Familiengeheimnis

Wilson hatte ihn in sein Büro zitiert. Was, zugegebenermaßen, verdächtig war. Eigentlich suchte House den langjährigen Freund nur dann auf, wenn es ihm selbst gerade passte, und sei es inmitten dessen Sprechstunden.

Aber diesmal hatte er ihn wichtig zur Seite genommen und verschwörerisch etwas von neun Uhr am nächsten Morgen gemurmelt. Hätte er nicht so ein Getue darum gemacht, wäre Houses Neugier wahrscheinlich versandet.

So stand er pünktlich fünf Minuten nach neun in Wilsons Refugium, in dem ihm Teddybären und Geschenke seiner Patienten aus jedem Regalen anglotzten.

Geschäftig blickte Wilson auf, obwohl House wusste, dass er ihrem Termin schon seit gestern entgegenfieberte.

„House! Was für eine Überraschung!" Sein jovialer Tonfall verriet keinen Ärger. „Komm rein, ich hab grad Zeit."

House war auf der Hut. Er kannte Dr. James Wilson lange genug, um es nicht zu sein. Sein Blick maß ihn starr. Er wäre nicht derjenige, der die Konfrontation eröffnete.

„Schöner Tag heute", sagte er leichthin. Sein Blick verriet das Gegenteil.

„Warum so feindselig? Bloß weil wir mal reden müssen?"

„Du redest immer mit mir, Wilson. Ich sehe nicht, was daran heute so anders sein soll."

Endlich stapelte Wilson sorgfältig seine Akten, legte sie beiseite und seufzte, wobei er das Kinn auf die Knöchel beider Hände stützte.

„Du hast es noch nicht gemerkt, oder?"

„Was?"

„Na ja ... Cuddy und ich hatten eine Unterredung."

„Über mich", knurrte House. Musste er sich darum so geheimnisvoll gebärden. Das schien ihm doch an der Tagesordnung. Er sah es förmlich in Wilsons und Cuddys vollgequetschten Terminkalender: 14.00 Uhr: Tratsch über House. Rot markiert und doppelt unterstrichen. Drei Ausrufezeichen dahinter.

Wieder seufzte Wilson. Fast jeder Satz begann mit einem schweren Seufzer. Das brachte sein Beruf als Onkologe so mit sich. Was ihn zum nächsten Punkt brachte.

„Du hast mir heimlich eine positive Gewebeprobe entnommen, während ich geschlafen habe. Richtig?"

Er lächelte. Wilson erschrak fast. Es war kein spöttisches oder überhebliches Lächeln. Es wirkte aufgeräumt, beinahe freundlich.

„Das wäre nicht zum Lachen", sagte er vorwurfsvoll. „Und wenn ich den Verdacht hätte, hätte ich als dein Freund das Recht dazu."

Ungehalten wandte House den Oberkörper zur Tür. „Willst du nicht endlich Tacheles reden? Ich hab meine Zeit nicht gestohlen."

„House. Wie lange wohnst du jetzt bei Chase?"

Er tat, als müsse er die Finger zu Hilfe nehmen. In Wahrheit genoss er jeden Tag dort, als sei es sein letzter. Anfangs war es ungewohnt gewesen, aber er hatte sich schneller mit Chase arrangiert, als er es für möglich gehalten hätte. Er saugte ihn aus, seine Jugend, seine Neugier und seine Begeisterungsfähigkeit, die sich nicht auf medizinische Phänomene beschränkte. Und Chase ließ es zu. Mehr noch, er gab gern und verlangte nichts zurück.

„Sieben Tage", antwortete er.

„Sechs Wochen", korrigierte Wilson säuerlich. Seit sechs Wochen Tratsch über House und Chase.

Seit zehn Tagen arbeitest du wieder. Weil du vorher wie Gemüse in Chases Wohnung deinen Cold Turkey und das Bein pflegen musstest."

„Wirklich? Hm. Das gibt mir jetzt doch zu denken."

Umständlich nestelte Wilson an seiner Krawatte herum und verschränkte dann die Finger. Seine Schultern rundeten sich, als müsse er sich für den ersten Schlag wappnen.

„Zieh' aus dort. Chase hat seine Schuldigkeit getan ..."

