nicht kannte.
„Kate... Ich kann einfach nicht glauben, dass wir tatsächlich in diesem hohlen Fahrstuhl stecken, verdammt!" sagte er und es klang wie eine Entschuldigung, obwohl Gibbs das Wort selbst nicht annährend in den Mund genommen hatte.

Kate nickte kaum merklich. Sie räusperte sich leise und ließ sich dann nachgebend an der kühlen Stahlwand herunter gleiten und setzte sich schließlich auf den kalten Boden. Immernoch geschockt von dem frischen Bewusstsein, dass sie in ihrem Chef mehr sah als sie wollte, sollte und durfte, ging sie nicht auf seine indirekte Entschuldigung ein. Das saß tief – dieses innere Erdbeben bebte noch nach.

Gibbs stand währenddessen immernoch und sah auf die matt leuchtende Stockwerkanzeige des Fahrstuhls. Es konnte einfach nicht wahr sein, dachte er, wir sind hier in einem NCIS–Quartier, wo unter anderem einige der höchsten Sicherheitsstufen herrschen, und dennoch sollte es möglich sein, im Fahrstuhl stecken zu bleiben – ohne, dass es jemand bemerkt hatte. Er wehrte sich gegen diesen Gedanken. Aber das war nicht das einzige, was ihn beschäftigte... Er sah von der Anzeigetafel weg und ließ seinen Blick auf die am Boden sitzende Kate gleiten. Wie benommen saß sie da und starrte auf etwas vor sich, das nur sie selbst sah. Und als er gerade beschloss, sie aus ihren Gedanken zu holen und sie damit von diesem unsichtbaren Monster vor ihren Augen zu retten, kam sie ihm zuvor.

„Ruf`doch Tony an!" schlug sie plötzlich vor und sah zu Gibbs hoch. In dem Augenblick begegneten sich erneut ihre Blicke - und Kates alte Körperlähmung setzte wiederholt ein. Er hat mich beobachtet, dachte sie benommen und fühlte sich ertappt. Was nun? dachte sie, und ließ alle offenstehenden Optionen in Lichtgeschwindigkeit durch ihren Kopf jagen. Egal, was ich auch tue, es wird ehe anders ankommen und enden, als ich es will, sagte sie sich selbst. Sie beschloss einfach seine Reaktion abzuwarten.

Ungern hätte er es zugegeben, nicht mal sich selbst gegenüber, dennoch: ihm gefiehl die Situation. Den Grund kannte er nicht, aber irgendwie hatte sich etwas gewandelt und ihm einen versteckten Reiz einer solchen Situation gezeigt. Als Kate ihn daraufhin angesehen hatte, wurde ihm bewusst, dass es sie geradezu angestarrt hatte. Ohne es zu wollen, ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er sie mit seinen seitlichen Blicken durchbohrt. Leroy, alter Junge, was tust du hier, was geht in dir nur vor? Egal was es auch sei, ignorieren, das war das, was ihm jetzt einfiel und auch als einzige vernünftige Möglichkeit offen stand. Er lächelte zögerlich und griff dann zielsicher in seine Hosentasche.

„Das glaube ich jetzt nicht!" donnerte er von Neuem und in dem hohlen Fahrstuhl bekam seine Stimme ein sonderbares Echo.
„Was...?" fragte Kate und sah neugierig auf das kleine Mobiltelefon, das Gibbs in der Hand hielt.
„Diese Dinger! Es ist kaputt - schon wieder!" antwortete er und klappte verärgert die Klappe des Telefons zu. Seine Zähne knirschten wütend.

Kate stand vom Boden langsam auf und ging auf ihn zu. Ohne was zu sagen, legte sie ihre Hand auf Gibbs` Hand und zog dann vorsichtig das kleine Gerät aus der großen und kräftigen Hand heraus. Ein kleiner Blick auf das Telefon genügte...
„Gibbs..." begann sie und unterdrückte ein Grinsen „Ich weiß nicht, ob man es dir nicht gesagt hat, aber hin und wieder...Naja, muss man die Dinger auch aufladen..." Sie brach ihren Spontanunterricht ab und gab dem Verlangen nach, leise zu lachen. Da ist es wieder, dachte sie. Diese Eigenschaften, die ganz und gar nicht zu ihm passten – und ihn doch ausmachten. Er war ein erwachsener Mann, als dass sie ihn als „süß" bezeichnet hätte, aber da musste sie sich gestehen, dass genau dieses Wort seine Unschuld technischen Neuigkeiten gegenüber beschrieb.

