Kapitel 34 – Savaras Geschichte
Entsetzt starrte Sonea die schöne Sachakanerin an. Wieso kannte sie Akkarin? Und woher? Er hatte nicht gewusst, dass sie im Sommer in der Stadt gewesen war. Also musste er sie von früher kennen. Sie konnte spüren, dass die beiden eine gemeinsame Vergangenheit verband. Und das verstörte sie.
War Savara die Sklavin, die er einst geliebt hatte?
Ein eifersüchtiger Stich durchfuhr Sonea. Nein, das konnte nicht sein. Er hatte gesagt, er hatte sie sterben sehen. Aber was, wenn er das nur bildlich gemeint hatte? Was, wenn sie irgendwie die Freiheit erlangt und zu einer Ichani geworden war? Denn wie sonst hatte sie in Sachaka zu einer schwarzen Magierin werden können?
Und was bedeutet das dann für mich?
Wären sie überhaupt zusammen, hätte Akkarin gewusst, dass seine Geliebte noch am Leben war?
Und würde er sie für diese Frau verlassen?
Mit einem Mal hatte Sonea das Gefühl, ihn überhaupt nicht zu kennen. Und das entsetzte sie.
Wenn ich seinen Ring benutze, um einen Blick auf seine Oberflächengedanken zu erhalten, werde ich es wissen, fuhr es ihr durch den Kopf. Es wäre so einfach.
Denk nicht einmal daran!, wies sie sich zurecht.
Es kümmerte Sonea nicht, dass Akkarin ihre Gedanken kannte, sofern sie sich nicht um etwas drehten, das ihn nichts anging. Auf eine gewisse Weise war es sogar beruhigend und tröstlich. Seit dem Tag, an dem sie seine Novizin geworden war, wusste er alles über sie. Und seit dem „Unfall" waren ihre Gedanken für ihn wie ein offenes Buch.
Seine Gedanken ohne seine Erlaubnis zu lesen, stand indes außer Frage. Nicht nach allem, was er durchlitten hatte. Sonea wollte nicht alles über ihn wissen. Sie war gewiss, dadurch würde Akkarin etwas von dem einbüßen, was ihn für sie so attraktiv machte. Doch dieses Mal musste sie es wissen. Sie spürte, dass es wichtig war. Der Blutring war eine verführerische Option. Aber das wäre einem unverzeihlichen Vertrauensbruch gleichgekommen.
Sie trugen diese Ringe, um während dieser Jagd miteinander zu kommunizieren. Nicht um einander auszuspionieren.
- Sonea!
Sie zuckte zusammen. Akkarin hatte einen Schild um sie beide errichtet und begonnen, die beiden Sachakaner anzugreifen. Gleißende Magie erhellte die Häuserfronten, summte in ihren Ohren und drängte die Schatten zurück. Mit einem Mal verspürte sie Schuldgefühle, weil sie ihren Part vernachlässigt hatte. So wie damals vor der Universität.
- Hörst du mir zu?
Akkarin klang ungehalten.
- Tut mir leid, ich war in Gedanken.
- Das ist ein schlechter Zeitpunkt zum Träumen. Greif Ikaro an und versuche, Cery zu befreien.
Cery? Sich umblickend erfasste Sonea die Situation und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Während Savara von Akkarin abgelenkt gewesen war, hatte Ikaro die Gelegenheit nicht ungenutzt gelassen und ihren Freund als Geisel genommen, ein Messer an dessen Kehle.
„Cery!"
Instinktiv griff sie nach ihrer Magie und attackierte Ikaro mit Hitzeschlag. Der Sachakaner lachte und konterte mit Feuerschlag. Savara sagte etwas zu ihm, das in Soneas Ohren sehr hitzig klang. Sie hätte nicht sagen können, ob die Sachakanerin wütend war oder ob es an der fremden Sprache lag. Ikaros Antwort war kühl und herablassend. Die Kälte in seiner Stimme ließ Sonea erschaudern.
- Wenn du das erledigt hast, hilf mir mit Savara, sandte Akkarin.
- Und wie soll ich das machen?, dachte Sonea. Wäre Ikaro kein Magier, so hätte sie vielleicht einen Weg gefunden. Doch während sie versuchte, seinen Schild zu durchbrechen, konnte dieser mit Cery alles machen.
- Ja, Lord Akkarin, antwortete sie dennoch. Sie wollte die Verbindung unterbrechen, doch dann fiel ihr wieder ein, was Cery in Osens Büro gesagt hatte. Sieh dich vor ihrem Messer vor.
Akkarin erwiderte nichts darauf. Er ließ ihre Hand los und griff Savara an. Im selben Augenblick spürte Sonea, wie sich ein Teil seiner Präsenz aus ihr zurückzog, dessen Anwesenheit sie sich nicht bewusst gewesen war.
Sonea schnappte nach Luft. Ohne ein Wort zu verlieren, hatte er die Kontrolle über das, was er durch ihren Blutring erfahren konnte, auf das Notwendigste beschränkt. Zugleich war es eine Warnung an sie, sich zu hüten, etwas anderes als das mit seinem Ring zu tun.
Oh, warum muss das ausgerechnet jetzt passieren?, dachte Sonea, während Ikaros Angriff gegen ihren Schild prallte. Für einen kurzen Moment war sie zu betäubt, um den Angriff zu erwidern.
Die ganze Nacht hatten sie die Stadt nach zwei Sachakanern durchsucht. Sie war müde, hungrig und erschöpft. Und sie befanden sich mitten in einem Kampf, der nicht nur sie und Akkarin, sondern auch ihren besten Freund das Leben kosten konnte. Der Augenblick war denkbar ungünstig für Beziehungsprobleme.
Er muss seine Torheit erkennen und lernen, seine Gefühle zurückzustellen, hatte Akkarin gesagt, als sie nur wenige Stunden zuvor durch die Tunnel in die Stadt gegangen waren. Ein solcher Fehler kann ihn mehr als nur seinen Ruf kosten.
Was für Cery gegolten hatte, galt nun auch für sie. Akkarin würde nicht erfreut sein, wenn er herausfand, wie sehr ihre Gefühle sie gerade abzulenken drohten. Nun, vielleicht wusste er es bereits. Sonea hoffte, das würde ihm zu denken geben. In jedem Fall würde sie ihn, wenn das hier vorbei war, zur Rede stellen.
Ihre Gefühle beiseiteschiebend konzentrierte sie sich auf ihre Aufgabe und attackierte Ikaro mit doppelten Kraftschlägen, während sie fieberhaft nach einer Strategie suchte, um Ikaro dazu zu bringen, von Cery abzulassen. Akkarin lieferte sich derweil ein erbittertes Duell mit seiner Gegnerin.
„Dieses Mal bringst du mich nicht um meine Belohnung!", zischte die Sachakanerin mit ihrem schweren, fremdländischen Akzent, als Sonea ihren Gegner mit einem aufgesplitteten Feuerschlag dazu zu bringen versuchte, sich zu erschöpfen.
Ein Hitzeschlag raste auf ihren gemeinsamen Schild zu. Sonea spürte mehr, als dass sie es sah, wie Akkarin den Schild vor sich manipulierte und den Angriff zurück auf Savara warf.
„Wenn du deinen Auftrag nicht erfüllst, hast du keine Belohnung verdient", entgegnete er kalt. „Ich werde nicht zögern, dich zu töten."
Sonea erschauderte, ob dem unterdrückten Zorn in seiner Stimme. Was hatte die Frau ihm angetan, dass er ihr so viel Hass entgegenbrachte?
