Kapitel 36 – Lieben und gehenlassen

Als Sonea in dem Bett in ihrem Studierzimmer erwachte, verspürte sie eine vage Enttäuschung. Ein Teil von ihr hatte gehofft, Akkarin würde in der Nacht auftauchen und sie auffordern, ins Bett zu kommen, so wie er es getan hatte, als sie kurz vor den Winterprüfungen vor Erschöpfung eingeschlafen war.

Doch er war nicht gekommen.

Egal, was zwischen ihnen vorgefallen war, Akkarin hatte immer darauf bestanden, dass sie im selben Bett schliefen. Dass er es nicht getan hatte, erfüllte Sonea mit einer lähmenden Verzweiflung. Seit dem vergangenen Nachmittag hatte er keinen Versuch mehr unternommen, sich ihr zu nähern. Tat er es nicht, weil sie ihn zurückgewiesen hatte? Oder hatte es damit zu tun, dass er Isara noch immer liebte?

Sonea sah zum Fenster. Der Helligkeit und dem Stand der Sonne nach musste es ungefähr Mittag sein. Die Frühstückszeit war also schon längst vorbei.

Ein Teil von ihr spielte mit dem Gedanken, einfach liegenzubleiben. Irgendwann musste er schließlich nach ihr sehen! Sie wollte Akkarin nicht gegenübertreten, aber sie wollte ihm auch nicht egal geworden sein.

Zitternd atmete sie ein paarmal ein und aus. Die Hausarbeit war fertig. Es gab keinen Grund, aufzustehen. Doch es entsprach nicht ihrer Art, den ganzen Tag im Bett zu verbringen. Sie musste sich zusammenreißen. Mit einem tiefen Seufzer schlug sie die Bettdecke zurück und stand auf.

Ihre Robe lag auf dem Stuhl, auf dem Sonea sie abgelegt hatte, um sie beim Schlafen nicht zu zerknittern. Sie hatte es vermeiden wollen, sich aus ihrem Schlafzimmer eine frische zu holen, da dies zu einer Begegnung mit Akkarin geführt hätte.

Sie streifte ihre Robe über und trottete ins Bad. Die Badewanne war bereits mit Wasser gefüllt, das sie nur noch mit Magie erhitzen brauchte. Nachdem Sonea sich entkleidet hatte, legte sie sich ins Wasser und schloss die Augen. Das Gefühl von Lähmung war noch immer da. Es kam ihr vor, als hätte die Entscheidung zu baden sie bereits ihre ganze Kraft gekostet.

Sie hasste es, so zu empfinden. Warum konnte sie nicht so weitermachen, als wäre nichts geschehen? Warum stellte ihr Problem mit Akkarin ihr Leben derart auf den Kopf? So sollte es nicht sein. Dass es so war, war zum Teil auch ihre Schuld. Sie hatte alles in diese Beziehung investiert und sich so sehr geöffnet, wie es einem anderen Menschen gegenüber überhaupt möglich war. Damit hatte sie sich verletzlich gemacht. Allerdings hätte Sonea auch nicht gewusst, wie sie ihre Beziehung ohne diese Offenbarung hätte führen sollen.

Nach einer Weile wurde ihr das Liegen im Wasser zu langweilig. Sie verließ die Badewanne und kleidete sich an. Sie trocknete ihr Haar mit Magie und kämmte es durch, bis die gröbsten Knoten entwirrt waren. Dann ging sie hinunter in den Speisesaal. Obwohl sie noch immer keinen Appetit verspürte, entschied sie zumindest einen Raka trinken, in der Hoffnung sich durch die belebende Wirkung etwas besser zu fühlen.

Als sie das Speisezimmer betrat, erstarrte sie. Sie hatte nicht mit der großen, finsteren Gestalt am Tisch gerechnet.

Akkarin.

Sie wollte umkehren, doch er hatte sie bereits entdeckt.

„Guten Morgen, Sonea."

„Lord Akkarin." Eine Verneigung andeutend ging Sonea zu ihrem Platz.

Akkarin hob die Augenbrauen als wäre er überrascht.

Sonea ignorierte ihn. Sie griff nach der Dose mit dem Rakapulver und gab ein paar Löffel in die Tasse. Dann goss sie Wasser aus einer Karaffe hinein und erhitzte die Flüssigkeit mit ein wenig Magie, während sie umrührte.

„Wie weit bist du gestern Abend noch mit deiner Hausarbeit gekommen?", fragte er.

„Sie ist fertig", antwortete sie, ohne aufzusehen. „Ihr könnt sie lesen, wenn Ihr wollt."

Sie konnte seinen durchdringenden Blick nahezu spüren. „Sonea, wie lange willst du mir noch die kalte Schulter zeigen?"

Solange, wie du brauchst, um über Isara hinwegzukommen, dachte sie bitter, achtete jedoch darauf, diesen Gedanken vor ihm zu verbergen. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, besann sich dann jedoch eines Besseren. Es war nicht fair, ihm seine Gefühle zum Vorwurf zu machen. Vielleicht hatte er in den letzten Monaten wirklich geglaubt, sie zu lieben. Aber es war egal, ob seine Gefühle echt gewesen waren oder nicht. Sie war niemals die einzige Frau in seinem Herzen gewesen.

Es wäre so viel einfacher, wenn ich ihn wieder hassen könnte, dachte Sonea. Doch sie konnte ihn nicht für etwas hassen, an dem er keine Schuld trug. Sie wünschte nur, er hätte diese Erkenntnis gehabt, bevor sie ein Paar geworden waren.

Wahrscheinlich ist es für ihn im Augenblick auch nicht leicht, fuhr es ihr durch den Kopf. Akkarin wusste, was in ihr vorgegangen war, als sie gegen Savara gekämpft hatten. Er hatte entdeckt, dass er seine große Liebe noch immer liebte. Und nun wurde er von ihr zurückgewiesen.

Das Problem war, wie Sonea erkannte, dass sie zu verletzt war, um ihm entgegenzukommen. Sie konnte nicht so tun, als hätte sich zwischen ihnen nichts geändert. Seine Gefühle für Isara, Ikaros Worte, als sie gegen ihn gekämpft hatte, und seine Unsensibilität am vergangenen Tag hatten Spuren hinterlassen. Nicht zu vergessen, dass es Akkarin nicht zu kümmern schien, dass sie die letzte Nacht in ihrem eigenen Bett verbracht hatte.

„Nun, wie dem auch sei. Ich bin sicher, du wirst irgendwann wieder zur Vernunft kommen", sagte Akkarin. „Wenn es soweit ist, lass es mich wissen."

Sonea bedachte ihn mit einem finsteren Blick. Das wirst du dann schon merken, dachte sie.

Akkarin erhob sich. „Ich muss in die Universität. Leg mir deine Hausarbeit auf den Schreibtisch."

Sie nickte nur.

„Wenn du nicht weißt, wie du deine freie Zeit verbringen sollst, geh Rothen besuchen. Heute Morgen kam eine Nachricht von ihm, mit der er dich für heute Nachmittag auf eine Tasse Sumi einlädt."

Bei dem Gedanken an Rothen hellte sich Soneas Stimmung ein wenig auf. Sie nahm einen Schluck Raka. „Danke", murmelte sie in das Innere ihrer Tasse.

„Ich erwarte dich zum Abendessen zurück."

Das klang vielmehr nach einem Befehl. Sonea unterdrückte ein Seufzen. Sie würde sich nicht um das Abendessen drücken können.

Akkarin trat zu ihr und küsste sie zum Abschied auf die Stirn. Sie brummte unwillig, weil sie zu spät daran gedacht hatte, den Kopf wegzudrehen.

„Du solltest auch etwas essen", sagte er und ging.

Sonea starrte ihm finster hinterher. Als er fort war, griff sie in den Korb aus silbernem Drahtgeflecht in der Mitte des Tisches und zog ein Brötchen heraus. Sie nahm einen Bissen und kaute lustlos darauf herum. Obwohl Akkarin in die Universität gegangen war, schien seine Präsenz noch immer im Haus zu verweilen. Für Sonea war das mehr, als sie ertragen konnte.

Sie verließ sie die Arran-Residenz. Es war noch zu früh, um Rothen zu besuchen und ihre Freunde kehrten erst am Ende der Woche zurück. Ein Besuch bei Jonna und Ranel hätte ihr jetzt gut getan, aber sie traute sich nicht, das Gelände der Gilde heimlich zu verlassen. Sonea umrundete das Haus und begann quer durch den verschneiten Wald zu stapfen. Inzwischen hatte der Himmel sich zugezogen. Der Wind trieb finstere Wolken heran, die weiteren Schnee verhießen.

Während Sonea durch den Wald wanderte, verwandelte sich ihr Schmerz mehr und mehr in Wut. Sie verspürte große Lust, etwas zu zerstören, um ihren Gefühlen Luft zu verschaffen. Sie wusste, dann würde sie sich besser fühlen. Aber sie wusste auch, das würde nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Die Arena!, dachte sie dann.

Sie konnte dorthin gehen und ihre Magie auf den Schild loslassen. Oder sie fragte einen Krieger, ob er Lust auf ein Duell hatte. Dann fiel ihr jedoch wieder ein, dass die wenigsten Krieger ihr an Stärke ebenbürtig waren. Sie und Akkarin waren auch ohne schwarze Magie die vermutlich stärksten Magier der Gilde. Der einzige Krieger, mit dem Sonea sich ein Duell hätte vorstellen können, weil er neben magischer Stärke über großes Geschick verfügte, war Balkan. Doch den Hohen Lord wollte sie auf keinen Fall fragen. Im Übrigen lernte er gerade Sachakanisch.

Wo ist Regin, wenn ich ihn ausnahmsweise einmal brauche?

Sonea schnaubte leise. Sie hätte nie gedacht, sie würde Regin eines Tages derart vermissen. Er war nervtötend, rechthaberisch und legte es darauf an, sie zu reizen. Das allein wäre schon genug Grund gewesen, sich mit ihm in der Arena zu duellieren. Doch er konnte auch ein guter Freund sein. Wahrscheinlich hätte er sich sogar freiwillig von ihr verprügeln lassen, wenn er gewusst hätte, was in den vergangenen Tagen geschehen war. Aber Regin war nicht da und Sonea wusste, sie musste sich ihres Zornes bald entledigen, weil sie glaubte, sonst zu platzen.

Nun, dann würde sie eben all ihre Wut gegen den Schild richten. Sie drehte um und machte sich auf den Weg zur Universität.

Die Arena war verlassen. Sonea lächelte grimmig. Sie würde sich völlig ungehemmt austoben können. Nachdem sie die Magie, die sie nach der Jagd auf die beiden Sachakaner noch übrig gehabt hatte, am vergangenen Abend wieder im Dome gespeichert hatte, verfügte sie nur noch über ihre eigene Kraft. Das musste genügen.

Ein Bild von Savara heraufbeschwörend griff sie nach ihrer Magie und formte sie zu einem Feuerschlag. Der Arenaschild vibrierte leicht. Rote Funken sprühten wirkungslos in alle Richtungen, dort wo ihre Magie aufgetroffen war.

Sonea zögerte nicht und beschwor ihren nächsten Angriff herauf. Beim ersten Mal hatte sie noch nicht mit allem zugeschlagen, was sie aufbringen konnte. Dieses Mal kanalisierte sie ihre ganze Wut in einen Kraftschlag.

Das Gefühl war zutiefst befriedigend. Mit jedem magischen Schlag stellte Sonea sich eine andere grausame Todesart für Savara vor. Sie war an allem schuld. Hätte sie Isara damals nicht getötet! Hätte Dakova damals Savara getötet! Wären Savara und Akkarin sich niemals wieder begegnet!

Sonea stieß einen derben Fluch aus. Sie griff erneut nach der Magie in ihrem Innern und gab all ihre verbleibende Energie in einen letzten Feuerschlag, der den Schild der Arena zum Glühen brachte. Als sie das nächste Mal nach ihrer Magie griff, kamen nur noch ein paar rote Funken heraus.

Sie hatte sich erschöpft.

Einen plötzlichen Schwindel verspürend verließ sie die Arena. Sich an der Tunnelwand abstützend, wankte sie durch das Portal nach draußen, wo sie im Schnee neben dem Weg zusammensank. Das Glühen des Arenaschildes wurde dunkler und tauchte den Schnee in ein unheilvolles Rot, das Sonea an Blut erinnerte. Schaudernd schloss sie die Augen. Sie wollte weinen, doch sie fühlte sich zu erschöpft und zu leer.

Sie wusste nicht, wie lange sie so da saß.

Erst, als die Kälte ihr bis auf die Knochen gedrungen war, erhob sie sich und ging zu den Magierquartieren.


Es schneite wieder als Rothen zu dem kleinen Tisch am Fenster schritt und heißes Wasser in zwei Tassen goss. Eine Tasse ließ er zusammen mit der Dose Rakapulver, die er für Soneas Besuche stets bereithielt, zu seiner ehemaligen Novizin herüber schweben.

Als sie wenige Minuten zuvor vor seiner Tür gestanden hatte, war sie völlig durchnässt gewesen. Ihre Lippen waren vor Kälte blau, ihr Gesicht aschfahl gewesen. Auf seine verwirrte Frage, was passiert sei, hatte sie nur geantwortet, sie sei in der Arena gewesen. Für Rothen war indes nicht zu übersehen gewesen, dass sie sich dabei völlig erschöpft hatte. Warum sie das getan hatte, hatte er nicht aus ihr herausbekommen. Sie war so verschlossen, wie sie es immer war, wenn irgendetwas sie quälte. Um sie nicht zu sehr zu bedrängen, hatte Rothen ihr zunächst geholfen, ihre Kleider zu trocknen und sich aufzuwärmen.