Sie gab es ihm schmunzelnd zurück und griff dann in ihre eigene Tasche. Ein leises Piepen erfüllte den kleinen Raum. Einmal, dann mehrmals – aber aus dem Piepen wollte keine menschliche Stimme werden.
„Er geht nicht ran...!" sagte sie enttäuscht.
„Versuch es doch mit seiner Privatnummer...!" erwidert Gibbs. Eigentlich wollte er es wie einen weiteren neutralen Vorschlag klingen lassen, doch stattdessen klang es beinahe vorwurfsvoll. Das war nicht gewollt, das war zu verräterisch, dachte er und bat, dass die unterschwellige und doch eindeutige Botschaft, die damit unweigerlich verbunden war, Kate nicht erreicht hatte. Oder sie es zumindest überhört hatte.

„Privatnummer?" konterte sie und ihre Augen wurden groß „Also, ich weiß ja nicht, was du für ein Bild von der Beziehung zwischen Tony und mir hast, aber wir sind noch lange nicht soweit, uns gegenseitig unsere privaten Telefonnummern zuzustecken! Deine Privatnummer habe ich schließlich auch nicht!" erwiderte sie und klang gereizt. Warum bist du gereizt, Kate? fragte er sie in Gedanken. Oder bilde ich es mir nur ein? So lange kenne ich sie nicht, um mit Gewissheit sagen zu können, was in ihr vorgeht und welche Bewegung, welcher Blick was bedeutete. Seine Achtung für sie war von Einsatz zu Einsatz gestiegen – was aber nicht bedeutete, dass er sie vollkommen in und auswendig kannte.
„Nun ja. Es ist halb zwölf, um Punkt elf hat der diensthabende Offizier seinen letzten Rundgang gemacht. Erst in einigen Stunden wird der nächste Rundgang gemacht. Im Büro ist jetzt keiner mehr. Außer den Kameras... Trotzdem finde ich, dass wir versuchen sollten, weiterhin Kontakt nach außen herstellen. Versuch es einfach noch mal in der Autopsie...Und als letzte Option ...bleibt uns nichts anderes übrig, als die Lüftung anzumachen und ... im Notfall bis morgen zu warten..." konterte Gibbs und ließ sich gegenüber von Kate ebenfalls zu Boden sinken.

Die Lüftung summte leise über ihren Köpfen und beide war wieder in ihrer eigenen Gedanken versunken. Sie fragte sich immernoch, aus welchem Grund er so unkontrolliert wirkt, warum beinahe so etwas wie Wut in seiner Stimme war, als ihm klargeworden war, dass sie mindestens mehrere Stunden zusammen in dem Fahrstuhl zu verbringen hatten. Wahrscheinlich, dachte sie, weil die geheimnisvolle Rothaarige bei ihm zu Hause auf ihn wartet, um mit ihm an seinem Boot herumzuschleifen und sich anschließend mit ihm in dem frischen Holzspänehaufen herumzuwälzen... Sie war sich bewusst, dass es sie nichts anging, mit wem und wie oft er nach Hause ging, und deshalb schüttelte sie ihren Kopf als würde sie damit auch die bitteren und hochgekommenen Gefühle abschütteln können.