„ – der Mohr kann gehen."

„Wie?" Verwirrt sah Wilson auf. „Foreman? Wir reden über Chase!"

House schloss halb die Lider und machte eine nachlässige Kopfbewegung, um zu veranschaulichen, dass er Wilson seine Bildungslücke in deutscher Romantik nicht nachtrug.

„Entschuldige. Natürlich. Ich schweife ab. Was ist mit Chase?"

„Werde ihn los, House!"

„Ich soll ihn feuern?" House fiel aus allen Wolken.

„Nein. Ich meine ... was ich sagen will ... Cuddy meint ..."

„Ich will erst deine Meinung hören. Was hast du gegen meinen aufstrebenden Superdoktor? Gut, du siehst nicht so gut aus wie er, aber damit muss ich auch leben. Jeder Mann hat damit fertigzuwerden, so traurig sich das anhört."

Plötzlich dämmerte es ihm. Er zeigte mit einer seiner Krücken, auf die er momentan angewiesen war, auf Wilson und zwinkerte. „Du bist eifersüchtig, stimmt's? Oder hast du Angst, dass er mir die Nutten abschleppt? Könnte sogar sein. Komisch, jetzt wo du es sagst; wir hatten noch keinen Damenbesuch. Und ich kann nicht behaupten, dass mir das fehlen würde. Da müsste ich lügen."

Wilsons Geduld fing an zu bröckeln. Er warf die Hände in die Luft. „Merkst du nicht, dass du nicht mehr der alte bist, seit Chase dich so barmherzig aufgenommen hat? Du ziehst ihn Cameron und Foreman vor, lobst ihn in aller Öffentlichkeit und gehst auf einmal wieder unter Menschen, gibst dich mit Patienten ab. Fehlt nur noch, dass du ihn Bob nennst!"

„Weshalb sollte ich das? Oh, sein Vorname? Wusste gar nicht, dass er einen hat."

„Das ist kein Schmierentheater, House. Ich mein's ernst. Deine Arbeit leidet unter eurem persönlichen Verhältnis."

Ohne ein weiteres Wort steuerte House endgültig auf die Tür zu und ging. Nach einer Minute mit dem Griff in der Hand öffnete er sie wieder und steckte den Kopf in Wilsons Büro.

„Du gönnst uns unser Glück nicht", sagte er, jetzt nicht mehr heiter, obwohl die Bemerkung lächerlich klang. „Wer hat dir eigentlich erzählt, dass Chase und ich ein Paar sind?"

„Machst du Witze? Du selbst warst es! Das Personal spricht von nichts anderem mehr, seit du ihm quasi öffentlich einen Heiratsantrag gemacht hast und dein heißer Ofen vor seinem Haus parkt. Wenn du wenigstens soviel Taktgefühl hättest, ihn nicht darauf spazieren zu fahren bis direkt vor die Klinik. Abgesehen davon, dass du mit dem Motorrad einen Bock geschossen hast und dein Unfallrisiko sich drastisch erhöht, wenn du nicht warten kannst, bis dein Bein vollständig geheilt ist."

In sich hineingrinsend schloss House die Tür und humpelte über den Korridor. Chase hatte sich vorbildlich um sein Bein gekümmert, er spürte die Einschränkung kaum noch. Er verstand nicht, weshalb Wilson sich dermaßen gegen ihn spreizte, wenn nicht aus Eifersucht. Sein gesundes Bein war House fast heilig. Der Junge hatte ihm das Leben gerettet. Niemand wusste das besser als Wilson.

oOo

Sein Team hatte sich wie jeden Morgen in seinem Büro versammelt. Cameron warf ihm die neueste Akte zu. Etwas abseits saß Chase und schaute fast verträumt aus dem Fenster. Er hatte noch keinen einzigen Blick in die Unterlagen geworfen.

„Einundvierzigjährige Frau, Bauchkoliken und Sehstörungen."

Sie war schnippischer als sonst und wirkte mürrisch, obwohl sie auffallend elegant und fraulich in ein cremefarbenes Blazerkostüm à la Dr. Lisa Cuddy gekleidet war und sogar Make Up aufgetragen hatte, was sie sonst nicht tat. House hatte den Eindruck, dass sie ihren Charme lediglich bei Foreman spielen ließ, mit dem sie sich noch Chancen ausrechnete. Dass sie und Chase sich sporadisch und heimlich trafen, ahnte er zwar, wusste es aber nicht.

