Kapitel 1

„Aufstehen! Ihr werdet sofort in eure Schlafsäle gehen und keinen weiteren Mucks von euch geben!", schrie sie aufgebracht und hielt den Zauberstab fest in der Hand. „Malfoy", brachte sie zornig hervor, denn er hatte sich noch kein Stück weit bewegt.

„Ein Schlammblut", lallte er mit einem schiefen Grinsen. „Wie nett", fügte er hinzu. „Wie bist du hier reingekommen? Kann mich nicht daran erinnern, dass du eingeladen warst." Aus den Augenwinkeln sah sie, wie einige Slytherins ziemlich nahe beieinander standen. Es war strengstens verboten sexuellen Verkehr im Schloss zu haben, aber wie sollte sie das unterbinden?

„Steh auf, oder… ich ziehe dir alle Punkte ab, die dein Haus in diesem Jahr gesammelt hat", drohte sie und kam näher. „Du bist betrunken, das ist gegen alle Regeln und das weißt du!", fügte sie böse hinzu.

„Ich bin noch einiges mehr als das", erwiderte er und erhob sich schwankend. Das Ledersofa war völlig ruiniert mit verschiedenen Flüssigkeit, Essensresten und jetzt kam auch noch Pansy Parkinson.

„Was wird das hier? Wer hat das Schlammblut rein gelassen?", fragte sie und auch sie war alles andere als nüchtern.

„Du kannst mir gar keine Punkte abziehen!", sagte er jetzt mit einem fast lächerlich triumphalen Ausdruck auf seinen müden Zügen. „Der Schulsprecher darf dem anderen Schulsprecher überhaupt gar nichts abziehen", fügte er hinzu und legte den Kopf schräg.

„Wenn ich noch einen Feuerwhiskey trinke, darfst du mir vielleicht was ausziehen, Granger", ergänzte er bedächtig und wollte gerade seine Hand zu ihrem Gesicht heben. Sie wich mit einem angewiderten Ausdruck vor ihm zurück.

„Unsinn, Draco. Das Schlammblut wird niemals mit überhaupt keiner Menge Alkohol erträglich sein", erklärte Pansy in den dunklen Farben der Eifersucht und hakte sich bei dem mehr als fragwürdigen Schulsprecher unter.

„Wo ist der Alkohol?", fragte Hermine mit kalter Stimme. „Pansy, gib mir sofort den Alkohol", fügte sie hinzu und Pansy musste lächeln.

„Granger, denkst du wirklich, ich tue, was du sagst, weil du ein kleines silbernes Abzeichen trägst?" Hermine wurde es zu bunt.

„Accio Alkohol!", rief sie in den chaotischen Gemeinschaftsraum, aber nichts passierte. Pansy musste lachen.

„Wir sind nicht dumm, weißt du", erklärte sie.

„Das ist gegen alle Regeln. Ihr werdet das hier abbrechen, oder ich-"

„Oder was? Du rennst zu McGonagall? Mitten in der Nacht? Ich möchte wissen, wer dann mehr Ärger bekommt!", erklärte Pansy herausfordernd. Aus den Augenwinkeln sah Hermine in einer Ecke des Gemeinschaftsraums Erbrochenes auf dem Boden liegen.

„Malfoy, du beendest das hier! Du räumst diesen Scheiß hier auf und gehst ins Bett."

„Allein?", fragte er und löste sich aus Pansys besitzergreifender Geste. „Du bist ein Spielverderber. Am besten gehst du wieder zurück in dein eigenes Bett und kümmerst dich nicht um Sachen, von denen du keine Ahnung hast." Auf einmal sah sie den Zorn in seinen hellen Augen aufblitzen. Es war wieder so weit. Sie zählte innerlich bis drei.

„Malfoy, du-"

„Du willst, das sich aufräume?", schrie er plötzlich. Er zog seinen Zauberstab ziemlich grob aus seiner Tasche. Er schwang ihn durch die Luft und sie sah, dass er den Diffindo stumm ausführte. Das Chaos wuchs an. Vorhänge krachten von den Fenstern auf das Parkett und die Zauberer in den Gemälden wichen erschrocken nach hinten zurück. Noch mal peitschte sein Zauberstab durch die Luft und die Gläser auf den Tischen und auf den Fensterbänken flogen hoch in die Luft. Er sah sie herausfordernd an.

