Diese Geschichte wurde ursprünglich in englischer Sprache veröffentlicht und nach Rücksprache mit der Autorin von mir übersetzt, um sie einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Obwohl ich nur als Übersetzerin fungiere, sind Reviews natürlich trotzdem mehr als willkommen. Alexandra, die Autorin, schreibt unter dem Namen madame. alexandra und ist hauptsächlich hier auf fanfiction. net unterwegs.
Autorin: madame. alexandra
Originaltitel: Killer
Mörder
Han Solo saß zusammengesunken in seinem Pilotensitz, den fast emotionslosen Blick auf die Frontscheibe des Falken gerichtet. Sicher im Hyperraum angekommen, den Kurs auf die versteckte Rebellenbasis gesetzt und den Zorn des Imperiums hinter sich lassend, konnte er es immer noch nicht glauben, dass es ihnen gelungen war, der Kampfstation lebend zu entkommen. Er hatte in seinem Leben viele wilde und riskante Dinge getan, aber nichts davon kam einer so offensichtlich selbstmörderischen Aktion wie dem Einfall in den Hinterhof des Imperiums mit nichts weiter als der Hilfe eines Wookiees, eines aufgeregten Teenagers und eines alten Priesters gleich.
Wäre er ein jüngerer Mann – wie Skywalker – würde er vielleicht immer noch zittern und nervös über das Geschehene reden, aber durch Kämpfe und die ständige Angst vor dem Tod hatte er jahrelange Übung darin, sein Adrenalin zu kontrollieren, also saß er ganz ruhig da.
Bis Chewbacca sich mit einem vorsichtigen Knurren ins Cockpit hineinduckte.
[Der Junge ist eingeschlafen], informierte er Han leicht amüsiert.
„Wo?", grunzte Han.
[Im Hauptraum], antwortete Chewbacca. Er zeigte mit der Pfote in die ungefähre Richtung. [Sein Kopf liegt mitten im Holospiel.]
Han schnaubte kopfschüttelnd – gut, zu seiner Verteidigung war Luke für jemanden, dessen Leben bisher daraus bestanden hatte, in die Sonne Tatooines zu starren und sich um eine Feuchtfarm zu kümmern, plötzlich mit sehr viel Aufregung konfrontiert worden. Schlaf war für ihn wahrscheinlich eine gute Möglichkeit, damit umzugehen. Was Han an etwas erinnerte –
„Wo ist das Mädchen?"
[Prinzessin], korrigierte Chewie spitz.
Han sah ihn böse an.
„Okay", verbesserte er sich. „Wo ist Ihre-Königliche-Undankbare-Einstellung?"
Chewbacca rümpfte tadelnd die Nase, dann gestikulierte er erneut mit der Pfote.
[Ich habe ihren Knöchel behandelt. Er ist verstaucht], teilte Chewie ihm mit. [Ich habe ihr gesagt, sie kann deine Kabine haben.]
„Ach, Chewie, komm schon!"
[Sie ist eine Frau! Sie braucht Privatsphäre!]
Han stand auf und versuchte, das Tief abzuschütteln, in dem er sich noch bis vor wenigen Augenblicken befunden hatte. Ein verkrampfter Zug erschien um seinen Mund und er seufzte und fuhr mit der Hand über seinen Kiefer. Er wandte sich zum Gehen um, wahrscheinlich war es besser, wenn er einen Blick auf seine kostbare Fracht warf – sie war schließlich eine Menge Geld wert – als er plötzlich innehielt, getroffen von dem, was Chewie zuvor gesagt hatte.
„Knöchel? Ihr Knöchel ist verstaucht?"
Der Wookiee nickte und gab ein trauriges und mitfühlendes Seufzen von sich.
„Sie hat die ganze Rennerei und die Kämpfe mit einem verstauchten Knöchel mitgemacht?"
[Sie war wahrscheinlich weniger um den Knöchel besorgt als darüber, eine Gewehrladung in die Brust zu bekommen], bemerkte Chewie trocken.
Han zögerte.
„Trotzdem", erwiderte er. „Irgendwie beeindruckend."
[Nicht jeder ist im Hinblick auf Verletzungen so ein Baby wie du], schnaubte Chewbacca selbstgefällig.
Han warf ihm einen vernichtenden Blick zu und entfernte sich ohne ein weiteres Wort vom Cockpit, einen missmutigen Gesichtsausdruck aufsetzend, als er Chewie leise vor sich hin lachen hörte. Leise durchquerte er den Hauptraum – Luke schlief in der Tat mit dem Oberkörper ausgestreckt auf dem Tisch, einen Arm über dem Kopf, den anderen unter seiner Wange. Han hielt inne, um das Spiel auszuschalten und betrachtete den Jungen für eine Minute.
