Alejandro schüttelte frustriert den Kopf, während er von seinem Pferd stieg. Was war nur aus Diego geworden? War es richtig, ihn gewähren zu lassen oder sollte er ihm nicht endlich den Kopf waschen? Statt – mal wieder – den ganzen Vormittag im Bett zu liegen, sollte sein Sohn lieber seinen Pflichten auf der Hacienda nachkommen. Es war eine Schande!
Vielleicht würde ein Gespräch mit Victoria ihn weiterbringen. Sie kannte Diego schließlich seit Kindestagen und schien zumindest einen gewissen Einfluss auf ihn zu haben – zumindest kam es dem alten Mann so vor. Vielleicht irrte er sich aber auch und bildete sich das nur ein. Warum er diesen Gedanken hatte, konnte sich Alejandro selbst nicht so richtig erklären.
Heute war einer jener Tage, an denen die Enttäuschung über seinen desinteressierten Sohn besonders tief an ihm nagte – daher hatte er sich entschlossen, die Taverne nicht erst zur Siesta, sondern bereits am späten Vormittag aufzusuchen.
Natürlich ohne Diego, der es mal wieder vorzog, lange im Bett zu liegen und den halben Tag zu verschlafen.
Zwar hatte Felipe Alejandro mit seinen Gesten mitgeteilt, dass es dem jungen Vega nicht gut ging und dieser sich krank fühlte – sein Vater war jedoch davon überzeugt, dass Diego wieder einmal zu lange gelesen hatte oder durch irgendwelche wissenschaftlichen Studien zu spät ins Bett gekommen war.
Seufzend betrat er die Taverne.
Und das keinen Moment zu früh.
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Drei Vaqueros standen dicht vor Victoria und hatten sie in eine Ecke gedrängt. Alejandro kannte die beiden flüchtig – zwei kräftige Männer, die gut anpacken konnten und bei Don Miguel arbeiteten. Leider ließ ihr Benehmen jedoch oft zu wünschen übrig; insbesondere, wenn Alkohol im Spiel war. Auch heute schien das der Fall zu sein – die leicht glasigen Augen und ein unsicherer Gang zeugten davon, dass die Arbeiter einiges über den Durst getrunken hatten.
Victoria wäre nicht Victoria wenn sie sich davon eingeschüchtert gefühlt hätte – zornig funkelte sie ihre Angreifer an und versuchte, die Kerle von sich wegzuschieben.
„Verschwindet von hier. Raus aus meiner Taverne!"
„So – verschwinden sollen wir? Das werden wir aber nicht, oder, Miguel?"
Der Angesprochene antwortete mit einem schiefen Grinsen, während er die Frau anzüglich musterte.
Leider waren die Vaqueros nicht betrunken genug, um keine Bedrohung für die Tavernenbesitzerin darzustellen. Deshalb eilte Alejandro herbei, um ihr beizustehen.
„Senores! Was fällt euch ein!"
„Oh, das nenne ich doch mal Glück! Der ehrenwerte Caballero de la Vega gibt sich die Ehre!", nuschelte José zwischen seinen schiefen Zähnen hervor. Auch sonst war er nicht gerade eine Augenweide. Eine krumme Nase – offensichtlich in der Vergangenheit mehrfach gebrochen – „zierte" sein Gesicht.
Alejandro schaffte es, den Ekel, den der süßlichen Alkoholgeruch in ihm auslösen wollte, zu unterdrücken und packte den dritten der Vaqueros am Kragen, um ihn von Victoria wegzuziehen.
„Hey! Was soll das! Müsst Ihr wieder Zorro spielen, Don Alejandro?"
„Was?" Was redete der Mistkerl für einen Blödsinn.
„Nur dieses Mal hat er gar kein Zorro-Kostüm an! Wo habt Ihr es denn gelassen, alter Mann?"
Eine vage Erinnerung überkam Alejandro. Etwas, was er bisher für einen Traum gehalten hatte und eigentlich nicht sein durfte.
Rasch verdrängte der Caballero diese Gedanken. Dazu war später noch Zeit. Der Mann schwankte, leistete aber weiter Widerstand.
Es reichte. Genug war genug!
Es gab in Los Angeles einige Menschen, denen man Temperament nachsagte. Alejandro gehörte dazu und jeder wusste, dass er es nicht immer zügeln konnte.
So war es auch nicht verwunderlich, dass seine Faust perfekt platziert in Josés Gesicht landete.
