Disclaimer: Ich besitze weder Ranma ½ noch deren Charaktere. All dies gehört meines Wissens Rumiko Takahashi und den Institutionen, die sich diese Rechte käuflich erworben haben. Ich verdiene an dieser Geschichte weder Geld noch erhalte ich sonstige Vergünstigungen. Diese Erklärung steht repräsentativ für alle Kapitel dieser Geschichte und wird somit nicht noch einmal aufgeführt, außer hierfür besteht ein expliziter Grund.
Lieber Leser, liebe Leserinnen, die folgende Geschichte ist ein Fortsetzung der Geschichte „Der Pfad des Vergessens", doch heißt dies nicht, dass ihr meine andere Geschichte unbedingt gelesen haben müsst, um euch hieran zu erfreuen. Dennoch ist es angeraten, den ersten Teil zu lesen, da sonst Unverständlichkeiten auftreten können. Im Folgenden findet ihr eine kurze Zusammenfassung des letzten Kapitels:
Verzweifelt, da Akane angeblich Ryouga geheiratet hatte, ließ sich Ranma auf einen Tauschhandel mit dem Tod ein: sein Leben für das von Akanes Vater. Zu spät, um ihn zu retten, sprach ihm Akane die Hälfte ihrer Lebenszeit zu, obwohl er sich nicht an sie würde erinnern können. Nachdem sie zuhause aufgewacht war, stellte die junge Frau fest, dass sich ihre Mitmenschen nur an die geplatzte Hochzeit mit Ryouga erinnern konnten, und traf zufällig auf ihren früheren Verlobten.
Unsichtbar und lautlos strich die kühle Brise des Frühlingswindes entlang der von Menschen überfüllten Fußgängerzone, bahnte sich ruhig einen Weg durch die sich hektisch bewegenden Massen, um sich endlich in den kurzen, blauschwarzen Haaren und dem weißen Rock einer jungen Frau zu verfangen, mit denen er einen kurzen Augenblick wie mit herbstlich bunten Blättern, deren Farben er sich mit einem beinahe sehnsüchtigen, spielerischen Heulen, das sanft in den Ohren ebenjener Frau widerklang, gegenwärtig machte, da sie ihn an seine Brüder und Schwestern erinnerte, die ihn in jener Zeit stets zu helfen pflegten, und fegte schließlich vorbei an ihr in den strahlend blauen Himmel.
Akane spürte die abertausend Moleküle des Windes sanft gegen ihre zarten Wangen prallen, von ihnen perlend an ihrem Haar vorbeiziehen, vorbei auch an ihrem weißen Hut, der, die farblosen Strahlen der Sonne reflektierend, im Licht zu glänzen schien, vorbei an der rosaroten Schleife, die den Hut schmückte, vorbei an den rüschenbesetzten, weißen Trägern ihres Kleides, das, ihren samtenen Rücken preisgebend, ihre weibliche Figur mit einer bläulich schimmernden Schleife, die fest um ihre Hüfte gebunden war und den luftig abfallenden Rock von ihrem Kleid trennte, betonte, vorbei an ebenjenem Kleid, von dem sie wusste, dass ihr künftiger Verlobter es am liebsten mochte, und lächelte ob der feurigen Lebendigkeit, die sie in sich spürte, strahlender als die hoch oben am grenzenlosen Firmament stehende Sonne.
Nur ein einziges Mal, nur in einer einzigen Nacht, hatte sich die junge Frau je so lebendig gefühlt wie an diesem sonnigen Tag inmitten der übervölkerten Fußgängerzone mit ihren beiden besten Freundinnen. Lächelnd blieb sie stehen, genoss, ihre Augen schließend, die frische, klare Frühlingsluft, die sie mit jedem Atemzug einsog, und blickte sich anschließend stumm um. Nicht weit von sich erblickte sie, ihr entgegenkommend, den schwarzhaarigen Kampfsportler, der, als ob er einem unsichtbaren Zeichen folgte, wie zum Gruße seine Hand in die Luft hob. Verlegen lächelnd, schenkte sie ihm ein kurzes Zwinkern ihrer Augen und ein angedeutetes Winken ihrer linken Hand, bevor die Worte ihrer besten Freundinnen sie aus ihrer eigenen Welt zurückholten.