Währenddessen starrte Gibbs auf den roten Alarmknopf über Kates Kopf, den er vorhin gedrückt hatte. Die Lichter der Anzeigetafel leuchteten fröhlich weiter vor sich hin, als würden sie sich über seine Verzweiflung amüsieren. Vorsichtig traute er sich, seinen Blick wieder auf Kate zu richten, die ihm gegenüber saß.
Sie, die ihn vorhin dabei ertappt hatte, wie er sie heimlich angestarrt hatte. Aber warum habe ich es gemacht, fragte er sich und bekam sofort eine klare Antwort. Eine Antwort seines Unterbewusstseins, die er aber nicht hören wollte. Nein, ich fühle nichts für sie, wehrte er sich in Gedanken, nein, sie ist bloß nur eine junge, schöne, attraktive, kluge und intelligente Frau – nichts weiter. Ich darf sie nicht als Frau mit Reizen sehen, dachte er, sondern einzig und allein als eine wertvolle Mitarbeiterin. Und würde ich sie doch wissen lassen, was in mir vorgeht, müsste ich von ihr das Versprechen haben, dass sie sich aus dem Dienst zurückzieht. Unter Kollegen können keine Beziehungen bestehen, die zusätzliche Angst, sie während eines Einsatzes womöglich nicht nur als Agentin zu verlieren, sondern auch als Liebhaberin und Frau, diese Angst war nicht zu verantworten. Es gab Sachen, vor denen sogar der große und erfahrene Agent Leroy Jethro Gibbs Angst hatte. Verborgene, verbotene Gefühle. Unwichtig, wie groß seine Sehnsucht nach ihr auch sein sollte, es dürfte nicht sein. Es klang vielleicht kitschig, aber es war tatsächlich so: entweder Liebe oder Karriere, dachte er.

Und da saß sie nun und wusste nichts von den Gefühlskrämpfen und Ängsten, die sie bei ihm hervorief. Ihr Kopf war leicht nach hinten geneigt und lehnte an der Stahlwand des Fahrstuhls. Ein langer Hals zeigte sich ihm, der geradezu danach schrie, geküsst und berührt zu werden. Und dann diese leicht geöffneten Lippen, aus denen sein Name immer ganz anders klang, ganz anders als bei anderen. Sein Blick wanderte weiter nach unten und blieb auf ihren Armen haften – sie hatte Gänsehaut. Es war zwar Sommer, was auch die kurzen Ärmel erklärte, aber im Fahrstuhl war es nicht warm; die Wände und der Boden sind aus kaltem Stahl, dachte er, da ist es kein Wunder, dass ihr kalt ist. Er lächelte leise in sich hinein.

„Was ist denn jetzt so witzig?" fragte sie rau und setzte sich wieder gerade hin.
„Nichts, ich habe nur daran gedacht, dass wir hier zwar nicht ersticken können, wohl aber erfrieren..." antwortete er und gab nur einen Teil der Wahrheit Preis.
„Also mir ist nicht kalt!" konterte Kate trotzig und versuchte mutig zu klingen. Ihre gewählte Taktik ihm gegenüber hieß nun Abwehr. Was sie nicht wusste war, dass er die Reaktionen ihres Körpers längst gesehen hatte. Nicht nur auf ihren Armen. Sein Lächeln wurde breiter. Ohne darauf einzugehen, räusperte er sich leise und ging dann auf allen Vieren auf sie zu, um sich dann schließlich neben sie zu setzen. Er durfte seine überaus schöne Agentin nicht einfach so erfrieren lassen – sein Beschützerinstinkt ließ so etwas grundsätzlich nicht zu.

„Kate, dir ist kalt! Aber du kannst doch ruhig Schwächen zeigen – wir arbeiten in einem Team, da braucht man keine Angst voreinander zu haben!" sagte er beinahe flüsternd und legte entschlossen seinen Arm um sie. Etwas hatte plötzlich die Oberhand in ihm gewonnen und alles, was er nun tat, tat er aus voller Überzeugung und hatte dennoch die Gewissheit, dass er es womöglich bald bereuen würde. Weil er nicht wusste, wo es hinführte. Weil er genau wusste, wo es hinführte. Und dennoch wehrte er sich nicht dagegen. Egal, was er sich bis dahin vorgenommen hatte, standhaft zu sein, zurückhaltend und vorsichtig zu sein, alles war wie gelöscht.

Seine zielstrebigen Bewegungen und die Tatsachen, dass er nun neben ihr saß, seinen kräftigen Arm um ihre Schulter gelegt hatte und nicht richtig redete, sondern mehr oder weniger in ihr Ohr flüsterte, ließen Kate die Luft anhalten. Aus dieser kurzen Distanz stieg ihr der Duft seines teuren Aftershaves in die Nase, und ob es die Hitze seines Körpers war, wusste sie nicht, aber plötzlich war ihr ganz und gar nicht mehr kalt, ganz im Gegenteil, sie spürte eine Hitzewelle durch ihre Adern hindurchfließen. Und so kam es, dass Agent Todd in den Armen ihres Chefs trotz Hitze zitterte.
„Sch...Schwächen zeigen?..." fragte sie ungläubig „Das sagte der Richtige!"
„Wie meinst du das, Agent Todd?" fragte er, obwohl er genau wusste, auf was sie hinauswollte. Aber es hatte seinen Reiz, sie weiter auszufragen und aus dieser Distanz zu beobachten. Mit einem schwelgenden Blick beobachtete er die Bewegungen ihrer Lippen während sie sprach, beobachtete wie die Kälte nicht nur die Haut ihrer Arme stehen ließ, sondern auch wie sich unter ihrem hauchdünnen engen Shirt Anzeichen dafür bildeten, dass in ihrem Körper etwas vorging.

