1. Neue Zeiten


Die Wechselwirkung hat keinen Zweck als sich selbst." – Friedrich Schleiermacher


Nachdem die Schutzengel mit einem Mal alle aus dem Büro des Zaubereiministers verschwunden waren, brachen natürlich die Fragen los. Abgesehen von Severus und natürlich dem Dunklen Lord selbst schien niemand etwas von seinem unsichtbaren Begleiter geahnt zu haben. Und da Todesesser nun mal von Natur aus zu Paranoia neigten, beunruhigte die meisten von ihnen die Enthüllung darüber, dass sie in ihren Tun bisher nicht so alleine gewesen waren wie sie gedacht hatten, doch sehr.

Leland starrte Severus wieder einmal misstrauisch an, so als würde er irgendwie davon ausgehen, dass das alles irgendwie die Schuld des anderen Mannes sein musste. Immerhin hatte er Severus gerade erst vor kurzem mit der Luft reden sehen, und nun schien er diese Szene in einem anderen Licht als zuvor zu betrachten. Severus versuchte seine Blicke so gut er konnte zu ignorieren, und konzentrierte sich stattdessen auf den Dunklen Lord, der damit begonnen hatte zu erklären was genau Schutzengel eigentlich waren und wie sie der Sache von Nutzen sein konnten.

Severus erfuhr nichts wirklich Neues, das meiste was der Dunkle Lord wiedergab hatte er in seiner eigenen Recherche in Erfahrung gebracht oder in irgendeiner Form von Black erfahren. Anders als Aberforth schien der Dunkle Lord die Schutzengel nicht für irgendwelche betrügerischen Wesen zu halten, die nur vorgaben Verstorbene zu sein, er schien davon auszugehen, dass sie tatsächlich die waren, die sie vorgaben zu sein.

In all seinen Ausführungen erklärte der Dunkle Lord aber niemals wie er eigentlich von den Schutzengeln erfahren hatte, oder wie er die Verhandlungen mit ihnen begonnen hatte, oder woher er so genau wusste welcher seiner Anhänger einen unsichtbaren Begleiter besaß und welcher nicht. Nein, er stellte es so dar, als hätte er schon immer von ihnen gewusst und hätte es immer als Ziel angesehen sie zu rekrutieren, was Severus ihm aber einfach nicht glauben konnte.

Die meisten Todesesser wirkten vor allem verwirrt und beunruhigt und sogen die Informationen, die der Dunkle Lord ihnen darbot, gierig in sich auf. Doch Severus bemerkte, dass Fenrir Greyback eine Ausnahme darstellte, seine Miene zeigte einen nachdenklichen Ausdruck, der Severus gar nicht gefiel, auch wenn er nicht sagen konnte warum.

Auf persönlicher Ebene hatte er Greyback noch nie getraut, was vor allem mit seiner persönlichen Abneigung gegen den Mann zu tun hatte – er stand Werwölfen gegenüber seit jener Nacht damals in seiner Schulzeit nicht gerade begeistert gegenüber, und Greybacks Angewohnheit Menschen und vor allem Kindern aufzulauern und sie absichtlich zu beißen, und das seit Neusten auch noch in seiner menschlichen Form, führte nur dazu, dass Severus noch weniger als sowieso schon mit ihm zu tun haben wollte. Aber anders als viele anderen Todesesser machte er nicht den Fehler den Alpha-Wolf für ein dummes Tier zu halten. Greyback war verdammt verschlagen, was ihn umso gefährlicher machte, und seine vergleichsweise ruhige kalkulierende Reaktion auf diese ganze Schutzengel-Enthüllung konnte einfach nichts Gutes zu bedeuten haben.

Und dann waren die Schutzengel auf einmal wieder da. Wie aus dem Nichts tauchten sie wieder da, die meisten von ihnen direkt an der Stelle, von der sie zuvor verschwunden waren. Sirius Black manifestierte sich wieder neben Severus selbst. Doch sie kamen nur dazu einen kurzen Blick auszutauschen, bevor der Dunkle Lord wieder das Wort ergriff.

„Ich nehme an", meinte er, „Ihr wurdet von euren Vorgesetzten über unsere neue Allianz informiert."

Einige der Schutzengel nickten stumm, andere murmelten Bejahungen. Sirius Black aber wäre nicht Sirius Black, wenn er darauf nicht auch geantwortet hätte. „Und ich nehme an, Ihr wisst von unseren Limitierungen", sagte er und machte eine ausschweifende Geste, in die er alle anwesenden Todesesser miteinschloss, „Ihr habt Euren Anhängern hoffentlich keine falschen Versprechungen gemacht, was unseren Beitrag betrifft. Wir sind keine Armee, die für euch gegen eure Feinde kämpfen kann, unsere Fähigkeit mit der materiellen Welt zu interagieren ist limitiert. In mehr als nur einer Hinsicht."