„Porphyrie", behauptete Foreman. House teilte sie gelangweilt ihrem Aufgabenbereich zu. „Cameron, Sie machen eine Lumbalpunktion. Foreman: Stellen Sie fest, welche Medikamente sie nimmt und nehmen Sie eine Urinprobe."

„Nichts außergewöhnliches, ich hab sie schon gefragt." Foremans Ton klang aufständisch. „Die Urinprobe war negativ."

„Dann fragen Sie eben noch mal. Und lassen sie noch mal ins Becherchen pinkeln."

„Und Chase, was macht er?" Unisono blubberte es aus den Mündern der offensichtlich missgünstigen Arbeitskollegen. House trieb sie mit einer herumwedelnden Krücke aus dem Büro, als wolle er Fliegen verscheuchen.

Danach wandte er sich Chase zu.

„Sie mögen Sie nicht besonders."

Gleichgültig hob Chase die Schultern. „Das sieht nur so aus. Sie sind okay."

House nahm an seinem Schreibtisch Platz und musterte den jungen Arzt. „Weil Sie der Streber sind?"

„Ich sagte doch, es ist nicht so schlimm."

House sagte nichts. Das Außenseiterdasein. Vielleicht war es das, was ihn so zu ihm hinzog. Das Unergründliche, Verschlossene, das „Nicht-gemocht-werden". Und vielleicht ging es Chase umgekehrt genauso. Zwar sprach er immer von vielen Freunden und Bekannten, doch sie waren in den drei Wochen nie aufgetaucht.

„Wir müssen reden", sagte House. „Kommen Sie her."

Chase erhob sich und schlenderte auf den Schreibtisch zu, die Hände in dem etwas zu großen Klinikkittel, die Schultern in böser Erwartung hochgezogen. Die Arbeitskleidung ließ ihn noch jünger und schmaler wirken, als er eigentlich war.

Als er sich House gegenübergesetzt hatte, seufzte er.

„Ich will keine Sonderbehandlung", begann er, obwohl House noch immer schwieg und seinen Schützling aufmerksam musterte.

„Die bekommen Sie auch nicht. Ich hab genug von Ihnen. Heute Abend schlafe ich wieder in meinem eigenen Bett."

Etwas ging vor mit Chase. Sein Blick kehrte sich nach innen, er sah zur Seite und erschien plötzlich apathisch, fast abwesend. House beugte sich vor und schnippte mit den Fingern.

„Chase. Sind Sie bei mir?"

Wie aus einer anderen Welt zurückkehrend schreckte Chase hoch. Angestrengt fixierte er den unsteten Blick auf seinen Chef.

„Es war nicht für immer gedacht", sagte House einfühlsam. „Das wussten Sie doch."

Chase nickte. Er schluckte hart und stand auf. „Ich helfe Cameron bei der LP."

„Tun Sie das."

oOo

Zum letzten Mal fuhren sie gemeinsam zu Chase nach Hause. House hatte den Eindruck, dass sich Chase schwertat, ihn gehen zu lassen. Für gewöhnlich hielt er sich als Beifahrer hinten am Gepäckträger fest; heute umschlang er Houses Mitte und legte sogar in scheuer Zuneigung den Kopf an dessen Rücken (da House nur einen Sturzhelm besaß, verzichtete Chase auf einen Schutz).

Chase packte Houses Sachen in die Reisetasche und sprach kein Wort mehr als nötig. House fühlte etwas Fremdes und stellte nach einer Weile erstaunt fest, dass es wohl so etwas wie Abschiedsschmerz sein musste.

Als sie beide ein wenig verlegen auf der Straße standen, nachdem Chase das Gepäck auf dem Motorrad festgeschnallt hatte, umarmte er Chase. Das hatte er während seines Aufenthaltes bei Chase besser gelernt als alles andere. Dass Chase taktil veranlagt war, hatte er erst in seiner Privatsphäre gezeigt.

Erstaunlich heftig erwiderte der Junge die Geste.

„Ich bin nicht aus der Welt", erklärte House gewollt barsch. „Sie sehen mich jeden Tag in der Klinik."

