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Lucifers Eltern
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Als Polizist der Mordkommission hatte Dan schon viele trauende Menschen gesehen. Tränen, Schreie der Verweigerung die Wahrheit hinzunehmen, Hass, Schock, all dies waren keine neuen Emotionen für ihn. Er konnte damit normalerweise gut umgehen und behielt professionelle Distanz zu den Opfern und Familien. Aber das bedeutete nicht, dass er sie nicht auch fühlte. Er verstand diese Gefühle sehr gut. Das war auch der Grund, dass er an dem Tag als er den Partner seiner Frau vor ihrem Haus auffand, wie er sich die Seele aus dem Leib weinte, handelte wie er es tat und damit ihr Leben für immer änderte.
Dan war mit seiner Frau zu Hause. Sie hatten sich ein nettes Abendessen gegönnt nachdem Chloe das letzte Stück der Beweismittel gefunden hatte das den Fall abschloss an dem sie drei Wochen gearbeitet hatten bis sie den Mörder fassen konnten. Er war vor die Tür gegangen um die Mülltonnen zur Abholung an die Straße zu bringen als er die schwarze Corvette sah, die vor ihrem Haus parkte.
Lucifer war exzentrisch aber bisher ehrlich und liebenswert, charmant wenn er es sein wollte. Chloe hatte die meiste Zeit mit ihm bei der Arbeit verbracht als er als Berater für sie tätig war, doch er kannte den Partner seiner Frau gut genug. Zuerst war er verärgert, dass Lucifer so unverhohlen versuchte Chloe ins Bett zu bekommen. Es war nicht hilfreich, dass die Frauen und selbst ein paar Männer ihm links und rechts zu Füßen fielen, doch sie blieb standhaft. Nicht einmal sah er auch nur den Hauch eines Zweifels oder die kleinste Andeutung, dass sie in Betracht zog auf sein Angebot einzugehen. So schwanden seine Selbstzweifel. Chloe gehörte ihm und sie liebten sich. Sie würde ihn niemals betrügen und er vertraute ihr mehr als er sich manchmal selbst vertraute.
Es war daher eine leichte Entscheidung Lucifer in sein Haus zu bringen. Er hätte sowieso nicht mit sich selbst leben können, hätte er entschieden das armselig schluchzende Häufchen Elend, das er draußen fand alleine zu lassen.
Lucifer schrie nicht, nicht mit seiner Stimme jedenfalls, doch sein Gesicht zeigte den Schmerz der ganzen Welt. Er umklammerte ein Bild vor seiner Brust und wiegte sich selbst vor und zurück in einem hoffnungslosen Versuch sich selbst zu beruhigen. Nicht dass es zu wirken schien. Sein Hemd war nass von all den Tränen die immer noch fielen und seine Augen waren rot und verquollen. Beide Ärmel zeigten nasse Streifen wo er sich die Nase gewischt hatte, ausnahmsweise ohne Sorge um seinen Anzug.
Dan schrie nach Chloe als er die Autotür aufriss und Lucifer eilig nach Wunden und Verletzungen absuchte. Er fand nichts abgesehen von der mentalen Verfassung wie Lucifer da saß und nicht einmal auf Dans Anwesenheit reagierte.
Keiner von ihnen erinnerte sich gerne an die Nacht als Lucifer zu ihnen kam; als er ihnen die Wahrheit erzählte, ihnen das Bild von seinem Bruder mit Chloes Mutter zeigte und sie sein grauenhaftes Gesicht sehen ließ. Nur für eine Sekunde. Gerade lange genug um sie nicht in einen katatonischen Schockzustand vor Panik für die nächste Woche verfallen zu lassen. Er erzählte ihnen von seiner Familie, und Chloe, seinem Wunder, verheiratet mit einem anderen Mann und seine Verwundbarkeit wenn er ihr nah war.