„Wem hast du denn gerade gewunken?", fragten Sayuri und Yuka wie aus einem Munde und lächelten sich gegenseitig, einen kurzen Seitenblick wagend, zu.
„Dem netten Mann, der meine Tasche vorhin aufgehoben hat", antwortete sie, ohne nachzudenken, und verfluchte ob der selbstgefälligen Reaktion ihrer Freundinnen, deren rubinrote Lippen ein wissendes, süffisantes Grinsen trugen, sogleich die ihren Lippen, die jene allzu wahren Worte aus ihrem Mund hatten entkommen lassen, verfluchte ihr wankelmütiges Herz, dessen stetiges Schlagen ihre Wangen errötete, verfluchte Yuka und Sayuri und bugsierte die beiden Frauen, bevor Ranma sie erreichen konnte, ungestüm durch die Türe eines nahegelegenen Eissalons. „Hier rein mit euch, ich habe Lust auf ein Eis!"
„Aber natürlich", hörte die junge Frau ihre Freundin sprechen, während sie geradewegs auf einen durch die durch ein schaufenstergroßes Fenster einfallenden Sonnenstrahlen hell erleuchteten Tisch zusteuerte, der sowohl von der Fußgängerzone als auch der Türe sehr gut sichtbar war. „Deinen Wangen nach zu schließen, muss dir ziemlich heiß sein."
Ohne eine Antwort zu geben, das glockenhelle Lachen der beiden Frauen ignorierend, ließ sich Akane auf einen der vier Stühle fallen, vergrub ihr hochrotes, sich ungemein heiß anfühlendes Gesicht in der Eiskarte und beobachtete dabei vorsichtig über den Rand der Karte hinweg, wie ihre Freundinnen sich ihr gegenüber auf die lange Seite des rechteckigen Buchenholtisches setzten und ihr lächelnd zublinzelten. Doch noch bevor die junge Frau das Verhalten ihrer Freundinnen kommentieren konnte, ertönte das helle Klingeln der an der gläsernen Türe befestigten Glocke, hämmerte mit seinem Widerhall in ihren Ohren wie das nahe Donnergrollen eines fernen Gewitters, zerriss ihre Gedanken wie ein seidenes Tuch und ließ sie mit hoffnungsfrohem Blicke, der rasch Gleichgültigkeit, dann Unmut wich, als sie das händchenhaltende, glückliche Paar durch die Türe schreiten sah, vorbei an ihrer Gesellschaft zur Türe blicken.
„Sag', Akane, wir hätten uns doch auch an einen Dreiertisch setzen können; oder erwartest du noch jemanden?", fragte Sayuri über das verächtliche Schnauben der Kampfsportlerin hinweg, mit der sie ihre Hoffnung und Enttäuschung zu überspielen suchte, und blickte ihr direkt in die Augen.
„Nein, nein, natürlich nicht, nein! Wie kommst du darauf? Auf wen sollte ich denn warten? Nein! Klar, setzen wir uns um", brabbelte die angesprochene Frau, lehnte sich dabei ein wenig zurück, um einen guten Blick auf die Fußgängerzone zu haben, hievte sich schließlich langsam aus dem Stuhl, als sie das neckische Grinsen auf den Gesichtern ihrer Freundinnen, einem besonders glücklichen Honigkuchenpferd gleich, wahrnahm, verstand, welchen Anlass es hatte, und sich mit einem resignierenden Seufzer zurück in den Stuhl fallen ließ. „Dreiertisch? Danke, Sayuri, wirklich sehr witzig!"
„Also, auf wen wartest du denn nun?"