Weiße Magie züngelte von Savaras Handflächen. „Das werden wir sehen", sagte sie und griff mit einer Reihe starker Kraftschläge an.
Beunruhigt von der Wucht ihres Angriffs gab Sonea mehr Magie in den Schild. Die nächsten Angriffe der Sachakanerin prallten wirkungslos davon ab, doch sie abzuwehren hatte Sonea mehr Magie gekostet, als ihr lieb war. Mit leisem Entsetzen erkannte sie, dass Savara eine sehr starke Gegnerin war. Worin auch immer ihr Auftrag bestand, sie war bereit, dafür zu töten.
- Geh!, befahl Akkarin. Du musst Ikaro von Cery trennen.
- Aber sie ist zu stark für dich, wandte Sonea ein. Wollen wir denselben Fehler wie die Sachakaner machen?
- Sonea, ich komme zurecht. Dein Angriff auf Ikaro wird sie ablenken und verwundbar machen. Und jetzt tu, was ich dir sage und hilf deinem Freund.
Sonea gehorchte widerwillig und ließ Akkarin mit der Frau allein. Seine Anweisung mochte ihr nicht gefallen, aber strategisch betrachtet machte sie Sinn. Als sie den gemeinsamen Schild verließ, spürte sie, wie Akkarin diesen um sich zusammenzog. Es fühlte sich wie ein weiterer Bruch in ihrer Vertrautheit an.
Meine Beziehung muss warten, bis wir die beiden erledigt haben, sagte sie sich. Außerdem bin ich mit Ikaro noch nicht fertig. Er hat Kyralier getötet. Darunter Voril und Darren.
Bei der Erinnerung an den fröhlichen, jungen Krieger durchzuckte sie ein schmerzhafter Stich. Nein, dieser Mann hatte nichts als den Tod verdient. Es durften keine weitere Menschen durch seine Hand sterben. Und es lag in ihrer Hand, ob Cery der Nächste war.
Sonea warf einen Blick zu dem hünenhaften Sachakaner. Nicht nur seine Größe war einschüchternd. Aus Akkarins Bericht über Ikaros Festnahme wusste sie, dass er sein mangelndes Kampfgeschick mit brutaler Stärke ausglich und darüber hinaus auch ohne Magie gewaltbereit und gefährlich war. Wie sollte sie ihn von ihrem Freund trennen? Das war etwas, das sie noch nie in der Arena geübt hatten.
Ich muss es versuchen, sagte sie sich. Ohne Ikaros Tricks zu kennen, konnte sich jede Strategie als Fehler herausstellen. Aber das würde sie erst wissen, wenn sie sie ausprobiert hatte. Sie sammelte sich einen Augenblick, dann griff sie Ikaro mit einer Reihe von Hitzeschlägen an, während sie Akkarin und die Sachakanerin hinter sich ließ.
„Lass Cery sofort frei!", verlangte sie.
„Lässt du mich dann entkommen?"
„Nein. Aber dein Tod wird weniger qualvoll sein."
Ikaro lachte und drückte das Messer in Cerys Hals. Nur einen Augenblick später traf ein Feuerschlag ihren Schild.
Sonea konterte mit einem Feuerschlag ihrerseits, den sie kurz vor Ikaros Schild in eine Vielzahl schwacher Betäubungsschläge aufteilte. Ich muss irgendwie unter seinen Schild kommen, dachte sie, während sie versuchte, anhand des Musters, das die Betäubungsschläge auf Ikaros Schild hinterließen, eine Schwachstelle zu finden. Aber wie sollte sie unter seinen Schild kommen, wenn er ihren Freund bedrohte? Alle Möglichkeiten, die ihr einfielen, waren zu gefährlich. Sie konnte erst frei handeln, wenn er Cery freigab.
Fieberhaft versuchte sie, sich an die zahlreichen Stunden in der Arena mit Balkans Kriegern zurückzuerinnern. Es war ihr und Akkarin etliche Male gelungen, die Krieger zu trennen. Oft hatten sie sich dabei aufgeteilt und die Runde dennoch gewonnen. Allerdings war eine große Gruppe leicht zu teilen, weil sie nur schwer zu koordinieren war. Sonea wollte sich nicht ausmalen, wie viel schwieriger es wäre, würden Ikaro und Savara gemeinsam kämpfen.
„Er hat kein magisches Potential", sagte sie zu Ikaro. „Lass ihn gehen. Er ist dir nicht von Nutzen."
Der Sachakaner lachte erneut und zog Cery zu den Pferden. „Wenn ich sterbe, wird er mit mir sterben."
Sonea setzte ihm nach, während sie seinen Schild unaufhörlich mit doppelten Kraftschlägen attackierte, in der Hoffnung ihn davon abzuhalten, die Pferde zu erreichen. Die Tiere scheuten und kämpften gegen die Zügel, die sie an den Laternenpfahl fesselten, als Magie in ihre Richtung gestreut wurde.
Sonea fluchte.
„He, Ikaro!", rief sie. „Du tätest besser daran, einen wütenden Yeel nicht zu ignorieren!"
Der Sachakaner hielt inne und wandte sich zu ihr um. Seine Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen. „Wie niedlich!", rief er mit unverhohlenem Spott. „Wie oft hast du deinen Meister verführt, damit er dich höhere Magie lehrt?"
Der neuerliche Zorn war überwältigend. Offenkundig hielt dieser Barbar sie für so etwas wie Akkarins Bettsklavin.
„Komm doch her und finde heraus, wie viel ich ihm wert bin!", gab sie zurück, während sie ihn unerbittlich weiter attackierte.
- Er benutzt Cery um die Pferde zu erreichen, sandte sie an Akkarin. Er versucht, zu fliehen.
- Bevor er flieht oder Cery zu schaden kommt, töte die Pferde.
Sonea erwiderte nichts darauf. Sie wusste, ihr würde möglicherweise keine andere Wahl bleiben. In einem Anflug von Verzweiflung griff sie erneut mit doppeltem Kraftschlag an.
Ikaro lachte, rührte sich jedoch nicht von der Stelle. „Wenn du ihm so viel bedeuten würdest, hätte er dich nicht geschickt, mich zu töten."
Das traf. So sehr, dass Sonea es einen Augenblick lang für die Wahrheit hielt. Akkarin weiß, wie viel er mir zumuten kann, sagte sie sich. Er würde mir zur Hilfe eilen, wenn ich ernsthaft in Gefahr wäre.
„War dir nicht klar, was du für ihn bist?", höhnte Ikaro weiter, während Hitzeschläge auf ihren Schild prasselten. „Während seiner Zeit in Sachaka ist er auf den Geschmack gekommen. Du bist für ihn nur ein Spielzeug."
Sonea stieß eine Reihe von üblen Flüchen aus, von denen sie geglaubt hatte, sie vergessen zu haben. Was bildete dieser Barbar sich ein? Woher überhaupt wollte er über ihr Liebesleben bescheid wissen? Und sie war ganz sicher kein Spielzeug!
Der Zorn nahm ihr fast den Atem. Von einem dunklen Feuer erfüllt, griff sie nach ihrer Magie und attackierte Ikaro mit brutaler Stärke.
- Sonea, er will dich provozieren, damit du dich erschöpfst, sandte Akkarin.
Sie antwortete nicht darauf. Plötzlich wusste sie nicht mehr, was sie überhaupt noch glauben sollte. Ihre ganze Welt schien zusammenzubrechen. Diese Nacht hatte sich in einen nicht enden wollenden Albtraum verwandelt. In nur wenigen Stunden hatten die beiden Sachakaner bereits mehr Schaden angerichtet, als Sonea je für möglich gehalten hatte.