Jetzt saß Sonea in einem Sessel. Sie hatte aufgehört zu zittern, aber ihre Wangen waren noch immer farblos. In ihren dunklen Augen lag dieselbe Verwüstung wie am vergangenen Abend in den Sieben Bögen. Da hatte Rothen es noch auf ihre Erschöpfung und ihre Schuldgefühle ob des Tötens auf Befehl geschoben. Doch Sonea hatte seitdem genug Zeit gehabt, sich auszuschlafen und wenn ihr Auftrag sie verstört hatte, dann würde Akkarin schon längst mit ihr darüber gesprochen haben. Er hätte zu verhindern gewusst, dass sie sich davon so sehr mitnehmen ließ. Inzwischen würde Sonea die Notwendigkeit für ihre Befehle erkannt haben. Allmählich machte er sich ernsthafte Sorgen.

Was war noch in jener Nacht geschehen?

Rothen bereitete seinen Sumi zu und setzte sich Sonea gegenüber. Er beobachtete, wie sie Rakapulver in ihre Tasse rührte. Die kleinen Kuchen, die auf einem Teller zwischen ihnen angerichtet waren und denen sie sonst immer so zugetan war, schienen sie nicht zu interessieren.

„Sonea, was bedrückt dich?", fragte er sanft.

Sie sah ihn an, als fühle sie sich ertappt. „Es ist nichts", antwortete sie mit einem schiefen Lächeln und wich seinem Blick aus.

Rothen runzelte die Stirn. Diese Reaktion zeigte sie immer, wenn sie versuchte ihm etwas zu verschweigen. „Hat es etwas mit eurer Jagd auf die Sachakaner zu tun? Ist es, weil du auf Befehl töten musstest?"

„Ikaro musste sterben, bevor er weitere Menschen töten oder Informationen an seinen König übermitteln konnte", sagte sie hart. „Er durfte nicht entkommen."

„Das klingt so gar nicht nach dir", sagte er vorsichtig.

Sie betrachtete ihn unwillig. „Wenn Ihr es unbedingt wissen wollt: Ja, ich hatte zu Beginn der Jagd moralische Bedenken. Aber der weitere Verlauf der Nacht hat diese in den Schatten gestellt."

Rothens Herz sank. Also hatte er richtig vermutet.

„Was es auch immer ist, du kannst es mir sagen", sagte er. „Ich werde es für mich behalten."

„Das weiß ich", erwiderte sie. „Doch ich weiß nicht, ob ich es Euch sagen darf."

Rothen runzelte die Stirn. Das konnte nur eines bedeuten …

„Hat es mit Akkarin zu tun?"

Soneas Gesichtszüge verhärteten sich. Sie trank einen Schluck Raka und starrte hinaus in das Schneetreiben.

„Also ja", folgerte Rothen.

Ihr Schweigen bestätigte seine Vermutung.

Es bedrückte ihn das Mädchen, das wie eine Tochter für ihn geworden war, so niedergeschlagen zu sehen. Es war als habe sie all ihre Lebensfreude verloren. Was hatte dieser Mann ihr angetan? Augenblicklich schossen Rothen eine Vielzahl von Möglichkeiten durch den Kopf, eine unerfreulicher als die andere.

„Sonea, bitte sag mir, was er getan hat."

„Ich kann nicht, Rothen", flüsterte sie und sah zu Boden.

Rothen seufzte und betrachtete seine ehemalige Novizin voll Mitgefühl. Er stellte seine Tasse auf dem kleinen Tisch neben seinem Sessel ab. Dann erhob er sich und trat zu ihr. Vor ihrem Sessel ging er in die Hocke, so dass sie auf Augenhöhe waren.

„Sonea", sagte er und nahm ihre Hände, die noch immer eiskalt waren, in seine. „Niemand braucht davon zu erfahren. Auch er nicht."

Sie hob den Kopf und sah blickte zweifelnd an.

„Oder kann er uns zuhören?"

„Ich trage meinen Blutring nicht mehr", antwortete sie leise.

Er nickte nur. „Es ist offensichtlich, dass du leidest. Du musst darüber reden, bevor es dich zerstört."

„Was soll das noch nützen?", fuhr sie ihn an. „Ich habe ihn doch schon verloren."

Rothen horchte auf. „Wieso hast du ihn verloren?", fragte er vorsichtig. Er hatte lange gebraucht, um Akkarin nicht mehr als Ungeheuer zu sehen und zu begreifen, dass er Sonea niemals weh tun würde. Hätte Rothen an den Gefühlen dieses Mannes gezweifelt, so hätte er ihm niemals seinen Segen geben, Sonea zu heiraten.

Sonea gehört mir, hatte Akkarin einst gesagt. Damals war Rothen kurz davor gewesen, ihm wegen eines Kusses den Garrel beobachtet hatte, seine Unterstützung zu verweigern. Es gibt nur eine einzige Person, die daran etwas ändern könnte: Sonea selbst.

Habe ich mich in ihm getäuscht?, fragte Rothen sich. Der schwarze Magier konnte unmöglich von einem Tag auf den anderen aufgehört haben, Sonea zu lieben. Rothen versuchte sich vorzustellen, was dazu führen konnte, dass man plötzlich aufhörte, einen anderen Menschen zu lieben, und scheiterte.

Aber das musste nicht heißen, dass es nicht möglich war.

Er betrachtete Sonea. Ihr Gesichtsausdruck zerriss ihm das Herz. Er musste die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es doch geschehen war. Und dass das ihre Entschlossenheit, mit der sie sich allen Herausforderungen zu stellen pflegte, gebrochen hatte.

„Sonea, bitte sprich mit mir", forderte er sie auf.

Sie schloss einen Moment lang die Augen und sog zitternd die Luft ein. Als sie sie wieder öffnete, schien sie durch ihn hindurchzublicken.

„Da war eine Sklavin", begann sie stockend. „Ihr Name war Isara. Sie durften nicht zusammen sein, weil Dakova sie für sich wollte. Akkarin hat sie sehr geliebt. Eines Tages bekämpfte sich Dakova mit einem anderen Ichani, der Savara zur Unterstützung angeheuert hatte, weil er Dakova unbedingt tot sehen wollte. Savara hat Isara getötet, weil sie eine von Dakovas Quellen war. Akkarin konnte nichts tun, um es zu verhindern. Als er Savara wiedergesehen hat, wurde ihm klar, dass er Isara noch immer liebt." Sie stockte, um ihre Beherrschung kämpfend. „Ich weiß, er wollte nur aufrichtig sein. Wir sind uns so nahe, dass wir solch intensive Gefühle nur schwer voreinander verbergen können. Aber ich kann das nicht, Rothen. Es hat so weh getan. Wie soll ich ihn jetzt noch heiraten können?"

Sie begann zu weinen. Rothen zog sie in seine Arme und drückte ihren Kopf gegen seine Schulter.

„Es ist als hätte er aufgehört, mich zu lieben." Ihr Körper zitterte so heftig, dass er sie festhalten musste. „Wäre sie nicht gestorben, wäre er jetzt mit ihr zusammen."

„Das kannst du nicht wissen", erwiderte Rothen.

„Doch!", gab sie trotzig zurück.

Er seufzte und strich über ihr Haar, während sie hemmungslos weinte und ihre Tränen seine Robe durchnässten. Während sie in seinen Armen weinte, strich er wieder und wieder behutsam über ihren Rücken, was jedoch alles nur noch schlimmer zu machen schien.

„Warum kann er mich nicht einfach wieder lieben?", schluchzte sie nach Luft ringend. „Es ist so lange her. Warum kann er sie nicht endlich vergessen?"

Ihre Atmung ging viel zu schnell, wie Rothen besorgt feststellte. Er richtete sie auf und nahm ihre Hände, die zu kühl und zu feucht waren. Das war nicht gut. Das einzige Mal, wo er sie derart außer sich erlebt hatte, war am Tag der Schlacht vor den Stufen der Universität gewesen.

„Sonea, ganz ruhig", sagte er. „Atme tief durch. Ganz tief … so ist gut. Schließ deine Augen. Erinnerst du dich an die Übungen, die wir gemacht haben, als ich dir Kontrolle beigebracht habe?"

Sie nickte, die Augen geschlossen. „Was soll das nützen?"

„Zunächst einmal, dass du ruhiger wirst. Atme ganz tief ein uns aus."

Sie gehorchte ohne weiteren Protest.

Behutsam führte er sie durch die Übungen, die eigentlich dazu gedacht waren, dass Novizen lernten, ihren Körper und ihren Geist zu entspannen, damit sie an der Kontrolle ihrer Magie arbeiten konnten.

Nach einigen Minuten zeigten die Übungen erste Wirkung. Soneas Hände nahmen eine angenehme Temperatur an und ihr Gesicht bekam wieder ein wenig Farbe.

„Also noch einmal von vorne", sagte Rothen. „Erzähl mir alles, was passiert ist."

Ihre Augen noch immer geschlossen, erzählte Sonea eine verworrene Geschichte, wie sie und Akkarin auf die Sachakaner getroffen waren, wie er sich von ihr zurückgezogen hatte, als er Savara wiedererkannt hatte, und von ihrem Entsetzen, als er Savaras Leben verschont hatte. Sie erzählte, wie er entschieden hatte, Savara nach Sachaka zurückzuschicken, um für die Gilde zu spionieren. Und sie äußerte ihr Missfallen darüber, dass es Akkarins Blutjuwel war, das die Sachakanerin mit auf dem Weg bekommen hatte, weil sie da noch geglaubt hatte, Savara wäre diese Sklavin gewesen. Sie erzählte von dem unheimlichen Schweigen, das zwischen ihnen auf dem Heimweg geherrscht hatte, und von seinem Geständnis und wie sie seitdem jeden seiner Versuche, sich ihr zu nähern, abgewiesen hatte.

Wie sehr muss sie leiden, dachte Rothen. Er begriff, was sie in den letzten beiden Tagen durchgemacht hatte, doch er hatte auch Verständnis für Akkarin. Das Wiedersehen mit Savara hatte ohne Zweifel alte Wunden aufgerissen. Akkarin würde darüber hinwegkommen, so wie er es in der Vergangenheit getan hatte. Doch Sonea war jung und Akkarin war ihre erste Liebe, sie hatte keinerlei Erfahrung mit solchen Situationen. Rothen konnte nicht zulassen, dass ihre Beziehung an einer Vergangenheit zerbrach, die beinahe zehn Jahre zurücklag.

„Sonea", sagte er sanft. „Was glaubst du, wie würde Akkarin sich fühlen, wenn du stirbst?"

„Es würde ihn umbringen", antwortete sie. Sie runzelte die Stirn. „Zumindest habe ich das bis vor ein paar Tagen geglaubt."

„Und ich bin sicher, das würde es noch immer", versicherte er ihr. „Würdest du wollen, dass er den Rest seines Lebens einsam bleibt und um dich trauert?"

„Nein!", sagte sie heftig, beinahe vorwurfsvoll.

„Also würdest du wollen, dass er wieder glücklich wird?"

„Natürlich würde ich das!"

„Selbst, wenn das bedeuten würde, dass er sich eines Tages wieder verliebt?"

Sie nickte zögernd.

„Bist du dir ganz sicher?", fragte er.

„Ich will nicht, dass er sich jemals in eine andere verliebt", sagte sie leise. „Aber wie kann ich ihm verbieten, wieder glücklich zu werden, wenn ich vor ihm sterben sollte?"

„Gut." Rothen war zufrieden. Offensichtlich hatten die Entspannungsübungen ihren Zweck erfüllt, wenn auch sich Soneas Verzweiflung in einen leichten Jähzorn verwandelt hatte. Nichtsdestotrotz war das ein Fortschritt. „Würdest du es begrüßen, wenn er dich darüber eines Tages vergisst? Wenn er vergisst, was euch beide verbunden hat?"

Sie zögerte erneut. „Nein", antwortete sie dann. „Das wäre, als wenn er uns verraten würde."

Rothen nickte. Das hatte er hören wollen. „Sonea, Akkarin liebt dich", sagte er. „Solltest du sterben, so wird ein Teil von ihm das immer tun, selbst wenn er sich eines Tages wieder neu verlieben sollte."

Sie betrachtete ihn nicht überzeugt. „Aber wie kann das dann Liebe sein?"

„Sonea, es ist möglich, mehrere Menschen zu lieben. Das ist ein bisschen so ähnlich wie mit Freundschaft. Oder hast du nur einen einzigen Freund auf der Welt?"

Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine steile Falte. „Ich weiß nur, ich würde nie einen anderen lieben", flüsterte sie. „Nicht so."

Bei jeder anderen jungen Frau hätte Rothen das ernsthaft angezweifelt. Er hatte jedoch so ein Gefühl, dass das, was Sonea für Akkarin empfand, weit über Liebe hinausging. Er konnte es in ihren Augen sehen, wenn sie den schwarzen Magier ansah oder von ihm sprach. Er beschloss daher, ihre Worte unkommentiert zu lassen, um sie nicht gegen sich aufzubringen. Sonst würde sie noch denken, er würde ihr nicht glauben und ihren Zorn gegen ihn richten.

„Das ist dein gutes Recht", sagte er daher. „Lass uns einmal annehmen, er wäre damals vor den Stufen der Universität in deinen Armen gestorben." Bei seinen Worten zuckte sie zusammen, woraufhin er sanft über ihren Arm strich. Sie mochte es noch immer nicht, daran erinnert zu werden. „Glaubst du, er hätte in diesem theoretischen Fall gewollt, dass du für den Rest deines Lebens unglücklich bist, weil du ihn verloren hast? Würde er wollen, dass du nie wieder Liebe erfährst, egal, ob du das für dich selbst willst oder nicht? Was würde das über ihn aussagen?"

Sie dachte einen Augenblick nach. „Nichts Gutes nehme ich an."

Rothen nickte. „Wenn er diese Sklavin wirklich geliebt hat, dann wird ein Teil von ihm sie immer lieben", sagte er sanft. „Es gibt nichts, was du dagegen tun kannst. Wenn du ihn wirklich liebst, dann musst du das akzeptieren. Akkarin hätte sich niemals auf eine Beziehung mit dir eingelassen, wenn er auch nur irgendeinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Gefühle für dich gehabt hätte. Einen geliebten Menschen vergisst man niemals. Die Begegnung mit Savara muss seine Erinnerungen wieder aufgefrischt und alte Wunden aufgerissen haben. Doch das ändert nichts daran, dass er dich liebt."

