Diese Geschichte wurde ursprünglich in englischer Sprache veröffentlicht und nach Rücksprache mit der Autorin von mir übersetzt, um sie einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Obwohl ich nur als Übersetzerin fungiere, sind Reviews natürlich trotzdem mehr als willkommen. Alexandra, die Autorin, schreibt unter dem Namen madame. alexandra und ist hauptsächlich hier auf fanfiction. net unterwegs.
Autorin: madame. alexandra
Originaltitel: Mourning
Trauer
Das Mädchen – die Frau? – das kleine, hitzige, stürmische Ding mit dem weißen Kleid und der pompösen Frisur – die Prinzessin – verschwand gleich nach der Medaillenverleihung vollständig von der Bildfläche und keine Menschenseele schien es zu bemerken. Er, Han Solo, nahm an, dass sie sich nicht um ihren Aufenthaltsort kümmerten, weil eine lärmende, alkoholhaltige Siegesfeier ohnehin kein geeigneter Ort für Mitglieder des Königshauses war.
Er machte sich Sorgen – er war sich selbst immer noch nicht ganz sicher, warum, aber er tat es; er hatte sofort bemerkt, dass sie verschwunden war, und sich anschließend sehr darauf konzentriert, sie ausfindig zu machen – vielleicht war es verletzter Stolz, vielleicht litt er immer noch darunter, dass sie ihn auf der Kampfstation bloßgestellt hatte, vielleicht war es Anziehung, denn so jung sie auch aussah, benahm sie sich doch wie die Art von Frauen, die er normalerweise gerne für die Nacht mit zum Falken genommen hätte – vielleicht war es sogar ehrliche und aufrichtige Sorge, denn zur Hölle, er war zwar ein rauer, einzelgängerischer Krimineller, aber er war auch ein Mensch und ihr – Planet, ihr gesamter Planet –
Nur kurz verweilte er bei seinen Beweggründen, sie geisterten unangenehm in seinem Hinterkopf herum, während er umherstreifte und seine Teilnahme an dem Trara vortäuschte, bis er sich davonstahl und die hinteren Stufen des Massassi-Tempels hinabstieg, die kühle Nachtluft einatmend, um einen klaren Kopf zu bekommen –
Dort fand er sie, unter einer Baumgruppe kniend, was Han eigenartig fand, weil sie im Schmutz saß, ohne sich um ihr makellos weißes Kleid zu kümmern. Ihren Kopf hielt sie gesenkt und ihre Hände waren mit etwas beschäftigt, was er nicht sehen konnte.
Ein wenig abseits kam er hinter ihr langsam zum Stehen, die Hände an den Seiten. Er sah ihr zu und neigte den Kopf ein wenig zur Seite, um zu erkennen, was sie tat – er erblickte eine sorgfältig arrangierte Anordnung von Steinen und runzelte die Stirn.
Er räusperte sich und sofort setzte sie sich auf und peitschte ihren Kopf in einer scharfen Bewegung zu ihm herum, während ihr Gesicht jegliche Farbe verlor.
Für einen langen Augenblick sah sie ihn nur an, dann sackten ihre Schultern zusammen und in einem stillen Seufzer der Erleichterung legte sie ihre Hand an den Hals.
„Sie sind nicht sehr intelligent, oder?", schnauzte sie und wandte ihr Gesicht von ihm ab.
Erstaunt über ihre Schärfe verengte Han die Augen. Steif verschränkte er die Arme.
„Keine sehr diplomatische Art, jemanden zu begrüßen, oder, Hoheit?", fragte er sarkastisch.
Ihre Schultern versteiften sich und sie hielt ihr Gesicht von ihm abgewandt. Sogar dort, auf ihren Knien, saß sie in tadelloser Haltung da.
„Ein kluger Mann würde sich nicht an jemanden anschleichen, der gerade für eine längere Zeit gefangen gehalten wurde", bemerkte sie angespannt.
Han runzelte die Stirn. Mit der Hand fuhr er sich über den Ellenbogen, während er für eine Minute darüber nachdachte.
„Ja, okay", murmelte er. „Hey, ich wollte Sie nicht erschrecken", fügte er ernst hinzu.
Sie blieb vollkommen still und er drehte seinen Fuß im Gras hin und her, vergrub ihn in sandigem Schmutz.
„Was tut jemand, der gerade noch gefangen gehalten wurde, alleine unter einer Ansammlung dunkler Bäume?", erlaubte er sich zu fragen.
Ihr Kopf drehte sich ein wenig, so als würde sie ihm genau zuhören. Sie lehnte sich zurück, während sie sich ein wenig entspannte, und nach ein paar Minuten trat Han an ihre Seite. Er sah auf ihr Werk hinunter – noch einmal, dieses Mal näher, sah er die sorgfältig angeordneten Steine und die ernste Prinzessin senkte den Kopf, immer noch stumm.