- Sonea, wenn es dir nicht gelingt, ihn davon zu überzeugen, Cery freizugeben, musst du versuchen, ihn abzulenken und unter seinen Schild zu kommen.
- Wie?, fragte sie ungehalten.
- Ah, ich denke, du weißt wie.
Sonea lächelte grimmig, als er ihr ein Bild von drei Ichani auf dem Platz vor der Universität sandte. Damals hatte sie den Schild gehalten. Seit jenem Tag hatte sie es etliche Male getan, meist zum Ärger von Balkan und seinen Kriegern. Aber sie hatte dabei noch nie ihr Messer eingesetzt.
Entschlossen schob sie das mit dieser Erkenntnis verbundene Unbehagen beiseite. Anders als damals war sie nun im Vorteil. Ikaro mochte gefährlich sein. Und Akkarins Vorhaben war ohne Zweifel riskant. In seiner Überraschung über den Angriff konnte Ikaro die Kontrolle über seine Hand mit dem Messer verlieren. Sonea sah jedoch keinen besseren Weg.
Ich habe die bessere Ausbildung, rief sie sich ins Gedächtnis. Und ich habe die Magie aus dem Dome. Ich bin ihm überlegen.
Ihren Willen ausstreckend wirbelte sie den Schnee auf. Dann griff sie Ikaro mit Gedankenschlag an. Rasch warf sie ihr Messer in den Schnee und dirigierte es durch die undichte Stelle zu Ikaros Füßen, während sie ihn mit einem zweiten Gedankenschlag attackierte, der den Sachakaner für einen kurzen Augenblick in völlige Verwirrung trieb.
Ikaro zuckte zusammen, als ihn das Messer in den Rücken traf. Er stieß Cery zu Boden.
Sonea verlor keine Zeit. Sie ließ den Schneesturm verebben und schickte gleich mehrere, dicht aufeinander folgende Kraftschläge hinterher, von denen einer allein für einen gewöhnlichen Magier bereits tödlich gewesen wäre. Ikaros Schild löste sich auf, ein weiterer Kraftschlag schleuderte den Sachakaner mehrere Schritt durch die Luft, fort vom Kampfgeschehen.
Jetzt hast du bekommen, was du verdienst, dachte Sonea.
Savara stieß ein wütendes Zischen aus. Sie wandte sich zu Sonea und griff sie mit Feuerschlag an. Der Angriff war so heftig, dass Sonea instinktiv mehr Magie in ihren Schild gab. Der Laternenpfahl brach, als die Pferde sich losrissen und davongaloppierten.
„Was hast du getan?", rief die Sachakanerin.
Sonea betrachtete sie kühl. „Das, wozu die Gilde mich geschickt hat."
„Du hast ihn umgebracht!"
„Natürlich habe ich das."
Und gleich bist du an der Reihe.
Savara zischte etwas, das in ihrer Sprache zweifelsohne ein Fluch oder eine Beleidigung war, und attackierte Sonea mit einem Hagel von Feuerschlägen. Von der anderen Seite der Sachakanerin rückte Akkarin allmählich vor und versuchte, ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Sein Gesichtsausdruck war hart und entschlossen.
- Geh zu Ikaro und stell sicher, dass er wirklich tot ist, sandte er. Schnell, bevor er die Kontrolle über seine Magie verliert. Und dann sieh nach Cery. Ich werde Savara so lange beschäftigen.
Sonea rannte zu dem reglosen Sachakaner, Savaras Angriffe prallten von ihrem Schild ab, doch sie ignorierte sie. Noch im Laufen zog sie ihren Dolch.
Sie ließ sich neben Ikaro auf die Knie fallen, erweiterte ihren Schild um sie beide und machte einen Schnitt an seinem Hals. Gerade noch rechtzeitig, wie sie erkannte. Rasch presste sie eine Hand auf die Wunde und nahm Ikaros verbleibende Kraft in sich auf. Es war nicht viel, doch es glich ein wenig von dem aus, was sie in diesem Kampf verloren hatte.
Schaudernd erhob sie sich und wischte den Dolch an ihrer Robe ab. Sie hatte es tatsächlich getan.
- Ich hasse es, das zu tun.
- Es musste sein, sandte Akkarin.
- Trotzdem mag ich es nicht.
- Ich wäre unglücklich, würdest du es mögen.
Sonea lächelte humorlos. Seine Worte weckten die verrückte Hoffnung in ihr, dass sie sich doch nicht in ihm getäuscht hatte, und verdrängten für einen Augenblick das Entsetzen über das, was sie soeben getan hatte.
Dann wandte sie sich zu Cery. Als sie die Blutlache sah, die sich neben ihm im Schnee ausbreitete, erkannte sie den wahren Grund, warum Savara sie gerade angegriffen hatte und ihr Herz setzte einen Schlag aus.
„Cery!"
Das war's also, dachte Cery. So fühlt es sich also an, wenn man stirbt. Der Schmerz an der Stelle, wo der Sachakaner ihm das Messer in den Leib gestoßen hatte, war nur dumpf zu spüren, so wie der kalte Boden unter ihm. Dafür konnte er umso deutlicher spüren, wie das Leben aus ihm herausfloss. Er fand, er war zu jung zum Sterben.
Er hatte immer geglaubt, er würde durch die Hand eines Konkurrenten oder eines seiner zahlreichen Feinde sterben. Aber nicht durch einen schwarzen Magier. Ohne magisches Potential fiel er aus deren Beuteschema. Der Sachakaner hatte ihn nur benutzt, weil er versucht hatte, zu entkommen.
Wär' ich doch mit den Pferden verschwunden, als Akkarin und Sonea in das Haus gegangen sind!, fuhr es ihm durch den Kopf. Doch er wusste, er wäre nicht gegangen. Es war nicht seine Art, sich zu verstecken und die Kämpfe der Magier gehörten zu den Dingen, die er sich nicht entgehen lassen konnte.
Und er hatte zumindest versuchen müssen, Akkarin und Sonea davon abzuhalten, Savara zu töten.
„Cery!"
Sanfte Hände rollten ihn auf den Rücken und berührten seine Stirn. Sonea. Ein angenehmes Gefühl breitete sich in ihm aus. Sterben war gar nicht so übel, wie er immer geglaubt hatte.
„Du bist schwer verletzt", hörte er seine Freundin sagen. Ihre Hand griff durch das Loch, dass Ikaros Messer in seiner Kleidung hinterlassen hatte. „Ich werde dich heilen."
„Nein", brachte er mühsam hervor. „Lass mich liegen. Versprich mir nur, dass ihr Savara kurz und schmerzlos tötet."
„Nein, nein, nein", widersprach Sonea heftig und das angenehme Gefühl wurde stärker. „Ich lasse dich nicht sterben. Es tut mir so leid, dass ich nicht aufgepasst habe. Ich hätte verhindern können, dass er dich als Geisel nimmt. Aber Savara …"
„Es ist in Ordnung. Ich hätt' ihn mit meinen Messern erledigen können, aber dann wären wir alle draufgegangen. Und die halbe Straße."
„Oh, Cery!"
Allmählich spürte Cery, wie seine Sinne zurückkehrten. Sein Sichtfeld wurde klar, das Rauschen in seinen Ohren verebbte und plötzlich spürte er, dass er fror.
Sonea ließ von ihm ab. „Deine Verletzung ist geheilt", sagte sie. „Aber du hast viel Blut verloren. Das heißt, du wirst jetzt schwach sein. Ich werde nachher dafür sorgen, dass sich dein Blut schneller zurückbildet. Aber jetzt muss ich Akkarin helfen." Sie erhob sich und streckte eine Hand aus.