„Ja", murmelte Chase und löste sich widerwillig von ihm. „Bis dann."

Er hatte schon den Motor gestartet, als Chase ihn am Ärmel zupfte. „Es war schön mit Ihnen."

House klappte das Visier zu und brauste los.

oOo

Der Fall war langweilig. Die Patientin hatte Porphyrie; die Symptome waren eindeutig. Der Urin hatte sich dunkel verfärbt, somit war die Sache für House klar.

Foreman und Cameron debattierten dagegen eifrig in seinem Büro. Absichtlich enthielt er sich der Diskussion. Sie hatten etwas von hysterischen Besserwissern, wie sie sich gegenseitig mit Argumenten erschlugen.

Auf einmal hielt Cameron inne.

„Wo ist eigentlich Chase?"

„Was weiß ich? Bin ich sein Kindermädchen?" House sah nicht auf von seinem Comicheft.

„Sie wohnen doch bei ihm."

„Nicht mehr. Und jetzt verschwinden Sie. Fürs Herumstreiten werden Sie nicht bezahlt."

Achselzuckend wechselten Foreman und Cameron einen bedeutungsvollen Blick und trollten sich dann.

House erhob sich und verließ das Büro.

Unten begegnete er Cuddy. Auf ihren atemberaubend hohen Absätzen stöckelte sie neben ihm her. Das Kostüm, das sie trug, war eine Kopie von Camerons in Blau. Aber sie trug es mit mehr Grandezza bzw. Kurven.

„Hat Wilson mit Ihnen gesprochen? Bezüglich Chase?"

„Wir haben uns gestern getrennt", beruhigte sie House. „Seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen."

Atemlos hielt Cuddy ihn am Arm zurück, er wirbelte zu ihr herum. „Das heißt, er ist heute nicht erschienen?"

„Genau das. Ich werde ihm jetzt die Leviten lesen. So ein pflichtvergessener Bengel."

„Warum rufen Sie nicht an? Wahrscheinlich fühlt er sich einfach nicht gut und braucht einen Tag Ruhe."

„Dann hätte er angerufen", widerlegte House ihre These. Sie schaute ihn mit großen Augen an.

„Denken Sie, er hat sich etwas angetan?"

Abrupt machte er sich von ihr los und strebte dem Ausgang zu.

oOo

Er besaß noch einen Zweitschlüssel; Chase hatte vergessen, ihn zurückzufordern. Vermutlich vorsätzlich. In der Hoffnung, er überlege es sich anders. Er war eigenartig gewesen gestern. So abwesend und gleichgültig. Eigenschaften, die nicht zu ihm passten.

Sowie House die Tür aufgestoßen hatte, war er sicher, dass etwas passiert war. Vor lauter Sorge versäumte er, die Tür zu schließen. In der sonst tadellos aufgeräumten Wohnung waren Stühle umgeworfen, Flaschen lagen auf dem Boden. Eine war zerbrochen und verströmte einen scharfen Whiskygeruch.

Im Badezimmer fand er eine angebrochene Packung Schlaftabletten.

Nachdem er das Erdgeschoss durchsucht hatte, eilte er zur Treppe.

„Chase!" Keine Antwort. Aber er musste hier sein! Mühsam und doch schneller als er in seinem Zustand eigentlich dazu fähig war, bewältigte er die Stufen, wobei ihm die Krücken mehr als hinderlich waren, so dass er sie auf halbem Wege fallen ließ und sich am Geländer hochzog.

Er lag rücklings auf dem Bett. Zuerst rollte eine Welle der Erleichterung durch House; er schlief nur und hatte den Wecker vergessen. Doch je näher er kam, desto deutlicher erkannte er, dass er sich getäuscht hatte.

Chases Lippen waren halb geöffnet und mit rötlichem, getrocknetem Schaum bedeckt. Ein Rinnsal Blut klebte an seinem Kiefer. Schockiert ließ sich House auf der Bettkante nieder und prüfte seinen Puls.

Obwohl er nicht vorhanden war, öffnete House zunächst Chases Gürtel und dann den Mund. Die Zunge war verletzt. Durchgebissen. House atmete auf. Keine inneren Blutungen, wie er befürchtet hatte.