Doch Akane blieb eine Antwort auf die neugierige Frage ihrer Freundin erspart, als im selben Moment ein zweites Mal die Türe zum Eissalon aufgestoßen wurde und ein mittelgroßer, schwarzhaariger, junger Mann den Raum betrat, während der helle Glockenton langsam verblasste. Seine breiten Schultern, die von einem exotischen, roten Stoffhemd verdeckt waren, bewegten sich ebenso elegant und geschmeidig wie seine von einer schwarzen Stoffhose bedeckten Beine. Ruhig ließ er seinen Blick durch den Laden schweifen und erkannte zuletzt die junge Frau, mit der er zusammengestoßen war und deren Lippenstift er noch immer in der linken Hand hielt. Für einen kurzen Moment trafen sich die Blicke der beiden Schicksalsgebeutelten.
Als sie in ebenjene blauen Augen blickte, in die sie schon so oft geblickt hatte, die ihr nach vielen Monaten der Streitereien, der Kämpfe, der unzähligen Verlobten, der Verehrerinnen, endlich nichts als seine Liebe zu ihr gezeigt hatten, doch nunmehr lediglich Freundlichkeit ausstrahlten, verpasste ihr Herz den einen oder anderen Schlag, doch wusste sie nicht, ob aus Glück, Freude, Nervosität, Trauer oder Angst, Angst, dass er nicht derselbe war, Angst, dass sie ihn verlieren würde, Angst, dass er sie nie mehr so lieben würde. Leise zischend sog sie Luft ein, während er mit leicht geneigtem Kopf auf ihren Tisch zuschritt.
„Hey", grüßte die junge Frau den schwarzhaarigen Kampfsportler mit einem unsicheren Lächeln, als er an ihren Tisch getreten war, während ihr ihre Freundinnen vielsagende Blicke zuwarfen und sich wegdrehen mussten, um sich das Kichern zu unterdrücken. „Was für Zufall, dass wir uns hier wiedersehen! Was machst du hier?"
„So ganz Zufall ist es nicht", sagte der junge Mann belustigt, legte den Lippenstift auf den Tisch und schenkte der jungen Frau vor sich ein unbekümmertes Lächeln. „Den musst du vorhin fallen gelassen haben, also wollte ich ihn dir zurückbringen."
Wie eine Seifenblase bei der geringsten Berührung, platzen all die Sorgen und Ängste der jungen Frau, als sein strahlendes Lächeln ihr dunkles Herz mit lieblichen Sonnenstrahlen berührte, seine vor Belustigung tanzenden Augen sie in nur vage bekannte, schwindelerregende Höhen des Glückes trieben, die sie schon zu vergessen gehabt glaubte. Das unbeschreiblich aufregende Gefühl des freien Falls durchströmte den Körper der Frau, sodass sie ein angenehm warmer Schauder durchfuhr, und sie wusste nun, dass er derselbe Mann war, auf den sie gewartet hatte, wusste nun, was dieses Gefühl bedeutete, wusste, was sie damals, als sie ihn das erste Mal getroffen hatte, als sie dasselbe Gefühl des puren Glücks durchströmt hatte, nicht gewusst hatte: dass sie ihn liebte. In diesem, jenen Moment wünschte sie sich, ihrem Verlobten um den Hals fallen zu können, doch wusste sie, dass sie ihre Zuneigung gegenüber ihm erst offen zeigen durfte, wenn er dazu bereit war, um ihn nicht zu verschrecken, und krallte frustriert ihre Fingernägel in die bunte Tischdecke.
„Hey, das ist doch", rief Yuka nach einem Seitenblick auf ihre Handtasche verblüfft aus, nachdem sie den Lippenstift genauer betrachtet hatte, hielt jedoch plötzlich inne, sog zischend die Luft ein und fuhr schließlich betont unbekümmert fort: „Das ist doch tatsächlich ihr Lippenstift! Was sagt man dazu?"
„Ja, das meinte ich, als ich sagte, er sei ihr wohl aus der Tasche gefallen", merkte Ranma verwirrt an, da ihm sowohl entgangen war, dass Akane ihre Finger in die Tischdecke gegraben hatte, als auch, dass ihre Freundin etwas anderes hatte ausrufen wollen.