Beide hatten sich zunächst für die folgenden beiden Tage frei genommen, und eine weitere Woche gleich hintendran gehängt. Mit der höchsten Abschlussrate und restlichen freien Tagen vom Vorjahr wagte keiner auch nur nachzufragen. Der Lieutenant genehmigte den Urlaub am Telefon und sicherte ihnen eine weitere Woche zu sollten sie sie brauchen. Dr. Linda Martin, Lucifers Therapeutin wurde gerufen und verbrachte Stunden im Gespräch mit ihm und ihnen. Dan und Chloe nutzten diese Stunden um die neue Situation zu besprechen als sie auf der Veranda saßen mit einem Krug voll Limonade und darauf warteten, dass die Sitzung mit Lucifer zu Ende ging. Beide spürten die Verbindung, nicht nur zwischen Lucifer und Chloe, sondern auch zu Dan. Chloes Herz war in den letzten Tagen oft genug von Lucifers Tränen zerrissen worden, und so fasste sie den endgültigen Beschluss. Er würde bei ihnen bleiben und er würde Teil ihrer Familie werden. Und entgegen jeder Wahrscheinlichkeit schloss Dan sich dem einfach an.
Es waren ein paar holperige folgende Wochen. Niemand verstand wie Lucifers Verstand arbeitete auch wenn Linda ihr Bestes versuchte. Er sprang von Ideen zu Schlussfolgerungen und testete seine Theorien nur um die Ergebnisse zu ignorieren wenn sie nicht seinen Erwartungen entsprachen. Während der Dauer von wenigen Wochen sprang er von absolutem Misstrauen dazu über das ganze Haus zwanghaft zu putzen und drei Mahlzeiten am Tag zu kochen, nur um dann jegliche Interaktion mit ihnen zu meiden während er ständig um sie herum war. Er testete ihre Limits und sprang zurück zu Misstrauen als die erwarteten Reaktionen einfach nicht kamen. Sie blieben ruhig und verständnisvoll und drohten nicht ein einziges Mal ihn hinaus zu werfen. Maze kam und brachte ihn zurück ins Lux an einigen Abenden der Woche doch ohne Ausnahme fanden sie ihn wieder in seinem Bett, das vor her mal ein Gästezimmer war, manchmal nach Sex, Alkohol und Zigaretten stinkend aber eingekuschelt in eins von Chloes getragenen Hemden aus dem Wäschekorb.
Linda wurde ein guter Freund der Familie. Sie half ihnen durch die schwere Zeit bis zu dem Tag an dem Lucifer entschied, dass er die Grenzen genug ausgetestet hatte und sich in diese ungewöhnliche Familie einfügte. Er akzeptierte, dass sie in nicht hinauswerfen würden und verfiel zurück in sein fröhliches Wesen mit all dem Selbstvertrauen und Anmaßungen die damit verbunden waren.
Chloe war heute allerdings schon ziemlich frustriert von ihm. Sie war glücklich und erleichtert als Lucifer zu dem zurückfand was man als normal für ihn halten konnte, aber nun hatte er aufgehört auf sie zu hören als sie ihm gesagt hatte, dass er warten und zurückbleiben solle.
Das war der Grund warum sie nun entgegen ihres Trainings und ihrer Instinkte wie verrückt in die entgegengesetzte Richtig rannte, die sie eigentlich nehmen wollte. Sie wusste, dass Dan bei ihm bleiben würde, aber immerhin war er ein ausgebildeter Polizist und trug die verdammte schusssichere Weste, die Lucifer sich geweigert hatte anzuziehen, weil sie seinen Anzug zerknittert hätte. Sie musste nur aus seiner näheren Umgebung wegkommen, dachte sie als sie ein paar Treppen hinunter jagte und über die Straße hetzte. Dieser Verrückte würde ihn erschießen und sie würde ihn nie wieder ohne Weste irgendwohin gehen lassen. Sie hörte zwei Schüsse in einiger Entfernung und stoppte erschöpft und pustend. Das war es. Sie wusste nicht ob sie es weit genug weg geschafft hatte aber nun musste sie zurück. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit und doch nur ein paar Sekunden später als sie durch die Tür platzte. Dan kniete neben dem Verdächtigen am Boden und presste fest auf die Wunde an seiner Schulter während Lucifer daneben stand.
„Detective", rief er grinsend anscheinend unverletzt und Dan sah erleichtert auf.
„Ruf einen Krankenwagen. Ich kann nicht loslassen oder er verblutet." Der Schütze am Boden stöhnte vor Schmerz als Dan noch mehr Druck auf die Wunde gab. Sie konnten bereits die Sirenen näher kommen hören aber das war wahrscheinlich nur Verstärkung und keine medizinische Hilfe. Chloe gab die Nachricht sofort weiter und ging hinüber zu Lucifer um ihn auf etwaige Wunden zu untersuchen.