Han betrachtete die Anordnung für einen Moment.
„Ist es ein Grab?", erkundigte er sich leise.
Sie bewegte ihren Kopf hin und her.
„Ein Denkmal", murmelte sie. Dann, ganz leise: „Es gibt keine Leiche."
Han nickte.
Sie schloss die Augen.
„Sie sind da drin und freuen sich, als wäre niemand gestorben", flüsterte sie.
Han ging in die Hocke. Für einen Moment kaute er auf der Innenseite seiner Lippe und dachte an seine Kindheit auf der Straße – wenn der einzige Weg, um der erdrückenden Verzweiflung entgegenzuwirken, die mit der Angst vor Tod, Hunger und – allem – einherging, darin bestanden hatte, Spaß zu haben und so zu tun, als wäre alles in Ordnung.
Er wusste nicht, wie er das in Worte fassen sollte – außerdem kannte er dieses Mädchen kaum und war nicht hier, um tiefe, dunkle Geheimnisse mit ihr zu besprechen. Einen Augenblick lang beobachtete er sie im Profil –
„Also, für wen ist das?", fragte er unbeholfen.
Leia hob den Kopf, den Blick auf die Blätter der Bäume und den sternenbedeckten Himmel darüber gerichtet. Sie schürzte die Lippen –
„Für einen Freund", erwiderte sie in einem gedämpften Tonfall, ihre Stimme überaus kontrolliert.
Han deutete mit dem Daumen auf den Tempel.
„Einer der toten Piloten?", fragte er.
Sie presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
„Ein Geheimdienstoffizier", korrigierte sie ihn. „Er ist auf Scarif gestorben."
„Scarif?"
„Die Schlacht, in der wir die Pläne gestohlen haben." Sie verstummte. „Seine Nachricht hat uns die Pläne eingebracht."
Han fragte nicht nach Details – er interessierte sich nicht wirklich für die Spitzfindigkeiten dieser Militäroperation – und dennoch verspürte er eine fast krankhafte Neugier in Bezug auf die Liebe zum Detail, die in diesem kleinen Denkmal steckte.
„Ich hatte keine Zeit – "
Sie brach ab – die Schrecken von Scarif waren so plötzlich über sie hereingebrochen und sie war so schnell geflohen, dass es sich noch nicht gesetzt hatte –
Han warf ihr einen fragenden Blick zu, und direkt wie immer und ohne Filter platzte er heraus –
„Sie denken an diesen einen Kerl, wenn Ihr gesamter Planet zerstört wurde?"
Für einen Augenblick konnte sie ihn nicht ansehen. Sie blinzelte heftig, als wäre sie geschlagen worden, dann wurden ihre Gesichtszüge weicher und sie senkte den Kopf und drehte sich langsam um, um seinen Augen zu begegnen.
„Mit dem Ausmaß dieser Sache kann ich unmöglich fertigwerden", stellte sie leise, kalt und sehr logisch fest – kontrolliert und so eisig, dass er sofort spürte, wie am Boden zerstört sie war, auch wenn sie sich noch nicht erlaubt hatte, darüber nachzudenken. „Ich kann den Verlust von, von – Alderaan – nicht begreifen, können Sie das?", verlangte sie zu wissen.
Er dachte sorgfältig darüber nach und stützte ein Knie auf dem Boden ab, wie um sich selbst Halt zu geben. Mit der Hand fuhr er über seinen Kiefer und dachte an die Verwirrung, die er empfunden hatte, als er aus dem Hyperraum in die Trümmer geraten war, das distanzierte Gefühl, das seinen Fokus gestört hatte, als er versucht hatte, zu verstehen, dass ein uralter Planet einfach – verschwunden – war.
So fühlte er sich – auch wenn es noch nicht einmal sein eigener Planet war. Leia senkte den Kopf, griff nach einem Stein und platzierte ihn ganz oben auf der Anordnung, die sie zuvor geschaffen hatte.
„Ich muss hier…anfangen", sagte sie leise, mehr zu sich selbst als zu ihm. „Er hat es auch verdient, dass man um ihn trauert", murmelte sie, „und er hatte niemanden."
Demütig schwieg Han. Er wechselte von einer knienden in eine sitzende Position, ein Bein immer noch angewinkelt, seine Hand darüber gelegt. Ihr Kleid war zerknittert und schmutzig und er bemerkte, dass es nass war und an einer Stelle an ihrem Oberschenkel klebte – von dem feuchten Boden, auf dem sie kniete, schlammig geworden. Es fiel ihm nicht auf, weil es ihm besonders verlockend oder sexuell anziehend erschien, sondern weil die Feuchtigkeit den Stoff durchscheinend machte und er durch ihn hindurch rote Einstichstellen und einen großen, violetten Bluterguss erkennen konnte.
Er sah weg und auf die Steine hinunter.