Sie runzelte die Stirn und sah auf. „Woher wollt Ihr das alles wissen?"

Rothen betrachtete Sonea nachdenklich. Das war ein Thema, über das er nicht gerne sprach, da es für ihn eigene, schmerzvolle Erinnerungen beinhaltete. Aber Sonea brauchte seine Hilfe. Ihr gegenwärtiger Schmerz war sehr viel schlimmer, als jener, den dieses lang vergangene Ereignis ihm heute verursachte.

„Als die Heiler mir sagten, es gäbe nichts mehr, das sie noch für meine Frau tun könnten, da habe ich angefangen, über dieses Thema nachzudenken", antwortete er schließlich. „Damals haben Yilara und ich lange darüber gesprochen, was sein würde, wenn sie nicht mehr ist."

„Hat sie gewollt, dass Ihr Euch wieder verliebt?"

Rothen drückte ihre Hände und sah fest in ihre Augen. „Sie hat mich freigegeben."

Sie hielt ihren Atem an.

„Wenn man jemanden so sehr liebt, muss man ihn freigeben", sagte er sanft.

Er konnte sehen, wie sich Entsetzen auf ihrem Gesicht ausbreitete. Es war nicht schwer zu erraten, woran sie in diesem Augenblick dachte. Sie überlegte, ob sie Akkarin freigeben musste. Wenn sie sich dazu entschloss, würde Rothen sie davon abhalten müssen.

„Aber Ihr seid noch immer allein", wandte sie schließlich ein.

„Das ist wahr", stimmte er zu. „Ich habe einige Jahre gebraucht, um Yilaras Tod zu überwinden. Doch dann habe ich wieder angefangen, zu leben. Es stimmt, ich habe keine neue Frau gefunden, aber ich habe es auch nicht darauf angelegt. Du und Akkarin, ihr seid noch jung, ihr habt noch den Großteil eures Lebens vor euch. Doch ich bin alt, Sonea. Ich glaube nicht, dass ich mich noch einmal verlieben werde. Aber wenn es geschieht, dann werde ich mich nicht dagegen wehren, weil ich weiß, Yilara würde nicht wollen, dass ich als verbiesterter Einsiedler ende."

Bei seinen Worten stahl sich ein kleines Lächeln auf Soneas Gesicht. „Ich glaube, ich verstehe, was Ihr meint." Ihre Stimme klang seltsam aufgeräumt. „Aber ich kann nicht glauben, dass es bei ihm so ist", fuhr sie dann leise fort. „Es fühlt sich an, als hätte ich ihn verloren. Er hat sich in dem Moment von mir zurückgezogen, als er Savara wiedererkannt hat. Ich konnte es durch den Ring spüren. Seitdem hat er sein ganzes Verhalten mir gegenüber verändert. Es hat ihn nicht einmal interessiert, dass ich die letzte Nacht in meinem Studierzimmer geschlafen habe."

In ihren Augen glitzerten neue Tränen. Bitte nicht, dachte Rothen. Er hatte sie gerade dazu gebracht, ruhig zu werden und die ganze Sache mit Verstand zu betrachten.

„Sonea, er hat sicher begriffen, dass es besser ist, dich eine Weile in Ruhe zu lassen, nachdem du ihn so heftig zurückgewiesen hast", sagte er sanft. „Außerdem wird er auch erst einmal Zeit brauchen, um zu verarbeiten, was das Wiedersehen mit Savara bei ihm ausgelöst hat. Gib ihm die Zeit, das auch zu tun. Er liebt dich deswegen nicht weniger. Und ich bin sicher, das weißt du."

Sie blinzelte verwirrt. „Wieso sollte ich das?"

„Weil du deinen Verlobungsring noch trägst", antwortete er lächelnd. „Du hast noch Hoffnung."

„Wenn ich ihn abgelegt hätte, dann wäre das wie ein endgültiges Nein gewesen", flüsterte sie. „Das kann ich erst tun, wenn ich mir absolut sicher bin, dass ich nicht mehr mit ihm zusammen sein will."

„Sonea, es ist in Ordnung, Zweifel zu haben", erwiderte Rothen sanft. „Wenn man einander absolut sicher ist, dann hat man sich bereits verloren. In jeder guten Beziehung gibt es Krisen, egal wie sehr man einander liebt. Akkarin steht zu dir, in jeder Hinsicht. Er würde für dich sterben. Du solltest dich fragen, ob du bereit bist, ihm dasselbe zu geben."

„Natürlich würde ich das", sagte sie leise, aber mit einer Intensität, die Rothen erschaudern ließ.

„Dann wirst du es ertragen können."

Sie nickte.

„Hast du noch andere Zweifel an seiner Liebe zu dir?"

Sie sah einen Augenblick aus, als wolle sie etwas sagen, sich dann jedoch eines besseren besann.

Rothen musterte sie. „Wenn da noch etwas ist, sag es mir."

Sie schüttelte den Kopf. „Es hat nur mit etwas zu tun, das Ikaro in dieser Nacht gesagt hat", sagte sie und schenkte ihm ein verlegenes Lächeln. „Aber wenn er mich wirklich so sehr liebt, wie Ihr sagt, dann spielt das keine Rolle."

Rothen hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Doch weil sie die Frage anscheinend zu ihrer Zufriedenheit für sich geklärt hatte, wollte er sie nicht weiter damit bedrängen. Dieses Thema war ihr offenkundig unangenehm.

„Dann heirate ihn", sagte er. „Du hast ihm dein Wort gegeben. Eine Verlobung ist zwar nicht bindend, aber man sollte sie nicht leichtfertig eingehen. Besonders nicht, wenn man sich nicht absolut sicher ist, dass man mit der anderen Person den Rest seines Lebens verbringen will."

„Ich verstehe." Ihre dunklen Augen begegneten seinen. Erfreut stellte Rothen fest, dass sie lächelte. „Danke, Rothen. Ihr habt mir sehr geholfen."

Er erwiderte ihr Lächeln. „Sonea, du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du Kummer hast."

„Ich weiß."

Sie sahen einander an. Rothen war erleichtert, dass Sonea wieder zuversichtlicher wirkte. Er drückte ihre Hände.

„Worauf wartest du noch?", fragte er. „Geh zu ihm. Er wird dich sicher nicht zurückweisen." Er deutete auf das Tablett auf dem kleinen Tisch. „Aber vorher isst du noch etwas."

Folgsam griff sie nach den Kuchen. Zu seiner Erheiterung schnitt sie dabei eine Grimasse. „Aber ich bin doch gekommen, um Euch zu sehen", sagte sie, während sie aß. „Bis jetzt habe ich Euch nur mit meinem Problemen behelligt."

„Das macht nichts", sagte er und drückte ihre Hand. „Deine Sorgen waren wichtiger. Wir können ein andermal weiter plaudern."

Sie betrachtete ihn zweifelnd. „Es macht Euch wirklich nichts aus, wenn ich schon wieder gehe?"

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin froh, dass ich dir helfen konnte."

Sonea stand auf und er erhob sich ebenfalls. „Vielen Dank, Rothen", sagte sie erneut und umarmte ihn. „Es tut mir leid. Ich war so dumm."

Rothen lächelte. Sonea hatte nie zuvor geliebt, und daher fiel es ihr schwer zu verstehen, was Akkarin gerade durchlitt. Wenigstens war es mir möglich, an ihre Vernunft zu appellieren, dachte er erleichtert. Bei Dorrien hatte er in dieser Hinsicht völlig versagt. Bei Sonea war es ihm jedoch gelungen, ihr eine Vorstellung von Akkarins momentaner Situation zu vermitteln.

„Es ist nicht immer leicht, vernünftig zu sein, wenn man so sehr liebt", erwiderte er. „Eine Beziehung bedeutet Arbeit. Von daher ist es manchmal wichtiger, mit seinem Verstand, als mit seinem Herzen die Dinge anzugehen. Ich weiß, dass du das kannst."

Sonea lächelte. „Ich werde mein Bestes tun."

Rothen wusste, das würde sie. Denn es war nicht das erste Mal, dass sie all ihre sture Entschlossenheit einsetzte, um Akkarin nicht zu verlieren.


In der Schankstube von Gellins Bolhaus herrschte zu dieser Stunde nur mäßiger Betrieb. Mit Einbruch der Dunkelheit würde sich das jedoch rasch ändern. Es waren eher die schlechteren Bolhäuser in denen die Männer und Frauen, die keine Arbeit hatten, schon tagsüber zusammenkamen, um ihr Elend in Alkohol zu ertränken.

Zielstrebig schritt Cery zur Theke und schwang sich auf einen Hocker.

„Hai! Wen haben wir denn da? Was für'n seltener Gast!"

Cery fuhr herum, als er die vertraute Stimme erkannte. „Hallo, Harrin!"

Sein alter Freund trat auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. „Cery! Was treibt dich her?"

Cery grinste. „Mein Dienst ist gerade zu Ende. Ich hatte 'nen Fall, der mich in die Nähe getrieben hat und da dacht' ich, es wär' Zeit mal wieder'n paar Bol mit dir zu trinken."

Harrins blaue Augen blitzten. „Stimmt, du bist ja jetzt unter die ehrbaren Leute gegangen", feixte er. Er umrundete die Theke und zapfte zwei Becher Bol. „Aber wieso warst du in der Nähe? Das hier's doch Sevlis Territorium."

„In meinem Bezirk sind'n paar Frauen nach demselben Muster vergewaltigt und danach verstümmelt und getötet worden, wie hier", klärte Cery seinen Freund auf. „Sevlis Leute und meine arbeiten zusammen, um den Täter zu schnappen."

Die Suche nach diesem Täter dauerte inzwischen schon fast einen ganzen Monat. Cery war darüber nicht sehr glücklich, weil seine Männer alle paar Tage auf eine verstümmelte Frauenleiche in irgendeiner Hintergasse stießen. Er hatte sie verstärkt in der Nähe der Fundorte patrouillieren lassen, bisher jedoch ohne Erfolg. Durch Zufall hatte er an diesem Morgen erfahren, dass in Sevlis Territorium eine Serie von Verbrechen geschah, die verblüffende Ähnlichkeit mit diesem Fall hatte. Daraufhin war Cery zu Sevli geeilt und hatte sich mit ihm über beide Fälle ausgetauscht. Zu Cerys Erleichterung hatte der andere Dieb sich auf eine gemeinsame Jagd eingelassen. Cery wünschte indes, er hätte schon früher davon erfahren. Während die Zusammenarbeit mit der Stadtwache reibungslos funktionierte, war der Nachrichtenaustausch unter den Dieben erbärmlich. Die Diebe waren es gewohnt, ihre Geschäfte allein zu regeln und sie handhabten ihre Aufgabe als Stadtwache genauso. Es wär' besser, würden die Diebe sich regelmäßig treffen, um die anderen über die Verbrechen in ihren Territorien zu informieren, überlegte Cery. Vielleicht wenn ich ...

„Die Verbrecher aus deinem Territorium sollten öfter hier wildern", bemerkte Harrin und reichte Cery einen Becher. „Dann sehn wir dich öfter."

Cery lachte. „Darauf trinke ich!", rief er und hob seinen Becher.

Sie stießen an.

„Wie geht's Donia?", fragte er, nachdem er einen tiefen Zug genommen hatte.

„Beschissen", antwortete sein Freund. „Soll heißen, sie's schwanger. Sie muss gerade durch diese Zeit, in der die Frauen ständig kotzen. Sie's oben. Ihre Mutter kümmert sich um sie."

„Hat sich Donia schon im neuen Krankenhaus untersuchen lassen?"

Sein Freund nickte. „Sie ha'm ihr irgendwelche Heiltränke gegen die Übelkeit gegeben. Sie sagen mit dem Kind wär' alles in Ordnung."

„Arme Donia", murmelte Cery. Dann grinste er. „Aber ihr zwei werdet Eltern! Das ist verdammt toll!"

Harrin strahlte. „Ja."

Cerys Freund hatte Donia im vorletzten Frühjahr geheiratet. So betrachtet hatte es lange gedauert, bis sie Nachwuchs bekamen und Cery nahm an, sie hatten das bis jetzt irgendwie zu verhindern gewusst. Er kannte Harrin gut genug, um zu wissen, dass er nicht die Finger von seiner Frau lassen konnte. Mittlerweile hatte sein Freund das Bolhaus ihres Vaters vollständig übernommen, was ihm und Donia besonders in den ersten Monaten einiges abverlangt hatte. Mit einem Kind wären sie in dieser Zeit völlig überfordert gewesen. Tagsüber waren Harrin und Donia alleine in der Schankstube, nur abends half ihnen ein Halbwüchsiger beim Bedienen der Gäste. Gellin litt neben Kurzsichtigkeit auch an Gicht und half daher nur noch aus, wenn besonders viel Betrieb herrschte.

„Es heißt, du wärst auch drauf aus, Vater zu werden", sagte Harrin.

Cery runzelte die Stirn. „Wie kommst du da drauf?"

„Na, zwischen dir und einer von Corbins Huren läuft doch was."

„Ach, du meinst Nenia!" Das plötzliche Schuldgefühl traf Cery unerwartet. Über Savara hatte er das junge Mädchen völlig vergessen. „Das war nur 'ne Gefälligkeit, die Corbin mir geschuldet hat", sagte er. „Da läuft schon lange nix mehr. Außerdem musst' ich ihr ständig meine Leute vom Leib halten."

Harrin lachte. „Hai! Dann muss sie aber 'ne ziemliche Nummer gewesen sein!"

„Ja, das war sie." Wenn auch nicht so wie Savara … Cery fragte sich, wo sie inzwischen war. War sie schon wieder in Sachaka? Nein, selbst mit Pferden brauchte man eine Woche bis zur Grenze. Aber sie würde bereits weit genug gereist sein, dass er sie nicht mehr einholen würde, bevor sie den Südpass erreichte. Er seufzte. Dann leerte er seinen Becher und stellte ihn auf die Theke.