„Nein, lass das sein. Hör auf mit dem verfluchten Scheiß und verhalte dich einmal nicht wie ein vollkommen Wahnsinniger!", rief sie laut, aber ehe sie den Spruch hätte unterbinden können, schwang er den Zauberstab und alle Gläser stürzen aus der Luft zu Boden. Die Scherben verteilten sich in hohem Bogen überall auf dem Parkett.

„Malfoy!", schrie sie jetzt, aber er schien gerade erst anzufangen. Selbst Pansy war zurückgewichen.

„Was? Was willst du von mir? Du willst, dass ich aufräume? Schön, dann räume ich auf!" Er zielte auf das Sofa, und das Leder platzte auf. Die Füllung quoll aus sämtlichen Löchern und dann kippte es komplett nach hinten. Die letzten Schüler zogen sich eilig in die Schlafsäle zurück. „Gefällt dir das besser? Ist es das, was das Schlammblut will?", knurrte er und wieder hob er den Zauberstab.

„Bist du verrückt geworden?", rief sie und wusste nicht, wie viele Malfoy-Partys sie noch überstehen würde. Pansy verschwand eilig in Richtung Schlafsaal. In Richtung Schlafsaal der Jungen, fiel Hermine auf. Aber sie hatte keine Zeit, dazu etwas zu sagen, denn Malfoy hatte sich umgewandt und schickte einen Stupor quer durch den Gemeinschaftsraum. Die Scheiben in den Fenstern begannen zu vibrieren und zerbrachen dann ebenfalls.

Die kühle Nachtluft wehte hinein und das Feuer im Kamin flackerte bedrohlich. Es war sowieso schon fast runter gebrannt.

„Bist du jetzt fertig?", entgegnete sie eisig und er wirkte für den Moment wieder besänftigt.

„Keine Ahnung. Ist noch was übrig, was ich aufräumen kann?", erwiderte er angriffslustig und fuhr sich über die Stirn. Sie war sogar fast davon überzeugt, dass er sich nicht mal bewusst darüber war, dass er gerade dieses Chaos veranstaltet hatte.

„Geh ins Bett", wiederholte sie die Worte resignierend. Der Raum sah aus, als wäre der Krieg losgebrochen. Die Zauberer in den Gemälden tuschelten bestürzt und sie wusste, sie würden gleich alle verschwinden, um in anderen Gemälden von der Zerstörungswut im Slytheringemeinschaftsraum zu berichten.

„Du hast mir nichts zu sagen", erwiderte er tonlos und sank auf den Tisch, den er noch nicht zerstört hatte. „Accio Alkohol", sagte er und es löste sich eine Bodenplatte und eine halbleere Flasche Feuerwhiskey flog in seine Hand. Sie musste kurz überlegen, weshalb es funktionierte, wenn er es sagte. Sie nahm allerdings an, dass er dafür die Slytherinzauberstäbe hatte eichen müssen, damit kein anderer Zauberstab den Accio hier in diesem Raum ausführen konnte.

Und das war genauso verboten wie überhaupt Alkohol zu trinken.

„Du willst von der Schule fliegen, oder?", fragte sie kühl und entnahm ihm die Flasche, ehe er sie an die Lippen setzen konnte.

„Gib sie her", sagte er, ohne sie anzusehen.

„Geh endlich ins Bett. Müssen wir das jede Woche machen?" Er erhob sich wankend und wieder zornig.

„Gib mir die verfluchte Flasche! Dann kannst du verschwinden. Außerdem ist es dein scheiß Problem, wenn du jede Woche immer wieder her kommst, damit du deine dämliche Pflicht erfüllen kannst." Er sah sie nicht an, zog ihr die Flasche wieder aus der Hand und trank einen sehr großen Schluck.

