ein normales Treffen
„…How could Ihhh make a man out of you?", sang Anna leise. Sie schloss ihr Fahrrad am Fahrradständer ab und lief Richtung Schuleingang.
„Morgen Anna!" „Morgen." „Hallo." „Bis nachher in Politik."
Anna seufzte, sie wollte wieder schlafen.
Als sie die Treppe in den ersten Stock erklomm, grüßte sie ihre Mitschüler, die vor dem Klassenraum standen.
„Morgen.", sagte sie müde und lehnte sich an die Wand. Sie wartete auf den Lehrer, sodass sie wenigstens sitzen konnte. Als sie dann auf ihrem Stuhl saß, gähnte sie müde. Der Lehrer begann zu reden, doch Anna hörte nur mit einem Ohr zu.
Sie war, trotz Müdigkeit, schon mit den Gedanken bei dem Treffen mit ihren Freunden, dass sie am Wochenende haben werden.
Endlich trafen sie sich mal wieder, Anna vermisste die alten Zeiten in der Mittelstufe. Jetzt waren sie auf drei verschiedene Oberstufen verteilt und sahen sich höchstens einmal im Monat.
Ihre Freunde schien das nicht so sehr zu stören, sie erzählten bei ihren Treffen immer viel von ihren neuen Freunden und Mitschülern, doch Anna hing noch immer der ehemaligen 10. Klasse nach.
Ihre relativ kleine braunhaarige Freundin Jana sah sie noch immer in der Schule, zum Glück, ansonsten würde Anna wohl völlig durchdrehen.
„So Anna, rechnest du uns diese Aufgabe dann einmal vor?", fragte sie der Lehrer überraschend. Sie stand verschlafen auf. „Klar."
Wochenende. Anna war eine Viertelstunde zu früh an dem Treffpunkt am Deich.
Sie beobachtete die Möwen und sah sich die Schiffe im Hafen an.
„ANNA!", schrie jemand und winkte ungefähr 100 Meter weiter entfernt.
Anna stand auf und winkte hektisch zurück. „HALLO, FREDDY!"
Sie umarmten sich.
„Schön dich mal wieder zu sehen.", sagte Anna fröhlich.
„Alina und Jana bringen vier Freunde von der Scholl mit.", sagte Friederike vorsichtig.
„Ah, cool. Hauptsache ich seh euch mal wieder.", gab Anna unbeschwert zurück.
„Die sind sehr nett, ich kenn die auch.", fügte Friederike noch hinzu. Sie setzen sich und warteten.
Anna sprang plötzlich auf und winkte einer Gruppe von Jugendlichen zu, von denen sie zwei kannte. Als sie näher kamen lief Anna ihnen entgegen und fiel der Kleinsten, einer Asiatin, um den Hals.
„Alina! Ich hab dich vermisst, kleene."
„Du bist nur zu groß.", sagte Jana.
„Hast du mich gar nicht vermisst?", fügte sie schmollend hinzu.
„Natürlich Jana, ich hab dich 22 Stunden lang nicht gesehen.", sagte Anna lachend und umarmte Jana.
„Also Leute, das ist Anna.", sagte dann Alina zu den vier unbekannten Gesichtern. „Nett euch kennen zu lernen.", grinste Anna freundlich.
Das schwarzhaarige Mädchen fiel Anna um den Hals.
„Ich bin Alice Sakura, freut mich."
„Yoichi Takishima.", nickte ein grauhaariger, hübscher Junge.
„Ich bin Tsubasa Andou. Bekomm ich auch eine Umarmung?", fragte der große, schwarzhaarige ebenfalls hübsche Junge zu Anna und grinste erwartungsvoll.
Der schwarzhaarige Junge, der neben Tsubasa stand, trat demselben auf den Fuß.
„Du nervst.", sagte er emotionslos.
„Mann, Natsume. Was sollte das?", jaulte Tsubasa auf.
Natsume war wohl der attraktivste Junge den Anna je gesehen hatte, doch er fiel ihr in dem Moment nur negativ auf.
„Ganz schön aggressiv.", murmelte sie, doch Natsume hörte sie.
„Ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen, stupid girl.", sagte er überheblich.
„Natsume, halt deine Klappe.", sagte Alice und fiel Anna schon wieder um den Hals. „Diesen nichtsnutz Natsume kannst du ruhig ignorieren. Wollen wir da vorne hingehen?", fragte sie freudestrahlend.
Sie zog Anna hinter sich her, der Rest folgte, wenn auch in Natsumes Fall widerwillig. Sie unterhielten sich über die Schulfreunde an den neuen Schulen, wie Anna schon befürchtet hatte, während sie auf die fehlenden Personen warteten.