„Oh, und dann bist du uns bis hierhin gefolgt, um ihr den Lippenstift zurückzubringen?", fragte Sayuri interessiert. „Das ist aber wirklich nett von dir."
„Ach", antwortete der junge Mann mit einer wegwerfenden Handbewegung und drehte sich das erste Mal zu den beiden Frauen auf der anderen Tischseite um. „Ich hatte so und so nichts zu tun. Und es war ja auch kein großer Umweg."
„Also, wenn du nichts zu tun hast", schlug Akane unschuldig vor, „dann würde ich dich gerne auf ein Eis einladen. Schließlich habe ich dich jetzt ja schon zum zweiten Mal gestört!"
„Ich weiß nicht", meinte Ranma und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf. „Ich will euch nicht stören oder so."
„Du störst uns überhaupt nicht", sprang Yuka sofort ein und bedeutete dem jungen Mann mit einer Handbewegung, sich neben Akane zu setzen. „Ganz im Gegenteil! Wir würden uns riesig freuen, noch eine vierte Person an diesem Vierertisch sitzen zu sehen, oder etwa nicht, Sayuri?"
„Natürlich!", bestätigte die angesprochene Frau, deren dunkelbraunes, mit einer roten Schleife zu einem Zopf gebundenes Haar sich rhythmisch bewegte, als sie nickte, während sie beobachte, wie sich Ranma neben Akane auf den Stuhl setzte. „Ich bin übrigens Sayuri, das hier ist Yuka und Akane hast du ja schon kennengelernt."
Nacheinander hatte die junge Frau auf sich, ihre Sitznachbarin mit den langen, offenen, hellbraunen Haaren und schließlich auf die Frau neben die er sich gesetzt hatte, gedeutet, die ihm der Reihe nach freundlich zunickten. Ranma nickte den drei Frauen freundlich zurück, doch sein Blick blieb an Akane hängen, die in diesem Moment den weißen Hut abnahm, auf den Tisch legte, sich eine Strähne ihres blauschwarzen Haares hinter ihr Ohr strich und ihm verlegen zulächelte. Er konnte nicht sagen, warum, aber er fühlte sich der jungen Frau seltsam vertraut, beinahe, als ob er sie kennen würde.
„Ich heiße Ranma, freut mich wirklich, euch kennenzulernen", sagte er mit nachdenklichem Blick auf die junge Frau.
„Sag' mal, Ranma, ich habe dich hier noch nie gesehen", merkte Sayuri an. „Auf welche Schule gehst du eigentlich?"
„Ich bin gerade erst wieder von einer Trainingsreise nach Japan zurückgekehrt, deswegen hast du mich hier wahrscheinlich noch nicht gesehen", antwortete Ranma ihrer Frage. „Ich weiß nicht genau, aber ich glaube, ich werde ab nächster Woche auf die Furikan-Schule gehen."
„Furikan-Schule? Trainingsreise?", fragte Akane erstaunt und versuchte dabei, möglichst überzeugend Überraschung vorzuspielen, doch bemerkte nicht, dass ihre beiden besten Freundinnen sie nun misstrauisch beäugten. „Ich gehe auch ab nächster Woche wieder offiziell auf die Furikan-Schule und bin auch erst vor kurzem wieder von einer Trainingsreise ins Land gekommen! Welche Sportart trainierst du denn und wo warst du?"
„Ranma Saotome, Altmeister der Kampfschule für Schlägereien aller Art", stellte sich der junge Mann erneut vor, doch trugen seine rauen Lippen diesmal ein selbstbewusstes, beinahe überhebliches Grinsen, während sich sein Kopf wie zu einer leichten Verbeugung neigte, und verpasste, die Augen auf die junge Frau gerichtet, die ihm jene Frage gestellt hatte, da in ihren Augen ein für ihn unerklärliches, kleines Feuer erglomm, das sich rasch ausbreitete und ihn wie ein kleines Boot auf der hohen, wilden See gefangen nahm, das überraschte Aufkeuchen der beiden ihm gegenüber sitzenden Frauen. „Ich war in vielen Ländern, aber hauptsächlich hielt ich mich in China auf. Und welchen Sport betreibst du?"