„Du brauchst nur fragen, Agent Todd – und ich werde dir antworten!" ermutigte er sie und hoffte, sie würde darauf eingehen und weiter reden, weiter diesen verführerischen Mund bewegen, von dem er sich immer mehr wünschte, ihn vollkommen kosten zu dürfen.
„Ach, tatsächlich?" fragte sie ungläubig und drehte ihren Kopf zu ihm.
Also gut, dachte sie, das wollen wir doch mal sehen!
„Wenn da so ist - dann erzähl du doch von deinen Schwächen!" fordert sie mit leiser Stimme, ohne ihren Kopf von ihm zu drehen.
„Agent Todd." kam es aus seinem Mund.
„Nenn mich doch nicht ständig Agent Todd, Gibbs, sondern antworte jetzt einfach auf meine Frage!" gab sie keck zurück. Und verursachte genau damit ein Lächeln auf seinem Gesicht. Er hatte mit ihr Katz-und-Maus gespielt, ohne dass sie es gemerkt hatte.
„Du verstehst nicht ganz... Das war bereits meine Antwort...Du bist meine Schwäche..." flüsterte er und beobachtete neugierig, was seine Worte bewirkten.
„Meine Schwäche und zugleich meine Stärke..." erklärte er, bevor er in der Überraschung, die sich in ihren Augen abgezeichnet hatte, versank – und sie endlich küsste.

Kates Lähmung war verschwunden ab dem Augenblick, in dem er die letzten Worte gesagt hatte. Noch bevor es zur Begegnung ihrer Lippen gekommen war, hatte sie sich ganz zu ihm gedreht, hatte ihre Arme um seinen Hals geschlungen – hatte sich gelöst und fallengelassen. So konnte man im Nachhinein nicht sagen, von wem der wirklich erste Schritt ausgegangen war, es schien viel mehr so, als wären sich beide zur selben Zeit darüber einig geworden, dass es nun keinen Zweck mehr hatte, sich zu verstellen. Katz-und-Maus-Spiele sind überaus reizend, aber irgendwann fängt die Katze die Maus. Oder die Maus die Katze.

Gibbs umschloss mit der einen Hand ihr Gesicht und mit der anderen zog er sie enger an sich. Seine suchenden Lippen hatten einen intensiven Tanz mit den ihren angefangen, hatten begonnen, was nicht mehr zu stoppen war; den Ausbruch unterdrückter Leidenschaft. Immer wilder wurden seine Liebkosungen auf ihren Lippen, an ihrem Hals, ihren Ohren – er schien überall mit seinen Händen zu sein, überall fühlte sie die brennenden Spuren, die seine fordernden Hände und Küsse hinterlassen hatten.
Aber nicht nur in ihm loderte das glühende Liebesfeuer, auch Kate wollte ihm zeigen, was er in ihr hervorgerufen hatte. Ohne Umschweife löste sie sich kurz von ihm und seinen großen Händen und nutzte die kurze Zeit, um ihren schwer atmenden Chef auf den kalten Stahlboden zu drücken. Bei der Berührung mit dem eisigen Boden stöhnte Gibbs leise auf und leckte sich appetitlich die Spuren ab, die Kates Lippen auf den seinen hinterlassen hatten. Mitleidslos lächelte sie ihn an und setzte sich auf seinen Schoß.