Der Dunkle Lord musterte Black mit scheinbar unerschütterlicher Ruhe und lächelte dann. „Wie ich bereits sagte, seid ihr unsere Spione und Berater", erwiderte er unbeeindruckt, „Mehr erwartet keiner hier von euch, zumindest vorerst nicht." Dann wurde sein Lächeln breiter. „Aber vielleicht kann sich das ja eines Tages ändern."

Diese Aussage weckte Misstrauen in Severus, während sie dazu führte, dass sich Blacks Miene verdüsterte.

„Ich habe unseren neuen Verbündeten die Freiheit versprochen", fuhr Lord Voldemort fort, „Und ich habe vor mich an dieses Versprechen zu halten. Unsere Allianz wurde zum gegenseitigen Nutzen geschlossen."

Er nickte Black zu und wandte sich dann wieder an alle Anwesenden. „Ich weiß, dass ihr alle viele Fragen habt, und ich bin sicher, dass diese euch niemand besser beantworten kann als eure persönlichen Schutzengel. Nehmt euch erst einmal die Zeit sie kennenzulernen. Kehrt nach Hause zurück, sprecht mit euren bisher unsichtbaren Begleitern. Wenn sie diesen Ort hier verlassen, werden sie wieder für alle anderen unsichtbar sein, ihr aber, die ihr nun von ihnen wisst, solltet in der Lage sein sie zu sehen. Tauscht euch miteinander aus, besprecht alles, was notwendig ist. Wenn wir uns das nächste Mal treffen, dann werden individuelle Aufgaben verteilt werden", schloss er und löste dann die Versammlung auf.

Einiger der aufgebrachteren Todesesser waren dabei weg zu apparieren, doch bevor Severus seinerseits dazu kam, klang der kühle Befehl. „Ihr beide nicht, Severus", zu ihm durch, was ihn zum Bleiben zwang. Leland grinste ihn höhnisch an, bevor er apparierte, offenbar hoffte er, dass sein Rivale Ärger bekommen würde. Severus hoffte nur, dass der andere Todesesser das auch wirklich nur hoffte und nichts mit Sicherheit wusste.

Severus warf einen flüchtigen Blick auf seinen Schutzengel und bahnte sich dann den Weg zum Dunklen Lord, der sich keinen Schritt vom Schreibtisch des Zaubereiministers wegbewegt hatte, und nun an diesem Platz nahm und Severus erwartungsvoll anblickte. „Mir wurde mitgeteilt, dass euer Fall etwas anders liegt als der der anderen", meinte er voller falscher Freundlichkeit zu den beiden dunkelhaarigen Männern, die sich vor ihm aufbauten, „Ich nehme an, du hattest gute Gründe dich niemals an mich zu wenden, Severus, nachdem dir klar geworden ist, dass du von einem toten Mitglied des Ordens verfolgt wirst…."

Severus senkte ehrerbietig den Kopf. „Zunächst hielt ich ihn für eine Halluzination, einen Test, oder eine Manifestation von unangebrachten Schuldgefühlen", erklärte er, „Und dann habe ich versucht ihn zu verbannen. Und nachdem das nicht funktioniert hat, habe ich mich damit abgefunden, dass er der ist, der er behauptet zu sein, und hier ist um mich zu unterstützen. Ich habe bei meinen Recherchen nur sehr unzuverlässige Informationen über Schutzengel gefunden, und ich wollte nicht, dass Ihr denkt Ihr könntet euch nicht mehr auf mich verlassen. Seine Anwesenheit hat meine Arbeit nicht beeinflusst, aber ich wusste nicht wie Ihr auf eine so seltsame Geschichte reagieren würdet."

Lord Voldemort wippte nachdenklich mit seinen Kopf. „Es ist eine seltsame Geschichte, fürwahr", stellte er fest, „Und du hast recht, ich kann nicht sagen wie ich auf diese Geschichte reagiert hätte, wenn du damit sofort zu mir gekommen wärst. Und ich verstehe, dass du dir vor den anderen keine Blöße geben wolltest, vor allem, wenn man bedenkt, was anderen zugestoßen ist, die mich enttäuscht haben. Und dein Kleinkrieg mit Leland hat dich sicher nur noch vorsichtiger werden lassen. Trotzdem …" Er warf Severus einen scharfen Blick zu. „Zwischen uns darf es keine Geheimnisse geben, Severus. Ich muss mir deiner Loyalität sicher sein können. Und Fraternisation mit einem Ordensmitglied riecht nach Illoyalität."

„Das ist lächerlich, er war nicht illoyal", mischte sich Black an dieser Stelle ein, „Wie hätte er das auch sein sollen? Ihr behauptet doch, Ihr wüsstest über unsere Limitierungen Bescheid. Ich hätte dem Orden gar nicht mehr helfen können, selbst wenn ich gewollt hätte."