„Du bist Ranma?", murmelte Yuka verwirrt, staunte abwechselnd die junge Frau und den schwarzhaarigen Mann an, während sie sichtlich erbleichte und Akane unter dem Tisch einen Tritt versetzte.
„Ja, ich bin Ranma", antwortete der Kampfsportler ebenso verwirrt und versuchte dabei zu verstehen, warum Yuka so abrupt aufstand. „Alles in Ordnung mit dir?"
„Ja, ja, natürlich!", meinte die junge Frau lächelnd und deutete auf ihre Freundin. „Akane und ich gehen nur mal schnell bestellen, nicht? Der Kellner hier ist ja unendlich langsam! Na komm schon, Akane! Sayuri bleibt bei dir, damit du nicht so alleine bist."
Mit zusammengezogenen Brauen starrte Akane erst Sayuri an, die ihren ärgerlichen Blick ratlos erwiderte und beinahe unmerklich mit den Schultern zuckte, dann Yuka, deren unvorhersehbarer Tritt gegen ihr Schienbein noch immer schmerzte, und stand schließlich mit einem resignierenden Lächeln auf. Mit einem letzten, entschuldigenden Blick für Ranma folgte sie ihrer Freundin an die Theke, drehte sich jedoch noch einmal um und grinste den Kampfsportler selbstzufrieden an.
„Akane Tendo, Schülerin der Kampfschule für Schlägereien aller Art", stellte sie sich vor, drehte sich wieder um und ließ den vollkommen verblüfften Mann am Tisch sitzen.
„Na, das ist mal ein Zufall, oder?", sagte Sayuri zu sich selbst und blickte ihren beiden Freundinnen nach. „Ranma? Du kennst sie wirklich nicht? Ich meine, wenn ihr beide zur selben Kampfschule gehört?"
„Nein", antwortete er ihr und schüttelte abwesend seinen Kopf. „Ich wusste noch nicht einmal, dass es eine zweite Kampfschule dieser Art gibt."
Nachdenklich ließ sich der junge Mann in seinen Stuhl zurücksinken, fuhr sich dabei unbewusst durch sein rabenschwarzes Haar und überlegte, warum er sich der jungen Kampfsportlerin so vertraut fühlte. Ihr eleganter Gang, der leichte Schwung ihrer unverkennbar weiblichen Hüften, ihr samten weißer Rücken, ihr wundervolles blauschwarzes Haar, all das erinnerte ihn an einen längst vergessenen Traum des Glückes, doch wann immer er ihn zu greifen suchte, entwich er ihm wie die dunstigen Nebelschwaden, die seine Erinnerungen verdeckten, als ein anderer Gedanke plötzlich seine Aufmerksamkeit forderte.
„Sayuri?", fragte Ranma die ihm gegenüber sitzende Frau. „Ist deine Freundin immer so, so, nun ja, sprunghaft?"
„Du meinst wohl seltsam", lachte sie als Antwort und zuckte mit ihren Schultern. „Nein, normalerweise ist sie…"
„Normal?", wiederholte Yuka das letzte Wort ihrer besten Freundin und blickte über ihre Schulter auf den jungen Mann, der sich nun lächelnd mit Sayuri unterhielt. „Du findest das hier also alles ganz normal und glaubst auch nicht, dass dieser Ranma vielleicht, möglicherweise der Verlobte ist, von dem dein Vater heute Morgen gesprochen hat? Akane, er betreibt dieselbe Kampfschule wie du, geht ab morgen in dieselbe Schule und war ganz zufällig in demselben Land auf einer Trainingsreise wie du!"
„Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich ihn nicht kenne, Yuka!", flüsterte Akane wütend, als ihr fürchterliches Temperament in ihrem Herzen die Oberhand gewann. „Ich finde ihn eben ganz nett, deswegen habe ich ihm deinen Lippenstift in die Hand gedrückt! Ich bitte dich, wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich inmitten der Fußgängerzone auf meinen zukünftigen Verlobten treffe und mit ihm zusammenstoße? Das ist doch lächerlich!"