„Also, wer war dieser Typ?", fragte er prüfend. „Ihr fester Freund?", neckte er.
Sie neigte ihm ihren Kopf zu und lachte rau und erstickt auf – ein kleines, aber echtes Lachen.
„Nur über die Leiche meines Vaters", erwiderte sie heiser und schüttelte den Kopf. „Nein", murmelte sie. „Nein, nichts dergleichen."
Gutaussehend, sicher – dachte sie – und er hat sich damit abgefunden, dass ich ihm schöne Augen gemacht habe – aber er hätte nie gewagt –sie war eine kleine Prinzessin gewesen, die Spionagespiele spielte, und er war ungeduldig, gewalttätig und – wie ihr Vater es ausgedrückt hatte – notwendig, aber etwas zu hungrig nach Blut gewesen.
Han grinste ein wenig. Er griff in seine Tasche, zog eine Klinge heraus, klappte sie auf und hielt sie ihr mit dem Griff voraus entgegen. Von der Seite sah sie ihn misstrauisch an und er ermutigte sie mit einem Kopfnicken, sie zu nehmen.
„Los, kennzeichnen Sie sein Grab", forderte er sie auf.
Leia nahm das Messer. Sie drehte es in ihren Händen, studierte es kurz und beugte sich dann vor, um die Spitze auf einen der größeren Steine zu setzen und in sauberen, entschlossenen Strichen Buchstaben einzuritzen. Han lehnte sich zurück und betrachtete sie – er hatte gedacht, sie sei verwöhnt und abgehoben, aber vielleicht hatte er sich geirrt – er nahm an, dass sie an diesem Punkt alles in allem mehr Tod und Leid gesehen hatte als er, egal, wie viel jünger sie war oder wie viele Paläste sie ihr Zuhause genannt hatte.
Seine Augen wanderten zurück zu dem blauen Fleck, den er gesehen hatte, dann inspizierte er heimlich aufmerksam ihren Hals, ihre Arme – aber er hatte in seiner Zeit an der Akademie Gerüchte über Foltermethoden gehört, die ihn vermuten ließen, dass an ihren Armen nichts zu finden war; zu auffällig – sie hätten die Nadeln zwischen ihren Zehen oder in den v-förmigen Zwischenräumen ihrer Finger platziert – Orte, die sich leicht bedecken ließen.
Sie setzte sich auf und reichte ihm sein Messer. Dann begutachtete sie ihre Arbeit.
„Fühlen Sie sich besser?", fragte er.
Sie zuckte vage die Achseln.
In der kühlen Luft zitternd, stand sie auf und schlang die Arme um sich. Mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck sah sie sich um. Han stand ebenfalls auf und zog seine Jacke aus. Vorsichtig legte er sie ihr um die Schultern, ihre Arme berührten sich leicht, als er neben ihr stand und ihrem nach oben gerichteten Blick zu den Sternen folgte. Sie war sehr still, sehr ruhig und atmete kaum – dann schlang sie eine ihrer kleinen Hände um seine Jacke, umklammerte sie fest, senkte den Kopf und brach in heftiges Schluchzen aus.
Han benötigte all seine Selbstbeherrschung, um keinen erschrockenen Satz nach hinten zu machen, sondern einfach nur dazustehen. Er bot ihr keinen Trost an – würde sie es überhaupt akzeptieren, wenn er das tat und würde er es schaffen, alles richtig zu machen? – aber er war auch nicht gefühllos genug, um sie alleine hier stehenzulassen.
„Hey", sagte er unbeholfen. Er legte eine Hand auf ihre Schulter und schob seinen Arm zögerlich gegen ihren Rücken.
„Wissen Sie, es wird – alles gut."
Sie schnappte nach Luft. Es klang wie ein schockiertes Lachen.
„Oh, Sie sind ein erbärmlicher Lügner", warf sie ihm vor.
Etwas ungeschickt zuckte er die Achseln. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter und starrte geradeaus nach vorne, Tränen verschleierten ihre Sicht.
„Nun ja, was soll ich sagen?", fragte er grimmig.
„Sagen Sie nichts", wisperte sie.
Er verstummte.
Im Stillen fragte er sich, ob diese Tränen einer einzigen Person galten oder ob gerade alles auf sie einprasselte – und wenn es sich um den ersten Fall handelte, welch schreckliche, unerträgliche Trauer würde noch auf sie zukommen? Er sah hinunter auf das kleine Denkmal, die liebevolle Anordnung der Steine, und las den Namen, den sie eingeritzt hatte –
Cassian Andor.
Er wusste nicht, ob sie solch tiefe Trauer empfand, weil dieser Mann gestorben war, oder weil sie ihm die Schuld daran gab, dass er die Schnur gezündet hatte, die ihre Welt in grelle Wolken aus Sternenstaub verwandelt hatte.