Cery griff danach und ließ sich von ihr auf die Füße ziehen. Ich bin am Leben, erkannte er noch immer ungläubig. Sie hat mich geheilt! Und er hatte gedacht, er würde sterben!
„Danke", sagte er. Er fühlte sich noch immer benommen und ihm schwindelte, als habe er zu viel Bol getrunken. Die eisige Nachtluft schien seine Lebensgeister nur ungenügend wiederzubeleben. Schaudernd hüllte er sich fester in seinen Mantel.
Sonea berührte kurz seinen Arm. „Bring dich in Sicherheit. Du hast für heute genug den Helden gespielt. Und halt dich warm."
Cery verzog das Gesicht. Es war nicht sein erster Kampf zwischen Magiern. Und Savara würde ihn nicht töten, dessen war er noch immer sicher. Er hatte gehört, wie die beiden Sachakaner sich während des Kampfes gestritten hatten. Zumindest hatte es sich so angehört. Sicher hatte es ihr nicht gefallen, dass Ikaro ihn als Geisel genommen hatte.
Er klopfte Sonea auf die Schulter. „Pass auf dich auf."
Sie nickte nur. Als sie sich dem Kampf zwischen Akkarin und Savara zuwandte, versteinerte sich ihre Miene. In ihren Augen loderte ein dunkles Feuer, das Cery erschaudern ließ. Mit einem Mal fürchtete er sie.
Während er in einen Hauseingang zurückwich, griff Sonea die schöne Sachakanerin an. Obwohl diese sich nun nach zwei Seiten verteidigen musste und sich dabei tapfer schlug, war Cery sicher, Savara würde nicht mehr lange durchhalten. Nicht nach dem vorangegangenen Duell mit Akkarin. Und dann würde sie wie ihr Komplize sterben.
Bei dem Gedanken fühlte Cery sich elend. Was Savara auch getan haben mochte – wie sollte er es ertragen, wenn sie starb?
Sie ist ein Squimp, rief er sich ins Gedächtnis. Und die Diebe hatten ihre eigenen Methoden, Squimps zu bestrafen. Savara hatte keine Sonderbehandlung verdient, bloß weil sie sich einst geliebt hatten.
Nein, korrigierte er sich. Sie hat mich manipuliert und das nicht zum ersten Mal.
In einem Anflug von Zorn und Ohnmacht erkannte Cery, dass sie ihn dazu gebracht hatte, ihren Tod nicht zu wünschen, so wie er ihn bei jedem anderen Squimp gewünscht hätte. Als Savara ihn das erste Mal verraten hatte, hätte er diesbezüglich weniger Skrupel gehabt. Aber sie hatte ihre lange Trennung ausgenutzt, um seine Gefühle für ihre Zwecke zu missbrauchen. Und er war darauf hereingefallen.
Selbst jetzt, wo auch seine letzten Zweifel an ihrer Schuld beseitigt waren, konnte Cery den Gedanken an ihren Tod kaum ertragen. Es fühlte sich an, als würde er sie gleich zweimal verlieren. Und obwohl er wusste, er sollte sie für ihren neuerlichen Betrug hassen, weigerte sich ein Teil von ihm beharrlich, so zu empfinden.
Mit dem Gefühl, sich in einem absurden Traum zu befinden, beobachtete er, wie Sonea und Akkarin gegen Savara kämpften. Magie gleißte zwischen den Kämpfenden und erfüllte die Gasse mit einem unwirklich grellen Licht. Hin und wieder wurden Savaras Angriffe auf sie zurückgeworfen, während andere sie von allen Seiten trafen oder hinter einer ersten Salve verborgen waren.
Wie auf eine wortlose Absprache griffen Sonea und Akkarin nahezu gleichzeitig an. Savara blieb keine Zeit, auf beide zu reagieren. Die Luft um sie herum begann zu flimmern und zu glühen, bis Savara in eine leuchtende Kugel eingehüllt war, während die Luft um die Gildenmagier nur schwach unter Savaras Angriffen aufleuchtete.
Das muss ihr Schild sein, dachte Cery entsetzt und fasziniert zugleich. Es war nicht das erste Mal, dass er Sonea und Akkarin in Aktion sah, und jedes Mal war er wie von neuem gebannt.
Dann traf etwas die Kugel um Savara wie eine unsichtbare Faust. Mit einem Ausdruck des Entsetzens wich sie zurück.
Akkarin und Sonea setzten ihr nach und drängten sie mit weiteren Angriffen gegen eine Hauswand, wobei sie den Abstand zueinander mehr und mehr verringerten. Als sie nur noch wenige Schritt voneinander entfernt waren, streckte Akkarin seine Hand nach Sonea aus. Sonea griff danach und ließ sich an seine Seite ziehen. Unter Savaras verzweifelten Versuchen, sich gegen die beiden zu wehren, sah es aus, als würden ihre Schilde der beiden schwarzen Gildenmagier zu einem verschmelzen.
Die Luft um Savara wurde still. Sie wich sie weiter zurück, bis ihr Rücken gegen die Hauswand stieß. Savaras Kiefermuskeln verhärteten sich und sie zog ihr Messer, bereit sich damit zu verteidigen.
„Versuch es gar nicht erst!", zischte Sonea.
Ein kleiner roter Blitz schoss auf Savara zu, dann wurde die Luft um die drei Magier still.
Sonea hatte selten einen solchen Zorn empfunden. Ikaros Versuch Cery zu töten, seine Provokationen, Savara, Akkarins seltsames Verhalten, die von ihr gemachten Fehler – es war alles und nichts davon. In dieser Nacht hatte sie ein zweites Mal zu spüren bekommen, wie gefährlich es war, im Kampf nachlässig zu sein und sich von den eigenen Gefühlen ablenken zu lassen. Wieder einmal wäre deswegen beinahe jemand gestorben.
Akkarin duellierte sich noch immer mit Savara. Sonea scheiterte jedoch daran zu glauben, dass er nicht mit ihr fertig wurde. Er kämpfte geschickt genug, als dass er sie schon längst hätte töten können. Sonea erstarrte. Wollte er die Sachakanerin überhaupt töten? Sie konnte nahezu spüren, dass da etwas war, das ihn davon abhielt. Etwas Persönliches. Und das war der Grund, warum er Ikaro ihr überlassen hatte.
Reiß dich zusammen!, befahl sie sich. Du kannst dich um deine Beziehung kümmern, wenn das hier vorbei ist.
Entschlossen richtete sie ihren Willen auf ihr Blutjuwel.
- Was soll ich tun?
- Bleib, wo du bist und hilf mir mit Savara. Die Verteidigung nach zwei Seiten wird sie unaufmerksam machen.
- Soll ich den Trick von vorhin wiederholen?
- Nein.
Sonea gefror das Blut in den Adern. Hatte sie richtig vermutet? Wollte Akkarin die Frau nicht töten? Falls dem so war, dann war es an ihr, Balkans Befehl auszuführen.
- Sie wird jetzt darauf vorbereitet sein, sandte Akkarin. Solange ich nichts anderes sage, greif sie an, wie es dir beliebt.
Sie gehorchte widerwillig. Die Erklärung genügte ihr nicht, doch Akkarin hatte recht, Savara würde diesen Trick nun kennen. Sie hatte im Sommer genug Zeit gehabt, die Gilde auszuspionieren. Vermutlich kannte sie die Kampfweise der Magier inzwischen besser, als gut für diese war. Aber sie konnte nicht wissen, was sie und Akkarin jede Woche in der Arena übten. In einem Anflug von Frustration erkannte sie, dass sie zu wütend war, um eine gute Strategie zu ersinnen. Sie hatte keine Lust auf Spielchen. Alles, was sie wollte, war diese Frau zu vernichten.
