32 Heilsame Worte
BPOV
Ich konnte kaum atmen und es fühlte sich so an, als hätten tausende von unsichtbaren Ameisen unter meiner Haut zu krabbeln begonnen. Ich wusste, was ich tun musste, wusste über jedes einzelne Detail Bescheid, jeden einzelnen Schritt und konnte meine nächsten körperlichen Reaktionen vorhersagen. Schweißausbruch,… Rauschen in den Ohren, … Herzrasen. Aber ich konnte in meiner Starre nichts tun, schaffte es nicht ruhig und gleichmäßig zu atmen, schaffte es nicht, mich zu bewegen. Meine Beine fühlten sich bleiern an und etwas viel zu schweres saß auf meiner Brust.
Mir war heiß und ich schaffte es nicht, aus dieser Dunkelheit auszubrechen, die mich umwoben hatte, aber… da war auch etwas… Kühles und sanftes. An meiner Wange… meinem Rücken… meinen Armen… in meinen Haaren. Etwas, das scheinbar versuchte zu mir durchzudringen, aber meine Augenlieder fühlten sich so schwer an, dass ich kaum in der Lage war auch nur zu blinzeln. Langsam aber sicher konnte ich es in meinen Ohren pochen hören und selbst ich wusste, dass es nicht gesund sein konnte, einen so rasend schnellen Herzschlag zu haben und es machte mir Angst, dass… das bekannte Gefühl der Panik in mir aufstieg.
Ich hörte ein Flüstern. Zu leise für meine Ohren, als dass ich hätte vernehmen können wer zu mir sprach, oder was. Aber die Melodie der Stimme wirkte beruhigend auf mich ein und ich kämpfte gegen die bleierne Schwere meines Körpers an, bis ich es schlussendlich schaffte meine Augen zu öffnen und einen tiefen zittrigen Atemzug nehmen konnte.
„Shhhh. Es ist alles in Ordnung Liebste."
Ich blinzelte ein paar Mal um mich an das helle Licht zu gewöhnen, welches durch die offenen Vorhänge im Wohnzimmer schien. Ich war kurz verwirrt, warum ich mit Edward auf der Couch lag, bis mir die Geschehnisse der letzten Tage wieder einfielen.
„Bella! Ruhig atmen. Tief ein und aus." Flüsterte Edward dich an meinem Ohr und ich bemerkte, das ich kurz davor stand zu hyperventilieren. Mein Körper stand unter Anspannung und zitterte und ich hatte mich fest an Edward geklammert. Aber was der Grund für meine Panik war, konnte ich nicht sagen.
Ich konnte spüren, wie sich Edwards Brustkorb unter meiner Wange gleichmäßig hob und senkte und ich versuchte es ihm gleich zu tun, versuchte mit ihm zu atmen und so viel von seiner Kälte aufzunehmen wie nur möglich. Doch mein Herzschlag wollte sich auch mit diesen Atemübungen kaum beruhigen.
Plötzlich spürte ich kalte sanfte Finger, die meinen nackten Arm entlang wanderten. Rauf und wieder runter, über meine Schulter, meinen Nacken und Rücken.
„Achte nur auf meine Finger ok? Konzentriere dich darauf, wo sie entlang wandern." Sagte Edward leise, während er weiter meinen Körper erkundete. Langsam, mal etwas schneller, sachte, mal mit etwas mehr Kraft. Ich spürte, wie sie meine Wirbelsäule entlang wanderten und wieder zurück über meinen Arm, bis zu meinen Fingerspitzen und langsam aber sicher fiel mir das Atmen leichter, bis es mich gar nicht mehr anstrengte.
Ich atmete erleichtert auf, als sich schlussendlich auch mein Puls wieder in den Normalbereich bewegt hatte, schmiegte mich fest an Edward und drückte ihm einen langen Kuss auf den Hals.
„Danke", murmelte ich und unterdrückte ein herzhaftes Gähnen.
„Keine Ursache", antwortete Edward. „Hattest du einen Alptraum? Ich… konnte keine Anzeichen dafür erkennen…"
„Nein, ich… habe eigentlich sehr gut geschlafen. Ich… weiß nicht was es ausgelöst hat."
Edward strich mir mit einer Hand durch mein Haar und ich spürte kurz seine Lippen auf meinem Kopf. „Vermutlich der Stress und die Ereignisse der letzten Wochen."
„Ja…" stimmte ich zu. „Vermutlich".
Ich hörte leise Geräusche aus der Küche und hob meinen Kopf, um Edward ansehen zu können.
„Ist Charlie etwa schon wach?" flüsterte ich und ließ dann meinen Blick auf die Uhr über dem Kamin schweifen. Es war erst 06:30 und Charlie war nicht dafür bekannt Frühaufsteher zu sein, wenn er frei hatte.
„Schon seit einiger Zeit. Er versucht gerade Frühstück für uns zu machen."
„Oh nein. Das ist nicht nur für dich eine Qual, sondern auch für mich, glaub mir." sagte ich und ließ meinen Kopf dann wieder auf seinen Oberkörper sinken, als Edward leise lachte.
„Für mich? Das glaube ich eher nicht."
„Was meinst du?" ich unterdrückte erneut ein Gähnen und rieb mir meine noch etwas schweren Augen.
„Du bist mir zwar äußerst wichtig Liebste, aber… glaubst du wirklich ich werde mich deinetwegen durch ein Frühstück quälen wenn es nicht absolut notwendig ist?"
Ich grummelte und drückte mich noch etwas fester an meinen Vampir. „Du bist wirklich gemein. Ich dachte geteiltes Leid ist halbes Leid."