Er hustete, denn es war wirklich widerliches Zeug, was pur noch schlimmer schmeckte, als gemischt. Sie hasste dieses Zeug. Es war hochprozentig und die Wirkung war gefährlich.

„Räumst du das auf?", beharrte sie gereizt und ihr Zauberstab sank in ihrer Hand.

„Räum ich es nicht jede verfluchte Woche auf, Granger?", erwiderte er ungehalten und hob den Blick endlich wieder. Ernst sah er sie an. Müde, wütend und wieder kurz davor zu explodieren.

„Die Zauberer sind aus den Bildern verschwunden", gab sie zu bedenken.

„Nicht dein scheiß Problem, oder?", gab er zurück und nahm noch einen Schluck aus der Flasche.

„Dumbledore wird dir dein Abzeichen abnehmen." Er musste lachen, bei ihren Worten.

„Oh… da habe ich aber Angst, Granger. Richtig Angst. Die Vorstellung, dass jemand sein Abzeichen verliert, muss für dich wohl die Hölle auf Erden sein, oder?" Sie verlor jegliche Geduld.

„Nein, die Hölle auf Erden ist, jede Woche hierher zu kommen, um dich daran zu erinnern, dass du deinen scheiß Gemeinschaftsraum nicht zerstören darfst, nur weil dir gerade danach ist!" Er verzog den Mund und hatte den Whiskey fast ausgetrunken. Sie nahm ihm die Flasche wieder ab und er ließ es zu.

„Wenn du nicht vorhast, ihn zu trinken, dann würde ich es begrüßen, wenn du die Finger davon lassen würdest."

„Du hast ein Alkoholproblem", klärte sie ihn bitter auf. Er lachte schon wieder.

„Ich hab das Problem, dass ich heute noch nichts zu vögeln hatte", erwiderte er grinsend.

„Na ja, Pansy wird schon auf dich warten."

„Pansy ist eine Hure." Er nahm ihr die Flache wieder ab, um sie gänzlich auszutrinken.

„Würde mich wundern, wenn du überhaupt noch einen hoch bekommst, Malfoy." Sie hasste es. Sie hasste es, hier her zu kommen. Sie hasste es, dass sie sich das Passwort besorgt hatte und sich jedes Mal dafür verantwortlich fühlte, hier alles in Ordnung zu bringen.

„Witzig, Granger. Wusste nicht, dass Schlammblüter Humor haben. Habt ihr euch bestimmt bei den richtigen Zauberern abgeguckt, oder?", lallte er und sie zückte den Zauberstab. Als erstes setzte sie die Fenster wieder ein. Dann reparierte sie die Couch und die Gläser. Allerdings konnte sie gegen den Schmutz nichts Wirksames tun. Jeder Dreck verlangte einen anderen Zauber.

Malfoy setzte sich auf die Couch. „Fuck", fluchte er und schloss die Augen. Sie wusste, es kam der Punkt, an dem er, Merlin sei Dank, nicht mehr weiter machen konnte. „Wieso tust du das?", fragte er unwirsch.

„Was?", erwiderte sie, während sie das Erbrochene mit einem angewiderten Blick verschwinden ließ. Der Schmutz verschwand, der Gestank allerdings würde noch eine Weile bleiben.

„Ordnung machen", erwiderte er gereizt, als würde es ihn aufregen, dass sie es tat.

„Wer soll es sonst machen?"

„Nicht das Vorzeige-Schlammblut", entgegnete er und klang müde.

„Geh endlich ins Bett, Malfoy. Geh einfach schlafen." Er stand wieder auf. Diesmal brauchte er länger.

„Du machst dir Sorgen?", fragte er und musterte sie abfällig. „Das macht dich noch widerlicher in meinen Augen. Obwohl das kaum möglich ist."

„Schön, dann musst du ja nicht hier bleiben, richtig?", erwiderte sie ungehalten und betrachtete den Raum, der jetzt zwar immer noch stank, aber nicht mehr vor Zerstörung strotzte.

„Wieso hast du keine Angst, verflucht?" Er kam näher, aber sein Blick verlor an Fokus. Seine Augen schienen etwas in ihrem Gesicht zu suchen, aber sie wusste nicht, was. Sie wollte es auch gar nicht wissen.