Skywalker hatte Mut, das musste man ihm lassen. Wer stürmte einfach in einen imperialen Stützpunkt, um eine Frau zu retten, die er nicht einmal wirklich kannte – ohne das Versprechen einer Belohnung? Es war rätselhaft und wahrscheinlich war mehr an der Geschichte dran, aber Han wurde nicht dafür bezahlt, sich für irgendetwas davon zu interessieren.
Als er vor den Mannschaftsquartieren zum Stehen kam, starrte er die Tür für einen Moment an, bevor er laut genug klopfte, dass ihn die Prinzessin sogar dann hören würde, wenn sie schlief. Die Geschwindigkeit, mit der sie ihm zu verstehen gab, dass er hereinkommen könne, ließ allerdings darauf schließen, dass sie nicht geschlafen hatte. Er ging hinein und fand sie steif in einer Koje liegend vor, den Fuß auf einem Kissen hochgelagert. Sie starrte an die Decke, den Kopf auf ihre Hände gebettet, und sah ihn nicht an, als er eintrat.
Er räusperte sich.
„Brauchen Sie irgendwas?", erkundigte er sich.
Er fragte sich, wie wartungsintensiv sie war. Sein Schiff war wartungsintensiv, aber wahrscheinlich auf eine gegenteilige Art, als eine Prinzessin es sein würde, also wusste er nicht genau, wie er damit umgehen sollte. Während er auf eine Antwort von ihr wartete, konzentrierte er sich auf ihr Profil und nach einem langen Augenblick drehte sie schließlich den Kopf.
„Ich brauche nichts, Captain", sagte sie förmlich. „Vielen Dank."
Sie klang, als würde sie ihn aus ihrer Gegenwart entlassen. Er hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme, während er sie noch einen Moment länger beobachtete. Dann ging er um die Ecke in seine Kabine, zog eine Ersatzdecke aus einer Schublade und schüttelte sie aus, um zu sehen, ob sie sauber war. Sie war sauber, also nahm er sie mit zurück in die Mannschaftsquartiere und hockte sich neben die Koje.
„Hier", bot er an und deutete mit dem Kopf auf ihre bloßen Handgelenke. „Ihnen ist kalt", stellte er mit einem Blick auf die kleinen Erhebungen auf ihrer Haut fest.
Sie bewegte sich und setzte sich auf, die Lippen fest zusammengepresst – Schmerzen, dachte Han mit einem Stirnrunzeln, sie hat Schmerzen und will es nicht zugeben. Sie nahm die Decke und fuhr nachdenklich mit den Fingern darüber. Mit leicht angezogenen Knien breitete sie die Decke über sich aus.
„Danke", sagte sie erneut und dieses Mal war der abweisende Ton verschwunden.
Er nickte.
„Ich frage Sie noch einmal", sagte er aus einem Gefühl heraus. „Brauchen Sie irgendwas?" Dieses Mal wurde er spezifischer. „Schmerzmittel oder etwas zu essen?"
Zusätzlich zu den Schmerzen sah sie halb verhungert aus.
Aufmerksam studierte sie ihre Knie, legte dann vorsichtig die Hände darauf und schüttelte den Kopf.
„Mir geht es gut, Captain", erwiderte sie etwas gereizt.
Er zuckte mit den Schultern. Er hatte es zweimal versucht, also beschloss er, sie einfach in Ruhe zu lassen. Immerhin hatte man ihren gesamten Planeten zerstört. Das war etwas, was er nicht verstehen konnte und er würde keine große Hilfe sein, wenn sie sich dazu entschloss, darüber zu reden. Er würde definitiv keine große Hilfe sein, wenn sie anfangen würde zu weinen.
Er stand auf und deutete beiläufig auf eine Kiste in der Ecke.
„Da drin ist eine Erste-Hilfe-Ausrüstung", erwähnte er unbeholfen – nur für den Fall, dass sie es sich in Bezug auf die Schmerzmittel anders überlegte.
Er war schon an der Tür, als sie plötzlich zu sprechen begann.
„Die Blaster auf dem Todesstern", begann sie mit verbissener und resignierter Stimme. „Die waren nicht auf Betäubung eingestellt, oder?"
Blinzelnd drehte Han sich um – was für eine naive Frage war das denn? Er hatte eine neunmalkluge Erwiderung auf der Zunge, hielt sich aber zurück, als er ihr Gesicht sah – es war aschfahl. Leicht besorgt verschränkte er die Arme. Ihre Augen waren stumpf und irgendwie zutiefst traurig und er sah sie einen Moment lang unsicher an, bevor er sich räusperte.