Sie kanalisierte all ihre Wut und griff Savara mit brutaler Stärke an.
- Sonea, pass auf, dass du dich nicht erschöpfst, warnte Akkarin.
- Dann mach einen Vorschlag, gab sie zurück.
- Erinnerst du dich an deine Winterprüfung?
Sonea lächelte grimmig. Sie und Akkarin hatten damit den letzten Rest von Balkans Kriegern damit in den Wahnsinn getrieben, nachdem die übrigen sich erschöpft hatten.
- Hitzeschlag auf mein Kommando.
- Verstanden, erwiderte sie nur.
Während sie Savara beschäftigte, beobachtete sie Akkarin aus den Augenwinkeln. Etwas schwach Blaues entstand zwischen seine Händen und raste auf Savaras Schild zu.
- Jetzt!
Sofort formte Sonea einen Hitzeschlag ihrerseits und griff die Sachakanerin an. Zu ihrer Befriedigung hatte ihre Strategie Erfolg. Während es Savara gelungen war, Akkarins Angriff abzuwehren, war ihrer so kurz darauf gefolgt, dass es die Sachakanerin unvorbereitet getroffen hatte. Sofort schickte Akkarin einen zweiten Angriff hinterher.
Die Augen der Sachakanerin weiteten sich und sie wich zurück. Sonea verspürte einen grimmigen Triumph. Doch dann wurde sie wieder ernst.
Obwohl der Schild der Sachakanerin unter den unaufhörlichen Angriffen zu schwächeln begann, setzte sie sich weiterhin zur Wehr, auch wenn es ihr offenkundig Schwierigkeiten bereitete, sich nach zwei Seiten zu verteidigen.
- Hilf mir, sie gegen die Hauswand zu treiben.
- Ja, Lord Akkarin.
Wieder und wieder griff Sonea die Sachakanerin mit Angriffen wie dem vorherigen an, während sie sich langsam auf Akkarin zu bewegte und Savara weiter zurückwich.
Als sie und Akkarin nur noch wenige Schritt voneinander entfernt waren, streckte er eine Hand aus. Sonea griff danach und ließ zu, dass er sie zu sich zog. Ihre Schilde berührten einander und vereinten sich zu einem. Das Gefühl von Vertrautheit fehlte indes noch immer. Entschlossen schob Sonea ihren Schmerz beiseite und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Kampf. Sie hatten Savara beinahe besiegt. Sie durfte jetzt nicht nachlässig werden.
Nur wenige Augenblicke später brach Savaras Schild endlich zusammen. Zu Soneas Entsetzen zog die Sachakanerin jedoch ihr Messer.
„Versuch es gar nicht erst!", entfuhr es Sonea. Sie griff nach ihrer Magie.
„Nicht", murmelte Akkarin.
Sonea wollte protestieren, doch Akkarin streckte die Sachakanerin mit Betäubungsschlag nieder.
„Nein!" Cery taumelte aus dem Hauseingang, in den er sich zurückgezogen hatte, und warf sich vor Savara. „Tötet sie nicht! Bitte!"
Akkarin ließ Soneas Hand los. Ihr gemeinsamer Schild löste sich auf. „Ceryni, geh weg von ihr."
Cery betrachtete ihn empört, auf seiner Stirn glänzte Schweiß, der Sonea daran erinnerte, das sie ihn noch nicht vollständig geheilt hatte.
„Nein. Erst müsst Ihr mich töten."
„Cery, du solltest lieber tun, was er sagt", sagte Sonea vorsichtig. „Hör auf, dein Leben zu riskieren. Sie ist es nicht wert." Sie warf Akkarin einen unsicheren Blick zu und fragte sich, was er jetzt tun würde. Würde er Gewalt anwenden, um ihren Freund von der Frau wegzuholen? Würde er Savara überhaupt töten? Sie glaubte, ihn noch nie schlechter gekannt zu haben.
„Du hast mein Wort, Ceryni", sprach Akkarin. „Ich werde Savara nicht töten. Zumindest noch nicht. Und jetzt geh zur Seite."
Nur mit sichtlichem Widerwillen erhob Cery sich taumelnd und trat dann neben Sonea.
Akkarin zog seinen Dolch und ließ sich neben ihr nieder. Dann nahm er ihre Kraft.
„Er wird sie töten", wisperte Cery und drückte Soneas Arm. „Bitte tu' doch was."
„Wir haben den Befehl dazu", erwiderte Sonea sanft. Es tat ihr weh, ihrem Freund das anzutun. Obwohl Savara ihn verraten hatte, hatte er noch immer Gefühle für sie. Sie fragte sich, ob Akkarin genauso empfand. Bei diesem Gedanken zog sich etwas in ihr schmerzvoll zusammen und sie musste dem Drang widerstehen, den Ring zu benutzen, um es herauszufinden. „Es tut mir so leid, Cery."
Er wandte ihr den Kopf zu. „Wenigstens bist du noch die Alte."
Sonea runzelte die Stirn. „Wieso sollte ich nicht?"
Ihr Freund wirkte verlegen. „Vorhin als du Ikaro erledigt hast, hast du mir 'nen ziemlichen Schrecken eingejagt. Das war wild."
Bei der Erinnerung an ihren Kampf mit Ikaro verspürte Sonea Übelkeit aufsteigen. Zum ersten Mal überhaupt hatte sie Karikos Trick vollständig angewandt. Sie hatte Cery fast verloren. Doch noch schlimmer waren Ikaros Worte. Sie wusste noch nicht, wie viel Glauben sie ihnen schenken sollte. Vielleicht war es besser, erst darüber nachzudenken, wenn sie ein wenig Abstand gewonnen hatte.
Es darf mich nicht berühren, sagte sie sich. Das ist unprofessionell. Wie sollen Akkarin und ich die Gilde beschützen, wenn unsere Gefühle zwischen uns stehen?
Sich ein schiefes Lächeln abringend sah sie zu Cery. „Wenn du das schon zum Fürchten fandest, dann hast du mich noch nie in der Arena erlebt, wenn ich wütend war!"
„Vielleicht sollte ich das mal tun", murmelte er.
Sonea nickte nur und erstarrte, als die Sachakanerin sich zu regen begann und Akkarin von ihr abließ.
„Wir müssen sie töten. Worauf wartest du noch?"
Die Worte waren heraus, bevor sie sich davon abhalten konnte. Neben ihr keuchte Cery leise auf.
Akkarin wandte sich um, sein Blick war hart, als er zu ihr aufsah. „Nicht bevor ich sie verhört habe. Die Gilde wünscht, dass wir herausfinden, was sie über Marikas Pläne weiß."
Sonea schluckte ihren Protest hinunter. Das hier war nicht der richtige Zeitpunkt für einen Streit.
„Dann finde heraus, was sie weiß", sagte sie schroffer, als sie beabsichtigt hatte.
Akkarin musterte sie kühl. Dann wandte er sich wieder zu Savara.
Sonea unterdrückte ein Seufzen. Würde sie aus diesem Albtraum jemals erwachen? Immer wenn sie glaubte, es könne nicht noch schlimmer kommen, wurde es trotzdem noch schlimmer.