„Noch einen?", fragte Harrin.

Cery nickte und holte das entsprechende Geld aus seinem Geldbeutel.

Harrin nahm den Becher und zapfte ein zweites Bol. „Das geht auf's Haus", erklärte er und stellte den Becher vor Cery hin.

„Danke", erwiderte Cery. Sie stießen an.

„Wie geht's eigentlich Sonea?", fragte sein Freund. „Du warst doch dabei, als sie und ihr Magier-Freund vor'n paar Tagen diese Sachakaner durch die halbe Stadt gejagt haben, ne?"

Cery leerte seinen Becher zur Hälfte. Das Bol tat sein Werk und entspannte ihn und er begann sich ein wenig schläfrig zu fühlen. „Es geht ihr sehr gut", antwortete er. „Sie heiratet bald."

„Hai! Diesen Magier?"

„Er's nicht irgendein Magier", stellte Cery richtig. „Lord Akkarin war lange Zeit der Anführer der Gilde."

Sein Freund machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Die sind für mich alle gleich." Mit einem versonnenen Lächeln trank er einen Schluck Bol. „Also stimmt, was man sich so erzählt: Unsere kleine Sonea heiratet … kommt mir vor, als wär's gestern gewesen, wo sie bei dieser Säuberung entdeckt hat, dass sie 'ne Magierin ist …" Als er aufsah, leuchteten seine blauen Augen. „Aus uns drei's wirklich was geworden."

„Nur, dass ich der Einzige bin, der wahrscheinlich immer Junggeselle bleiben wird", murmelte Cery.

Sein Freund runzelte die Stirn. „Geht's um deine kleine Hure? Hat sie dich laufenlassen?"

Cery schüttelte den Kopf. „Ich hab' sie laufenlassen. Wegen 'ner anderen. Die war wirklich 'ne Nummer. Aber sie hat mich betrogen und am Ende verlassen." Wenn auch eher unfreiwillig, fügte er in Gedanken hinzu.

„Und jetzt bist du beide los", stellte Harrin fest.

„Ja." Cery leerte seinen Becher und reichte ihn Harrin, der ihn wortlos wieder füllte. „Es war'n Fehler, wieder was mit ihr anzufangen. Ich war schon mal mit ihr zusammen, aber es ging nicht lange gut. Dann kam Nenia und ich dachte, ich hätt' die andere vergessen. Bis sie wieder aufgetaucht ist."

„Hm", machte Harrin und stellte den dritten Becher Bol vor ihm ab. „Die, die du haben könntest, hast du verlassen und die, die du willst, tut dir nicht gut. Entweder du hängst für den Rest deines Lebens an dieser Frau und wirst unglücklich, oder du heiratest die kleine Hure, mit der du wahrscheinlich besser dran wärst."

„Ich weiß nicht, ob ich sie lieben könnte", sagte Cery. Außerdem hoffte ein Teil von ihm, Savara würde eines Tages zu ihm zurückkehren. Wenn ihr Auftrag erledigt war und sie dann noch lebte …

„Aber du mochtest sie", entgegnete Harrin. „Sonst wärst du nicht mit ihr im Bett gewesen. Du bist keiner von diesen Dieben, die sich Huren zum Vergnügen halten."

„Ja, ich mochte sie", stimmte Cery zu. Genaugenommen tat er das noch immer. Sehr sogar. Und er begehrte sie. Aber bei ihr fehlte das Kribbeln, das er empfand, wenn er an Savara dachte. Er würde Nenia nicht heiraten, auch nicht um ihr ein besseres Leben zu bieten. Es wäre eine Heirat aus Vernunft und Cery fand, das war weder Nenia noch ihm selbst gegenüber fair.

Stirnrunzelnd trank er einen kräftigen Schluck Bol. Als er aufsah, musterten Harrins blaue Augen ihn besorgt.

„Cery", sagte sein Freund ungewöhnlich ernst. „Ich freu' mich, wenn meine Gäste mein Bol mögen. Aber es noch nicht mal dunkel und das ist bereits dein dritter Becher."

„Das passt schon. Mein Leibwächter weiß, wo er mich findet, wenn ich bis Mitternacht nicht zurück bin."

„Bis Mitternacht!", rief Harrin. „Hai! Bei dem Tempo, mit dem du trinkst, hast du bis dahin meinen halben Vorrat weggesoffen."

Cery lachte. Tatsächlich war es ihm egal, ob er sich sinnlos betrank. Es würde ihm Savara nicht zurückbringen oder ihm helfen eine andere Frau zu lieben. Es würde ihm auch nicht helfen, zu vergessen. Dafür würde er sich am nächsten Tag wahrscheinlich wünschen, er würde sterben.

Aber nach all der Aufregung der letzten Wochen wollte er nichts lieber, als in Harrins Bolhaus zu sitzen und ein Bol nach dem anderen trinken.

„Dann wirst du heute guten Umsatz machen!"


Als die Tür des Klassenzimmers aufging, spürte Sonea, wie sich ihr Puls beschleunigte. Mehrere Männer in gewöhnlicher Kleidung traten in den Korridor. Das müssen die Händler sein, die die Gilde als Spione nach Sachaka schicken will, dachte sie. Ihnen folgten einige Krieger und Administrator Osen. Er lächelte ihr kurz zu und eilte dann weiter.

Nach ihrem Besuch bei Rothen war sie zur Universität gegangen und hatte das Klassenzimmer gesucht, in dem Akkarin die Spione in der Sprache der Sachakaner unterwies. Während Sonea auf das Ende des Unterrichts wartete, hatte sie überlegt, was genau sie ihm sagen wollte, um sich bei ihm zu entschuldigen. Doch sie war zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen.

Sonea verstand jetzt, was Akkarin momentan durchlitt. Sie konnte ihm nicht einmal mehr zürnen, weil er am vergangenen Nachmittag mit ihr geschlafen hatte. Inzwischen bezweifelte sie, dass es darum gegangen war, sie für was auch immer zu benutzen. Viel wahrscheinlicher war dies ein missglückter Versuch gewesen, ihr nach ihrer Auseinandersetzung zu zeigen, dass er sie liebte und dass seine Gefühle für Isara nichts daran änderten. Aus ihren Gedanken würde er ihre Bereitschaft dazu gelesen und geglaubt haben, sie hätte sich wieder beruhigt. Wie sehr musste ihre Reaktion ihn verletzt haben! In jedem Fall genug, dass er sie daraufhin in Ruhe gelassen hatte. Und Sonea hatte geglaubt, er habe aufgehört, sie zu lieben! Sie hatte ihm unrecht getan und sie schämte sich, weil sie an ihm gezweifelt hatte.

Aber wie sollte sie ihm das alles sagen? Wie sollte sie ihm sagen, wie sehr sie es bereute, ihn zurückgewiesen zu haben? Wie sollte sie ihm sagen, dass nichts davon etwas an ihrer Liebe und ihrer Loyalität änderte?

Sonea seufzte. Vielleicht hätte sie nach Hause gehen und die Sache noch einmal gründlich überdenken sollen, bevor sie sich ihm stellte. Aber wollte die Konfrontation nicht noch länger hinauszögern.

Aus dem Klassenzimmer kamen noch immer Stimmen, die allmählich deutlicher wurden. Dann traten Akkarin und Balkan auf den Flur.

„Sachakanische Magier benutzen vorzugsweise die Imperativform des Verbs", sagte Akkarin gerade. „Sie würden Euch nicht allzu ernstnehmen, wenn Ihr die bei uns gebräuchlichen Konjugationen verwendet."

„Ich verstehe", sagte Balkan gerade. „Fremdsprachen lagen mir noch nie besonders." Sein Blick wanderte zu Sonea. Zu ihrer Überraschung lächelte er. „Anscheinend werdet Ihr bereits erwartet."

Nun sah auch Akkarin zu ihr. Soneas Herz begann zu rasen. Sie stieß sich von der Wand, gegen die sie sich gelehnt hatte, ab und trat zu den beiden Männern.

„Guten Tag, Hoher Lord", sagte sie sich vor Balkan verneigend. „Lord Akkarin."

Einen langen Moment bohrten sich Akkarins dunkle Augen in ihre. Es war Sonea unmöglich, den Blick abzuwenden. Ihre Anspannung war so absurd, dass sie den irren Drang verspürte, zu lachen. Sie atmete innerlich auf, als Akkarin sich wieder Balkan zuwandte.

„Also dann morgen um dieselbe Zeit?", fragte der Hohe Lord.

Akkarin nickte. „Einen schönen Abend noch, Hoher Lord", wünschte er. „Grüßt Eure Frau."

Balkan nickte Sonea zu und wandte sich zum Gehen. Seine Schritte verhallten, dann war sie mit Akkarin allein auf dem Flur. Sonea begann sich unbehaglich zu fühlen. Nicht zu wissen, was in ihm vorging, verunsicherte sie.

„Nun Sonea, was führt dich hierher?", brach Akkarin schließlich das Schweigen.

„Oh nichts", antwortete sie ausweichend und ärgerte sich, weil sie ihn plötzlich wieder so sehr fürchtete wie eh und je. Sie hätte das als gutes Zeichen sehen sollen, hätte es sie nicht ihrer Fähigkeit beraubt, ganze Sätze hervorzubringen. Der durchdringende Blick, mit dem Akkarin sie musterte, machte es nicht gerade leichter.

„Nichts", wiederholte er halb fragend. Es war offenkundig, dass er ihr nicht glaubte.

„Ich war in der Nähe", sagte sie rasch. „Ich dachte, ich könnte auf dich warten. Damit wir zusammen nach Hause gehen können."

Er betrachtete sie ausdruckslos. „So", sagte er. „Das ist es, was du möchtest?"

Sonea sah zu ihm auf und nickte stumm. Akkarin musterte sie abschätzend. Schaudernd fragte Sonea sich, ob er gerade dabei war, ihre Gedanken zu lesen. Sie hoffte, er tat es. Nachdem sie ihren Geist mehr als einen Tag vor ihm komplett abgeschirmt hatte, hatte sie die mentale Mauer wieder eingerissen. Nicht alles ließ sich in Worten ausdrücken.

„Komm mit", sagte er unvermittelt. „Wir gehen spazieren."

Sie nickte erneut und folgte ihm den Flur entlang.

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Die Stille zwischen ihnen schien so laut, dass es beinahe unerträglich war.

„Wie war dein Unterricht?", fragte sie.

„Nun, meine Schüler machen Fortschritte", antwortete Akkarin. „Auch wenn ihr Akzent bei den meisten Sachakanern die Frage aufwerfen würde, welche Sprache sie eigentlich sprechen."

Sonea lachte. „Ist es so schlimm?"

„Wenn du das wissen willst, solltest du morgen mitkommen und dich selbst davon überzeugen."

„Oh ich glaube, mein Sachakanisch ist nicht gut genug, um das zu beurteilen", wehrte sie ab. Im Zuge ihres Unterrichts in schwarzer Magie hatte sie einige wenige Worte von ihm gelernt, für die es kein kyralisches Äquivalent gab. Einige hatte Akkarin in ihren alten Büchern gefunden, andere hatte er selbst in Sachaka gelernt.

Akkarin warf ihr einen strengen Seitenblick zu. „Umso mehr würde es dir guttun an diesem Sprachkurs teilzunehmen."

Sonea verdrehte innerlich die Augen und erwiderte nichts darauf.

Sie verließen die Universität. Akkarin errichtete einen Wärmeschild um sie beide und schlug einen Weg in den Wald ein. Plötzlich verlangte Sonea es danach, seine Hand zu nehmen. Doch sie zögerte, weil sie nicht sicher war, ob er das wollte. Sie hätte nicht gewusst, ob sie das an seiner Stelle wollen würde, nachdem sie die letzten beiden Tage so garstig zu ihm gewesen war.

Verstohlen betrachtete sie Akkarin von der Seite. Er hatte die Hände nicht in den Ärmeln seiner Robe verborgen. Das kam einer Einladung gleich. Zugleich weigerte sich die eigentümliche Furcht zu weichen. Wie zufällig streifte ihre Hand die seine. Doch die gewünschte Reaktion blieb aus. Sonea versuchte, nicht allzu enttäuscht zu sein. Das musste nicht zwingend mit ihr zu tun haben.

Vielleicht ist er sich meiner Absicht nicht bewusst, überlegte sie. Sicher rechnet er nicht damit, dass ich ihm wieder näherkommen will.

Sie versuchte es erneut. Dieses Mal hielt sie den Kontakt ein wenig länger.

Plötzlich fuhr Akkarin herum und packte ihre Handgelenke.

„Sonea, was soll das werden?"

„Ich ...", begann sie und verstummte, als sie seinem kühlen Blick begegnete.

Lass dich nicht von ihm einschüchtern, wies sie sich zurecht. Er macht es dir absichtlich schwer.

Sie holte tief Luft und straffte sich. „Ich möchte dich um Verzeihung bitten", sagte sie. „Weil ich dich als du mich am dringendsten gebraucht hast, zurückgewiesen habe. Weil ich an dir gezweifelt habe. Ich war verletzt. Aber jetzt verstehe ich dich."

Er runzelte die Stirn. „Nun, dein Besuch bei Rothen scheint eine nachhaltige Wirkung hinterlassen zu haben", bemerkte er. „Ich möchte lieber nicht wissen, worüber ihr gesprochen habt. Doch wahrscheinlich sollte ich ihm danken, weil es ihm gelungen ist, an deine Vernunft zu appellieren."

Ihr Herz machte einen Sprung. „Also verzeihst du mir?"

Der Griff um ihre Handgelenke lockerte sich und Akkarin zog sie zu sich. „Es gibt nichts zu verzeihen, Sonea. Die letzten Tage waren für uns beide nicht leicht. Ich verstehe, warum dein Vertrauen in mich gestört war."

Sonea legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm auf. Sein Blick hatte jegliche Härte verloren. „Danke, dass du so viel Geduld mit mir hast", sagte sie. „Ich verspreche Besserung."