„Mir geht's gut", sagte er freudig, dass sie ihn betatschte, gerade als ihr Finger ein Loch in seinem Hemd in der Nähe des Gürtels fand.
„Das ist nicht gut", schimpfte sie und zeigte verärgert auf die beschädigte Kleidung.
Er sah herunter auf ihr sehr, sehr zorniges Gesicht und erstarrte.
„Darüber reden wir später", versprach sie und er fühlte sie mit einem Mal weniger fröhlich als sie ihn am Arm griff und ihn nach draußen zum Auto marschierte. Er hatte schreiende Kinder auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt gesehen, die auf gleiche Weise von ihren erschöpften Müttern gehandhabt wurden. Wenigstens gab sie ihm nicht auch einen Klaps auf den Hintern in aller Öffentlichkeit.
„Steig ein und warte hier", befahl sie gerade als ein weiteres Polizeiauto und der Krankenwagen um die Ecke kamen. Sie blieb lange genug um sicherzustellen, dass er tat was er sollte und schnappte: „Wage es nicht auszusteigen", bevor sie zurück stürmte. Sie war gruselig wenn sie sauer war.
Er beobachtete vom Beifahrersitz wie der Detective die Tür für die Sanitäter aufhielt und ihnen dann folgte während die Polizei die Straße sperrte und den Eingang sicherte. Er fischte nach seinem Flachmann und nahm einen großen Schluck, und dann einen zweiten als Zugabe. Nach einer ganzen Zeit kamen die Sanitäter schließlich wieder heraus mit dem Verdächtigen auf der Trage gefolgt von Dan und Chloe. Einer gab Chloe eine Flasche bevor sie davon eilten und Lucifer beobachtete wie Dan sich zitternd auf die Treppenstufen setzte. Chloe schüttete die Flasche über seine Hände um das Blut abzuwaschen und beruhigte ihn. Lucifer konnte nicht hören was sie sagten aber er bemerkte die Art wie Dan sich entspannte als Chloe ihm eine Hand auf die Schulter legte. Er erinnerte sich als sie das gleiche für ihn getan hatte vor ein paar Wochen als er verzweifelt war. Es hatte sich gut angefühlt zu wissen, dass jemand für dich da war.
Die Fahrt zurück zur Station war angespannt. Lucifer war auf den Rücksitz verbannt worden und setzte sich nach ein paar ignorierten Einwänden zurück um zu schmollen. Chloe fuhr mit Dan auf dem Beifahrersitz, der immer noch die letzte Stunde verarbeitete.
Einen Menschen zu erschießen sah nur im Fernsehen einfach aus. Von Zeit zu Zeit griff sie nach seiner Hand oder drückte sein Knie. Dan sah dann hoch und versuchte ein Lächeln. Es sah meist wie eine Grimasse aus aber er war für ein paar Sekunden aus seinen dunklen Gedanken gerissen und das was alles was zählte.
Kaum dass sie angekommen waren ging Dan zu seinem Spind und den Duschen und Lucifer folgte seinem Detective zu ihrem Schreibtisch. Sie suchte einen Moment in den Schubladen und gab ihm dann ein Klemmbrett und Stift.
„Detective?" fragte er als er das Brett entgegennahm.
„Ich möchte, dass du einen Bericht über alles schreibst das passiert ist nachdem du das Gebäude betreten hast bis ich zurück gekommen bin."
Er schnaubte und versuchte es zurückzugeben aber sie hatte ihre Arme verschränkt.
„Ich schreibe nie Berichte. Das ist langweilig und du musst sie sowieso neu schreiben."
„Lucifer." Ihre Stimmer wurde warnend tiefer. „Ich war nicht da."
„Du bist weggelaufen." Er legte das Klemmbrett auf den Schreibtisch da sie offensichtlich nicht willens war es zurück zu nehmen. Chloe sah ihn verärgert an.
„Weil du nicht unverwundbar in meiner Gegenwart bist, oder? Du hast nicht mal die verdammte Weste getragen. Du wirst dich hinsetzten und diesen Bericht schreiben oder ich zeig dir wie langweilig es ist den selben Satz einhundert Mal zu schreiben."