Anna hörte kaum zu sondern musterte die Neuankömmlinge.
Alice war nicht sehr groß, hatte kurze nach allen Seiten abstehende schwarze Haare und ein elfenförmiges Gesicht.
Sie war sehr hübsch, vor allem ihre Augen, diese hatten die Farbe von taunassem Gras.
Yoichi hatte graue, bis über den Ohren lange stufige Haare. Er müsste so alt wie sie sein, wenn nicht noch jünger.
Er sah wirklich nicht schlecht aus, seine Augen leuchteten grau.
Anna sah sich dann den größten der Truppe an. Tsubasa schien älter als alle zu sein, 19 oder 20 Jahre alt. Er hatte schwarze strubbelige Haare, die ebenfalls bis über die Ohren gingen.
Er hatte blaue Augen, ein schönes mitternachtsblau.
Der in ihren Augen wirklich gutaussehendste, aber wohl überheblichste Junge war dieser unfreundliche Natsume. Auch er hatte schwarze Haare, die im Sonnenschein einen lila-Stich hatten. Er hatte eine helle Haut, genau wie sie selbst, und hellbraune Augen, die fast orange wirkten.
Als er ihren Blick bemerkte und kalt zurückstarrte, wirkten seine Augen nicht nur orange sondern rot. Sie alle hatten bestimmt eine menge Verehrer.
Anna schaute verlegen zur Seite, ihr schoss die Röte ins Gesicht, als sie bemerkte dass er sie weiter anstarrte.
Jana guckte auf ihre Uhr.
„Wo bleiben die denn?", fragte sie dann gereizt.
Plötzlich klingelte Alinas Handy.
„Ja? Was? … achso, ok. Bis dann." Sie legte auf.
„Und wer war das?", fragte Friederike neugierig.
„Nadine, sie hat Hausarrest. Sie kommt nicht."
„Voll doof…", maulte Friederike.
Anna sprang auf.
„Wir sind hier!", rief sie glücklich. Sie hatte zwei weitere bekannte Jugendliche entdeckt. Sie kamen näher.
„Hey, sorry dass wir so spät sind.", entschuldigte sich Natalia. Ihr Freund Marian nickte bekräftigend.
„Gut, dann los."
Sie schlenderten den Deich entlang und schauten sich dabei den Himmel an, der durch die Wolken grau und weiß wie Recycelpapier aussahen, oder die Schiffe, die mit ihren Motoren Wellen an den Deich schlugen, oder die Menschen, die spazieren gingen, auf Bänken die Szenerie genossen, oder die Möwen, die wie Raubtiere den herumliegenden Müll jagten und auseinander nahmen.
Dabei liefen sie hintereinander und nebeneinander und unterhielten sich.
Anna war glücklich. Sie hatte ihre Freunde um sich.
Sie starrte gerade ein älteres Ehepaar an, das sich auf einer Bank niederließ und die vorbeigehenden Leute beobachteten.
Natsume lief schweigend neben ihr her und schaute in die entgegengesetzte Richtung.
Hinter ihnen unterhielten sich Marian und Tsubasa.
„Natsume, wie findest du den Deich?", fragte Anna plötzlich und versuchte ein Gespräch zu beginnen.
„Langweilig. Hier fällt das kaum auf wenn ich das Wetter ver…"
Tsubasa hielt Natsume den Mund zu und fast alle schauten Natsume erschrocken oder wütend an, außer Anna, Natalia und Marian, die waren verwirrt.
Natsume zog Tsubasas Hand von seinem Mund.
„Ganz ruhig. War doch nur ein Scherz.", sagte er und seine Mundwinkel zuckten.
„Sehr lustig, Natsume.", gab Jana von sich und funkelte ihn an.
Es fing an zu regnen und noch immer schauten ihn fast alle wütend an, wenn nicht gar noch schlimmer.
Was haben die denn?, dachte Anna noch immer verwirrt. Wenn Blicke töten könnten.
„Wollen wir zurück? Wir könnten zu diesem Cafe mit dem leckeren Kakao.", sagte Anna. Zustimmendes Gemurmel trat ein.
„Kakao! Let´s go.", rief Alice und alle drehten sich um, Richtung Cafe.
Auf dem Weg dorthin gab Anna Natsume immer wieder neugierige Seitenblicke.
Was meinte er damit? Warum haben Tsubasa und die anderen so komisch reagiert?
Im Cafe unterhielten sie sich über Schule, Lehrer und nervende Mitschüler. Dabei fiel Anna auf, wie die vier neuen Freunde miteinander umgingen.