Die Ruhe selbst, telefonierte er einem Krankenwagen, bevor er zur Atemspende überging. Die Samtigkeit der vollen Lippen erregte House, doch er machte weiter, blies unablässig Atem in seinen Assistenzarzt. Er schmeckte etwas Saures. Chase hatte erbrochen, war jedoch anscheinend geistesgegenwärtig genug gewesen, das nicht während seiner Schlafphase zu tun.

Allmählich reagierte Chase mit zögernden Atemzügen, doch er kam nicht zu sich. Die Bewusstlosigkeit war zu tief. House untersuchte die Augen und stellte fest, dass die Augäpfel weit zurückgerutscht und nicht sichtbar waren.

Alles sah nach einem Grand Mal, einer Epilepsieattacke aus.

oOo

Die Sanitäter – flüchtige Bekannte von Chase, wie man sich unter Kollegen so kannte – waren erstaunt, als House mit dem Bewusstlosen die Treppe hinuntertorkelte. Er hatte Chase auf die Arme genommen und kämpfte sich Schritt für Schritt vorwärts, wobei er einige Sekunden auf jeder Stufe verharrte, um die Balance zu wahren.

„Wo bleiben Sie? Ich bin schon halb in der Klinik, bevor Sie endlich Ihre Ärsche her bequemen. Zu Fuß, Gentlemen, wohlgemerkt!"

Entschuldigungen stammelnd nahmen sie ihm seine Last ab.

House fuhr hinter ihnen her ins Princeton. Sie hatten kein Blaulicht angestellt, was ihn ärgerte. Chase bekam keine Luft; er musste rasch mit Sauerstoff versorgt werden, und das tat die Ambulanz nur ungenügend. Er betätigte die Hupe, bis der Schläfer vor ihm schließlich Gas gab und sich seiner Pflichten als Lebensretter entsann.

Cuddy flog ihm aufgelöst entgegen.

„Gott sei Dank, dass Sie misstrauisch wurden! Eine Minute länger und Sie hätten ihn verloren! Wie furchtbar. Gab es irgendwelche Anzeichen für einen Suizidversuch? – Ich versteh' das nicht. Er – ist gar nicht der Typ dafür."

„Ist er in der ICU?"

„Ja. Er wird künstlich beatmet."

House ließ sie ohne Dank für die Information stehen.

Chases Anblick erschütterte ihn wider Erwarten. Er wirkte so jung und klein in dem Krankenbett wie ein Dreijähriger. Seine Haut war fahl, die erschreckend eingefallenen Wangen schimmerten bläulich unter der Atemmaske.

House legte den Kopf in den Nacken und starrte zur Decke, um sich zu sammeln, während er schwer auf den Krücken lehnte. Hinter der Glaswand bemerkte er aus den Augenwinkeln Cuddy. Besorgt schaute sie ihn an, wagte es jedoch nicht, zu ihm zu gehen. Sie wusste, dass er mit Chase allein sein wollte.

Er näherte sich dem Kopfende des Bettes. Chases Lider flatterten. Sowie er die Augen aufschlug und die Atemmaske auf seinem Gesicht wahrnahm, geriet er in unbegründete Panik. Eine Erscheinung, die House bei erkrankten und hilfsbedürftigen Kollegen merkwürdigerweise oft aufgefallen war.

Die Panik führte zu erhöhtem Blutdruck und beschleunigtem Herzschlag. House manipulierte den Apparat, um ihn zum Schweigen zu bringen und führte dem Kreislauf ein leichtes Beruhigungsmittel zu.

„Sie sind sicher", sagte er. Seine Stimme klang sanft. Chase wandte sich ihm zu. Gierig sog er den Sauerstoff ein. Er war dehydriert, doch das ärgste Problem schien der Atem zu sein. Trotzdem entfernte House die Maske. Andererseits würde er Chases Antwort auf seine Frage nicht verstehen. Chase begann zu japsen und griff nach der Atemhilfe. House nahm sie ein Stück weit weg, unerreichbar für den jungen Mann. Ein herzzerreißendes Winseln, untermalt von Röcheln und Keuchen, war die Folge.

„Warum steht in meiner Akte nicht, dass ich einen Epileptiker eingestellt habe?"

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