Wie betäubt beobachtete Sonea, wie Akkarin seine Finger auf die Schläfen der Frau presste. Savara bäumte sich auf. Sofort wurde sie von einem unsichtbaren Kraftfeld wieder zu Boden gedrückt. Sonea hatte am eigenen Leib erfahren, wie weit Akkarin diese Technik, um einen Gegner zu fesseln, perfektioniert hatte. Das bekam sie oft genug in der Arena zu spüren. Und nicht nur dann …
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Hatte Ikaro recht gehabt? Nein, das konnte nicht sein!
Es wird sich nicht auf unser übriges Leben auswirken, hatte Akkarin ihr damals gesagt. Doch du sollst wissen, ich würde das nicht von dir verlangen, wenn ich nicht in deinen Gedanken gesehen hätte, dass es dir ebenfalls danach verlangt.
Sonea wurde kalt.
Konnte es sein, dass er sie die ganze Zeit über nur benutzt hatte? Aber wozu hatte er sich dann so viel Mühe gegeben, dass es ihr auch gefiel? War das eine geschickte Täuschung gewesen, damit sie sich ihm willig hingab? Hatte er ihre unanständigen Phantasien für seine eigenen Zwecke genutzt? Aber hatte sich doch so sehr geliebt gefühlt!
„Er tut ihr weh", flüsterte Cery neben ihr entsetzt und riss Sonea damit aus ihren düsterten Gedanken.
„Sie ist selbst schuld, wenn sie sich wehrt", entgegnete sie ungerührt.
Savara stöhnte gequält. Auf ihrer Stirn glitzerten Schweißtropfen. Akkarin griff unter ihren Nacken und Savara entfuhr ein weiterer qualvoller Laut. Als er seine Hand hervorzog, hielt er ein kleines, grünes Juwel zwischen blutverschmierten Fingern. Er legte es zur Seite und fuhr mit dem Verhör fort. Eine halbe Ewigkeit verging, dann holte er einen roten Stein unter ihrer Kleidung hervor und hielt ihn eine lange Weile mit konzentrierter Miene umschlossen. Dann durchsuchte er Savara erneut und zog ein zweites Blutjuwel aus einer ihrer Taschen. Er schloss seine Hand um beide Glassteine und richtete sich auf. Dann sagte er etwas auf Sachakanisch und schoss einen Strahl roter Magie auf Savara.
Cery entfuhr ein Schrei. Er wollte zu Savara laufen, doch Sonea riss ihn zurück.
„Nicht", sagte sie.
Wie gelähmt beobachtete sie, wie Akkarin das Verhör fortsetzte. Die Enttäuschung darüber, dass er Savara nicht getötet hatte, entsetzte Sonea. Aber nicht, weil die Sachakanerin eine kaltblütige Killerin war.
Sondern weil sie jetzt mit absoluter Sicherheit zu wissen glaubte, warum er sie verschont hatte.
Akkarin hatte nicht gelogen, als er gesagt hatte, er habe sie sterben sehen. Nicht direkt zumindest. Seine Worte waren symbolischer Natur gewesen. Savara war in dem Augenblick für ihn gestorben, als sie zu dem geworden war, was sie jetzt war. Sonea verstand nur noch nicht, wie es dazu gekommen war.
Aber es konnte nicht anders sein.
Endlich trat Akkarin zu ihnen. Für ließ sein Blick Sonea das Blut in den Adern gefrieren, dann war seine Miene so undurchdringlich und distanziert wie eh und je.
Er nickte Cery zu. „Geh zu ihr", sagte er sanft. „Sie braucht dich jetzt."
Cery stieß hörbar die Luft aus. „Danke", brachte er hervor und eilte an Savaras Seite.
„Sonea, ist alles in Ordnung?"
Akkarins Stimme schien wie aus weiter Ferne zu kommen. Sonea zwang sich zu atmen und griff nach ihrer Magie, um den Schwindel zu heilen. Dann wandte sie sich ihm zu.
„Warum hast du sie leben lassen?", verlangte sie zu wissen.
„Weil sie uns noch nützlich sein kann."
In einer rebellischen Geste schob sie ihr Kinn vor und sah herausfordernd zu ihm auf.
„Uns?", wiederholte sie.
Er betrachtete sie kühl. „Warte ab, was sie zu sagen hat. Sie erwacht gleich."
Sonea warf einen Blick zu ihrem Freund und der Sachakanerin. Sie wusste nicht, was sie mehr verstörte. Akkarins Unterkühltheit oder Cerys Sorge um diese Frau. Diese Jagd hatte eine Wendung genommen, die ihr ganz und gar nicht gefiel. Es war wie in einer dieser elynischen Komödien, die sie einmal im Geschichtsunterricht besprochen hatten. Nur dass sie jetzt die Hauptrolle darin spielte.
Schließlich fasste Akkarin ihren Arm und führte sie zu ihrem Freund und Savara.
Savaras Augenlider zuckten und sie begann sich zu regen. „Cery", flüsterte sie. Ihre mandelförmigen Augen glänzten. „Es tut mir so leid."
„Warum, Savara?", fragte er fassungslos. „Warum hast du das getan?"
„Es war mein Auftrag."
„Gehörte dazu auch, dass dein Komplize mich fast abgemurkst hätte?"
„Nein. Er hat eigenmächtig gehandelt. Ich konnte ihn nicht aufhalten. Es tut mir leid."
„Savara", sagte Akkarin. „Erzähl deinem Freund und Sonea, was du mir soeben erzählt hast."
Savara betrachtete ihn hasserfüllt. Dann lächelte sie resigniert. „Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, wenn ich nicht wieder von Euch gefoltert werden will, Lord Akkarin", sagte sie schmeichelnd.
Akkarin verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist richtig."
Die Sachakanerin setzte sich auf. Sie schloss einen Moment die Augen, als wenn sie noch benommen wäre. Als sie sie wieder öffnete, wirkte sie unwillig wie ein kleines Kind.
„Vor ungefähr drei Monaten nahm König Marika Kontakt zu meinem Volk auf", begann sie. „Er brauchte jemanden mit speziellen Fähigkeiten, um einen Geheimauftrag auszuführen, ohne dabei Fragen zu stellen. Es musste jemand sein, der mit Kyralia vertraut war. Weil ich im Sommer bereits unerkannt in Imardin war, wurde ich für diese Mission auserwählt. Man sagte mir, ich solle einen Ashaki namens Ikaro ausfindig machen und nach Arvice bringen, damit er sich vor dem König verantwortet, weil er ihm den Gehorsam verweigert und in Kyralia unerwünschtes Aufsehen erregt hatte, bis schließlich der Kontakt zu ihm abbrach. Ich machte mich also auf den Weg und versuchte, Ikaro aufzuspüren. Ich nahm an, dass er in Imardin untergetaucht war, weil er dort am wenigsten auffallen würde. Also kam ich hierher und bat Ceryni, mich zu verstecken."
Sie stockte und warf einen flehenden Blick zu Soneas Freund. „Es tut mir so leid, dass ich dich angelogen habe, Ceryni", sagte sie mit brüchiger, aber dennoch lieblicher Stimme. „Bitte verzeih mir."
Die Augen der Sachakanerin waren feucht. Dennoch war irgendetwas an ihr falsch. Lass dich nicht von ihr täuschen, Cery, dachte Sonea. Das ist nur ein Trick.
„Du hast mein Vertrauen zum zweiten Mal missbraucht", erwiderte ihr Freund hart. „Du weißt, was die Diebe mit Squimps tun. Und so wie's aussieht, bist du momentan nicht in der Lage, durch deinen Tod Schaden anzurichten."
Savara sog zitternd die Luft ein und schloss die Augen.