Er bedachte sie mit seinem Halblächeln. „Ah, Sonea", sagte er. „Mehr als ein Jahr habe ich deine Ablehnung ertragen. Glaubst du, ein paar Tage würden mir etwas ausmachen?"

Sie schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, wie sie ob dieser Offenbarung reagieren sollte. Er muss mich wirklich sehr lieben, erkannte sie. Sonst würde er mir nicht so leicht verzeihen, weil ich ihn mit seinem Schmerz allein gelassen habe.

Akkarin würde für dich sterben, hatte Rothen gesagt. Du solltest dich fragen, ob du bereit bist, ihm dasselbe zu geben.

Natürlich würde ich das, hatte sie darauf erwidert.

Als sie Akkarins dunklen Augen begegnete, begriff sie zum ersten Mal, was sie wirklich für ihn empfand. Obwohl sie es immer intuitiv gewusst hatte, erkannte sie es jetzt mit einer ungeahnten Klarheit. Und sie wollte, dass er das wusste.

„Ich verspreche, niemals wieder an deiner Liebe zu zweifeln und dass du meine Liebe und meinen Respekt für immer haben wirst", begann sie. „Ich werde für dich da sein, wenn du mich brauchst. Ich werde …"

„Sonea, du brauchst mir nichts zu versprechen, was ich schon längst weiß", murmelte er. Die kühlen Hände berührten ihre Wangen.

„Aber wie …", begann sie.

Akkarin legte einen Finger auf ihre Lippen. „Nicht."

Seine Hände strichen über den Haaransatz an ihren Schläfen und ihre Halsbeuge entlang. Dann beugte er sich zu ihr herab, und als seine Lippen auf ihre trafen, wusste Sonea, dass sie ihn nicht verloren hatte. Auch wenn es zwischen ihnen nicht mehr so werden würde, wie bevor er Savara wiederbegegnet war.

Denn egal, wie sehr Akkarin sie liebte, sein Herz würde ihr niemals ganz allein gehören, während er das ihre ganz und gar besaß.


Der Schein der Lichtkugel fiel auf die ersten Häuser von Windbruch, hinter deren Fenstern warmes Licht durch die Papierblenden schimmerte. Gemächlich ritt Dorrien durch die verlassenen Straßen. Um diese Tageszeit waren die Dorfbewohner entweder in ihren Häusern oder im Bolhaus.

Wie schnell dieser Tag vergangen ist, dachte er in einem Anflug von Bedauern. Den ganzen Nachmittag hatte er damit verbracht, Viana Algebra zu lehren. Zu seiner Freude hatte sie in nur wenigen Tagen alle vier Grundrechenarten begriffen, wenn auch sie noch einige Übung benötigen würde, bis sie sicher mit Zahlen umgehen konnte.

An diesem Abend, war es wie so oft spät geworden. Dorrien hatte Viana daher auf seinem Pferd nach Hause gebracht. Trotz der Patrouillen entlang der Grenze und dem neuen Fort, das seit einigen Wochen am Südpass gebaut wurde, wollte er seine Schülerin nicht alleine im Dunklen umherlaufen lassen. Manchmal kam er sich deswegen so vor, als wäre er ihr Vater. Doch wo sie bei Kullen protestiert hätte, schien sie keine Einwände zu haben, wenn Dorrien sie begleitete.

Inzwischen hatte Viana sich an seine Gesellschaft gewöhnt. Sie schien sie sogar zu mögen. Dorrien merkte das daran, dass es immer schwieriger wurde, sie in Verlegenheit zu bringen, was ihm sehr gelegen kam. Nicht nur, weil er dann nicht jeden Abend zu Fuß zu Kullens Haus und zurücklaufen musste, sondern weil er sie gern hatte.

Als er sich seinem Haus näherte, bemerkte er eine große Gestalt im Schatten neben seiner Tür.

„Mylord."

„Loken!", rief Dorrien überrascht. „Ist etwas passiert?"

„Nein, Mylord", antwortete der Schmied. „Ich wollte nur mit Euch reden."

So wie Loken das sagte, kam er nicht zum Boltrinken vorbei, so wie er es hin und wieder tat.

Dorrien saß ab. „Worum geht es?"

„Es geht um was Persönliches."

Seine Worte überraschten Dorrien. Er hatte stets ein offenes Ohr für die Dorfbewohner. Allerdings fürchteten ihn die meisten zu sehr, um mit ihm über ihre Sorgen zu sprechen. Wenn er und Loken Bol tranken, dann drehten sich ihre Gespräche meist um belanglose Dinge.

„Geh schon einmal nach drinnen", sagte er, eine Lichtkugel ins Innere seiner Kate schickend. „Ich bin gleich bei dir."

Er führte sein Pferd zu seinem Unterstand und sattelte es ab. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass es genügend Futter hatte, folgte er dem Schmied ins Haus.

Ein Rest der Wärme, die während des Tages in seiner Stube geherrscht hatte, war noch übrig. Dorrien streckte seinen Willen nach der Lichtkugel aus und veränderte sie so, dass sie zugleich eine angenehme Wärme spendete. Für einen Moment glaubte er, Vianas Anwesenheit noch im Raum zu spüren, weil der Duft ihres Haares noch immer präsent war. Er schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein, er hatte Viana vor einer halben Stunde nach Hause gebracht.

Dann fiel ihm wieder ein, dass er einen Gast hatte. „Setz dich", forderte er Loken auf und wies zu seinem Tisch.

Der Schmied nickte und kam seiner Aufforderung nach.

„Worüber wolltest du mit mir reden?", fragte Dorrien.

„Über Viana."

Dorrien zuckte zusammen. Insgeheim hatte er schon seit einigen Wochen damit gerechnet, dass dieses Thema irgendwann zur Sprache kommen würde. Während Loken krank gewesen war, hatte er allenthalben von der Tochter des Reberhirten gefaselt. Zudem wusste der Schmied, dass Kullen beabsichtigte, seine Tochter mit ihm zu verheiraten. Und da Dorrien und Loken fast so etwas wie Freunde waren, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Schmied von selbst damit anfing. Dorrien wusste jedoch nicht genau, ob er mit Loken über Viana sprechen wollte.

Er schritt zum Herd und holte zwei Becher von dem Regal darüber, sowie die Flasche Weißwasser, die Kullens Tochter ihm als Dank für ihre Rettung geschenkt hatte. Mit den Sachen beladen kehrte er zum Tisch zurück.

„Vielleicht sollten wir etwas trinken." Er schenkte ihnen beiden eine medizinisch fast bedenkliche Menge von dem starken Schnaps ein und lehnte sich zurück.

„Danke, Mylord." Loken hob seinen Becher an die Lippen und leerte ihn zur Hälfte. „Ah, das wärmt!" Er lehnte sich zurück und betrachtete Dorrien. „Es ist so", begann er. „Kullen hat mir vor einer Weile gesagt, dass er mir Viana zur Frau geben will. Ich habe Viana sehr gerne, ich könnte mir gut vorstellen, mit ihr verheiratet zu sein. Aber ich weiß nicht, ob sie mich mag."

Und jetzt willst du das von mir wissen, dachte Dorrien ohne Begeisterung. „Loken, das kann ich dir auch nicht sagen", antwortete er. „Das musst du sie selbst fragen."

Der Schmied schien verwirrt. „Hat sie denn zu Euch nie etwas über mich gesagt?", wunderte er sich. „Sie ist doch jeden Tag mit Euch zusammen."

Ich mag Loken. Aber ich will ihn nicht als Mann. Das war alles, was Dorrien dazu wusste. Er konnte diese Sache hier und jetzt beenden, indem er dem Schmied genau das sagte. Doch es stand ihm nicht zu, sich einzumischen. Allerdings widerstrebte es ihm ebenso sehr, den Kuppler zu spielen.

„Wenn Viana hier ist, unterrichte ich sie", sagte er daher. „Wir sprechen hauptsächlich über Heilkunst. Über Privates reden wir nur selten."

„Oh", machte Loken offenkundig enttäuscht.

Seltsamerweise kümmerte Dorrien das herzlich wenig. Er runzelte die Stirn. Seit wann war er so herzlos? Gönnte er anderen nicht ihr Glück, weil ihm sein eigenes verwehrt worden war?

„Tut mir leid, wenn dich das enttäuscht", sagte er und versuchte aufrichtig zu klingen.

Loken trank einen zweiten Schluck Weißwasser. Eine Weile starrte er grübelnd vor sich hin. Dann hellte sich sein Gesicht auf. „Könnt Ihr sie vielleicht unauffällig nach mir fragen, wenn sie das nächste Mal hier ist? Ich weiß, ich sollte das selbst tun, aber ich weiß nicht, wie sie reagieren wird. Sie ist nett zu mir. Aber ich glaube, sie ist zu allen anderen genauso nett."

„Und du willst, dass sie dich mehr mag als die anderen", folgerte Dorrien.

„Ja", antwortete er Schmied mit glühenden Wangen, woran das Weißwasser offenkundig nur eine geringe Schuld hatte.

„Loken, sie wird dich nicht mehr mögen, nur weil ich mit ihr über dich spreche", sagte Dorrien. „Sie wird dich nur dann mehr mögen, wenn du dir Mühe gibst. Wenn du ihr den Hof machst."

Der Schmied nickte. „Es ist nur so, dass Viana die erste Frau ist, mit der ich mir vorstellen könnte, verheiratet zu sein. Aber immer wenn ich mit ihr rede, benehme ich mich wie ein Idiot. Wenn ich es einmal schaffen würde, normal zu sein, dann hätte ich bei ihr vielleicht eine Chance."

„Vielleicht", gab Dorrien widerstrebend zu. Vorsichtig probierte er von seinem Weißwasser. Die klare Flüssigkeit brannte sich ihren Weg durch seine Kehle hinab in den Magen. Wie vertrug Loken das bloß?

„Mylord, meint Ihr ich sollte um Vianas Hand anhalten, bevor Ihr sie zur Gilde schickt?", fragte Loken. „Ich habe gehört, das Studium dort dauert fünf Jahre."

„Das ist richtig", antwortete Dorrien. „Aber Viana wird zwischendurch hier sein." Sofort bereute er seine Worte jedoch wieder.

„Wie oft und wie lange?"

Dorrien zuckte die Achseln. „Das kann ich dir nicht sagen. Vielleicht für ein paar Wochen im Jahr."

Wenn alles so laufen würde, wie er es sich erhoffte, dann kam diese Untertreibung einer Lüge gleich. Doch ein Teil von ihm wollte dem anderen Mann die Idee, sich mit Viana zu verloben, bevor sie ihre Ausbildung begann, unbedingt ausreden. Viana sollte sich während ihrer Besuche in Windbruch auf ihren Unterricht konzentrieren und nicht mit einem Mann herumturteln. Besser, sie begann sich erst dann für Männer zu interessieren, wenn sie eine vollständig ausgebildete Heilerin war.

Nachdenklich nippte er an seinem Getränk. War er so besessen von dem Gedanken, aus Viana eine Heilerin zu machen, so wie er es sich für Sonea gewünscht hätte? Wenn Viana sich jetzt entschied, einen Mann aus Windbruch zu heiraten, würde sie vielleicht gar nicht mehr zur Universität wollen. Der Gedanke gefiel Dorrien überhaupt nicht. Plötzlich verspürte er den unbändigen Drang, jede mögliche Beziehung, die Viana eingehen könnte, von Anfang an zu unterbinden.

„Was, wenn sie sich in der Zeit in einen anderen verliebt?", fragte Loken.

„Das kann immer passieren. Egal, ob du dich vorher mit ihr verlobst oder nicht."

Loken seufzte. „Ihr seid mir heute keine große Hilfe, Mylord."

„Tut mir leid", sagte Dorrien. Seine plötzliche Selbstsucht ärgerte ihn. Weder Loken, noch Viana hatten verdient, dass er das an ihnen ausließ. „Ich bin heute wohl nicht sonderlich gutgelaunt. Lass uns ein anderes Mal darüber reden."

Der Schmied nickte und leerte seinen Becher. „Kein Problem", sagte er und erhob sich. „Gute Nacht, Mylord."

„Gute Nacht, Loken", erwiderte Dorrien.

Als der Schmied das Haus verlassen hatte, stieß Dorrien einen tiefen Seufzer aus. Wieso musste sich alles immerzu wiederholen? Wieso mussten andere Männer kommen und ihm die Frau wegnehmen, derer er sich angenommen hatte, selbst wenn sie nur seine Novizin werden sollte?

In einem Zug leerte er seinen Becher. Das Weißwasser brannte sich durch seine Eingeweide. Dorrien schüttelte sich, streifte seine Robe ab, stieg ins Bett und löschte die Lichtkugel.

Hoffentlich kommt Loken bald wieder zur Besinnung, dachte er, während der Schnaps ihn träge werden ließ.


„Werter Händler, was ist an diesem Porreniwein so besonders?"

Dannyl schenkte dem Sachakaner auf der anderen Seite ihres Standes ein strahlendes Lächeln, während er zugleich die Nervosität zu unterdrücken suchte, die ihn beim Anblick des juwelenbesetzten Messers an dessen Hüfte befallen hatte.

„Das Weingut der Familie Porreni hat eine optimale Lage für den Weinanbau", antwortete er. „Die Nordhänge sind so geneigt, dass die Sonneneinstrahlung effektiv für die Reife der Trauben ausgenutzt werden kann."

Der Ashaki runzelte die Stirn. „Von einem guten Winkel für Weinreben höre ich zum ersten Mal."

„Nun Meister Ashaki, ich erklärte Euch gerne das Prinzip", erwiderte Dannyl freundlich. „Es gibt zwei Faktoren, die eine wichtige Rolle spielen: Sonneneinstrahlung und Regen. Im Süden Elynes regnet es öfter und zugleich steht die Sonne weniger steil als im Norden des Landes. Deswegen eignen sich dort steile Hänge besser, damit das überschüssige Wasser nach starken Regengüssen besser abfließen kann. Keine Traubensorte mag zu viel Wasser. Zugleich wird die Sonneneinstrahlung durch die Steilheit der Lage optimiert. Weiter im Norden fällt hingegen weniger Regen und das Sonnenlicht fällt um die Mittagszeit fast senkrecht auf die Erde. Die Winzer bauen dort ihren Wein auf flachen Hängen und in der Ebene an, weil auf diese Weise zugleich das wenige Wasser effektiver genutzt werden kann. Doch auch die Beschaffenheit des Bodens und die Nähe zu Gewässern spielen eine nicht unwichtige Rolle."