„Vor dir?", stellte sie spöttisch die Gegenfrage und er lächelte wieder.

„Weißt du noch, wie schön es war, als du dich vor mir gefürchtet hast?", murmelte er und sah sich um. „Du hast aufgeräumt", stellte er verblüfft fest.

„Geh. Ins. Bett", sagte sie sehr langsam.

„Verschonst du mich heute mit der Ansprache?", wollte er plötzlich wissen und starrte in die leere Whiskeyflasche, ehe er sie missmutig ins Feuer warf. Sie folgte dieser Bewegung und wusste, dass sie die Flasche gleich wieder rausholen musste. „Jetzt wo du keine Angst mehr hast, ist die Ansprache wenigstens witzig", fügte er hinzu.

Sie ergriff seinen Arm, auch wenn es sie anwiderte, es zu tun.

„Weasley!", schrie er plötzlich und musste selber lachen. „Oh, Weasley, dein Schlammblut fasst mich an! Ich glaube, sie will mit mir schlafen!" Sein Lachen wurde lauter. Sie zog ihn mit sich. „Du willst mit mir schlafen, richtig?", erkundigte er sich und legte seinen Arm um ihre Schulter. Immerhin ließ er sich mitziehen.

„Natürlich, Malfoy. Alle wollen mit dir schlafen. Bestimmt auch Ron", sagte sie gereizt und sie überwanden die Hälfte der Stufen, ehe er stehen blieb.

„Weasley ist ein Arschloch", erklärte er grinsend. „Wenn ich Sex mit einem Kerl habe, dann mit…" Seine Stimme verlor sich. Sie sah ihn ungeduldig an.

„Komm endlich." Sie wollte nicht wissen, mit wem er alles schlafen würde.

„Wo gehen wir hin?", fragte er alarmiert. „Ich werde nicht schlafen gehen, Schlammblut! Du glaubst doch wohl nicht, dass es jetzt schon an der Zeit ist!", lallte er unverständlich.

„Du bist betrunken, du wirst wunderbar schlafen." Er schüttelte den Kopf und machte sich von ihr los.

„Nein", sagte er nur.

„Malfoy, bitte. Es ist spät. Ich hab keine Lust mehr", erklärte sie und griff wieder nach seinem Arm.

„Dann hau doch ab!", schrie er, dass seine Stimme von den Wänden widerhallte. Sie griff in sein Hemd und zerrte ihn vorwärts. Er stolperte die Stufen hinter ihr her und sie stieß die Tür zum Jungenschlafsaal auf. Eine bewusstlose und komplett nackte Pansy lag auf seinem Bett.

„Richtig, da war noch was", bemerkte er und begann sein Hemd über den Kopf zu ziehen.

Hermine schickte ein Stoßgebet zum Himmel und hasste Pansy Parkinson noch mehr als sonst. Sie versuchte gar nicht, so genau hinzusehen und sie wusste wirklich nicht, was sie tun sollte. Die übrigen Jungen lagen schnarchend und angezogen in den anderen Betten.

„Hey!", unterbrach sie Malfoys Versuche, sich auszuziehen. „Du wirst nicht mit Pansy schlafen."

„Ist meine Sache, oder nicht?" Er fluchte unbeherrscht, weil er die Knöpfe nicht mehr öffnen konnte. Sie ließ ihn los, denn er war noch beschäftigt mit sich selbst.

„Levicorpus", sagte sie mit Bedacht und Pansys Körper erhob sich in die Luft, als wöge er nichts. Sie lenkte den Körper mit dem Zauberstab aus dem Schlafsaal, die Treppe runter und gegenüber wieder hoch in den Mädchenschlafsaal. Die einigen Zauberer, die wieder zurückgekehrt waren, betrachteten dieses Schauspiel mit größter Bestürzung. Hermine ignorierte die schockierten Blicke. Auch die Mädchen in Pansys Schlafsaal lagen ziemlich wahllos in den Betten.