„Ich bin kein Squimp, Ceryni", wisperte sie. „Ich hatte meine Befehle. Es tut mir leid."
„Genug Liebesgeflüster", fuhr Sonea die andere Frau an. „Erzähl uns, was du getan hast, seit du in der Stadt bist."
Savara funkelte sie an. „Oh, es muss dich ja nahezu um den Verstand bringen, dass dein Geliebter und ich uns von früher kennen", zischte sie.
„Genug!", ging Akkarin dazwischen. „Du tätest besser daran, zu kooperieren."
Savara zog einen Schmollmund.
„Erzähl Sonea und Ceryni auch den Rest deiner Geschichte."
Die Lippen der schönen Sachakanerin verzogen sich zu einem Schmollmund. Unwillkürlich fragte Sonea sich, wie viele Männer schon auf sie reingefallen waren.
„Ich habe Ceryni erzählt, ich wäre aus meiner Heimat geflohen, weil ich wegen etwas angeklagt worden wäre, das ich nicht getan habe. Ich wusste, er würde mich aufnehmen und mir eine zweite Chance geben." Savara sah erneut zu Cery. „Nach einer Weile begann ich, heimlich die Stadt zu erkunden. Es dauerte nicht lange, bis ich herausfand, dass Ikaro seiner Magie beraubt im Stadtgefängnis eingekerkert war. Einen Plan zu erfinden, wie ich ihn befreie, ohne Aufsehen zu erregen oder Blut zu vergießen, brauchte dagegen weitaus mehr Zeit, da Cery mich zu meinem eigenen Schutz bewachen ließ.
„Cery versprach mir jedoch, mich mindestens einmal pro Woche in die Stadt zu begleiten. Oft war er dabei auch im Dienst unterwegs. Während dieser Ausflüge habe ich versucht, möglichst viel über das Gefängnis und seine Sicherheitsvorkehrungen in Erfahrung zu bringen. Als ich schließlich einen Plan hatte, kamen die Schneestürme. Es war nahezu unmöglich, Ikaro zu befreien und heimlich die Stadt zu verlassen, weil Cery wollte, dass ich die ganze Zeit in seinem Versteck verbringe."
„Und kaum waren die Winterstürme vorbei, hast du die nächstbeste Gelegenheit ergriffen, wo du sicher warst, dass ich für'n paar Stunden aus'm Weg bin", warf Cery wütend ein.
Savara schlug die Augen nieder. „Ja", flüsterte sie. „Es tut mir so unendlich leid, Cery."
„Warum sagtest du vorhin zu Akkarin, dass er dich wieder um deine Belohnung gebracht hätte?", verlangte Sonea zu wissen.
Savara blickte zu ihr auf, ein durchtriebenes Funkeln in ihren Augen.
„Sie ist eine Söldnerin", erklang Akkarins tiefe Stimme neben ihr. „Sie macht alles, vorausgesetzt die Bezahlung stimmt. Von ihresgleichen existiert eine ganze Gruppe, die in den Bergen von Sachaka lebt. Sie arbeiten gleichermaßen für den König und für die Ichani, oder wer auch immer ihnen genug Geld bietet. Sie nennen sich selbst die Verräter. Der Name hatte einst einen anderen Ursprung, doch inzwischen ist er äußerst passend."
Sonea glaubte, eine Spur von Verachtung aus seiner Stimme zu hören. Überrascht sah sie zu ihm auf. Anscheinend ging es hier um mehr, als sie anfangs geahnt hatte.
„Savara", flüsterte Cery. „Bitte sag, dass das nicht wahr ist."
„Ich fürchte, es ist wahr", antwortete Savara.
Cerys Seufzer schien aus den Tiefen seines Herzen zu kommen. Sonea betrachtete ihn voll Mitgefühl. Er hatte diese Frau geliebt und sie hatte ihn erneut verraten. Steckte überhaupt ein Funken Ehrlichkeit in ihr?
„Wir waren nicht immer so", beteuerte Savara. „Es gab uns schon vor dem letzten Krieg mit eurem Land. Eigentlich helfen wir Frauen in Not, wovon es in Sachaka mehr als genug gibt. Unser Volk lebt an einem geheimen Ort in den Bergen, aber wir haben auch überall im Land unsere Leute stationiert. Auf diese Weise sind wir stets über das Geschehen in Sachaka informiert und können schnell handeln, um Frauen von ihren Männern oder Meistern zu befreien.
„Aber damit machen wir uns den König und seine Ashaki zum Feind. Damit sie uns nicht jagen, arbeiten viele unserer Magierinnen, als Söldner für die Mächtigen Sachakas, während die übrigen noch immer für unsere eigentlichen Ziele kämpfen. Nur so konnten wir bis heute überleben."
Cery sah zu Akkarin. „Ist das wahr?"
Akkarin nickte finster. „Allerdings sind die meisten ihrer Söldnerinnen zu moralischem Handeln und Mitgefühl fähig, was man von Savara und ein paar anderen nicht gerade sagen kann."
Damit haben sie sogar ihr eigenes Volk verraten, dachte Sonea entsetzt. Wie konnte etwas, das aus so guten Motiven entstanden war, so verdorben sein? Sie fand nicht, dass die Umstände das rechtfertigten. Es gab immer einen besseren Weg. Aber vielleicht lag es auch einfach daran, dass es Sachakaner waren.
„Was hast du im Sommer in der Stadt gemacht?", verlangte Sonea zu wissen. Diese Frage quälte sie bereits seit Cerys Eröffnung in Osens Büro.
„Es gab schon seit einer Weile Anzeichen, dass Ichani Karikos Bemühungen Verbündete zu finden, um sich an Akkarin für den Tod seines Bruders Dakova zu rächen, ernstzunehmende Formen annahmen. Meine Leute ahnten, dass das politische Konsequenzen für beide Länder haben würde. Daher schickten sie mich, um die Situation in Imardin zu beobachten."
Soneas Hände ballten sich zu Fäusten. „Du hättest uns helfen können!", fuhr sie die andere Frau an. „Wir hätten deine Unterstützung gebrauchen können. Die Gilde wäre beinahe ausgelöscht worden. Stattdessen hast du dich aus allem herausgehalten."
„Sonea, beruhige dich", murmelte Akkarin.
Sie fuhr herum und funkelte ihn an.
Savara warf einen vielsagenden Blick zu Akkarin. „Die Gilde durfte nichts von meiner Anwesenheit in der Stadt erfahren." Ihre mandelförmigen Augen musterten Sonea abschätzig. „Außerdem habt ihr das doch auch alleine ganz gut hinbekommen."
Sonea öffnete protestierend den Mund. Sie fand nicht, dass ihr Kampf gegen die Ichani besonders gut gelaufen war. Im Gegenteil. Ihr schwante, dass vor allem Akkarin nichts von Savaras Anwesenheit in der Stadt hatte erfahren sollen. Und ihr dämmerte, dass die Beziehung der beiden komplizierter war, als sie angenommen hatte.
„Ich hatte den Befehl, mich unauffällig zu verhalten", antwortete die andere Frau. „Hätte ich damals gewusst, dass Marika einen Krieg plant, wenn er erfährt, dass Kyralia nur zwei höhere Magier hat, hätte ich meine Befehle missachtet und eingegriffen. Mein Volk will keinen Krieg zwischen unseren Ländern."
„Und doch hast du dich wenige Monate später darauf eingelassen, für Marika zu arbeiten", unterstellte Sonea.
„Ich bin die Einzige von meinem Volk, die je in Kyralia war. Wir haben einen Vertrag mit dem König, der unser Überleben sichert. Indem wir für ihn die Drecksarbeit erledigen, jagt er uns nicht, wenn wir die gelegentliche Frau oder Sklavin seiner Ashaki stehlen."