Sein Kunde wirkte immer noch nicht vollständig überzeugt.

„Am besten, Ihr überzeugt Euch von der Qualität dieses Weines, indem Ihr davon kostet, Meister Ashaki", sagte Dannyl schmeichelnd. Er wandte sich zu Kito. „He Keno, mach eine Flasche vom dem fünf Jahre alten für unseren Kunden auf!"

„Kommt sofort!" Kito verschwand im hinteren Teil ihres Standes. Dannyl hörte ihn Kisten umstapeln. Schließlich kehrte er mit einer einzelnen Flasche zurück. Diesen Jahrgang hatte Dannyl in den vergangenen Tagen allen skeptischen Kunden angeboten. Die meisten hatten hinterher sogar eine oder zwei Kisten gekauft. Kito entkorkte die Flasche und reichte sie Dannyl mit gespielter Ergebenheit, was, wie sie festgestellt hatten, bei den Sachakanern erstaunlich gut ankam.

Dannyl holte ein Glas unter dem Ladentisch hervor und füllte ein wenig von der hellroten Flüssigkeit hinein. Er schwenkte das Glas einige Male, damit der Wein atmen konnte, und reichte es dem Ashaki.

Der Ashaki trank einen vorsichtigen Schluck. Eine Weile verharrte er regungslos. Dannyl hoffte, den Mann zufriedengestellt zu haben. Er wollte lieber nicht wissen, was passieren würde, wenn er einen seiner Kunden versehentlich verärgerte.

„Ein ausgesprochen guter Wein", sagte er schließlich.

Erleichtert stieß Dannyl die Luft aus, die er angehalten hatte. „Das freut mich zu hören."

„Mich interessieren keine Neigungswinkel von Weinanbaugebieten", erklärte der Ashaki. „Euer Wein spricht für sich. Ich nehme zwei Kisten."

„Das macht dann sechzig Goldstücke."

„Für zwei Kisten Wein?" Der Ashaki betrachtete ihn empört. „Ich bezahle höchstens dreißig!"

„Es ist ein wirklich guter Jahrgang", sagte Dannyl. „Es gibt nicht mehr viele Flaschen davon. Fünfundvierzig und mein Mitarbeiter liefert ihn gratis in Euer Haus."

Der Ashaki winkte ungehalten ab. „Das ist nicht nötig", erklärte er und winkte zwei große, muskulöse Männer, deren entblößte Oberkörper von der Sonne gebräunt waren, herbei. „Wenn der Wein so gut ist, wie Ihr sagt, dann zahle ich vierzig und nicht mehr."

„Abgemacht." Dannyl hielt dem Ashaki die Hand hin. Der andere Mann schlug ein.

Während der Ashaki die vereinbarte Summe aus seinem Geldbeutel hervorholte, stellte Kito die beiden Kisten auf den Ladentisch. Sofort lud jeder Sklave sich eine Kiste auf die Schultern.

Grinsend steckte Dannyl das Geld fort. Er wollte sich nicht ausmalen, wie die Ashaki reagieren würden, wenn sie erfuhren, dass er sie übers Ohr haute, während er den großzügigen Händler spielte, der dabei war, Kunden für seinen neuen Markt zu gewinnen. Der sachakanische Wein war so schlecht wie sein Ruf und die Ashaki waren von Mayries Wein so begeistert, dass sie bereitwillig das Doppelte des tatsächlichen Preises zu zahlen bereit waren.

„Wir sollten für heute Feierabend machen", murmelte Kito, nachdem der Ashaki und seine Sklaven außer Hörweite waren. „Wir haben bereits zwei Drittel unserer Ware verkauft und wir wissen nicht, wie lange es noch dauert, bis wir die Audienz bekommen."

„Du hast recht", stimmte Dannyl zu. „Lass uns abbauen. Anschließend würde ich mir gerne den Rest des Marktes ansehen und nach ein paar Mitbringseln für zuhause schauen."

„Eine gute Idee." Kito strahlte unvermittelt. „Ich suche noch ein schönes Geschenk für Ginga und meine Tochter. Vielleicht finde ich auch etwas für meine Jungs."

Dannyl lächelte. „Dann sollten wir uns beeilen."

Sie verkorkten die angebrochenen Weinflaschen, verstauten ausgepackte Flaschen wieder in ihren Kisten und räumten die Auslage ihres Standes ab.

„Macht ihr zwei schon Feierabend?", fragte Santerne, als sie die ersten Kisten zurück auf ihren Wagen luden.

„Wir haben für heute genug verdient", antwortete Dannyl. „Jetzt wollen wir uns noch ein wenig den Markt ansehen."

„Elynischer Wein scheint sich gut zu verkaufen", bemerkte der Gewürzhändler.

Dannyl grinste. „Allerdings."

Eine halbe Stunde später hatten sie den Stand abgebaut und schlenderten zwischen den Buden und Ständen der Verkäufer her. Der Markt von Arvice war größer als die Märkte, die Dannyl aus Imardin oder Capia kannte. Es war jedoch auch der einzige seiner Art in ganz Sachaka. Von Nahrungsmitteln und Textilien über Dinge des Alltags bis hin zu Luxuswaren und Sklaven konnte man hier alles kaufen, was das Herz begehrte. Von Zeit zu Zeit erblickten sie Frauen, die auf Sänften von Sklaven über die Menge getragen wurden. Die überwiegende Mehrheit der Besucher waren indes Ashaki und ihre Sklaven.

Kito erstand eine Schachtel mit Konfekt, das mit Alutablütenwasser getränkt war. Der Verkäufer erklärte ihnen, dass dies eine Pflanze mit großen kelchförmigen Blüten war, die einen betörenden Geruch verströmten. Während sie langsam weitergingen, öffnete Kito die Schachtel und schob sich ein Stück Konfekt in den Mund.

„Hm", machte er genussvoll. „Das ist wirklich gut." Er hielt Dannyl die Schachtel hin. „Auch ein Stück?"

Stirnrunzelnd betrachtete Dannyl das klebrige Konfekt. Er nahm sich ein Stück heraus und probierte es vorsichtig. Die Süße war überwältigend. Er verzog das Gesicht.

„Danke, aber ich glaube, das ist nichts für mich", sagte er.

Kito grinste. „Dann bleibt mehr für mich."

Dannyl betrachtete den Vindo, der ein Stück Konfekt nach dem anderen vertilgte. Tayend würde sicher Gefallen daran finden, dachte er und nahm sich vor, seinem Gefährten eine Schachtel mitzubringen.

Vor einem Stand mit Ketten und Armreifen blieb Kito stehen. Mit glänzenden Augen betrachtete er die Auslagen. „Ich glaube, das könnte Ginga gefallen", sagte er auf eine aus Muscheln und Perlen gearbeitete Kette deutend. „Was meinst du?"

Dannyl widerstand dem Drang, die Schultern zu zucken. Er hatte nicht die geringste Ahnung, womit man das Herz einer Vindo-Frau erfreuen konnte. Er betrachtete die Kette näher. Die einzelnen Glieder waren aus Gold und filigran gearbeitet. Er versuchte sich die Kette am Hals einer Frau vorzustellen, wobei ihm jedoch nur Bel Fiore in den Sinn kam, was seiner Vorstellungskraft nicht gerade half.

„Kauf sie", sagte er schließlich. „Sie ist sehr schön."

Während Kito mit dem Verkäufer feilschte, ließ Dannyl seinen Blick über das Menschengewühl in der Gasse schweifen. Eine Gruppe Männer, den Gewändern nach zu urteilen Ashaki, passierte gerade ihren Stand.

„ … schon wieder Ichani im Palast", sagte einer der Männer. Er trug ein blau-goldenes Obergewand und war für einen Sachakaner überraschend hager und sehnig. „Sie kamen gestern an. Es ist eine Gruppe aus dem Norden, die vor einigen Jahren ein lockeres Bündnis eingegangen sind. Ihr Anführer ist Yirako."

Dannyl horchte auf. Er warf einen nervösen Blick zu Kito, der gerade sein Wechselgeld entgegen nahm.

„Hat Marikas Vater den Vater dieses Mannes nicht in die Ödländer verbannt, weil er versucht hat, ihn zu stürzen?", fragte einer seiner Begleiter.

Die Antwort konnte Dannyl nicht verstehen, weil plötzlich Kito neben ihm stand.

„Hinterher", murmelte der Vindo.

Dannyl nickte und folgte dem Auslandsadministrator, der bereits dabei war, sich unauffällig einen Weg durch die Menge zu bahnen, bis sie dicht hinter den Ashaki gingen.

„Marika muss wahnsinnig geworden sein, wenn er Yirakos Unterstützung bekommen will, um sich Kyralia zurückzuholen", sagte ein dritter Ashaki. „Die Kyralier haben nur zwei höhere Magier. Er bräuchte nicht einmal all seine Anhänger, um sie zu vernichten."

„Diese beiden höheren Magier haben acht Ichani im Alleingang besiegt", entgegnete der Ashaki mit dem blaugoldenen Obergewand. „Harko, mein Freund, der König wird nicht den Fehler machen, diese Kyralier zu unterschätzen."

„Zudem braucht der König eine möglichst große Anhängerschaft, um sich gegen seine politischen Gegner zu behaupten, wenn er sich Kyralia holt", fügte der andere Ashaki hinzu.

„Richtig", pflichtete der hagere Magier ihm bei. „Und er will seine Anhängerschaft bis zum Sommernachtsfest zusammenhaben. Denn je länger er wartet, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass die Gildenmagier weitere höhere Magier ausbilden. Sie sind nicht dumm, sie werden uns fürchten, weil sie ganz genau wissen, was sie uns vor siebenhundert Jahren angetan haben."

„Kachiro, was glaubt Ihr wie die Verhandlungen mit Yirakos Gruppe ausgehen werden?", fragte der dritte Ashaki. „Als Marikas engster Berater werdet Ihr doch sicher mehr Informationen als wir anderen haben."

Der in Blau und Gold gewandete Mann überlegte eine Weile. „Wenn er den Ichani im Gegenzug anbietet, sie wieder in die Gesellschaft aufzunehmen und ihnen Land in Kyralia zu geben, werden sie ihm wahrscheinlich ihre Hilfe zusagen", antwortete er schließlich. „Aber Yirako ist misstrauisch. Der König ist schneller darin, Ashaki auszustoßen, als ihnen zu verzeihen. Doch die Ashaki aus der Stadt und jene, die am Rande der Ödländer leben, werden dagegen protestieren. Besonders Letztere spekulieren auf ein neues Anwesen. Es wird sich wahrscheinlich nur um Tage handeln, bis Marika nach uns ruft, um sich mit uns zu beraten."

„Wenn diese Verhandlungen erfolgreich sind, wird Marika meine Unterstützung verlieren", erklärte Harko. „Ich werde ihn weiterhin beraten, aber mit diesem Ichani-Pack ziehe ich in keinen Krieg."

„Wir sollten Marika die Idee, Elyne ebenfalls zurückzuerobern attraktiv machen", schlug der dritte Ashaki vor. Dannyl zuckte unwillkürlich zusammen und er glaubte, die Worte nicht richtig verstanden zu haben. „Als Sachaka sich noch Großes Imperium nannte, gehörte das Land ebenfalls uns. Es ist zudem größer als Kyralia und hat ein gemäßigteres Klima. Die Winter in Kyralia sind hart und schneereich, habe ich mir sagen lassen. Zudem ist es der Sitz der Gildenmagier. Wenn wir sie vernichten, werden wir in Elyne auf nicht mehr viel Widerstand stoßen."

„Oder wir holen uns zuerst Elyne, stärken uns an der Bevölkerung und holen uns dann Kyralia", überlegte Kachiro.

„Eine Eroberung Elynes würde das Problem mit den Ländereien lösen", fügte Harko widerwillig hinzu. „Aber ich bezweifle, dass Marika sich dazu hinreißen lässt."

„Wenn das der einzige Weg ist, alle Parteien zu vereinen, wird er das in Erwägung ziehen", sagte Kachiro. „Denn er will nicht nur Vergeltung für den letzten Krieg und die Zerstörung unseres Landes, sondern auch Frieden und Wohlstand für alle Sachakaner."

Sie erreichten den Ausgang des Marktes. Dannyl und Kito ließen sich zurückfallen; in den Straßen von Arvice würde es schwieriger sein, den Ashaki weiter zu folgen. Zudem hatte Dannyl genug gehört.

„Elyne", hauchte er. „Ich kann es nicht fassen. Wenn das wirklich geschieht …"

„Dannyl", murmelte Kito. „Es tut mir leid. Aber diese Ashaki haben gar nicht so unrecht. Taktisch gesehen wäre es klug, erst Elyne zu erobern. Kyralia wäre dann von seinem Gegner umzingelt. Und die Sachakaner wären noch viel stärker."

„Nicht, wenn es uns gelingt, die Bevölkerung vorher zu evakuieren", wandte Dannyl ein.

Kito nickte. „Was diese Männer gesagt haben, ist bisher nicht viel mehr als Spekulation", versuchte er Dannyl zu beruhigen.

„Sie sind seine Berater", sagte Dannyl hilflos. „Du hast sie doch gehört."

„Ja." Kito seufzte. „Und deswegen werden sie auf der Straße nur über das sprechen, worüber der Rest der Stadt spricht: Vermutungen und Gerüchte. Wir können noch nicht wissen, ob Marika sich mit den Ichani einig wird. Wenn er sich mit ihnen verbündet, wird er vorsichtig vorgehen müssen. Denn er wird nicht die Unterstützung der Ashaki, die ihm loyal sind, verlieren wollen."