„Hm", brummte ihre Freundin unvermittelt und legte ihre Hand kurz auf die Schulter ihrer besten Freundin. „Vielleicht hast du Recht, Akane, aber ich mache mir eben Sorgen um dich. Gestern diese, diese, nun, diese verpatzte Hochzeit und heute, ich weiß nicht, aber du wirkst so fröhlich! Du wirkst geradezu, als ob du froh darüber wärst, dass die Hochzeit nicht stattgefunden hat! Ich finde es ja richtig, dass du dich ablenkst, deswegen sind wir hier, aber so habe ich dich noch nie erlebt!"
„Danke, Yuka, ich weiß deine Sorge wirklich zu schätzen", antwortete die junge Frau berührt und lächelte ihr zu. „Weißt du noch, dass du mir gesagt hast, dass Ryouga vielleicht nicht der richtige Mann für mich sei? Ich glaube, du hattest Recht, ich glaube, er war es nicht. Weißt du, ich glaube, ich finde diesen Ranma wirklich unglaublich nett."
„Ach was?", meinte die braunhaarige Frau und verdrehte dabei ihre Augen. „Du zeigst deine Zuneigung ihm gegenüber jetzt schon deutlicher als gegenüber deinem Verlobten, obwohl du ihn erst seit ein paar Minuten kennst. Wenn du so weitermachst, könnte man ja fast meinen, dass du ihn heute Abend mit nach Hause nehmen willst!"
„Gar keine so schlechte Idee", merkte Akane unbewusst an, drehte sich anschließend zum Kellner um, dessen volle Aufmerksamkeit seit über fünf Minuten auf eine ihm sinnlich zulächelnde Blondine gerichtet war, brummte ihm zwei unverständliche Worte zu, sodass er sich nun ihr widmete und wandte sich wieder ihrer Freundin zu, um die Bestellung aufzunehmen, als sie bemerkte, dass sich Yuka keinen Zentimeter bewegt hatte, sondern lediglich stark errötet mit aufgerissenem Mund auf sie starrte, während ihr langsam die ganze Tragweite ihrer Worte bewusst wurde und sie mit aufgerissenen Augen und ebengleich errötend versuchte, sich zu erklären: „Training! Ich meinte Training! Training! Altmeister! Ich will mit ihm trainieren! Und ich möchte nicht einmal wissen, was du dir gedacht hast! Wofür hältst du mich denn?"
„Ihrem Vater gehört eine Trainingshalle ganz hier in der Nähe", erzählte Sayuri Ranma, während sich Akane und Yuka wieder zu ihnen an den Tisch setzten. „Und du bist wirklich stark, nicht wahr, Akane? Sie hat jeden Schüler unserer Schule, der dumm genug war, sich mit ihr anzulegen, mit Leichtigkeit besiegt!"
„Wirklich?", fragte Ranma amüsiert und betrachtete die junge Frau mit unverhohlenem Interesse. „Jetzt erzähl mal: wo warst du auf Trainingsreise und wer hat dich trainiert?"
„Ich war in China", sagte Akane mit gedämpfter Stimme, schloss ihre Augen und sprach mit so unverkennbarer Freude in ihrer Stimme, dass Ranma irritiert die Augenbrauen verzog und sich sofort dafür schalt. „Mein Lehrer war der beste Kampfsportler, den ich je gesehen habe, nein, er war der beste Kampfsportler und Lehrer der ganzen Welt! Sein Training war schonungslos und intensiv, und doch so spielerisch, dass man merkte, dass die Kunst sein Leben war. Er war ruhig wie der Wald, doch brannte ein unbändiges Feuer in ihm, er war unbiegsam wie ein Fels und doch so geschmeidig wie ein rauschender Fluss, in ihm schlummerte die Macht eines unaufhaltsamen Wirbelsturmes und die Stärke eines alles verschlingenden, züngelnden Feuers, und er war so undurchschaubar und geheimnisvoll wie der schwarze Mond!"