„Widerstand zwecklos!" flüsterte sie verführerisch während ihre warmen Hände zu seinem Hosenschlitz glitten. In Zeitlupe begann sie mit dem Hosenknopf zu spielen, um dann anschließend jeden Knopf seines Hemdes ganz langsam zu öffnen – bis sie ihren Chef schließlich von seinen lästigen Kleidern befreit hatte. Das, was sich ihr nun offenbarte, ließ ihre Augen begeistert aufblitzen. Sie legte ihre Hände auf die breite muskulöse Männerbrust, die sich schnell rauf und runter bewegte und unter der ein wild schlagendes Herz pochte. Als sie sich zu ihm runterbeugte, um ihn zu küssen, nutzte er das sofort aus, um nun sie auf den Boden zu drücken. Sogar in so einer Situation konnten beide nicht anders, als miteinander zu kämpfen. Nur war dies der Kampf zweier wild gewordener Körper und nicht der Kampf der trockenen Wörter.

Ihr braunes langes Haar hatte sich schwebend auf dem Boden verteilt und ihre Hände griffen suchend nach ihm, verlangten danach, den Mann über ihr enger an sich zu drücken - doch der schien eine ganz andere Taktik vorzuziehen.
„Widerstand zwecklos? Das wollen wir mal sehen...!" sagte er, bevor er mit seiner Hand unter ihr enges Shirt ging, welches ihm vorhin so einiges über die Vorgänge in ihrem Körper verraten hatte.
Als erstes begegnete seine forschenden Finger ihrem heißen Bauch, bis sie schließlich höher wanderten. Schnell zog er seine Hand zurück, nur um im nächsten Augenblick beide Hände dazu zu benutzen, auch Kate aus ihrem Shirt zu befreien. Nur mit dem Unterschied, dass er es nicht langsam auszog - er packte das weiße Shirt am unteren Ende – und zerriss es. Ein böses Lächeln umspielte seine Lippen. Es war sehr leicht, sich in diese Frau zu verlieben – und sehr schwer ihr zu widerstehen, gestand er sich endlich ein. Kate Todd, meine Versuchung, der ich nicht entkommen konnte. Die Frau, die ich auserwählt und eingestellt habe, obwohl ich vom ersten Augenblick an wusste, dass diese Entscheidung aus reinem Egoismus bestand.

Er fing an, auf ihren braungebrannten Oberkörper knabbernde Küsse zu verteilen und erntete ein ausgedehntes Stöhnen, welches aus seinem Namen bestand.
„Giiibbs...!" ertönte es aus Kates rauer Kehle und es war eine Mischung aus Flehen und Befehl. Er legte sich auf sie und presste seinen Körper mit großem Nachdruck an den ihren.
„Seh mich an, Kate..." bat er sie. Wie aus den Tiefen einer weit entfernten Welt kam sie bei dem Klang seiner Stimme wieder zu sich.
„Kate, bevor es weiter geht, will ich dass du weißt, dass..." doch noch bevor er seinen Satz beenden konnte, höre er plötzlich Stimmen. Wie aus einem Tunnel erklang eine bekannte Stimme und drang in sein Ohr.

„Boss?!" fragte die bekannte Stimme und etwas klopfte auf seine Schulter. Gibbs schüttelte benommen den Kopf und sah sich um. Tony Dinozzo stand strahlend vor ihm und grinste ihn an.
„Boss, sag nicht, du hast wieder hier gepennt!" fragte er ungläubig. Noch etwas benommen sah sich Gibbs weiter im Büro um. Wo war Kate?
„Nein, nicht hier, im Fahrstuhl..." antwortete er geistesabwesend.
„Im FAHRstuhl?" kam es verwirrt zurück. Tony sah seinen Chef aus einer Mischung aus Mitleid und Ungläubigkeit an. Und in dem Augenblick wurde es Gibbs bewusst.
„Nein, ich meine... Hier...Auf dem Stuhl...Nicht FAHRstuhl, hier auf dem STUHL muss ich eingeschlafen sein..." konterte er und hoffte, Tony würde seine Verwirrung auf die offensichtliche Müdigkeit zurückführen.
„Wo ist eigentlich Kate?" fragte Gibbs weiter. Zum einen, um das Thema zu wechseln, zum zweiten, weil es ihn wirklich interessierte.
„Oh, sie hat angerufen, sie kommt heute etwas später." meinte Tony, winkte ab und drehte sich um, um sich auf seinem Arbeitsplatz niederzulassen.
„Hat sie dich angerufen? Auf dein Diensttelefon oder privat...?" fragte Gibbs und gab sich Mühe, uninteressiert zu klingen.
„Weder noch. Hier im Büro hat sie gerade angerufen – Was spielt das eigentlich für eine Rolle, Boss?" fragte Tony verwirrt und drückte gleichzeitig einige Knöpfe auf seinem PC.
„Schon gut, Tony, jetzt frag nicht so blöd, geh mir lieber einen frischen Kaffee holen!" kam es befehlend aus Gibbs Kehle. Spätestens in dem Augenblick wusste Tony, dass mit seinem Chef alles in Ordnung war. Er sprang auf und lief los.