„Essensangelegenheiten ausgeschlossen" scherzte Edward. „Außerdem…" begann er, brach dann aber ab.
„Was?"
„…du und Charlie,… ihr solltet vielleicht ungestört unter vier Augen reden." Sagte Edward leise und drückte mir einen Kuss auf meinen Haaransatz.
Ich seufzte leise und schwieg eine Weile. Mir wäre es lieber, Edward würde hier bleiben. Ich würde mir leichter tun, mit Charlie zu reden, würde mich einfach… entspannter fühlen, aber ich wusste auch, dass Edward recht hatte. Wir mussten alleine reden.
„Und was sagst du Charlie? Wenn du erneut mit deiner „Diät" kommst, wird er dir bald nicht mehr glauben"
„Ich bin mit Alice zum Frühstück verabredet."
Ich lachte leicht. „Du hast auch für alles eine Antwort."
„Natürlich habe ich das. Außerdem scheint mir das am glaubwürdigsten, denn Alice holt mich bald ab. Ich bin ja nicht im Stande ein Auto zu steuern. Gebrochener Arm und so. Aber…" Edward strich mir liebevoll über meine Wange und vergrub seine Hand dann in meinen Haaren, „…du kannst mich jeder Zeit anrufen."
„Ich weiß. Danke." Murmelte ich und genoss noch für eine Weile, einfach in Edwards Armen zu liegen, mich von seinem Geruch berauschen zu lassen und für kurze Zeit an nichts zu denken. Ich drückte mein Gesicht in seine Halsbeuge und begann dann langsam, wie Edward kurz zuvor mit meinen Fingern über seinen Körper zu wandern. Seitlich über seinen Oberkörper nach unten, bis zu seiner Hüfte. Ich bemerkte, dass sein Shirt nach oben gerutscht war und ich überlegte nicht lange, ehe ich meine Handfläche auf seiner kalten Haut platzierte. Ich drückte mich noch etwas enger an ihn, wenn das überhaupt noch möglich war und atmete tief durch.
Edward entließ für mich ein Schnurren aus seiner Kehle, das ich so gerne hörte, meine Mundwinkel bewegten sich nach oben und ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Nur dieser eine kleine Laut gab mir Sicherheit und Bestätigung und ich begann langsam mit meinen Fingern über seine nackte Haut zu streicheln, bis Edward laut aufatmete und dann sanft seine Hand auf meine legte um sie zu stoppen
„Du spielst mit dem Feuer Liebste." Sagte er leise, klang aber sehr amüsiert.
„Ich denke Eisblock trifft es besser." Antwortete ich, woraufhin wir beide lachen mussten.
Der Zauber war gebrochen und ich setzte mich langsam auf, streckte mich und bemerkte erst jetzt, wie steif meine Muskeln eigentlich waren. Die Couch war wohl doch nicht der ideale Ersatz für mein Bett gewesen, aber jetzt war es zu spät.
Ich hatte absolut keine Lust, in die Küche zu gehen, noch dazu ohne Edward, aber mir blieb eigentlich gar nichts anderes Übrig. Ich konnte bereits Kaffee und gebratene Spiegeleier riechen, die zum Glück noch nicht verbrannt waren.
Ich seufzte leise. „Es hinauszuzögern macht es auch nicht besser oder?"
Edward lächelte mich traurig an und setzte sich ebenfalls auf. „Nein, aber… ich denke so schlimm wie du es dir gerade ausmalst wird es nicht. Er… macht sich unheimliche Vorwürfe,…"
„Was? Vorwürfe? Aber… das ergibt doch keinen Sinn, ich…"
„Rede einfach mit ihm." Edward nahm mich an der Hand und zog mich vom Sofa hoch. Er drückte mich kurz an sich, bevor wir in Richtung Küche gingen, als Charlie plötzlich in meinem Blickfeld erschien.
„Guten Morgen. Ihr seid schon wach?"
„Ähm ja, die… Couch ist nicht sonderlich zum Übernachten geeignet." Murmelte ich und klammerte mich an Edwards Hand.
„Ja, das dachte ich mir, aber… ihr habt so friedlich ausgesehen, da… wollte ich euch gestern Nacht nicht wecken." Antwortete er und mir entging nicht, dass er einen eigenartigen kurzen Blick mit Edward wechselte, ließ diese Beobachtung aber unkommentiert.
„Habt ihr Hunger? Ich habe Frühstück gemacht. Sollte mir ganz gut gelungen sein."
„Ähm… danke Charlie, aber Alice ist bereits am Weg um mich abzuholen, wir sind zum Frühstück verabredet." Entschuldigte sich Edward und strich mir sanft über den Rücken, während ich ihn in meinen Gedanken als Verräter bezeichnete und dieses eine Mal wünschte, er würde es hören.
„Oh, ok, dann… nun…" Charlie stand etwas verloren im Flur und ich war mir sicher, dass auch ich so gewirkt hätte, würde Edward mich nicht beisammen halten. Charlie verabschiedete sich von Edward und ging zurück in die Küche. Vermutlich um uns etwas Privatsphäre zu lassen.
„Auch ohne deine Gedanken lesen zu können bin ich mir sicher, du wünscht mir gerade die Pest an den Hals." Scherzte Edward, während er mich fest an sich zog.
„Hm… du bist erstaunlich nah dran." Murmelte ich und verbarg mein Gesicht an seiner Brust.
„Ihr Beide braucht das jetzt ganz dringend Bella. Ohne meine Anwesenheit."