„Nein", antwortete er geradeheraus. „Sie haben versucht, uns zu töten", stellte er unnötigerweise fest.
Sie sah weg und starrte vor sich hin.
„Dann habe ich zwei von ihnen getötet, als ich Ihre Waffe genommen habe", bemerkte sie mit einer unheimlichen Art von Endgültigkeit.
Er zuckte die Schultern.
„Wahrscheinlich", stimmte er zu. Dann fuhr er fort: „Sie sind ein verdammt guter Schütze, was Krisensituationen anbelangt." Nachdem er es gesagt hatte, dachte er, dass das in diesem Moment vielleicht nicht der beste Kommentar war. Trotzdem sah sie ihn nicht an. Sie starrte weiterhin vor sich ins Nichts.
„Der Rückstoß ist anders, wenn sie nicht auf Betäubung eingestellt sind", sagte sie leise.
Langsam faltete Han die Arme auseinander und ließ sie an seinen Seiten herunterhängen, wobei ihm die Erkenntnis dämmerte wie bei einem Sonnenaufgang. Er biss die Zähne zusammen – die Art, wie sie seine Waffe mit so viel Selbstsicherheit genommen hatte, hatte sie wie einen alten Schusswechsel-Profi wirken lassen, aber wenn er ihr jetzt zuhörte, war er sich nicht mehr so sicher.
„Sie haben noch nie zuvor jemanden getötet", stellte er unverblümt fest.
Es war keine Frage. Er konnte es in ihren Augen sehen, wenn sie ihn anschaute. Er wusste nicht, welche Antwort er in diesem Moment von ihr erwartete, aber die Worte, die aus ihrem Mund kamen, waren ziemlich gefasst und fast komisch in ihrer Gelassenheit:
„Ich denke darüber nach, wie es sich anfühlt, ein Mörder zu sein."
Han schluckte schwer – ihr Blick zuckte weg und er spürte, dass es sie tief betroffen machte. Auf der einen Seite hielt er es für absurd, darauf herumzureiten – sie hatten überlebt und warum sollte sie sich dafür interessieren, einem Sturmtruppler das Leben genommen zu haben, wenn sein Kommandant ihr gerade ihre gesamte Welt genommen hatte? Auf der anderen Seite erinnerte er sich an seinen ersten Mord und er hatte seinem Gegner von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden.
„Haben Sie schon einmal jemanden getötet?", fragte sie und richtete ihre Augen wieder auf ihn.
Sie hatte nicht gesehen, dass er auf dem Todesstern jemanden umgebracht hätte.
Er dachte an Greedo in Mos Eisley. Er hatte keinen zweiten Gedanken daran verschwendet, den Kopfgeldjäger zu töten; es war ums Ganze gegangen und er wollte nicht sterben. Er bereute es nicht. Er verweilte nicht bei dem Gedanken. Aber plötzlich, unter ihrem bohrenden Blick, durchlebte er eine Sinnkrise. Dieses Mädchen saß allen Ernstes hier und betrauerte einen Akt der Gewalt – gegen ihre Entführer! – und er konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, wann es ihn das letzte Mal gestört hatte, jemanden zu töten.
Seine Reaktion auf ihre einfache Frage erschütterte ihn.
Als er schließlich antwortete, sagte er nur:
„Ja."
Sein Mangel an Wortgewandtheit war erstaunlich, aber er hatte nichts anderes beizutragen.
Für einen Moment sah sie aus, als erwarte sie mehr – sie sah aus, als würde sie darauf hoffen, dass er ihr ein besseres Gefühl gab. Als er nichts mehr hinzufügte, nahmen ihre Augen einen forschen, fast kritischen Ausdruck an und sie schürzte die Lippen.
„Wer sind Sie?", fragte sie im Flüsterton.
Das brachte ihn zum Grinsen – sie wusste nicht wirklich, wer er war, oder? Und er kannte sie nicht – sie waren so schnell zusammengewürfelt worden, dass er nicht einmal sicher war, ob sie sich an seinen Namen erinnerte – was erklären würde, warum sie ihn weiterhin so förmlich als Captain bezeichnete.
„Ihr Held", erwiderte er charmant. Dann schnaubte er. „Prinzessin, ich bin nur ein Kerl, den Ihr Freund bestochen hat, um Ihn da raus zu fliegen, damit er Sie retten kann."
Sie sah ihn seltsam an.