Sie ließ Pansy auf ein leeres Bett sinken und deckte sie lieblos zu. Nicht jeder musste ihre Brüste sehen, wenn sie morgen aufwachen würde. Falls… falls sie aufwachen würde. Die Mengen an Alkohol, die in Slytherin jede Woche vernichtet wurden, waren nicht mehr zu zählen.

Sie lauschte kurz, als sie wieder im Gemeinschaftsraum stand. Sie hörte nichts mehr. Dann zerbrach etwas im Jungenschlafsaal. Ein Blick auf die Standuhr sagte ihr, dass drei Uhr längst verstrichen war. Sie lief die Stufen wieder rauf. Malfoy hatte eine Waschschüssel umgeworfen, als er sich wohl das Hemd mit Gewalt ausgezogen hatte.

Sie reparierte die Schüssel stumm und er kippte auf sein Bett.

„Wo ist Pansy?", fragte er desorientiert und versuchte, wieder aufzustehen.

„In ihrem eigenen Bett", erwiderte sie.

„Du bist immer noch hier?", fragte er und versuchte, seine Schuhe von den Füßen zu treten.

„Schaffst du es allein? Schaffst du es, nichts mehr kaputt zu machen und endlich zu schlafen?", erkundigte sie sich und er lächelte. Das dunkle Mal schimmerte auf seinem Unterarm und entstellte seinen Körper auf brutalste Weise. Die Schuhe war er losgeworden und öffnete seine Hose. Es war unglaublich, dass er das noch hinbekam, aber nicht mehr gerade laufen konnte.

„Ich werde nicht schlafen, Granger", erklärte er feierlich und zog die Schublade seines Nachtschranks auf. Sie wusste nicht, was in dem Flachmann war, aber schnell war sie an seiner Seite und hatte ihn ihm abgenommen. „Du bist nicht meine Mutter", klärte er sie auf und musste wieder grinsen. „Aber meine Mutter trinkt noch viel mehr als ich", stellte er lachend fest, aber er sprach wohl eher zu sich selbst.

„Ich werde jetzt gehen", informierte sie ihn sachlich, nachdem sie den Flachmann in ihren Umhang gesteckt hatte.

„Ich hab dich nie aufgefordert, zu kommen", entgegnete er und stützte kurz seinen Kopf in seine Hände. Sie wandte sich ab, aber seine Stimme hielt sie wieder einmal auf. „Du bist ein Schlammblut!", sagte er, aber der Zorn wurde von der grenzenlosen Müdigkeit überschattet.

„Ja, Malfoy. Wenn du das sagst", erwiderte sie unbeeindruckt.

„Warte", fügte er hinzu, konnte aber nicht mehr aufstehen.

„Nein, ich gehe", widersprach sie ungeduldig.

„Warte!", sagte er drängender und streckte plötzlich die Hand nach ihr aus.

„Malfoy, nicht schon wieder! Es reicht jetzt." Es wurde ihr wieder einmal zu viel. Es war immer gleich. Jedes Mal. Sie kam wieder zurück und er hob den Blick zu ihrem Gesicht. Und sie wusste, es war schwer für ihn. Es war eine Mischung aus Überwindung und Hass. Aus Resignation und Widerwillen.

Dann ergriff er ihre Hand. Er betrachtete sie beinahe fasziniert. „Sie ist warm, Granger", sagte er rau und lächelte. „Schlamm müsste kalt sein, richtig?"

„Wahrscheinlich", sagte sie diplomatisch.

„Also… fließt Blut unter deiner Haut?", stellte er die entsprechende Frage und sie versuchte ruhig zu bleiben und nicht zu schreien.

„Anscheinend." Er nickte daraufhin.

„Dann ist es alles gelogen? Dann gibt es keine Schlammblüter, dann macht es keinen Sinn, Todesser zu sein. Dann war alles für einen falschen Zweck und es war umsonst", flüsterte er und sein Blick senkte sich auf ihre Finger. Er legte ihre Hand in seine, umschloss sie fest und küsste dann ihren Handrücken, ihr Handgelenk, ihren Unterarm. „Dann müssten wir uns doch alle umbringen, oder?" Sie entzog ihm ihre Hand und spürte, wie sich ihre Atmung beschleunigt hatte. Es war Hass. Sie kannte das Gefühl. Sie würde ihm am liebsten die Hand ins Gesicht schlagen.