„Du bestrafst mich?" fragte er erstaunt, doch seine Stimmung kippe in der nächsten Sekunde zu wütend. „Na viel Glück damit." Er stürmte davon und raus aus dem Gebäude ohne zurück zu blicken.
Chloe seufzte. Das war nicht so gut gelaufen. Sie hatte nur gewollte, dass er realisierte wo er etwas falsch gemacht hatte indem er über sein Verhalten nachdachte aber beschuldigt zu werden wegzulaufen hatte sie ebenso wütend gemacht.
Sie saß den Moment nur still da. Er war noch nie von ihr weg gelaufen, er suchte immer ihre Nähe. Vielleicht brauchten sie beide die Meinung eines Außenstehenden. Sie rief Linda an und fasste so gut sie konnte zusammen was geschehen war bevor Lindas nächste Sitzung anfing. Sie hatten nicht so lange wie sie es sich gewünscht hätte aber dankenswerter Weise war Linda einverstanden am Abend zum Essen vorbei zu kommen, was Chloes Sorgen etwas linderte.
Lucifer war nicht so rücksichtsvoll. Nachdem er aus der Polizeistation hinaus gestürmt war fuhr er ziellos für eine gute Stunde bis er schließlich vor Lindas Praxis zum Stehen kam. Er zog den armen Kerl, der gerade die Praxis betreten wollte am Hemdkragen zurück, gab ihm hundert Dollar und schickte ihn seiner Wege.
„Lucifer", schimpfte Linda sanft mit ihm, „Du musst damit aufhören. Meine anderen Patienten haben auch Probleme."
„Ja ja", wiegelte er ab, „Aber der Detective will mich bestrafen. MICH." Er ließ sich aufs Sofa fallen und kreuzte die Beine. „Findest du das nicht absurd?", regte er sich auf.
Linda seufzte resigniert. Sie richtete ihren Rock und setzte sich ihm gegenüber. „Und warum ist das so?", fragte sie.
„Ich bin derjenige, der Leute bestraft."
„Nein, nein", unterbrach sie ihn, „Warum würde Chloe dich bestrafen wollen?"
„Weil ich nicht diesen blöden Bericht schreiben wollte." Er machte eine wegwerfende Handbewegung und verschränkte dann wieder die Arme.
„Ist das der wahre Grund oder könnte es sein, dass du ihre Anweisungen ignoriert hast während des letzten Falls? Sie hat mich vor zwei Stunden angerufen", erklärte Linda als er sie überrascht anguckte.
„Dann weißt du was passiert ist."
„Warum erzählst du mir nicht deine Seite der Geschichte." Sie lehnte sich zurück, bereit zuzuhören.
„In Ordnung", sagte er lässig, stellte die Füße wieder auf und lehnte sich vor. „Wir wussten der Verdächtige war in dem Gebäude also gingen Chloe, Dan und ich rein. Ich habe mit ihm gesprochen und er zog eine Waffe, der Detective rannte weg und Dan hat ihn erschossen. Ende der Geschichte."
Linda nickte während er erzählte und runzelte dann die Stirn.
„Ich denke du vergisst dabei ein paar Details. Wurdest du nicht angeschossen?"
Er legte unbewusst eine Hand auf das Loch in seinem Hemd.
„Mein Hemd wurde getroffen. Ich bin unverwundbar falls du dich erinnerst."
„Ah, aber nicht wenn Chloe in der Nähe ist, oder?" Er grummelte, da sie beide wussten, dass er es nicht war.
„Warum fängst du nicht am Anfang an bevor ihr das Gebäude betreten habt. Was ist passiert?" Er nahm sich einen Moment um seine Gedanken zu sammeln.
„Dan hat auf uns gewartet, weil er einen Tipp bekommen hatte, dass der Verdächtige im Haus sei. Sie funkten nach Verstärkung und zogen ihre schusssicheren Westen an.
„Aber du nicht?", fragte sie und er schüttelte den Kopf.
„Chloe wollte das aber sie zerknittern meine Anzüge und sind fürchterlich unbequem."
„Also erlaubte sie dir ohne Weste ins Haus zu gehen", sagte Linda wissend dass es so nicht war. Lucifer wollte 'Ja' sagen, konnte es aber nicht.