„Ich weiß" flüsterte ich gebrochen und versuchte ruhig zu bleiben. Ich wusste, dass Edward Recht hatte und ich wusste auch dass es nicht schlimm werden würde, aber alleine dieses angespannte Gefühl vor dem Ungewissen war schon fast zu viel für mich. Alleine die Tatsache, dass ich gleich selbstständig durch die Küchentür würde schreiten müssen, um endlich mit meinem Vater über alles zu reden, verschaffte mir ein wahnsinniges Gefühl der Beklemmung.
„Du kannst mich jeder Zeit anrufen." Widerholte er das vorhin gesagte und ich nickte, bevor er mir einen Abschiedskuss auf die Stirn hauchte und dann durch die Vordertür nach draußen verschwand.
Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich fast schüchtern die Küche betrat und mich auf meinen gewohnten Platz nahe dem Fenster sinken ließ. Charlie hatte bereits den gesamten Tisch gedeckt und ich musste zugeben, dass er sich enorme Mühe gegeben hatte und zu allem Überfluss sahen die frischen Spiegeleier sogar essbar aus.
„Möchtest du Kaffee?"
Ich erschrak etwas, als Charlies Stimme die Stille durchbrach und ich sah auf, als er mir eine dampfende Tasse entgegen streckte. Ich nahm sie ihm wortlos ab und umfasste sie dann mit beiden Händen. Eigentlich war sie fast zu heiß, um sie so fest zu umklammern, doch ich wagte es nicht sie abzusetzen,… ich wusste nicht was ich sonst mit meinen Händen hätte tun sollen.
Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Charlie schmutziges Geschirr in die Spüle stellte, dann setzte er sich mir gegenüber an den Tisch und die Stille zwischen uns wurde nur noch unerträglicher.
Ich hielt mir die dampfende Tasse unter die Nase und nahm vorsichtig einen kleinen Schluck, nur um etwas zu tun zu haben, denn… ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie ich dieses Gespräch beginnen sollte und ich war mir sehr sicher, dass auch Charlie gerade mehr als nur überfordert war.
„Wie fühlst du dich?"
Ich blickte überrascht auf und atmete dann tief durch. Charlie und ich waren keine Menschen der vielen Worte, aber… wir beide musste uns einfach dazu überwinden.
„Ich… denke ganz gut eigentlich." Murmelte ich und stellte dann doch meine Tasse auf den Tisch.
„Bist du dir sicher? Ich meine… sei mir nicht böse, aber… du hast in den letzten Monaten nicht so gewirkt als… würde es dir gut gehen Bella. Was… natürlich jetzt um einiges leichter nachvollziehbar ist…"
Ich schluckte und bemerkte dabei den schmerzenden Klos im Hals. „Ich weiß Dad, aber… es geht mir langsam besser, wirklich." Ich konnte aus Charlies Gesicht ablesen, das er mir nicht glaubte, aber das konnte ich ihm auch nicht verübeln. Ich seufzte leise, und beugte mich etwas weiter nach vorn.
„Es… hat mir schon wahnsinnig geholfen, dass… ich aus Phönix weg konnte und… hier bei dir leben kann. Und… es tut mir … wahnsinnig leid, dass ich… nichts… gesagt habe, zu euch beiden nicht, ich…"
„Nicht doch Bella!"
Ich konnte sehen, wie Charlie seine Hand nach mir ausstreckte, die auf dem Tisch lag, es sich dann aber doch anders überlegte.
„Dir muss absolut gar nichts leidtun hörst du? Ich… frage mich nur, warum du nichts gesagt hast. Hattest du Angst vor mir? Oder René? Ich… versteh nicht wie du das so lange für dich behalten konntest. Dachtest du, wir würden dir nicht glauben?"
Ich konnte leichte Verzweiflung aus der Stimme meines Vaters hören und ich blickte zu Boden. Knetete meine Finger und suchte nach einer Antwort, die am besten mein Gefühl beschrieb. Am liebsten hätte ich dazu geschwiegen, aber… ich musste Charlie irgendwie das Gefühl nehmen, dass auch er zu einem gewissen Teil daran schuld war.
„Ich hab' mich geschämt" murmelte ich und wagte es nicht, aufzublicken. „Ich… schäme mich… immer noch." Sagte ich noch leiser und schlang meine Arme um meine Körpermitte.
Ich konnte Charlie laut aufatmen hören, bevor er sprach.
„Bella… Liebes…" Charlie rang hörbar um Worte und ich konnte es ihm nicht verübeln. Er war zwar Polizist und hatte auch in unserer Kleinstadt bestimmt schon mal mit so einem Fall wie mir zu tun, aber… ich war seine Tochter und… da schien es mir nur natürlich, dass es einem die Sprache verschlug, wenn…
„Aber du hast es Edward erzählt…" holte mich Charlie aus meinen Gedanken zurück. Ich blickte langsam auf und hatte etwas Angst in sein Gesicht zu sehen, doch seine Stimme klang weder anklagend noch gekränkt. „…warum ihm?... Versteh mich nicht falsch, das soll kein Vorwurf sein, aber…"
Ich blieb einen Augenblick lang stumm, überlegte, was ich ihm sagen konnte, was… wirklich der Grund dafür war, dass ich es Edward erzählt hatte. War es nur weil ich auch sein Geheimnis kannte? ...
„Ich…" ich räusperte mich kurz und setzte erneut an. „Er… Edward… er war einfach da… hat sich Mühe gegeben mich… wirklich kennen zu lernen und… hat mich nie gedrängt zu reden, oder… ihm zu erzählen was passiert ist. Er… hat mir stattessen sein… größtes Geheimnis anvertraut und mir gezeigt, dass er mir vertraut und es… unwichtig ist was… war." Ich atmete tief durch und fuhr mir nervös durch die Haare.