Das sah Dannyl ein. Nur langsam löste er sich aus der Starre, in die er aus Furcht, die Sachakaner könnten seine Wahlheimat angreifen, gefallen war.

Er sah zu Kito. „Du hast recht", sagte er. „Aber jetzt wissen wir auch, warum uns noch keine Audienz gewährt wurde."

Und sie wussten nun mit Sicherheit, dass die Sachakaner die Gilde fürchteten und wann Marika anzugreifen plante.


Sonea saß auf der Fensterbank in ihrem Studierzimmer und sah hinaus in den verschneiten Wald. Am Mittag waren noch winzige Schneeflocken zur Erde getaumelt, inzwischen hatten sich die Wolken jedoch aufgelöst und einen fahlblauen Winterhimmel offenbart, der am Horizont in einen Hauch von Rosa überging. Der Schnee auf den Bäume glitzerte in der schrägstehenden Sonne und von einem Ast rieselte ein feiner weißer Schleier, als zwei Squimps darüber jagten.

Ich kann einfach nicht glauben, dass die Winterferien schon zu Ende sind, dachte sie in einem Anflug von Bedauern. Während die erste Woche schöner gewesen war, als sie sich jemals erträumt hatte, hatte sich die zweite in einen Albtraum verwandelt. Sie würde alles für einen oder zwei weitere Tage von der Qualität der ersten Woche geben, bevor der Alltag wieder losging.

Sonea seufzte und schlug die nächste Seite des Buches auf ihrem Schoß auf. Es war das Buch, das Botschafter Dannyl im Sommer aus Elyne mitgebracht hatte. Trotz seiner Dicke hatte sie es bereits zur Hälfte gelesen, da sie es so interessant fand, dass sie sich kaum davon losreißen konnte. Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Wer hätte gedacht, dass ich mich eines Tages derart für schwarze Magie begeistern würde, dachte sie kopfschüttelnd.

Dannyls Buch war das letzte auf ihrer Liste. Obwohl ihr das Studium zu einem besseren Verständnis von ihrer und Akkarins Forschung verholfen hatte, bezweifelte Sonea, dass ihr dies zu einer Eingebung verhelfen würde, wie man Speichersteine herstellte.

Sich von dem Anblick der Winterlandschaft vor ihrem Fenster losreißend, wandte sie sich wieder ihrer Lektüre zu. Doch sie war nur wenige Seiten weitergekommen, als sie von einem Klopfen gestört wurde. Sofort wusste sie, dass es Akkarin war. Takan klopfte niemals mit dieser unterschwelligen Autorität, die es unmöglich machte, es zu ignorieren.

Sonea sah auf. „Komm herein", rief sie ihren Willen nach der Tür ausstreckend.

Akkarin betrat das Studierzimmer. Mit wenigen Schritten durchmaß er den Raum zum Fenster. Sonea sah, dass er eine lederne Mappe mit sich trug.

„Du bist nicht bei Luzille gewesen."

„Nein", antwortete sie ein plötzliches Unbehagen verspürend. „Ich hielt es für besser, den Termin mit ihrem Schneider zu verschieben."

Akkarin nickte. „Ich bin ohnehin der Ansicht, du solltest das nicht ohne Trassia tun. Sie könnte sich übergangen fühlen."

Wenn Sonea daran zurückdachte, wie ihre beste Freundin darauf reagiert hatte, dass sie sich mit Luzille angefreundet hatte, war das wahrscheinlich eine gute Idee. Zudem hatte sie Trassia bereits versprochen, dass sie ihr bei der Wahl ihres Kleides helfen durfte. Sie war jedoch erleichtert, weil Akkarin das Thema nicht vertiefen wollte.

„Wie war dein Sprachkurs?", fragte sie.

„Annehmbar." Er ließ einen Stuhl zum Fenster schweben und setzte sich. „Die Spione werden allmählich geschickter im Umgang mit der sachakanischen Sprache. In spätestens drei Wochen sollte Balkan sie nach Sachaka schicken können. Um ihren starken kyralischen Akzent abzulegen, würden sie jedoch noch ein mehrmonatiges Training benötigen."

„Reicht das denn aus?"

„Es genügt, um das meiste zu verstehen. Was ihre übrige Tarnung betrifft, so sind sie durch ihr Äußeres als Kyralier zu erkennen. Würden sie akzentfrei sprechen, würde das die Sachakaner misstrauisch machen."

Sonea nickte. „Ich bin neugierig, was sie herausfinden werden. Hoffentlich wird es weniger schlimm, als wir befürchten."

„Das hoffe ich auch", erwiderte er leise. Dann öffnete er die Mappe und zog mehrere Bögen Papier heraus. Sonea erkannte ihre Schrift wieder. „Ich habe deine Hausarbeit gelesen. Ich bin hier, um sie mit dir zu besprechen."

Sie erstarrte. „Ist sie so schlecht?"

Akkarin schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil. Deine Ideen haben mich beeindruckt."

Sonea starrte ihn an. Wenn er das sagte, dann musste es wirklich gelungen sein, ihn zu beeindrucken.

„Was ist daran so besonders?", wollte sie wissen.

„Du entwickelst meine Ansichten – und auch anscheinend die Lord Vorels – weiter und verknüpfst sie mit deinen eigenen Ideen. Nicht jeder Novize ist dazu in der Lage. Die meisten geben nur das wider, was sie von ihren Lehrern gelernt haben."

Sie lächelte verlegen und sah ihn an. „Das habe ich nur meinem Mentor zu verdanken", erwiderte sie. „Einen besseren als Euch könnte ich mir nicht vorstellen."

„Lass das nicht Rothen hören", sagte er streng.

Sonea verkniff sich ein Grinsen. Sie war sicher, Rothen war darüber hinweg. „Was, wenn es Lord Vorel nicht gefällt, dass meine eigenen Ideen zum Teil auf seinen basieren?", fragte sie dann. Nur weil Akkarin ihre Hausarbeit gefiel, musste das nicht auch bei ihrem Lehrer so sein.

„Das bezweifle ich." Akkarin zog einen weiteren Bogen Papier aus seiner Mappe. „Dein neuer Stundenplan. Nach dem Unterricht war ich noch bei Rektor Jerrik und habe ihn abgeholt. Sieh ihn dir bis morgen früh an."

Sonea verdrehte innerlich die Augen. „Ja, Lord Akkarin." Sie hatte ihre Disziplin gewählt und ihre Kurse standen fest, außer einigen Räumen und Zeiten würde sich kaum etwas daran geändert haben.

Er musterte sie durchdringend. „Vergiss es nicht", ermahnte er sie.

„Ich werde es ganz bestimmt nicht vergessen", versicherte sie ihm unwirsch. Dachte er das wirklich von ihr?

Akkarin nahm das mit einem Nicken zur Kenntnis. Sein Blick fiel auf das Buch auf ihren Knien. „Gefällt es dir?", fragte er. „Dafür, dass du es gestern angefangen hast, bist du erstaunlich weit gekommen."

„Ja, es ist sehr spannend", antwortete Sonea. „Einige Sachen, die dort drin beschrieben werden, würde ich gerne einmal ausprobieren."

„Das lässt sich einrichten", sagte Akkarin zu ihrer Freude. „Sag mir, welche Experimente dich interessieren und dann denke ich darüber nach, wie sie sich in unseren Unterricht integrieren lassen."

Sie strahlte. „Das wäre wundervoll!"

Akkarin bedachte sie mit seinem Halblächeln. „Leg das Buch jetzt zur Seite. Du solltest den Rest des Tages genießen."

Sonea sah ihn überrascht an. Rasch klappte sie das Buch zu und ließ es hinüber zum Schreibtisch schweben.

„Eine gute Idee."

„Das werden deine Freunde sicher auch denken. Ich bin sicher, vorhin eine Kutsche mit dem Incal der Familie Winar gesehen zu haben."

Sonea erstarrte. Sie hatte erwartet, er wolle Zeit mit ihr verbringen. Dass er sie zu ihren Freunden schickte, erinnerte sie schmerzlich daran, was die Jagd nach den Sachakanern angerichtet hatte.

„Sonea, möchtest du deine Freunde nicht begrüßen? Ihr habt euch zwei Wochen nicht gesehen."

„Ich sehe sie doch morgen."

„Im Unterricht", erwiderte er mit einem Anflug von Missbilligung. Er erhob sich und schritt vor dem Fenstersims auf und ab. „Sonea, wenn ich von einem deiner Lehrer höre, dass du seinen Unterricht benutzt, um private Konversation zu betreiben, wird das nicht ohne Konsequenzen bleiben."

Sie verdrehte die Augen. „Ja, Lord Akkarin. Ich habe verstanden."

Er musterte sie durchdringend. Dann nickte er.

„Es ist nur …", begann sie und brach ab. Akkarins Missinterpretation ihrer Reaktion verwirrte sie, bis sie den Grund dafür erkannte. Und sie erstarrte. Ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein, hatte sie wieder begonnen, ihre Gedanken vor ihm abzuschirmen. Akkarin würde eine Wahrheitslesung durchführen müssen, um zu wissen, was sie dachte. Das ist nicht gut, dachte Sonea. Es erschwerte ihr nicht nur ihre Kommunikation, sondern zeigte ihr, dass ihre Vertrautheit noch nicht wieder vollständig hergestellt war.

So sollte es nicht sein.

„Ich meine … es ist der letzte Tag der Winterferien …", fuhr sie unsicher fort.

Akkarin betrachtete sie eine Weile nachdenklich. „Sonea, dazu ist nach dem Abendessen noch Zeit", sagte er dann überraschend sanft.

„Was ist mit unseren Experimenten?"

„Wir haben während der Ferien fast jeden Tag experimentiert. Ein freier Abend wird unserem Fortschritt nicht schaden."

„Was, wenn du in die Universität musst?"

Erheitert hob Akkarin die Augenbrauen. „Dann habe ich keine Zeit."

Sonea grinste. Sie sah zum Fenster. Die Unterkante der Sonne berührte gerade die Baumgerippe. „Ich sollte mich beeilen", sagte sie und stand auf. „Damit die Zeit bis zum Abendessen für private Konversation ausreicht."

Sie wollte gehen, doch Akkarin hielt sie fest. Er beugte sich zu ihr hinab und küsste sie behutsam auf die Lippen.

In einem Anflug von Schuldgefühl erkannte Sonea, dass sie das vergessen hatte. Rasch schlang sie ihre Arme um ihn und drückte ihn so fest an sich, wie sie nur konnte. „Bis heute Abend."

„Viel Spaß", wünschte er.

„Danke."

Draußen sog sie tief die klare Winterluft ein. Die Sonne war bereits hinter den Bäumen versunken. Um keine Zeit zu verlieren, schlug Sonea ein schnelles Tempo an. Ein wenig widerwillig musste sie zugeben, sich auf das Wiedersehen mit ihren Freunden zu freuen. Ob Trassia ebenfalls zurück war? Es würde ihr gut tun, mit ihrer Freundin zu sprechen. Zudem brannte Sonea darauf zu erfahren, was die Novizen aus den Häusern unternahmen, wenn sie in den Ferien nach Hause fuhren.

Als sie die Novizenquartiere erreichte, fand sie Lord Ahrind mit einem Notizbuch und einer ausgesprochen mürrischen Miene am Eingang stehend vor.

„Was willst du hier?", herrschte er sie an.

„Ich möchte zu Trassia von Haron, Haus Dillan", antwortete Sonea, darum bemüht, höflich zu bleiben. „Ist sie bereits zurück?"

„Ja", antwortete er knapp. „Mädchenflügel, erster Stock, Zimmer zwölf. Du musst es alleine finden, ich habe heute schon genug zu tun. Diese ganzen neuen Novizen." Er musterte sie abschätzig. „Noch mehr von deinesgleichen."

„Wie meint Ihr das?", fragte Sonea betont unschuldig. „Bekommt die Gilde etwa Zuwachs an schwarzen Magiern?"

Lord Ahrinds Gesicht verfinsterte sich. „Wenn sie dazu würden, würde mich das nicht wundern", brummte er. „Und nun verschwinde."

Sonea unterdrückte ein Kichern und betrat das Novizenquartier.

Auf dem Weg zu Trassias Zimmer begegnete sie allenthalben Novizen, denen mit Koffern bepackte Diener folgten. Sie grüßten Sonea ehrfurchtsvoll und eilten dann rasch weiter. Einige Novizen, die neu aussahen, starrten ihr mit offenen Mündern hinterher. Eine Gruppe älterer Mädchen stand auf dem Flur und diskutierte aufgeregt.

„ … Cousine Elea war zu Besuch", sagte gerade eine Stimme, die ihr nur allzu vertraut war. „Mit diesem Elyner, den sie im letzten Jahr geheiratet hat. Mir ist fast die Vorspeise hochgekommen, als sie während des Dinners von seinen Sexpraktiken erzählt hat. Diese Elyner sind schlimmer als Enkas!"

Sonea runzelte die Stirn und sah sich nach dem Mädchen um, das gesprochen hatte. Es war Veila.

Und du willst Akkarin heiraten?, fuhr es ihr durch den Kopf. Hastig schlug sie eine Hand vor den Mund, darum bemüht, nicht lauthals zu lachen. Sie wusste nicht, wie es die Elyner taten, aber sie war sicher, es konnte nicht schlimmer sein, als dass was sie und Akkarin trieben. Und sie war ziemlich sicher, dass das Veila nicht gefallen würde.

Dafür gefiel es ihr umso mehr. Weil sie Akkarin absolut vertraute. Sie war dumm gewesen, das überhaupt anzuzweifeln.

Sie widerstand dem Drang, das Gespräch weiter zu belauschen und eilte weiter den Flur entlang, bevor die Novizinnen sie entdeckten.

„Was genau machen sie denn?", hörte sie noch eine von Veilas Freundinnen fragen. „Ich habe nur gehört, dass dort auch Männer mit Männern und Frauen …"

Dann bog Sonea um eine Ecke und die Novizinnen waren außer Hörweite.