„Nicht unbedingt erlaubte... sie sagte ich solle draußen warten", gab er zu.
„Aber das hast du nicht getan."
„Natürlich nicht. Die Verstärkung war noch nicht da."
„In Ordnung, weiter."
Dan ging nach oben und der Detective ging nach links also ging ich gerade durch und fand den Verdächtigen im Nebenraum."
„Was ist dann passiert?"
Ich habe mit ihm gesprochen damit die beiden wussten, dass ich ihn gefunden hatte. Möglicherweise habe ich ihn damit aufgezogen wie dumm er doch war in einem Haus mit nur einem Eingang festzustecken wenn die Polizei schon da war." Er kratzte sich am Nacken bei der Erinnerung.
„Ich konnte Chloe am Eingang stehen sehen als er plötzlich eine Waffe zog und auf mich zielte. Dan war noch auf der Treppe, konnte aber nicht richtig zielen, weil der Verdächtige seitlich der Tür stand. Dann ist Chloe weggerannt. Ich habe versucht, dass er sich etwas weiter rüber bewegt und es hat funktioniert, aber als ich ihm sagte, dass ich nicht seine Geisel spielen würde hat er auf mich geschossen. Und dann hat Dan ihn erschossen und er fiel blutend zu Boden. Dan hat auf die Wunde gedrückt damit er nicht verblutet. Und dann kam Chloe zurück und rief den Krankenwagen und guckte ob ich verletzt war und dann brachte sie mich raus und ich musste im Auto warten. Sie war ziemlich wütend."
„Warum denkst du dass sie wütend war?", fragte Linda.
Weil sie meinen Arm richtig fest hielt und ihre Lippen waren ganz schmal und sie hatte diesen fauchenden Ton, den sie immer hat wenn jemand sie richtig aufregt."
Linda schüttelte den Kopf.
„Ich meine, was war der Grund warum sie so wütend war."
Er zuckte die Schultern. „Da musst du sie fragen."
„Nein muss ich nicht, ich weiß es. Ich möchte wissen ob du das auch weißt."
„Du weißt es? Warum?"
Linda schüttelte wieder den Kopf. Wie konnte er sich dessen nicht bewusst sein?
„Lucifer, stell dir vor Chloe wollte in das Haus gehen ohne eine Weste zu tragen und du wärst der leitende Detective. Würdest du sie rein gehen lassen?"
„Natürlich nicht, das ist viel zu gefährlich für sie."
Linda nickte. Viele kleine Schritte.
„Und wenn er sie erschossen hätte?" Lucifer wurde erst blass und dann rot vor rasender Wut.
„Ich hätte ihn in Stücke gerissen und ihm gezeigt wie sich die Hölle anfühlt." Seine Augen flammten kurz rot auf und Linda zuckte unmerklich.
„Siehst du eine Ähnlichkeit zwischen deiner Reaktion und Chloes?", versuchte Linda es erneut.
„Ich will ihn immer noch in Stücke reißen."
Sie musste wohl noch deutlicher werden. Nicht ihre übliche Vorgehensweise aber er war ja sicherlich auch kein normaler Patient.
„Weil du sie liebst, und sie liebt dich auch."
Er schnaubte. „Wir sind keine Liebhaber. Wir haben nicht einmal Sex. Sie ist verheiratet und immun gegen meinem Charme."
Das bedeutet aber nicht, dass sie dich nicht liebt und sich um dich sorgt."
Das schockte ihn für einen Moment und er saß sprachlos und nachdenklich auf dem Sofa.
„Aber sie ist weggelaufen."
„Es war eine Waffe auf dich gerichtet und für den Fall, dass du es wieder vergessen hast: du bist nicht unverwundbar wenn sie in deiner Nähe ist."
Er saß still da und wollte dem Gedankengang nicht ganz trauen. Aber es gab keine andere Erklärung. Sie war gleich zurückgekommen und hatte ihn nach Wunden abgesucht.
Linda gab ihm die Zeit zu seinem eigenen Ergebnis zu kommen.
„Und was ist mit der Bestrafung?", fragte er schließlich.
„Oh Lucifer. Sie hatte Angst um dich. Du hast dich in eine Situation gebracht wo man auf dich geschossen hat, weil du nicht auf sie gehört hast. Kannst du sie dafür verurteilen alles zu versuchen damit das nicht noch einmal passiert?"