„Edward war es egal dass ich so still und in mich gekehrt war… oder bin und… ich fühle mich… sicher in seiner Gegenwart. Das… war von Anfang an so und ich wusste dass ich ihm vertrauen konnte."
Charlie lächelte leicht und lehnte sich etwas zurück. „Ich bin froh, dass du dieses… schreckliche Geheimnis nicht alleine mit dir herumtragen musstest und… dass du es ihm erzählt hast. Er… Ich glaube… du hättest dir Niemand besseren aussuchen können um… dich anzuvertrauen… außer deinen Eltern vielleicht." Sagte er leise, immer noch ohne einen Hauch eines Vorwurfs.
„Aber ich will dir auch sagen, dass es absolut nichts gibt, wofür du dich schämen musst Bella." Sagte er und lehnte sich wieder nach vorn, auf den Tisch. „Bella, sieh mich an."
Ich schüttelte leicht den Kopf und starrte auf meine Hände, die ich fest zwischen meine Oberschenkel gepresst hatte. „Ich… ich hätte nicht… wäre ich nicht auf diese Party…" meine Stimme brach und ich konnte nicht weiter sprechen.
„Ganz egal was du getan oder nicht getan hast, es war nicht deine Schuld!"
Ruckartig hob ich meinen Kopf, als Charlie genau das sagte, was auch Edward mir immer wieder zu verstehen gab, was er mir damals, in meinem Zimmer gesagt hatte… Es war nicht meine Schuld…
„Es war nicht deine Schuld und es gibt nichts wofür du dich schämen musst."
Ich nickte leicht und schluckte wieder schwer. „Ich… wenn du… Ich hab Deputy Wilson gesagt, dass… du meine Aussage lesen kannst, wenn du… wenn du wissen willst, was… genau passiert ist."
„Ich weiß. Aber… ich werde deine Aussage nicht lesen. Das… möchte ich nicht. Aber… wenn du mir davon erzählen willst, dann werde ich dir zuhören. OK?"
Ich nickte nur und atmete tief durch. Ich schlug mich besser, als ich erwartet hätte und… es war nicht so unangenehm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich wusste, dass ich Charlie gleich hätte davon erzählen sollen, aber ich war mir auch darüber im Klaren, dass ich bis jetzt die Sache immer noch nicht beim Namen genannt hatte und es immer noch nicht konnte. Ein Stift und Edward waren mein Sprachrohr, aber… es selbst auszusprechen machte mir immer noch unheimlich Angst.
„Dad?"
„Ja Liebes?"
Ich biss mir kurz auf die Unterlippe, ehe ich weitersprach. „Kannst… kannst du es ihr sagen?" fragte ich leise, woraufhin Charlie nur nickte.
Wir schwiegen eine Weile und ich lauschte dem Ticken der Wanduhr. Das Frühstück war längst kalt geworden, aber keinem von uns kümmerte es. Scheinbar war nicht nur mir nicht nach essen zumute.
Meine Finger zitterten als ich nach meiner Tasse griff und ich fühlte mich plötzlich wie gerädert. Ich hatte das dringende Bedürfnis mich wieder schlafen zu legen, aber ich unterdrückte ein Gähnen und trank die halbe Tasse meines Kaffees leer. Trotzdem fühlte ich mich auch befreit und der schlimme Druck, der seit Monaten auf mir lastete schien sich endlich ein wenig gelöst zu haben. Es hatte gut getan, endlich darüber zu sprechen und die Gewissheit zu haben, dass mir niemand einen Vorwurf machte.
„Bella… ich will dir nicht zu nahe treten, aber…"
„Was?" fragte ich leise, als Charlie nicht weiter sprach.
„Du… solltest… dich untersuchen lassen."
Ich konnte spüren, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich und mir wurde etwas zu heiß. Ich versuchte weiter ruhig zu atmen, um mir nichts anmerken zu lassen, doch der Gedanke daran, einen Arzt aufzusuchen, der… es versetzte mich in Panik.
„Wenn du möchtest kann ich gleich einen Termin für dich vereinb…"
„Nein! Ich ähm… nein, das… ich mache das schon." Versprach ich ihm und wusste gleichzeitig, dass ich log. Immer wieder kroch die Angst in mir hoch, dass… ich wohlmöglich auch eine Krankheit davongetragen hatte, aber… selbst jetzt, mit dem Wissen dass es theoretisch möglich war Narbengewebe festzustellen, konnte ich mich immer noch nicht hin durchringen, mich in die Hände eines Arztes zu begeben.
Charlie seufzte leise, nickte dann aber und griff langsam nach seiner Gabel.
„Sag… wie… geht Edward mit all dem um? Und jetzt, nach dem Feuer?... Er wirkt mir gegenüber, als würde er alles ganz gut wegstecken, aber… wie geht es ihm wirklich?"
Ich hob langsam meinen Kopf um meinen Vater anzusehen. „Ich…" ich räusperte mich und ein beklemmendes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit, denn… ich wusste nicht, wie es Edward ging. Ich war mir zwar vor der Einvernahme sicher, dass Edward es keines Falls leicht haben würde, mir bei meiner Aussage zuzuhören, doch… ich hatte ihn nicht danach gefragt, wie es ihm ging…
„Ich weiß es nicht." Murmelte ich leise und rührte abwesend in meinem Frühstück.
„Dann… solltest du ihn vielleicht danach fragen." Riet mir Charlie und warf mir ein aufmunterndes Lächeln zu.