Ranma spürte, wie ein unkontrollierbares Feuer in ihm zu lodern begann, von seinen Gedanken Besitz ergriff und pures Adrenalin durch seinen Körper schoss, doch wusste er nicht, ob die Nervosität und Erregtheit über die vermeintliche Stärke seines potentiellen Gegners dieses Feuer entfacht hatte oder ein anderes, ihm unbekanntes, doch gleichsam stärkeres Gefühl ihn dazu trieb, sich gegen diesen Mann zu stellen. Als Akane ihre Augen mit einem sehnsüchtigen Seufzer öffnete, züngelte das Feuer noch bedrohlicher in seinem Herzen und er musste all seine Willensstärke aufbringen, um die junge Frau nicht wütend anzublicken.
„Wie heißt er?", fragte er erregt und blickte dabei aus dem Schaufenster. „Und wo kann ich ihn finden? Ich muss mich unbedingt mit ihm messen!"
„Ich kann dir seinen Namen nicht nennen", flüsterte die Kampfsportlerin, bevor sich ihre Stimme, durch ihre Erinnerungen an ihren früheren Verlobten verwirrt, festigte und sie weiter sprach: „Und ich weiß nicht, wo er sich befindet."
„Warum?", forschte Ranma nach. „Ich muss ihn finden, wenn er wirklich so stark ist, wie du behauptest! Oder ist er etwa in den Ruhestand gegangen?"
„So etwas ähnliches", wich sie seiner Frage aus und blickte ihm suchend in die blauen Augen. „Er wird ab morgen eine andere Schülerin trainieren und ich werde ihn wohl nie wieder sehen."
Das Feuer in den braunen, tiefen, wissenden Augen der jungen Frau, das noch Sekunden zuvor hell aufgeleuchtet hatte, verschwand für einen kurzen Moment gänzlich und wich einer so tiefen, trostlosen Trauer, einer Verzweiflung, die keine menschliche Seele ertragen konnte, dass der junge Mann seinen Arm tröstend um sie legen wollte. Doch noch bevor sein Instinkt ihn dazu treiben konnte, wurde ihre nonverbale Konversation von einer unbekannten Stimme unterbrochen.
„Zweimal Eisbecher Sunday, einmal den Eisbecher Sweet Dreams und einen Eiskaffee?", fragte eine träge, monotone Stimme in die Stille hinein und stellte die vier hohen, reich verzierten, mit Eis gefüllten Gläser ab. „Bitteschön und guten Appetit!"
„Hier, der Sunday ist für dich!", strahlte Akane Ranma an, der sich plötzlich fragte, ob ihm seine Wahrnehmung einen Streich gespielt hatte, denn das Feuer in den Augen der jungen Frau brannte so hell wie zuvor. „Ich bin mir sicher, dass du ihn lieben wirst! Und Yuka wollte dir ihren aufdrehen!"
„Danke, dann werde ich ihn mir schmecken lassen", bedankte sich Ranma und fügte schnell an, bevor er seinen Löffel in den verschiedenen, verrückten Sorten des Eises verschwinden ließ: „Guten Appetit!"
Lächelnd trat die junge Frau durch die gläserne Türe auf den inzwischen durch die strahlenden Straßenlaternen erhellten Fußgängerweg vor dem Eissalon und blickte neugierig zu den funkelnden Sternen, die, schönsten Diamanten gleich, den schwarzen Himmel mit ihrem Glitzern übersäten. Lautlos leuchteten zwei Sterne ganz besonders hell auf, als ob sie den Blick der Kampfsportlerin spürten.
„Ranma, es war wirklich schön, dich kennenzulernen und ich hoffe, wir sehen uns bald einmal wieder!", sagte Akane, drehte ihren Kopf dem schwarzhaarigen Kampfsportler zu, der gerade aus der Türe gekommen war, zögerte einen Wimpernschlag lang und streckte ihm schließlich die Hand hin. „Freunde?"