Er schüttelte den Kopf. „Wohl nicht." Dann schnaubte er amüsiert und grinste. „Sie ist mein Wunder. Auch wenn sie nicht mit mir schläft."
„Vielleicht brauchst du nicht noch einen Liebhaber sondern etwas anderes."
„Was anderes?"
„Vielleicht eine Familie?"
„Lucifer", sagte Chloe überrascht als sie die Tür öffnete.
Er stockte einen Moment. „Hast du jemand anderen erwartet?"
Er ließ sich nicht anmerken wie ihm das Herz schwer wurde. Er hatte es doch wieder vermasselt.
„Ja, komm rein. Wo ist dein Schlüssel?" Chloe hörte sich viel zu besorgt an um ihn rauszuschmeißen. Und der Tisch war für vier gedeckt bemerkte er überrascht. Sie hatten ihn zum Abendessen erwartet. Sie hatten nicht gedacht, dass er klopfen würde. Er war immer noch willkommen. Die Luft wurde plötzlich aus ihm herausgedrückt als Chloe ihn in eine knochenbrechende Umarmung zog.
„Lauf nie wieder so weg, ja? Wir haben uns Sorgen gemacht", schimpfte sie leise mit ihm und er nickte überrumpelt.
„Entschuldigung."
Die Tür öffnete sich hinter ihm und Dan kam herein mit einer großen Tüte Essen zum Mitnehmen.
„Ah du bist da", sagte er zu Lucifer und gab Chloe ein Küsschen auf die Lippen, „Guck mal wen ich draußen gefunden habe."
Linda kam hinter ihm rein. Er eilte weiter bis zur Küche, öffnete die Tüten und zog Salat, Kartoffelbrei und etwas das aussah wie Mais in Sahnesoße, Yorkshire-Pudding und zuletzt Rostbraten vom Rind hervor. Lucifer trat zur Seite damit die Damen sich umarmen konnten und nahm Lindas Mantel.
„Lucifer, Merlot oder Cabernet Sauvignon?", fragte Dan von der Küche und Lucifer ging hinüber um einen Blick auf den Jahrgang zu werfen. Er wählte den Merlot und öffnete die Flasche damit der Wein atmen konnte während Dan das Essen schon auf Teller und Schüsseln verteilte. Lucifer grinste fröhlich und ihm lief bereits das Wasser im Mund zusammen. Rostbraten war eines seiner Lieblingsgerichte.
„Wo warst du den ganzen Tag", fragte Dan ohne Anschuldigung aber es war deutlich, dass er sich Sorgen gemacht hatte.
Lucifer fühlte sich von der Frage schon leicht ausgeschimpft so als hätte er etwas falsch gemacht.
„Bei Linda und am Strand. Ich musste über einige Dinge nachdenken.
Dan nickte und gab ihm zwei Schüsseln für den Tisch.
„So, ihr hattet einen aufregenden Tag", fing Linda an als sie am Tisch Platz genommen hatten und anfingen ihre Teller zu füllen.
„Dan, wie fühlst du dich?"
Dan stockte mit dem Löffel im Kartoffelbrei. Er hatte nicht erwartet, dass die erste Frage direkt an ihn ging. Er füllte sich auf und gewann damit die extra Sekunde die er brauchte um zu antworten.
„Nicht so toll, aber ich denke ich kann heute Nacht schlafen. Sie haben gesagt, dass er es überleben wird." Chloe streichelte ihm aufmunternd über den Rücken.
„Du hast getan was du konntest und hast sein Leben gerettet bis die Sanitäter da waren. Das war gute Arbeit."
„Danke Linda", er lächelte erleichtert.
„Lucifer, wie schmeckt dir das Essen?"
„Ich liebe es", bestätigte er während er sich fröhlich weiter auffüllte. „Das habe ich schon lange nicht mehr bestellt."
Linda sah wie Chloes Lippen zu einem kleinen Lächeln zuckten und sie ihr zuzwinkerte. Lucifer musste das gesehen haben, denn er sah sie fragend an.
„Du wusstest, dass das mein Lieblingsessen ist", stellte er fest.