Wir verbrachten ein paar Minuten schweigend und eigentlich hatte ich keine Lust mehr länger hier in der Küche zu sitzen, aber ich brachte es nicht über mich, Charlie sofort wieder alleine zu lassen. Also saß ich es einfach aus und überlegte angestrengt worüber ich mit ihm reden konnte. Wir taten uns schon immer schwer damit, die richtigen Worte zu finden, aber es hatte uns Beiden nie etwas ausgemacht. Doch jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich etwas sagen musste. Etwas, dass Charlie auch ein wenig die Last nehmen würde. Edward hatte gesagt er mache sich Vorwürfe… es gab nur eines, was ich sagen konnte.
„Dad?"
„Hm?"
Ich zögerte kurz. „Ich… bin Ok. Und… es ist auch nicht deine Schuld"
Nach langem hin und her war ich wieder einmal dazu bereit, mit nach Port Angeles zu fahren, um etwas raus zu kommen. Ich hatte Edward nicht mehr angerufen, hatte jedoch eine Nachricht von ihm erhalten, dass er vor hatte auf die Jagd zu gehen… natürlich nur in Gebieten in denen er eine Netzverbindung hatte.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, da ich mich nicht bei ihm gemeldet hatte, aber ich wusste auch nicht so recht was ich ihm hätte sagen sollen, denn… ich fühlte mich irgendwie schuldig. Also tat mir die Ablenkung mit Angela und Jessica ganz gut und ich genoss es sogar ein klein wenig, mit ihnen von Schaufenster zu Schaufenster zu laufen.
„Oh, seht nur! Da müssen wir rein!"
Jessica hatte mich sogleich am Arm geschnappt und zog mich hinter Angela und sich in eine sehr teuer wirkende Boutique.
„Ich weiß ja nicht wie es finanziell um euch steht, aber ich denke nicht, dass ich mein gesamtes Taschengeld hier ausgeben möchte." Murmelte ich und blickte mich etwas skeptisch um. Dabei entging mir nicht, dass die Hälfte des Sortiments aus Unterwäsche bestand.
„Ach was. Man darf sich bei all der anstrengenden schulischen Arbeit auch einmal etwas leisten meinst du nicht?" Jessica blickte Angela fragend an, welche ihr natürlich gleich zustimmte und begann, all die bunten Kleider vor ihr zu mustern.
„Außerdem bist du eine der besten Beraterinnen, die wir je dabei hatten Bella. Und da nächste Woche die Schule wieder öffnet, können wir alle ein neues Outfit gebrauchen."
Ich blickte Jessica etwas unschlüssig an, begann dann aber langsam selbst mich umzusehen. Charlie hatte mir bereits gestern mitgeteilt, dass die Schule wieder öffnete und hatte mir sogar angeboten, dass er mich eine Woche krankschreiben lassen würde, doch ich hatte es dankend abgelehnt. Ich hatte im Großen und Ganzen nichts gegen die Schule und so hätte ich genügend Ablenkung. Und außerdem konnte ich so mehr Zeit mit Edward, Alice und Angela verbringen.
„Oh mein… Bella! Sieh dir das an! Ich denke es ist wie für dich gemacht!" hörte ich Angela hinter mir und ich drehte mich nach ihr um.
„Was? Für mich? Ich denke eher, du solltest…" doch ich wurde unterbrochen, als Angela mir ein bordeaux rotes kurzes Kleid mit langen Ärmeln und Spitze entgegenstreckte.
„Nichts da. Die Farbe steht dir bestimmt hervorragend. Los! Zieh es an." Angela dirigierte mich in Richtung der Umkleidekabinen und griff sich dabei noch Kleidungsstücke an denen wir vorbei kamen.
„Na schön, aber… ich wüsste ja nicht einmal zu welchem Anlass ich dieses Kleid tragen sollte." Murmelte ich, während ich noch Unterwäsche und eine schwarze Leggins entgegennahm.
„Ich denke Jessica und mir würde da schon etwas einfallen und… Edward bestimmt auch!" Angela lächelte mir noch zu, ehe sie für mich den Vorhang zuzog.
Ich versuchte ruhig zu atmen, als ich mir die Unterwäsche und das Kleid näher ansah. Es… war wunderschön, aber… seit etlichen Monaten hatte ich keine Kleider mehr getragen und… ich hatte so gut wie keinen Wert auf schöne Unterwäsche gelegt. Ich wusste auch, dass es Edward völlig egal war, wie ich mich kleidete, aber eine Stimme in meinem Kopf sagte mir, dass diese Kleidung mir vielleicht helfen würde, mein Ziel zu erreichen…
„Und? Wie sieht es aus?" hörte ich Jessica von draußen und ich begann mich schnell umzuziehen.
„Wartet noch,… ok…" Ich hatte mich noch nicht einmal selbst im Spiegel betrachtet, als der Vorhang beiseite gezogen wurde und sowohl Angela als auch Jessica mich eingehend musterten.
„…und?" fragte ich etwas zögerlich, als ich ihre Gesichtsausdrücke nicht so richtig deuten konnte. Ich begann meine Finger zu kneten und wünschte mir, dass sie mich nicht so anstarren würden.
„Du meine Güte!" rief Jessica. „Das ist wirklich wie für dich gemacht!"
„Meinst du wirklich?" ich drehte mich um und betrachtete mich selbst im Spiegel und musste zugeben, dass mir gefiel, was ich sah. Auch wenn das Kleid etwas über meinem Knie endete… ich fühlte mich wohl darin und es erstaunte mich, dass ich gerade in Erwägung zog, es mir einfach zu kaufen.
„Bei deinem nächsten Date mit Edward, wird er dich auf Händen tragen, glaub mir!" sagte Angela und zwinkerte mir zu.
Ich musste schmunzeln, aber eigentlich aus dem Grund, dass Edward mich ohnehin ständig auf seinen Händen oder Rücken trug.
„Sag… wie geht es ihm eigentlich?" fragte Angela durch den Vorhang, als ich mich wieder umzog.