„Ich habe diesen Jungen noch nie getroffen", sagte sie leise.
Han hob die Brauen – interessant. Bevor er etwas antworten konnte, begann sie erneut zu sprechen:
„Diese Rettungsaktion", flüsterte sie, „war ein derartiges Risiko, dass es jeden finanziellen Vorteil überwiegt, den Sie davon hätten haben können."
Welche Art von Söldner nahm einen Auftrag wie diesen an, einen Auftrag, der ein todsicherer Misserfolg war, oder hätte gewesen sein sollen, obwohl sie wie durch ein Wunder überlebt hatten.
Han reichte nach oben und rieb sich den Kiefer.
„Es hat sich einfach irgendwie so ergeben", murmelte er ablehnend. „Ich sollte ihn nach Alderaan bringen."
Schnell wandte sie den Kopf ab. Sie war lange still, dann sagte sie selbstsicher:
„Sie mögen das Imperium nicht."
Er sträubte sich ein wenig gegen ihre Analyse – sie waren aus Versehen auf diese Kampfstation geraten und es war Luke gewesen, der darin eine günstige Gelegenheit gesehen hatte. Er selbst hatte nicht den sehnlichen Wunsch, die Welt zu verändern –
„Ich bin kein Revolutionär", gestand er ganz offen. „Ich bin ein Schmuggler."
Ihre Lippen verzogen sich leicht.
„Niemand ist ein Revolutionär, bis er in eine Ecke gedrängt wird", entgegnete sie schlicht.
Er nahm an, dass es stimmte, aber dieses Gespräch wurde zu tiefgründig und er war nicht in der Stimmung für irgendeine Art von Wahlkampfrede oder den Versuch, ihn dazu zu bringen, sich ihrer hirnrissigen, anti-imperialen Gesellschaft anzuschließen. Es war egal, dass er das Imperium nicht mochte. Er wollte nur sicherstellen, dass es ihr gut ging, dass er sie – physisch – so unversehrt wie möglich zu ihren Leuten zurückbrachte.
In der entstandenen Stille wandte er sich wieder zum Gehen, überlegte es sich dann aber anders. Er biss die Zähne zusammen und drehte sich mit erhobenen Händen um.
„Sehen Sie", begann er ungeschickt und überraschend laut. Sie zuckte leicht zusammen und er fluchte leise vor sich hin. „Dort drüben haben Sie getan, was Sie tun mussten, um am Leben zu bleiben", teilte er ihr barsch mit. „Sie müssen sich deswegen nicht schlecht fühlen. Niemand wird Sie dafür zur Rechenschaft ziehen."
Zu seiner Überraschung sah sie ihn ruhig an und hob leicht ihre Schultern.
„Ich weiß", brachte sie heiser hervor. „Es ist nicht das Töten an sich, das mich stört."
Er neigte den Kopf.
„Was stört Sie dann?", wollte er neugierig wissen.
Sie zögerte nur eine Sekunde.
„Dass es mir gefallen hat."
Überrascht ließ er die Hände sinken. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert und sie sagte es nicht mit einer Art obszönem Entzücken oder nihilistischem Vergnügen; sie gestand ihm keine Anwandlung von Soziopathie. Er verstand, was sie auszudrücken versuchte und er wies sie deswegen nicht zurecht.
„Nun", sagte er aufrichtig. „Die haben Sie verletzt", begründete er ihre Worte achselzuckend.
Das Gefühl, froh darüber zu sein, dass jemand tot war, war ihm nicht fremd.
„Ja, das haben sie", stimmte sie ihm leise zu.
Sie wandte sich ab.
„Aber ich bin nicht bereit, in einer Welt zu leben, in der Töten dazu führt, dass ich mich frei fühle."
Sie hatte ihm den Rücken zugedreht und legte sich wieder hin, rollte sich unter der Decke zusammen, die er ihr gegeben hatte. Er starrte ihren Rücken an, bohrte mit seinen Blicken ein Loch hinein, während er sich fragte, wie viele verschiedene Dimensionen eine so kleine Person in ihrer Seele verbergen konnte. Lange sah er sie an und überlegte, wie es sich für sie anfühlen musste, hier zu sein, von Fremden umgeben, die letzte Überlebende einer toten Welt – schließlich ließ er sie allein, um sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, denen sie sich jetzt stellen musste. Er war sich überdeutlich bewusst, dass er sie nicht darüber informieren musste, dass alle Revolutionäre an irgendeinem Punkt dazu gezwungen waren, zu Mördern zu werden.
Sie hatte es bereits herausgefunden.