„Ich habe Maze angerufen. Wir dachten wir sollten es feiern, dass die Kugel von dir abgeprallt ist heute", sagte Chloe und schnitt in ihren Braten. „Und das war das letzte Mal, dass du ohne schusssichere Weste mit kommst", fügte sie dazu und zeigte mit der Gabel auf ihn.
Jetzt ging das schon wieder los. Seine gute Laune verschwand. „Sie... ruinieren... meine... Hemden", schnauzte er jedes Wort einzeln betont.
„Das tun Kugeln auch", schnappte Chloe zurück und sprang auf, wütend, dass er mit ihr sprach als wäre sie schwachsinnig. „Lass mich das kurz demonstrieren", sagte sie als sie um den Tisch herum stapfte und Lucifer von seinem Stuhl zog. Er folgte, zu verwirrt um sich dagegen zu wehren. Sie zog ihn zwei Schritte vom Tisch weg, griff ihn hinten am Gürtel und hielt ihn fest.
„Du bist NICHT unverwundbar!" Auf jedes Wort folgte ein klatschender Schlag auf seinen Hintern und er schrie entsetzt auf und versuchte sich frei zu winden.
„Ah, aua, bitte, es tut mir Leid", jaulte er verzweifelt. Er konnte nicht frei kommen ohne sie zu verletzen und das würde er niemals tun. Sie ließ ihn nach diesen vier Klapsen los und er sprang zurück und rieb sich den Hintern während er sie mit großen Augen ansah, die Zuschauer vergessen.
„Das tat verdammt weh", jammerte er als sie mit den Händen in der Hüfte vor ihm stand.
„Jetzt stell dir vor, wie weh eine Kugel getan hätte", schimpfte sie streng.
Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah verloren und verletzt auf den Boden zu ihren Füßen bis sie die Arme für ihn öffnete und ihm aufmunternd zunickte. Er flog in die Umarmung ohne zu zögern und vergrub sein Gesicht an ihrer Schulter.
„Es tut mir Leid, dass du dir meinetwegen Sorgen gemacht hast, und dass ich weg gelaufen bin und den Bericht nicht geschrieben habe und... und...", plapperte er drauf los, hörte aber dankbarer Weise auf als Chloe ihn noch enger an sich zog und seinen Nacken streichelte und ihn beruhigte. Sie streichelte seinen Rücken und flüsterte sanfte Worte der Vergebung bis er sich beruhigte. Sie blieben für einen Moment so stehen bis Lucifer sich zurückzog und verlegen zum Tisch guckte. Linda lächelte sanft wegen der süßen Szene und Dan zuckte nur die Achseln und deutete ihm sich wieder auf seinen Platz zu setzen. Chloe schob ihn sanft zum Tisch und ging ebenfalls zurück auf ihren Platz. Linda tätschelte ihm verständnisvoll das Knie und das Blut schoss ihm wieder in die Wangen.
„Das Essen ist hervorragend", sagte Linda und nahm noch einen Bissen, entschieden zu verhindern dass die Szene das leckere Essen verdarb.
„Ich gehe am Samstag ein bisschen bummeln, möchtest du mitkommen", fragte sie und guckte zu Chloe.
Lucifer rutschte auf seinem Stuhl herum und Chloe war für eine Sekunde abgelenkt bis die Frage registrierte und sie fröhlich zusagte. Dan füllte ihre Gläser mit Wein und sie schlugen herzhaft zu bei dem leckeren Essen. Sie schienen alle willens den Vorfall nicht weiter zu erwähnen wofür Lucifer unheimlich dankbar war.
Sobald Dan aufstand um den Tisch abzuräumen sprang Lucifer auf um ihm zu helfen. Jedenfalls war das seine Entschuldigung um nicht länger sitzen bleiben zu müssen. Er brachte die Schüsseln in die Küche und kippte die Reste zusammen damit sie in den Kühlschrank passten. Linda entschied nun nach Hause zu gehen und Chloe brachte sie zur Tür.
„Danke dass du da warst, Linda. Das war eine große Hilfe."
„Immer doch gerne bei euch drei. Ich schicke dir eine SMS wegen der Uhrzeit am Samstag."
„Tschüss, Linda", rief Dan von der Küche gefolgt von Lucifer. Sie winkten ein letztes Mal und Chloe schloss die Tür als Linda sicher im Auto angekommen war.