„Besser. Gott sei Dank. Er… hatte wahnsinniges Glück." Antwortete ich und langsam machte sich wieder dieses unangenehme Gefühl in meiner Magengegend breit.
„Er hat sich nicht allzu schlimm verletzt?" fragte Jessica und ich konnte hören, wie sie die Umkleide neben mir betrat. „Es kursierten ja die wildesten Gerüchte in ganz Forks und bis jetzt hat ihn auch noch niemand gesehen."
„Nein, er… hatte glaube ich einen größeren Schock. Aber… es ist alles gut." Ich trat aus der Kabine. „Hey, ähm… ich… mir fällt gerade ein, ich muss ganz dringend telefonieren. Ich werde schnell bezahlen und warte dann draußen auf euch."
Ich wartete auf keine Antwort, sondern beeilte mich das Kleid samt Leggins und Unterwäsche zu bezahlen, um dann raus zu kommen. Dann atmete ich noch einmal tief durch und wählte Edwards Nummer.
EPOV
Es war ungewohnt leise, als ich mich dem Haus näherte und ich war mir sicher, dass meine Geschwister nicht in der Nähe waren. Ich hörte hier und da Gedankenfetzen meiner Eltern, versuchte diese aber so gut wie möglich auszublenden. Ich wollte keinen Falls ungefragt privates Gedankengut übertragen bekommen, solange ich es verhindern konnte.
Ich war mir bewusst, dass sie mich schon von weitem hören konnten und trotzdem schlich ich mich wie auf Samtpfoten durch das offen stehende Fenster in der Küche. Es brachte uns in gewisser Weise Normalität und war manchmal einfach etwas angenehmer, wenn man so tat, als würde man den anderen nicht bemerken. Doch heute blickten Esme und Carlisle, die gemeinsam dicht beieinander auf dem Sofa saßen auf und schenkten mir ein Lächeln.
„Ich ähm… wollte euch nicht stören, tut mir leid."
„Unsinn! Mir kommt dieses große Haus oft viel zu still vor, wenn ihr alle nicht hier seid." Antwortete Esme und schenkte mir ein freundliches Lächeln.
„Du bist früh zurück." Carlisle stellte seinen Laptop beiseite.
„Ja… Bella… hat einige Dinge mit ihrem Vater zu klären und verbringt dann ein paar Stunden mit ihren Freundinnen." Ich schmunzelte leicht, als ich mir vorstellte wie sie von einem Geschäft ins nächste gezogen wurde. Ich wusste dass sie es hasste einzukaufen, aber etwas Ablenkung von den ganzen Strapazen der letzten Wochen würde ihr sicherlich ganz gut tun.
„Bring sie doch wieder mal mit Edward. Ich habe sie so lange schon nicht mehr gesehen." Sagte Esme und griff sich dann wieder ihr Buch, welches sie vor meiner Ankunft gelesen hatte.
„Ja, natürlich." Ich hatte das Wohnzimmer schon fast verlassen, als ich mich doch noch einmal umdrehte. Carlisle sah mich fragend an.
„Hey, ähm… kommst du mit auf die Jagd?" fragte ich etwas zögernd und ich konnte an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass er wusste, dass es mir weniger darum ging, wirklich zu jagen.
„Na wenigstens einer, der mich dabei haben möchte", scherzte er und drückte Esme einen Abschiedskuss auf den Kopf, bevor er sich erhob.
„Viel Spaß euch Beiden. Und lasst mir für später auch noch etwas übrig."
Keine 5 Minuten später waren wir bereits von dichten Bäumen umgeben und eine angenehme Ruhe umgab mich in diesen frühen Morgenstunden, mitten im Wald. Ich hatte das große Bedürfnis, mich Carlisle mitzuteilen, vor allem jetzt, wo er darüber Bescheid wusste, was mit Bella passiert war, aber… meine Gedanken waren ungewohnt wirr und ich hatte nicht die leiseste Ahnung wie ich beginnen sollte. Carlisle schien das zu spüren, denn anders als sonst, versuchte er so wenig wie möglich auf mich zu achten und sprang dann in eine völlig andere Richtung als ich, sobald er Wild erblickte.
Und so jagten wir fast den ganzen Tag gemeinsam alleine, bis mich das Vibrieren meines Telefons aus meinem Rausch riss. Ich ließ mich auf moosigem Untergrund nieder und lehnte mich mit meinem Rücken an eine dicke Eiche, ehe ich abnahm.
„Hallo Liebste." Sofort schlich sich unweigerlich ein Lächeln auf mein Gesicht.
„Hey! Ich… störe dich doch nicht oder?"
Ich konnte Unsicherheit aus Bellas Stimme heraushören und fragte mich sofort, was der Grund für ihren Anruf war.
„Natürlich nicht. Ich habe dir doch gesagt, dass ich für dich erreichbar bin."
„Ok,… das… ist gut."
„Bella? Alles in Ordnung? Soll ich…" ich war schon fast dabei aufzuspringen, als Bella mich unterbrach.
„Nein,… ich meine ja. Bei mir ist alles in Ordnung. Wirklich. Mach dir keine Sorgen. Ich wollte nur…"
„Was?" fragte ich und sah zu, wie Carlisle noch etwas mehr Abstand zwischen uns ließ, um mir so etwas mehr Privatsphäre zu geben.
„Mir… ist heute Morgen während ich mit Charlie redete bewusst geworden, dass… ich keine Ahnung habe, wie es dir eigentlich geht. Und… ich wollte nicht warten bis wir uns sehen, um dich das zu fragen. Also… wie… geht es dir Edward?" fragte sie und war dabei immer leiser geworden.