„Schlaf jetzt. Morgen findest du genug Gründe, mich zu hassen."

„Du könntest einfach mit mir schlafen. Das wäre ein verflucht guter Grund, um mir morgen meinen Schwanz abzufluchen. Findest du nicht?", schlug er vor und sah sie wieder an. Er versuchte ein Grinsen, aber es gelang ihm nicht. „Oder wartet Weasley auf dich? Warten beide auf dich? Wissen sie, dass du jede Woche zu mir kommst, Granger?", fragte er lachend und sie kam sich wirklich so vor, als betrüge sie ihre Freunde, weil sie nicht wollte, dass Slytherin Ärger bekam. Und der Ekel schnürte ihre Kehle förmlich zu.

Aber es würde auf sie zurückfallen. Auf ihr Amt. Ihr gemeinsames Amt als Schulsprecher.

„Ich hasse dich, Malfoy", sagte sie also bitter.

„Du bist ja auch ein verfluchtes Schlammblut", flüsterte er und sank auf das Kissen. Seine Augen schlossen sich vor Erschöpfung und seine Atmung flachte mit jeder Sekunde ab. Er würde nicht vor morgen Mittag aufwachen, da war sie sicher.

Sie zählte die Wochen. Es waren nicht mehr allzu viele. Und sie hoffte, dass es Malfoy irgendwie doch schaffen würde, von der Schule zu fliegen. Sie hoffte, er würde es fertig bringen, dass nicht mal ihre Hilfe ihn vor dem Rausschmiss bewahrte. Sie wollte ihn nicht bewahren, aber sie fühlte sich verantwortlich. Nur in einem geringen Maße.

Der Tod von Lucius Malfoy hatte zum Absturz seines Sohnes geführt. Und es war ein so tiefer Sturz gewesen, dass er gleich alle in Mitleidenschaft zog, die ihm zu nahe kamen.

Die Beerdigung war vor zwei Monaten gewesen und seitdem schaffte es Malfoy, jede Woche aufs Neue, sich um seine Besinnung zu trinken.

Vor einigen Wochen hatte sie noch Angst gehabt. Mittlerweile gehörte es zu ihrer Routine, in den Slytheringemeinschaftsraum zu kommen, um Malfoy dort aufzuhalten, kurz bevor er ihn zerstörte.

Er hatte den Tod seines Vaters nicht überwunden, und sie wusste, er würde es auch nicht schaffen. Nicht so. Nicht dass sie ihm helfen wollte, aber sie konnte nachvollziehen, was jetzt in ihm vorging. Wenn man der Hexenwoche Glauben schenken konnte, hatte sich seine Mutter gänzlich zurückgezogen, war in eine Depression gefallen und Heilpfleger kümmerten sich täglich um sie.

Lucius Malfoy war vor zehn Wochen tot in seinem Arbeitszimmer aufgefunden worden. Es war komplett undramatisch, unerwartet und völlig unverständlich. Die Familie Malfoy war freigesprochen worden. Zu Unrecht, wie Hermine fand, aber es änderte nichts an der gerichtlichen Entscheidung des Ministeriums. Lucius Malfoy hatte sich sein Leben genommen, so beschrieb es zumindest die Zeitung. Aber in der magischen Welt gab es nicht so viele widerlegbare Beweise wie in der Muggelwelt. Bei den Muggeln war ein Selbstmord erst dann ein Selbstmord, wenn alles ausgeschlossen war, was auf eine Gewalttat hindeutete.

Sie wusste, dass es seit Jahrhunderten Möglichkeiten gab, wie sich ein Zauberer umbringen konnte, ohne auch nur den Verdacht auf ein Verbrechen zu erregen. Und anscheinend hatte sich Lucius Malfoy für diesen Weg entschieden.

Niemand hatte damit gerechnet. Nicht sein Sohn. Und nicht seine Frau.