„Gehörte zu deinem Auftrag auch, Ikaros Kräfte zu entfesseln?"
„Ich habe sie ihm zurückgegeben, damit er Marika nicht wie ein Sklave gegenübertreten muss und weil der Weg nach Arvice lang und gefährlich ist." Savara musterte Sonea und Akkarin. „Und weil ich wusste, die Gilde würde ihre beiden Yeel von der Leine lassen und uns jagen."
Die Herablassung in ihrer Stimme brachte etwas in Sonea zum Rasen. „Findest du das nicht ein bisschen dumm? Er wäre dir doch bei der nächsten Gelegenheit entwischt."
„Sie hat seine Gedanken gelesen", sagte Akkarin. „Es war ihr Auftrag, Ikaro sicher nach Sachaka zu bringen. Nach zwei Monaten in einem Gefängnis und seiner Magie beraubt, wollte er seinem König lieber mit Würde gegenübertreten, anstatt für den Rest seines Lebens im Gewahrsam der Gilde zu bleiben. Das ist verständlich, denn die Sachakaner sind trotz ihrer Unzivilisiertheit ein sehr stolzes Volk. Ein Magier, dem seine Magie genommen wurde, ist in ihren Augen nicht mehr wert, als ein Sklave. Savara glaubte, sie wäre stark genug, ihn bis Arvice zu kontrollieren. Allerdings war die Methode, die sie angewendet hat, um Ikaros Magie zu entfesseln, äußerst töricht und gefährlich."
„Genau so war es", stimmte Savara trotzig zu. Als sie zu Akkarin sah, wurde ihr Blick flehend. „Bitte lasst mich leben. Ich habe nur meinen Auftrag ausgeführt. Diejenigen, die dabei gestorben sind, wurden von allesamt Ikaro getötet. Und es war nie geplant, dass er Cery angreift."
Sonea sah zu Akkarin, der kaum merklich nickte.
„Ikaro hat sogar mehr Menschen getötet, als ich zunächst angenommen hatte", sagte er. „Drei Gefängniswachen, die ihm nur im Weg waren und die noch nicht gefunden worden waren, als Captain Barran uns über den Ausbruch informiert hat, und fünf Hüttenleute mit magischem Potential, die an Orten liegen, an denen Patrouillen nicht vorbeigekommen sind."
Dennoch wurde die Sachakanerin Sonea durch dieses Wissen nicht sympathischer. „Was war das für ein Stein, den Akkarin unter deiner Haut gefunden hat?", verlangte sie zu wissen.
Savara lächelte durchtrieben. „Das wüsstest du wohl gerne, was?"
„Es war ein Geheimniswahrer", antwortete Akkarin an ihrer Stelle. „So bezeichnet ihr Volk diese Steine. Sie verhindern, dass jemand anderes ihre Gedanken lesen kann. Ich konnte ihn nur finden, weil ich ihren Körper auf magische Artefakte untersucht habe, nachdem meine ersten Versuche, sie zu verhören, gescheitert waren. Doch wie beim Blutjuwel der Macher die Kontrolle darüber hat, hat der Träger die Kontrolle über den Geheimniswahrer, weil dieser auf ihn geprägt wird. Niemand außer Savara kann diesen Stein aktivieren. Ärgerlicherweise besitzt sie keine Informationen über seine Herstellung. Anscheinend wissen nur diejenigen ihres Volkes darüber bescheid, die sie herstellen."
„Also ist er für uns nutzlos", folgerte Sonea.
„Ja."
Das war ärgerlich, aber nicht zu ändern. In einem Krieg würde die Gilde diese Steine gut gebrauchen können. Wenigstens hatte Akkarin diesen Stein gefunden und ihn ihr weggenommen.
„Was machen wir nun mit ihr?", fragte Sonea leise.
„Wir geben ihr ihre Bezahlung."
„Was?", entfuhr es ihr.
Akkarin öffnete eine Hand, die voll roter Splitter war. „Sie hatte zwei Blutjuwelen bei sich. Einer war ihre Verbindung zur Anführerin der Verräter, der andere war von Marika. Ich habe sie zerstört. Sie werden nun glauben, ich habe sie getötet. Ich bezweifle, dass sie vom bloßen Zuschauen den Unterschied zwischen einem Betäubungsschlag und einem Feuerschlag erkennen konnten. Wir sollten uns diese Situation zunutze machen."
Das ist nicht dein Ernst, dachte Sonea entsetzt. Hatte er völlig den Verstand verloren? Obwohl sie es die ganze Zeit über geahnt hatte, konnte sie nicht glauben, dass er sie wirklich verschonen wollte.
„Wir können sie unmöglich am Leben lassen", widersprach sie heftig. „Balkan hat uns befohlen …"
„Ich weiß, was Balkan will", schnitt Akkarin ihr das Wort ab. „Doch wenn sie bereit ist, mit uns kooperieren, könnte sie für uns sehr wertvoll sein."
„Soviel kann deine Gilde gar nicht bezahlen", zischte Savara.
„Nein", sagte Akkarin. „Geld brauchst du von uns nicht erwarten. Denn das wäre nach allem, was du angerichtet hast, zu viel verlangt. Dir bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder ich töte dich hier und jetzt, oder ich verschone dich, was jedoch an einige Bedingungen geknüpft ist. Dein Leben ist alles, was ich dir als Bezahlung biete. Angesichts deiner früheren Taten ist das ein angemessener Preis."
„Wir können ihr nicht vertrauen", sagte Sonea. Wenn Savara sie an Marika verriet oder wichtige Informationen, die sie während ihrer Zeit in Kyralia gesammelt hatte, weitergab, konnte das einen Krieg beschleunigen.
„Was sich mir in ihren Gedanken offenbart hat, legt die Vermutung nahe, dass sie kooperieren wird", sagte Akkarin. Sein Blick wurde hart, als er die schöne Sachakanerin musterte. „Wir bieten dir eine einmalige Chance, Savara. Du wirst verschont, wenn du einen Auftrag für mich erledigst. Solltest du mich jedoch hintergehen, so werden wir dich über die Grenzen der Verbündeten Länder hinaus jagen und töten. Und dann werde ich keine Gnade kennen."
Savara blickte nacheinander in die Gesichter der anderen. Mit einem Mal wirkte sie wie ein verängstigter Harrel.
„Du solltest tun, was er sagt", hörte Sonea ihren Freund murmeln.
„Was verlangt Ihr von mir?", wisperte die Sachakanerin.
Akkarins Mund verzog sich zu einem humorlosen Lächeln. „Etwas, das wir besser nicht hier besprechen sollten."
„Dann lasst uns zu mir gehen", sagte Cery. Er steckte zwei Finger in den Mund und pfiff lange und durchdringend. Von irgendwoher ertönte das Geräusch von Hufen, und dann galoppierten ihre Pferde durch die Straße auf sie zu.
Ihr Freund half Savara auf und führte sie zu seinem Pferd. Sonea sah reglos zu, wie sie aufstieg und er sich hinter ihr in den Sattel zog. Sie hatte gehofft, nachdem sie gegen die Sachakaner gekämpft hatten, wäre alles endlich vorbei. Doch sie ahnte, dass das hier noch lange nicht vorbei war.
„Sonea, kommst du?"
Sie zuckte zusammen. Akkarin saß bereits auf seinem Pferd und betrachtete sie mit gerunzelter Stirn. Sie seufzte und setzte sich in Bewegung.