Langsam, beinahe furchtvoll, als ob das Angebot eine Illusion sein könnte, die bei der geringsten Berührung verschwand, nahm der junge Mann ihre Hand in seine und lächelte ihr mit einem so unverkennbar Zuneigung offenbarenden Lächeln zu, dass Akane ihr wallendes Blut, ihr wild schlagendes Herz und ihre wundersamen Hormone mit aller Willenskraft zurückdrängen musste, um ihn nicht zu küssen, während der junge Mann ihr mit kindlicher Freude die Hand schüttelte.
„Natürlich!", antwortete Ranma glücklich und wiederholte dieselbe Prozedur mit Yuka und Sayuri, die ihre Hände jedoch unter dem strengen Blick ihrer besten Freundin rasch wieder aus seiner lösten.
„Hat uns wirklich gefreut", verabschiedeten sich die drei Frauen an einer nahegelegenen Kreuzung, an der Ranma abbog, und marschierten, nach einem letzten Winken, zurück zu ihren Familien.
Mit einem tiefen Gefühl der Zufriedenheit wachte Akane am nächsten Morgen zusammengerollt unter ihrer Bettdecke auf, als der erste Strahl der aufgehenden Sonne ihre Fensterscheibe mit lautem Klirren durchbrach und den offenen Raum mit Helligkeit flutete. Langsam und genüsslich, einer ausgeruhten Katze an Anmut gleich, streckte sie sich, hob ihre Decke beiseite und stieg, die nackten Füße in die Pantoffeln schlüpfend, aus dem warmen, weichen Bett. Noch während die junge Frau vor ihrem Kleiderschrank stand und sich überlegte, was sie anziehen sollte, klopfte es sanft an ihre Türe und eine zarte Stimme rief leise ihren Namen.
„Akane?", fragte Kasumi vorsichtig und klopfte ein zweites Mal. „Akane, bist du schon wach?"
„Ja, Kasumi", antwortete die angesprochene Erbin der Trainingshalle gähnend, streckte sich noch einmal und öffnete schließlich ihr Fenster. „Was gibt es denn?"
„Vater sagt, du sollst sofort ins Wohnzimmer kommen", sagte die älteste weibliche Bewohnerin des Hauses vorsichtig. „Wir warten dort schon alle auf dich, denn, nun ja, die Familie unseres künftigen Verlobten ist bereits sehr früh eingetroffen und sie warten nun nur noch auf dich."
Binnen einer Sekunde hatte die junge Frau, die eben noch vor ihrem Fenster gestanden war, schon die Türe zu ihrem Zimmer aufgerissen, blickte für einen winzigen Moment auf ihre überraschte Schwester, huschte, das Rascheln ihres gelben Nachthemdes deutlich hörbar, an ihr vorbei auf die Treppe zu, glitt diese auf samtenen Pfoten hinab und blieb schließlich vor der geöffneten Wohnzimmertüre stehen, während ihr unbändiges Herz weiter lief und geradewegs in die Arme des missgelaunten Kampfsportlers, dessen Mutter und Vater neben ihm am hölzernen Tisch, ihrem Vater gegenüber, saßen, sprang. Einem plötzlichen Bauchgefühl folgend, ließ Akane ihre Aura kontrolliert aufflackern und beobachtete zufrieden, wie sich der Kopf des jungen Mannes schlagartig ihr zuwandte.
„Akane?", fragte Ranma verwirrt. „Was machst du denn hier?"
„Was ich hier mache?", rief die junge Frau und deutete mit zitterndem Finger auf ihn. „Ich wohne hier! Die Frage ist wohl eher, was du hier machst!"
„Und das, mein lieber Freund", unterbrach Soun das Gespräch der beiden Erwachsenen und deutete mit einer schwungvollen, eleganten Bewegung seines Armes auf seine jüngste Tochter. „Das hier ist Akane, sie wird in zwei Wochen achtzehn Jahre alt, ist also genauso alt wie dein Sohn und die talentierteste Kampfsportlerin von meinen Töchtern."