Einige Minuten später betrat Agent Todd das Büro. Gibbs lehte sich entspannt in seinem Stuhl zurück und beobachtete wie sie direkt auf ihren Platz zuging und ihn mit einem fröhlichen „Morgen Gibbs! Na, gut geschlafen – und wo ist eigentlich Tony?" begrüßte. Warum erkundigt sie sich immer nach ihm, ging ihm durch den Kopf.
„Holt Kaffee..." erwiderte er knapp.
„Du siehst aber...müde aus...!" bemerkte Kate überrascht und lächelte ihn an.
„Ja, es war .. eine harte Nacht!" konterte Gibbs und rief die Träume wach, die er kurz davor hatte. War alles wirklich nur ein Traum, war nichts von dem geschehen? Keine zitternde Kate in seinen Armen, kein zerrissenes Shirt – kein kalter Fahrstuhlboden unter seinem Rücken...
„Kate...?!" fing Gibbs zögerlich an und schaute sich noch mal im Büro um, um sich zu vergewissern, dass niemand außer Kate das mitbekam, was er gleich sagen würde.
„Ja?" erwiderte sie und sah neugierig zu ihm rüber.
„Kann ich dich etwas fragen?" fragte er.
„Leg los!" sagte sie selbstbewusst und setzte sich auf ihren Arbeitsplatz.
„Ok... Aber Kate, es ist nur eine allgemeine Frage und ich wüsste deine Meinung dazu... Was ist dir persönlich wichtiger: Liebe oder Karriere?" kam es rau aus Gibbs trockener Kehle raus. Ohne auch nur im Geringsten überrascht zu sein über solch eine Frage am frühen Morgen, überkreuzte sie ihre Arme und antwortete überzeugt mit einem amüsierten Grinsen:
„Nun, wenn du es wirklich wissen möchtest, ich habe vor beim NCIS große Karriere zu machen und eines Tages die Fronten zu wechseln, um dann deine Chefin zu sein!... Aber irgendwann will ich selbstverständlich auch meine alten Familienpläne verwirklichen! Wieso fragst du?"
Gibbs sah ihr zu, während sie selbstbewusst auf seine Frage antwortete und fragte sich dabei, wer in ihrer „alten" Familienplanung alles inbegriffen war. Ob in diesem alten Plan bereits der Posten des Mannes besetzt war, und ob Kate sich noch Zeit ließ bei der Auswahl. Und ob er, ihr Chef, ergraut und mürrisch, temperamentvoll und laut, und um einiges älter als sie, vielleicht auch eine Chance hatte? Also gut, Agent Todd, dachte er, wie du es möchtest, so wird es sein. Ich werde schweigen; zuerst deine Karriere, aber ich verspreche dir – und mir selbst- eines Tages wirst du mein sein, nicht heute, nicht morgen, aber eines Tages werde ich dich wissen lassen, dass du meine schönste Schwäche und größte Stärke bist. Eines Tages.

„Kate! Guten morgen – hast du schon gehört? Gibbs hat die Nacht im Fahrstuhl verbracht!?" kam es überwältigt hinter Kates Rücken. Sie drehte sich um und begrüßte Tony mit einem strahlenden Lächeln.
„Nein, wirklich?!" erwiderte sie unglaubwürdig. Doch bevor Tony das Thema vertiefen konnte, bekam er einen schallenden Schlag auf den Hinterkopf. Sein Chef war aufgestanden, hatte ihm den heißen Kaffe aus der Hand gerissen und ihn auch gleichzeitig für seine vorlaute Zunge bestraft.
„Glaub ihm bloß kein Wort!" sagte Gibbs in Kates Richtung und zwinkerte ihr verspielt zu, bevor er in Richtung Tür ging und das Büro verließ.

...

Ende, Teil I