Sie hatte kaum an Trassias Tür geklopft, als die diese aufging.

„Sonea!", rief ihre Freundin und flog ihr um den Hals. „Ist das schön, dich wiederzusehen! Wie waren deine Ferien?"

„Abwechslungsreich", antwortete Sonea nach Luft ringend. „Aber das ist eine lange Geschichte."

„Einige Novizen behaupten, du und Lord Akkarin hättet zwei Sachakaner gejagt", sagte Trassia aufgeregt. „Ist das wahr?"

„Das ist sicher eines der spannenderen Details", antwortete Sonea innerlich die Augen verdrehend. Wenn schon die Novizen davon wussten, wie würden dann erst die Magier reagieren? Die Ereignisse der Ferien waren nicht lange ein Geheimnis geblieben, weil Ikaros Ausbruch aus dem Gefängnis und die darauffolgende Jagd in der Stadt für Aufregung gesorgt hatten. Zu Soneas Erleichterung schienen alle indes zu glauben, sie und Akkarin hätten auch Savara getötet. Den Sturm der Empörung, wenn die Wahrheit über dieses Detail herauskam, wollte sie lieber nicht ausmalen. Zumal das die Wahrscheinlichkeit erhöhte, dass die Nachricht irgendwie bis zu den Sachakanern drang. Bis jetzt wussten nur die höheren Magier davon und das war auch gut so.

„Du musst mir unbedingt alles erzählen", verlangte Trassia.

„Du wirst alles erfahren", versprach Sonea. Bis auf den Teil mit Isara. „Doch lass uns zuerst zu Regin gehen. Er wird die Geschichte auch hören wollen."

Trassias Augen weiteten sich. „Ist er denn schon wieder zurück?"

„Ja."

Ihre Freundin strahlte. „Einen Augenblick noch." Sie löste die Spange, mit der sie ihre langen dunklen Locken zusammenhielt, und fuhr sich durch die Haare. Sonea beobachtete sie mit wachsender Ungeduld und Verwunderung.

„So", sagte Trassia schließlich, nachdem sie sich in einem Spiegel ausgiebig von ihrem Äußeren überzeugt hatte. „Lass uns gehen."

Sonea atmete innerlich auf. Ihr war nie bewusst gewesen, wie viel Wert Trassia auf ihr Äußeres legte.

Wenig später erreichten sie Regins Tür. Aus seinem Zimmer waren Stimmen und Gelächter zu hören. Sonea glaubte, Kanos Lachen zu erkennen, das immer so klang, als hätte er Winterhusten.

„Oh, er hat schon Besuch." Trassia zögerte. „Lass uns wieder gehen. Wir können ihn auch morgen fragen, wie seine Ferien waren."

„Jetzt komm schon", drängte Sonea. „Das sind doch nur seine Freunde."

Trassia zögerte.

„Ich mag sie auch nicht besonders, aber ich werde da jetzt trotzdem anklopfen", sagte Sonea entschieden. Für ihren Geschmack hatte sie schon zu viel von ihrer Zeit bis zum Abendessen vergeudet, als sie Trassia beim Frisieren zugesehen hatte. „Wenn du sie nicht sehen möchtest, kannst du ja wieder in dein Zimmer gehen. Anschließend komme ich dann zu dir und wir erzählen uns einander von unseren Ferien."

Trassia verzog das Gesicht. „Ich glaube, ich komme doch mit."

Sonea nickte und klopfte. Die Stimmen verstummten augenblicklich.

„Wer ist da?", hörten sie Regin rufen.

„Wir sind's", rief sie zurück.

Die Tür schwang auf. Sonea und Trassia traten in den kleinen Raum. Regin saß rittlings auf seinem Stuhl, während sich Kano und Alend auf dem Bett lümmelten. Als er die beiden Novizinnen erblickte, weiteten sich seine Augen.

„Oh, Damenbesuch!", feixte Alend. „Und dann gleich zwei auf einmal. Die Ferien müssen ja entsetzlich lang gewesen sein!"

„Du vergisst, dass Sonea bereits vergeben ist", wandte Kano ein.

„Stimmt", fiel Alend ein. „Aber vielleicht braucht sie ein wenig Abwechslung und will wissen, wie es mit einem Mann ist, der etwas jünger …"

Sonea bedachte ihn mit einem finsteren Blick, der den Novizen auf der Stelle zum Schweigen brachte. „Du tätest besser daran, in meiner Gegenwart deine Zunge zu hüten", sagte sie scharf.

„Ich glaube, ich gehe lieber", sagte Trassia zaghaft.

Innerlich die Augen verdrehend wandte Sonea sich ihr zu. Die Wangen ihrer Freundin waren rosa angelaufen. Energisch griff sie nach Trassias Handgelenk.

Du bleibst hier, sandte sie. Ich werde schon mit denen fertig.

Trassia zuckte kurz zusammen, erhob jedoch keinen Einspruch.

„Genug jetzt!", herrschte Regin seine beiden Freunde an. „So charmant, wie ihr beiden seid, werdet ihr nie eine Frau finden. Los, verschwindet! Ihr könnt später wiederkommen."

Kano und Alend trollten sich, jedoch nicht ohne ihr unflätiges Gekicher zu unterdrücken. Sonea verdrehte die Augen. Nach zwei ereignisreichen Wochen kam ihr die Welt der Novizen reichlich kindisch vor. Sie hatte völlig vergessen, wie albern sie sein konnten, doch irgendwie hatte sie das auch ein wenig vermisst.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung", sagte Regin, nachdem die Tür hinter Kano und Alend ins Schloss gefallen war. Er seufzte theatralisch. „Die beiden haben einfach zu viele Flausen im Kopf." In einer großzügigen Geste wies er zum Bett. „Setzt euch doch."

Sonea und Trassia setzten sich auf die inzwischen völlig zerwühlte Bettdecke. „Tu nicht so, als hättest du niemals Flausen im Kopf", sagte Sonea.

Regin machte ein unschuldiges Gesicht. „Ich? Niemals!"

Sie bedachte ihn mit einem vielsagenden Blick. „Wir beide kennen die Wahrheit, Regin von Winar."

Ihre Freund ignorierte ihre Bemerkung. „Wie kommt es, dass ihr mich mit eurem Besuch beehrt?", fragte er. Sein Blick wanderte von Sonea zu ihrer Freundin und verharrte dort. Anscheinend hatte auch er Trassia noch nie mit offenen Haaren gesehen.

„Oh, wir wollten nur fragen, wie deine Ferien so waren", sagte Trassia, die ihr Selbstbewusstsein offenbar wiedergefunden hatte. „Wie war es bei deiner Familie?"

„Toll", antwortete er Regin. „Mein Vater und ich sind mehrmals zur Jagd ausgeritten. Mit der Vallookzucht meines Vaters, versteht sich. Mein Onkel wollte uns eigentlich auch für ein paar Tage besuchen, aber er hatte in der Gilde zu tun." Er seufzte. „Ich hatte mich schon auf lange Abende gefreut, an denen wir Kyrima spielen."

„Kyrima ist gut", sagte Sonea. „Akkarin hat es mir in den Ferien beigebracht. Aber ich bin nicht sehr gut, fürchte ich. Bis jetzt schlägt er mich dabei fast jedes Mal."

Regin lachte. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen!"

„Oh, wenn du wüsstest", brummte Sonea.

„Wir sollten bei Gelegenheit einmal gegeneinander spielen." Er betrachte sie feixend. „Ich würde gerne sehen, ob du wirklich so schlecht bist, wie du behauptest."

Sonea verdrehte die Augen. Sollte das etwa ein Wettkampf werden?

„Meinetwegen", gab sie nach, weil sie ahnte, er würde sie damit nerven, bis sie sich darauf einließ. Es brauchte sie nicht kümmern, wenn sich dabei herausstellte, dass er besser als sie war und sie anschließend vor der gesamten Gilde damit aufzog. Schließlich konnte sie ihn mühelos in der Arena besiegen. „Nächsten Freitag?"

Ihr Freund nickte. „Wehe du drückst dich darum!"

„Das habe ich nicht nötig, Regin."

Er verzog das Gesicht, dann schenkte er ihr sein charmantestes Lächeln. „Und jetzt erzähl uns davon, wie ihr diese Sachakaner gejagt habt", verlangte er.

Sonea warf einen fragenden Blick zu Trassia.

„Erzähl du nur", sagte ihre Freundin. „Meine Erlebnisse sind bei weitem nicht so aufregend. Das kann warten."

„Also gut." Sonea lächelte und erzählte ihren Freunden von ihren Ferien. Obwohl das neue Halbjahr noch nicht begonnen hatte, schienen unter den Novizen bereits die wildesten Gerüchte über die Jagd nach den Sachakanern zu kursieren. Sie wollte jedoch, dass Regin und Trassia erfuhren, was wirklich geschehen war. Sie hielt nur die privaten Details zurück.

„Ihr habt die Frau laufenlassen?", rief Trassia entsetzt, als sie von Savaras Verhör berichtete.

„Ja." Sonea nickte grimmig. „Zuerst hat mir das auch nicht gefallen, aber durch sie werden wir vielleicht erfahren, was die Sachakaner planen." Besser als durch die anderen Spione, fügte sie in Gedanken hinzu. Niemand außer ihr und den höheren Magiern wusste von den Händlern, die als Spione ausgebildet wurden.

„Dafür habt ihr doch sicher Ärger bekommen?"

„Die höheren Magier waren nicht gerade begeistert. Doch als wir ihnen Bericht erstattet haben, hatte Savara schon längst die Stadt verlassen. Und im Nachhinein fanden sie Akkarins Idee gar nicht so schlecht."

Regin lachte. „Kein Wunder, dass mein Onkel sich immer so über Akkarin aufregt", bemerkte er. „Egal, was er tut, die Gilde kann dem nicht viel entgegensetzen. Er hat zu viel Macht."

Sonea verkniff sich eine passende Erwiderung. Sie wusste, ihr Freund hatte recht.

„Aber nun genug davon", bestimmte sie. „Bitte behaltet das alles für euch."

„Natürlich werden wir das!", erklärte Trassia.

„Nachdem du mich beschuldigt hast, deine Beziehung mit Akkarin herumerzählt zu haben, kann ich mir Besseres vorstellen", fügte Regin trocken hinzu.

Wenn Savaras Geheimauftrag in der Gilde die Runde machen, würde Regins Onkel dafür verantwortlich sein. Obwohl Garrel sich seit seiner missglückten Intrige damit zurückhielt, ihr und Akkarin zu schaden, war er noch immer schnell darin, sie beide zu verurteilen. Zudem war er nicht gerade für seine Verschwiegenheit bei skandalträchtigen Themen bekannt.

Regin hatte indes aus seinen Fehlern gelernt und log sogar für sie. Und Trassia würde vermutlich alles tun, was Sonea von ihr verlangte. Sie verspürte einen jähen Anflug von Zuneigung für ihre beiden Freunde. Wer hätte gedacht, dass ich jemals so treue Freunde außerhalb der Hüttenviertel finden würde?

„So, jetzt ist aber Trassia an der Reihe", sagte Sonea. Sie sah zu ihrer Freundin. „Also, wie waren deine Ferien?"

„Oh, da gibt es nicht viel zu erzählen." Trassia lächelte verlegen. „Auf unserem Anwesen gibt es einen See. Im Winter gehen wir dort immer eislaufen. In den Ferien war ich mehrmals mit meinen Brüdern dort. Allerdings scheinen sie unter Eislaufen inzwischen etwas anderes zu verstehen." Sie verzog das Gesicht. Dann leuchteten ihre dunklen Augen auf. „Und, oh, an einem Tag sind wir ausgeritten. Das war richtig schön. Überall lag Schnee auf den Hügeln und die Sonne hat darauf geschienen. "

„Also ich weiß nicht, was an Reiten so besonders sein soll", murmelte Sonea.

„Das sagst du doch nur, weil die höheren Magier dich nicht aus der Gilde lassen", warf Regin ein.

Sie schüttelte den Kopf. „So habe ich wenigstens eine Ausrede, warum ich es nicht kann."

„Du kannst nicht reiten?", rief Trassia und Regin sagte: „Das solltest du aber dringend ändern!"

„Oh, ein wenig kann ich es schon." Sonea zuckte die Achseln. „Nur eben nicht besonders gut."

„Egal. Es ist wichtig, dass du es lernst. Selbst, wenn du die Gilde wirklich niemals wieder verlassen darfst, was ich übrigens bezweifle."

„Und warum?", fragte Sonea. Wen überhaupt würde das interessieren?

Regin schüttelte ungläubig den Kopf und warf einen hilfesuchenden Blick zu Trassia. „Also wirklich, Sonea. In drei Monaten heiratest du in eines der ältesten und mächtigsten Häuser von Kyralia ein, was für sich genommen schon ein Skandal ist, wenn man deine Herkunft bedenkt. Aber genau deswegen ist es wichtig, dass du alles kannst, was du können würdest, wärst du in einem der Häuser aufgewachsen."

Sonea starrte ihn an. „Ist das dein Ernst?"

Sicher wollte er sie nur aufziehen. Akkarin hatte nie erwähnt, dass er dergleichen von ihr erwartete. Sonea hegte indes den Verdacht, dass es ihn nicht kümmerte, was seine Familie oder die übrigen Angehörigen seines Hauses davon hielten, dass er eine Frau niederer Herkunft heiraten würde. Genaugenommen hatte er noch nie über seine Familie gesprochen und sie hatte ihn auch nicht gefragt. Doch, was wenn ihre Herkunft zu einem Problem wurde?

Regin zwinkerte ihr zu. „Vertrau mir."

Trassia berührte ihren Arm. „Wenn du willst, werden wir dir helfen, alles zu lernen, was du können musst."

Sonea unterdrückte ein Seufzen. Ihre Freunde schienen das ernst zu meinen. Wie sollte sie da bloß wieder rauskommen?

„Danke", sagte sie sich zu einem Lächeln zwingend. „Ich werde darauf zurückkommen."

Insgeheim nahm sie sich jedoch vor, genau das nicht zu tun.