Ich atmete tief ein. „Ehrlich gesagt… weiß ich das im Moment selbst nicht so genau. Die letzten Wochen waren…etwas heftig."
„Heftiger als die letzten 100 Jahre nehme ich an?"
Ich musste unweigerlich lachen. „Ich glaube nur meine Verwandlung kann das noch toppen." Es blieb still am anderen Ende der Leitung und ich hoffte, dass Bella sich nicht zu schlecht fühlte. „Hey,… das wird schon wieder. Ok?"
„…OK…. Edward?"
„Ja?"
Bella zögerte kurz, bevor sie weiter sprach und ich stellte mir vor, wie sie sich mit ihren Fingern nervös durch ihre Haare strich.
„Bereust du es, dass… du mich begleitet hast? ... Zur Polizei?"
„Nein!" sagte ich sofort bestimmt und meinte es auch wirklich so. „Auf keinen Fall. Ich… bin überaus froh, dass ich dir beistehen konnte und… dass du mir so viel Vertrauen entgegenbringst… zu wissen, dass ich alles würde mit anhören können…"
„Ja… ich… danke noch einmal dafür."
Es herrschte kurzes Schweigen, ehe Bella weiter sprach.
„Bist du alleine auf der Jagd?"
„Nein… Carlisle ist bei mir. Wir sind nicht allzu weit von der Stadt entfernt. Morgen Abend werde ich zurück sein."
„Hättest du mich bloß mitgenommen. Ich wurde gerade dazu genötigt, sündhaft teure Unterwäsche zu kaufen. Du glaubst ja nicht…"
„Hmmh… sündhaft teure Unterwäsche sagtest du?" schnurrte ich und wusste augenblicklich, dass ich Bella gerad zum Erröten brachte.
„Ähm… ich…also…ja?…" stotterte sie und ich musste mein Lachen unterdrücken.
„Na… dann hoffe ich doch, dass ich sie bald zu Gesicht bekommen werde."
„…ok…" Bella räusperte sich. „Das sollte mich eigentlich nicht nervös machen. Deine Stimme ist schuld daran!"
„Was? Meine Stimme?"
„Ja. Machst du das mit Absicht?" Bella lachte und ich war froh, dass sie sich wieder leichter und unverfänglicher anhörte.
„Wäre möglich. Das ist die einzige Waffe, die ich am Telefon habe… also… möchtest du mir morgen Abend Gesellschaft leisten? Meine Familie ist unterwegs."
„Sehr gerne. Und… möglicherweise… wenn du dich würdig erweist, darfst du auch einen kurzen Blick auch meine Unterwäsche werfen."
Ich konnte das Grinsen nicht aufhalten, welches sich in meinem Gesicht ausbreitete. „Ich nehme dich beim Wort. Oh und… du brauchst zu Hause nicht zu essen, wir haben viel zu viele Lebensmittel im Kühlschrank."
„Damit könntet ihr bestimmt ganz Washington ernähren. Habe ich recht? ... Oh ich muss los. Wir sehen uns morgen."
„Ja. Viel Spaß noch."
Seit 30 Minuten saß ich nun bereits am Waldboden und starrte in die Ferne, als ich Carlisle wahrnahm, der sich neben mir zu Boden gleiten ließ. Für ein paar Minuten saßen wir schweigend da und ich wusste, dass er darauf wartete, dass ich mich ihm gegenüber endlich öffnete. Dafür brauchte ich noch nicht einmal seine Gedanken zu lesen. Doch… mir schien als wären meine Gedanken immer noch das reinste Chaos und Bellas Anruf hatte es nur noch schlimmer gemacht.
„Wie geht es ihr?" durchbrach Carlisle schließlich die Stille und ich war ihm dankbar dafür. Er schien immer zu wissen was ich brauchte. Und so machte er auch jetzt noch einen Bogen um mein Gefühlsleben.
„Seit einiger Zeit erstaunlicher Weise relativ gut. Sie… ist wirklich eine Kämpferin." Ich bemerkte, wie Carlisle mich von der Seite ansah, begegnete aber nicht seinem Blick, sondern starrte weiter in die Ferne. „Sie leidet immer noch unter Alpträumen und Panikattacken, aber… die Frequenz hat deutlich abgenommen."
„Und sie hat außer dir niemandem davon erzählt?"
„Nein. Am Anfang nicht. Alice… sie wusste davon durch eine Vision. Und… vor ein paar Wochen hat Bella es einer ihrer früheren Freundinnen erzählt. Das… hat den Stein ins Rollen gebracht…" ich brach ab als ich wieder an das verheerende Feuer dachte.
Und dann brach das Feuer aus
Ich nickte, um Carlisles Gedanken zu bestätigen.
„Wie geht es dir damit?"
Ich seufzte leise und drehte dann doch meinen Kopf kurz in Carlisles Richtung. „Ich… keine Ahnung. Es… im Moment fühlt sich alles wie ein einziges großes Chaos an. Ich… hab' das alles noch nicht ganz verdaut."
„Das ist verständlich. Ich… habe dich noch nie so unbeschwert und gleichzeitig so besorgt und belastet gesehen", fuhr Carlisle fort.
Ich musste unweigerlich auflachen. „Man könnte meinen ich hätte eine bipolare Störung oder dergleichen." Ich schwieg kurz und lehnte meinen Kopf zurück an den Baumstamm. „Das alles ist nicht Bellas Schuld. Aber… wenn ich nur an das Feuer denke wird mir ganz anders…"
„Das sagte ich auch nicht. Ich weiß dass das nicht ihre Schuld war." Carlisle kopierte meine Sitzhaltung, hatte sein Gesicht aber immer noch in meine Richtung gedreht. „Ich habe dich in den letzten Monaten beobachtet und… auch wenn du das vielleicht nicht so siehst, so denke ich, dass du mit dieser schweren Situation wirklich bestmöglich umgehst. Sie… kann sich glücklich schätzen dich zu haben und du solltest sie auch nicht mehr loslassen."
Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich an Bella dachte, doch gleichzeitig legte sich eine Schwere um meinen gesamten Körper.
„Die Frage ist… wie lange das noch… andauern kann." Sagte ich leise. „Ich weiß nicht ob ich ihr alles geben kann, was sie will… oder braucht. Auch… wenn es jetzt genug erscheinen mag. Was ist in… 5 oder auch 10 Jahren? Ich werde nicht älter, Bella aber schon. Ich… glaube nicht, dass sie an einer so ungleichen Beziehung festhalten möchte.
„Hast du sie schon einmal danach gefragt?"
Ich schüttelte den Kopf und seufzte leicht.
„Dann solltest du mit ihr darüber reden, bevor du dir den Kopf darüber zerbrichst. Ich… bin mir sicher, auch sie macht sich darüber Gedanken. Und… wer weiß, vielleicht überrascht sie dich ja mit ihrer Sicht der Dinge."
Wir blieben noch eine Weile schweigend nebeneinander am Waldboden sitzend und ich hatte endlich das Gefühl, wieder freier Atmen zu können. Auch wenn Carlisle eigentlich meine Probleme nicht für mich lösen konnte, so fühlte ich mich doch um einiges leichter. Doch ein Gedanke schlich sich immer noch, immer wieder in mein Bewusstsein und ließ mich nicht mehr los. Bis jetzt hatte ich den Mut aber noch nicht fassen können, ihn laut auszusprechen, doch als Carlisle sich wieder erheben wollte, sah ich meine einzige Chance, in Ruhe mit ihm darüber zu reden schwinden und ich hielt ihn auf, ohne mir ein weiteres Mal meine Worte zurecht zu legen.
„Warte!" sagte ich, griff nach seinem Arm und signalisierte ihm, an meiner Seite zu bleiben. Carlisle runzelte kurz die Stirn und ließ sich dann wieder neben mich gleiten. Ich musste mich kurz sammeln, atmete tief durch und versuchte Carlisle für einen kurzen Moment nicht als meinen „Vater" sondern als Arzt und weisen Mann zu sehen.
„Denkst du… es ist möglich, für… Bella und mich…" ich brach kurz ab und wünschte mir das erste Mal in meinem Leben, dass jemand im Stande war, meine eigenen Gedanken zu lesen.
„Du musst mir schon sagen, was du denkst. Leider bist du für mich nicht so ein offenes Buch wie ich für dich."
Ich fuhr mir etwas nervös über den Nacken, ehe ich den Mut aufbrachte, Carlisle direkt ins Gesicht zu sehen.
„Denkst du… es ist für uns möglich… auch auf körperlicher Ebene eine weitestgehend… normale Beziehung zu führen?" fragte ich dann leise und begann dunkelgrünes Moos vom Baumstamm zu kratzen. „Mal ganz abgesehen davon, was…ihr in Phönix passiert ist."
Carlisle dachte einen Augenblick lang nach und ich versuchte seine Antwort nicht gleich aus seinen Gedanken herauszuhören.
„Ich halte es keines Falls für… ausgeschlossen Edward. Du hast bereits etliche Male bewiesen, dass du dich ausgezeichnet beherrschen kannst. Ich habe kaum jemanden mit solch einer Disziplin getroffen. Egal ob Mensch oder Vampir. Aber…"
„Ich könnte ihr trotzdem ungewollt weh tun oder… sogar schlimmer." Murmelte ich und vervollständigte somit Carlisles Satz, doch zu meiner Verwunderung widersprach er mir.
„Nein, Edward… ich habe vollstes Vertrauen in dich, dass ihr nichts geschehen wird, solange… du vorsichtig und wachsam bist und dich nicht von deinen Gefühlen übermannen lässt, aber dazu gehört… viel Übung. Ich kann es nicht besser ausdrücken. Übung, Geduld und Vertrauen."
Ich schwieg einen Augenblick, legte meinen Kopf in den Nacken und blickte zwischen den Ästen der Bäume gen Himmel. Es sah nach Regen aus, mal wieder.
Mir kommt es vor, als wäre das Bella's Idee gewesen
„Ja… es war ihre Idee. Aber ich weiß nicht ob sie… wirklich dafür bereit ist."
„Ihr werdet es beide merken, Edward."
Damit erhoben wir uns und ich raste gemeinsam mit Carlisle, gefühlte 100 Kilo leichter, durch den Wald auf der Suche nach unseren nächsten tierischen Opfern.
BPOV
Ich nahm ein paar kräftige Atemzüge um meine überschwänglichen Nerven zu beruhigen, als ich aus meinem Truck stieg und die Stufen in Richtung Haustür empor stieg. Ich zog dabei an meinem Kleid und fragte mich, ob es nicht doch um 30 Zentimeter zu kurz war, selbst mit meiner Leggins darunter aber jetzt konnte ich nun mal nichts mehr daran ändern und… ich war mir sicher, Edward würde sich sehr darüber freuen meine neue Errungenschaft begutachten zu dürfen.
Ich hielt kurz inne und musste dann unweigerlich lächeln als ich bemerkte, dass meine Nervosität die eines verliebten, 17 jährigen Mädchens waren und ich hoffte, dass Edward dies erkennen würde. Ich strich mir noch kurz meine offenen Haare aus dem Gesicht, ehe ich die Klingel betätigte.