„Seit ihr vier Geschwister?", fragte sie zusammenhanglos.
„Was? Wie kommst du denn da rauf?", fragte Tsubasa sie völlig verwirrt.
„Ihr wirkt so vertraut miteinander.", gab sie kleinlaut zurück.
Yoichi meldete sich zu Wort: „Natsume ist mein großer Bruder und Alice und Tsubasa kennen wir schon seit unserer Kindheit. Unsere Eltern sind befreundet und wir wohnten in der gleichen Nachbarschaft in den USA."
„Warum klingen eure Namen eigentlich so japanisch?", fragte Anna interessiert, schon wieder völlig ohne erkennbaren Sinn.
„Unsere Eltern kommen ursprünglich aus Japan. Sie sind gemeinsam in die USA umgezogen. Und auch nach Deutschland.", antwortete diesmal Tsubasa. „Könnt ihr japanisch?", fragte sie dann freudestrahlend. Alle außer den vier Betroffenen und Anna fielen fast vom Stuhl.
„Anna!", sagte Jana streng.
„Was? Das interessiert mich.", gab Anna beleidigt zurück.
„Nein, nur Englisch und Deutsch.", antwortete Natsume emotionslos.
„Schade…", murmelte sie vor sich hin.
Natsume sah gelangweilt aus dem Fenster als das Gespräch vor Annas Unterbrechung weiterging. Anna hörte nach einiger weile auch nicht mehr zu und nickte nur noch ab und zu, völlig in ihrer eigenen Welt versunken. Yoichi starrte sie an, war aber in den Gedanken fast immer weit weg.
Nachdem es immer später wurde, verabschiedeten sie sich voneinander und fuhren nach Hause. Alice, Yoichi, Tsubasa und Natsume fuhren gemeinsam nach Hause, in Natsumes BMW.
„War das mit dem Regen wirklich nötig? Wir haben doch eigentlich gesagt, dass wir unsere Kräfte gar nicht benutzen." , fuhr Alice Natsume gereizt an.
Natsumes Mundwinkel zuckten.
„War doch lustig. Außerdem fiel das sowieso niemandem auf. Mir war eben langweilig.", gab er unbeeindruckt zurück. „Aber um Yoichi mach ich mir Sorgen." , fügte er hinzu.
„Was ist mit mir?", fragte Yoichi aus dem Hintergrund.
„Deine Augen haben sich heute so komisch benommen, als wenn sie von dieser Anna angezogen wurden.", ärgerte Natsume ihn und gab Yoichi im Rückspiegel einen gespielt besorgten Blick.
Yoichi wurde rot. „Stimmt gar nicht. Ich war in Gedanken, ich hab gar nicht mitbekommen wo ich hingeguckt habe. Außerdem mag ich keine Mädchen. Die sind nur laut und wollen Geld", gab er lauter zurück als es nötig war.
Alice schaltete sich ein. „Natsume, bist du etwa eifersüchtig? Und Yoichi, nicht alle Mädchen sind so drauf, nur mehr als die Hälfte.", sie zwinkerte Yoichi zu.
Der beruhigte sich und lehnte sich wieder zurück.
„Ganz bestimmt nicht.", sagte Natsume mit emotionslosem Gesicht.
Damit war das Thema erledigt.
Tsubasa war müde und wusste wie es ausgehen würde, es endete immer so oder so ähnlich, deshalb hielt er sich größtenteils aus den kleinen Streitereien heraus.
Bei Alina im Auto lief ebenfalls ein Gespräch.
„Und wie findest du sie?", fragte Alina Anna neugierig.
„Waren ja fast alle ganz nett.", antwortete sie müde. Sie spielte auf Natsume an. „Ach, mach dir nichts draus. Natsume ist immer so drauf. Die anderen auch, das ist ziemlich lustig.", lachte Alina.
„Oh, wie viele Kurse habt ihr denn zusammen?", fragte Anna, jetzt interessiert. Alina überlegte. „Eigentlich nur einen. Aber in den Pausen sind wir immer zusammen.", gab sie nachdenklich zurück.
Jana gab Alina einen warnenden Blick. Alina lächelte entschuldigend.
„Wir sind da, danke fürs mitnehmen, Alina. Gute Nacht zusammen."
Und damit stieg Anna aus dem Auto aus und schlug die Tür hinter sich zu.
Als das Auto wieder anfuhr und um die Ecke war sagte Jana ernst: „Alina, pass auf was du sagst. Du kannst uns doch jetzt nicht auffliegen lassen."
„Sorry, kommt nicht wieder vor.", sagte Alina verlegen.