Der magische Selbstmord war kompliziert. Der Avada Kedavra wirkt nicht bei der Selbstanwendung. Sie hatte sich tatsächlich darüber informiert. Sie hatte nicht widerstehen können. Auch wenn sie an Lucius Malfoy kein Interesse hatte.

Es war ein Zauber, der sehr viel Planung und Aufwand benötigte. Die Zeitung hatte nicht von allen Umständen berichtet, denn es schickte sich nicht. Hermine begriff das. Aber sie hatte alles darüber gelesen und deswegen war sie sich sicher, dass Lucius Malfoy es gemacht haben musste.

Der Selbstmord ist die komplette Aufgabe des Lebens. Und das Leben wird regiert von Körper und Geist. Lucius Malfoy hätte sich eine Methode aussuchen können, die weitaus weniger furchtbar war, aber sie nahm an er hatte diesen Weg gewählt, damit niemand seiner Familie einen Mord vorwerfen würde.

Homicidium crudelis wurde dieser Mord genannt. Der grausame Mord. Lucius Malfoy hatte all seine Erinnerungen aus seinem Kopf geführt, bis er nichts mehr hatte, als seine niederen Instinkte. Man geht davon aus, dass die Menschen, die das tun, nicht einmal mehr wissen, wer sie sind. Wenn man sich unter grausamer Qual absolut jede Erinnerung, die im Körper vorhanden ist, aus seinem Gehirn entfernt hat, dann schreckt man vor kaum noch etwas anderem zurück.

Und es dauert, dies zu tun. Hat man also den Geist vernichtet und jede mögliche Erinnerung zerstört, muss man dem Körper nehmen, was er braucht. Sie nahm an, das Denkarium der Malfoys musste also überquellen mit nutzlosen Erinnerungen von Lucius Malfoy.

Der Zauberstab ist eine gefährliche Sache. Er gewinnt an Macht über die Jahre, nimmt auf, was er kann und je stärker die Zauber sind, die mit ihm ausgeführt werden, umso mächtiger wird der Zauberstab selbst.

Lucius Malfoy war an seinem Schreibtisch gefunden worden. In beiden Händen je eine Hälfte seines Zauberstabs. Ein zerbrochener Zauberstab ist nicht mehr in der Lage einen Zauber auszuführen, aber wie auch bei jedem Lebewesen – und oft wird der Zauberstab als ein solches angesehen – vergeht ein wenig Zeit, bis es an der Verletzung stirbt.

Und bis dahin saugt er jede Energie aus jeder erreichbaren Quelle.

Die sichere Garantie des Todes ist also diese, sich von der freigelegten Magie des Zauberstabs aussaugen zu lassen. Natürlich ist so etwas nur möglich bei offenem Kontakt und bei absoluter Schwäche.

Es stand nichts weiter darüber in dem Zeitungsbericht, aber sie war sicher, Lucius Malfoy hatte sich die Handflächen aufgeschnitten und dann die Hälften seines Zauberstabs in die Hand genommen.

Von da an hieß es, nur noch zu warten. Einfach auf den Tod zu warten. Und der war bei einem gefährlich bösen Zauberstab wie dem von Lucius Malfoy mehr als nur gewiss. Der Zauberstab hat versucht, durch die menschliche Kraft zu überleben und hat Lucius Malfoy somit alle Kraft genommen.

Es ist einer der übervorsichtigen Vorschriften, den Zauberstab sofort zu entsorgen, wenn erst mal das Innere des Stabs sichtbar ist. Das Holz dient nicht nur zum Schutz des Zauberstabs, sondern auch zum Schutz der eigenen Gesundheit.

In den Büchern steht nie die genaue Zeit, die es braucht, bis ein Mensch leer von Energie ist, aber sie nahm an, es war eine sehr qualvolle Nacht für diesen Mann, dem sie nichts Gutes abgewinnen konnte. Nicht einmal im Tod konnte sie das.