„Lucifer, komm bitte mal her", sagte Chloe nicht unfreundlich aber bestimmt. Dan befüllte gerade den Geschirrspüler und sah auf. Lucifer ging überrascht einen Schritt zurück und verdeckte unbewusst seinen wehen Hintern.
„Warum?", fragte er misstrauisch, nicht willens wieder in Reichweite zu kommen sollte sie ihn wieder versohlen wollen.
Chloe seufzte und hielt ihm die Hand einladend hin.
„Du hast während des ganzen Abendessens nicht still gesessen. Ich muss einmal sehen, dass ich keinen ernsthaften Schaden angerichtet habe.
„Du willst dir meinen Po angucken?", fragte er mit einer neugierigen Mischung aus Vorsicht und anzüglichem Grinsen.
„Bitte, für meinen Seelenfrieden. Oder bist du plötzlich schüchtern geworden?", zog sie ihn auf als er zögerte und ließ die Hand wieder fallen.
„Geh schon, sie gibt nicht nach." Dan schob ihn vorwärts und folgte ihm hinüber. Wenn da etwas ernsthaftes war wollte er davon wissen. Lucifer sah die beiden vorsichtig an, konnte aber keine Böswilligkeit erkennen, nur Sorge.
„Nun gut", gab er schließlich nach und öffnete seinen Gürtel und die Hose. Er drehte sich zum Sofa und ließ die Hose bis zu den Knien fallen. Er legte eine Hand aufs Sofa und beugte sich etwas vor. Dan hob vorsichtig das Hemd aus dem Weg und enthüllte vier rosa Handabdrücke, zwei auf jeder Seite überlappend.
„Sieht gut aus", bestätigte Chloe, „keine blauen Flecken, nur ein bisschen rot." Sie tätschelte seine Seite.
„Merk dir das für das nächste Mal, wenn du etwas leichtsinniges machen willst."
„Nächstes Mal?", rief Lucifer herum wirbelnd und zog sich eilig die Hose wieder hoch. Er hätte einen Schritt nach hinten gemacht aber das Sofa in seinem Rücken verhinderte das. Sie zog eine Augenbraue hoch.
„Ist die Androhung eines versohlten Hinterns für dich Abschreckung genug, ja oder nein?" Er guckte sie an wie ein Reh im Scheinwerferlicht bis er sichtbar ausatmete.
„Ja." Er schlurfte mit dem Schuh über den Teppich und zupfte am Saum seines Hemdes.
„Dann sind wir uns einig." Sie zog ihn in eine kurze Umarmung und tätschelte seinen Rücken sanft. Er ging ins Badezimmer um seinen Anzug zu richten und verbrachte die nächsten zehn Minuten damit die Handabdrücke im Spiegel zu betrachten, fühlte die abstrahlende Wärme und machte etliche Fotos aus allen Blickwinkeln um sie sich später genauer anzuschauen wenn schon alles wieder verheilt war. Er erwog Chloes Einflussbereich zu verlassen bis das geschah aber entschied sich dagegen. Ein leichter Schmerz war es wert in ihrer Nähe zu bleiben. Er sprang die Treppe hinunter wieder besserer Stimmung und fand die beiden immer noch in der Küche beim Abwasch. Chloe wusch die Schüsseln und Weingläser in der Spüle während Dan abtrocknete also entschied er sich fürs Wegräumen.
Sehr heimisch dachte er und schüttelte den Kopf. Er hatte heimische Seligkeit schon vor Äonen und nichts Gutes kam dabei heraus. Allerdings hatten weder er noch seine Brüder irgendeinen Sinn für freien Willen zu der Zeit. Seine erste Bestrafung war Verbannung, kein Klaps auf den Po. Jetzt musste er nur noch herausfinden wo die Grenzen lagen, hoffentlich ohne erneut gezüchtigt zu werden.
Er wunderte sich wie das sein Leben geworden war als er später auf dem Sofa mit dem Kopf auf Chloes Schoß lag während sie ihm mit den Fingern durchs Haar kämmte. Dan saß auf der anderen Seit von ihr, die Füße auf die Ecke des Sessels gelegt, einen Arm um ihre Schultern und die Fernbedienung auf dem Bein.
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Bitte hinterlasst einen kleinen Kommentar. Die Story ist im Englischen bereits fertig und heißt Parenting Lucifer.