Lucius Malfoy war gestorben und seitdem hatte sich einiges verändert. Die Lehrer ließen Malfoy einiges durchgehen. Zwar würden sie jetzt bestimmt nicht mehr die Augen zudrücken, aber Hermine kümmerte sich ebenfalls darum, dass diese Feten nicht aufgedeckt wurden.

Und sie hatte sich damit den größten Streit mit Harry und Ron eingehandelt.

Denn sie konnten keinerlei Verständnis dafür aufbringen, dass Hermine sich für Malfoy einsetzte, oder zumindest dafür, dass er sich nicht zu Tode trank.

Sie selber wollt nur nicht bei den Lehrern auffallen. Und sie wollte auch nicht, dass der andere Schulsprecher in dieser Amtszeit auffiel. Es waren eigentlich egoistische Gründe.

Sobald die Schule vorbei war, konnte Malfoy ihretwegen ruhig aus dem höchsten Fenster springen. Es wäre ihr nur recht. Aber jetzt, hier – sie sah einfach keine andere Möglichkeit. Vor allem weil etwas anderes sie plagte. Es wäre ihr am liebsten, wenn sie nichts mit Malfoy und seiner Familie zu tun hätte. Aber in der Nacht, in der Malfoys Vater gestorben war, hatte sie einen unglaublichen Streit mit ihm gehabt.

Das Blöde war, sie wusste nicht einmal mehr, worum es überhaupt gegangen war. Es war belanglos gewesen. Es ging immer nur darum, dass er seine Pflichten nicht ernst nahm. Oder er nahm sie übertrieben ernst. Oder er benahm sich eben absolut daneben. Irgendwas war es gewesen. Irgendwas hatte sie wieder einmal so sehr zur Weißglut getrieben, dass sie sich nicht hatte beherrschen können.

Und sie war da gewesen als der Anruf über Floh im Kamin im Gemeinschaftsraum der Slytherins ankam. Mitten in der Nacht. Sie hatte Mrs Malfoy gesehen. Aufgelöst, völlig neben jeder Spur. Sie hatte geschrien und hatte geweint. Sie hatte Malfoy alle Schuld gegeben, dann sich, dann allen Schlammblütern.

Und Hermine war vollkommen überfordert gewesen. Sie hatte nicht gewusst, was sie tun sollte. Malfoy war vor dem Kamin zusammen gebrochen. Er hatte seine Mutter angeschrien und hatte auch sie angeschrien. Er hatte angefangen, die Bilder von den Wänden zu fluchen, alle Möbel zu zerstören, allen anderen Slytherins mit dem Zauberstab zu bedrohen und keiner hatte gewagt, etwas zu unternehmen.

Nicht einmal sie. Pansy hatte ihn trösten wollen, aber er hatte sie verflucht. Mit keinem Unverzeihlichen, nur mit einem schwachen Fluch, der sie fernhalten sollte, aber dennoch war Pansy geflüchtet.

Und Hermine war geblieben, in dieser Nacht. Sie wusste nicht einmal, warum. Sie war geblieben und hatte gewartet, bis er jede Faser jedes Teppichs zerstört hatte. Er hatte nicht geweint. Sie hatte ihn Räume zerstören, Menschen verfluchen und Alkohol trinken sehen, aber geweint hatte er bisher nicht. Nicht soweit sie es beurteilen konnte. Nicht dass sie es konnte! Das wollte sie nicht sagen.

Alles, was sie wusste, war, sie war dabei gewesen, als die Nachricht gekommen war. Sie hatte es erlebt, hatte gesehen wie seine Mutter einen Schock erlitten hatte, wie er vollkommen ausgerastet war, ohne noch irgendetwas kontrollieren zu können und würde gerne behaupten, es hätte sich nach zwölf Wochen gebessert, aber die Wahrheit war… Draco Malfoy durchlitt wohl gerade den schlimmsten Verlust seines Lebens.

Sie hexte die leere Flasche aus dem Kamin und verließ gähnend den Gemeinschaftsraum der verhassten Slytherins, die mittlerweile alle von Malfoys schlechter Laune und dem Drang nach Alkohol angesteckt worden waren.

Und sie wusste nichts dagegen zu tun.