Der Blick des Dunklen Lords fiel nun auf den toten Black-Erben. „Aber du hättest ihnen Informationen zukommen lassen können – dem Jungen oder deinem Werwolf-Liebhaber, zum Beispiel", meinte er.

„Nun, das dachte ich am Anfang auch, aber es hat sich herausgestellt, dass sie nicht so oft intensiv an mich denken wie es mir recht gewesen wäre", sagte Black, „Remus hat mich gerade mal einmal gesehen, und da wurde ich sofort von seinem Schutzengel zurück nach Oben gerissen und beschimpft, und Harry hat mich niemals gesehen."

Black, der Narr, musste ja immer zu viel reden. Warum verriet er Dinge über Lupins Schutzengel? Andererseits, vielleicht ging er davon aus, dass der Lord darüber schon Bescheid wusste, immerhin hatte er ja auch gewusst welcher seiner Todesesser einen Schutzengel besaßen.

„Aber das hat keiner von euch zu Beginn wissen können, nicht wahr?", meinte der Dunkle Lord ruhig.

„Er dachte damals ich bin nicht echt", rief Black allen in Erinnerung.

Lord Voldemort musterte sie beide. „Ich weiß, dass dich seine Anwesenheit nicht davon abgehalten hat Dumbledore zu töten, Severus", meinte er langsam, „Deswegen will ich darüber hinwegsehen. Dieses eine Mal. Aber wenn jemand anderer vor mir stehen würde, der nicht vollbracht hat, was du vollbracht hast, dessen Loyalität ich mir nicht so sicher sein könnte wie deiner, dann würde dieses Gespräch anders ablaufen."

Severus nickte ehrerbietig. „Ich werde Euch niemals wieder etwas verschweigen, Mylord", versprach er, „Auch Dinge nicht, die ein schlechtes Licht auf mich werfen könnten."

„Das will ich zu deinem eigenen Wohl auch hoffen", meinte der Dunkle Lord, „Du bist verspätet hier eingetroffen. Was hat es damit auf sich?"

„Hogwarts fordert mich mehr, als ich vorhergesehen habe", meinte Severus langsam.

„Red nicht um den heißen Brei herum, sag ihm was passiert ist! Vergiftet haben sie ihn", fiel ihm Black ins Wort.

Lord Voldemort fuhr daraufhin kerzengerade hoch, seine entspannte Haltung war dahin, er war nun vollkommen aufmerksam. „Wer? Wie?", wollte er wissen.

„Wir wissen nicht wer. Wir nehmen an es war jemand aus dem Lehrkörper, es hätten aber auch Schüler sein können. Severus ist nicht gerade dabei den Wettbewerb zum beliebtesten Schuldirektor zu gewinnen", erwiderte Black, „Es war ein Kondenztrank, von dem er unbemerkt zu viel in seinem Büro inhaliert hatte. Er hat ihn in magisch herbeigeführten Schlaf versetzt, der ihn in Träumen gefangen gehalten hat. Was gut war, denn ich konnte ihm helfen aus diesen zu erwachen."

Der Dunkle Lord musterte ihn. „Wie praktisch", stellte er fest.

„Narrenglück. Bei echtem Gift hätte ich nichts für ihn tun können", widersprach Black, „Wer immer es war, wollte ihn nicht direkt töten, was den Kreis der Verdächtigen eher erweitert als verkleinert. Aber im Grunde konnten sie ihn nur mit so was erwischen, er nimmt sämtliche Gegengifte, trinkt und isst alleine. Es war eine verzweifelte Maßnahme."

„Oder der Täter war zu weich ihn zu töten", meinte der Lord.

„Das denke ich nicht. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass es die Carrows oder Lermark waren als einer der Schüler, wenn Ihr darauf hinauswollt. Wie schaltet man besser die Konkurrenz aus als damit es so aussehen zu lassen als dass es der Feind für einen erledigt hat?", gab Black zurück.

„Ich habe Hogwarts unter Kontrolle, mein Lord", betonte Severus schnell.

„Nein, nein, ich denke, das hast du nicht", erwiderte Lord Voldemort, „Aber du hast einen Schutzengel, der seinen Job macht, im wahrsten Sinne des Wortes." Seine Haltung entspannte sich wieder. „Ich erwarte, dass der Täter gefunden wird und entweder entsprechend bestraft wird oder seine Identität an mich weitergegeben wird, damit ich das übernehmen kann", befahl er dann, „Und ich erwarte, dass du in Zukunft vorsichtiger bist, Severus. Du bist zu wichtig. Ich will dich nicht verlieren, schon gar nicht durch so einen dummen Zwischenfall." Er starrte Black an. „Ich erwarte, dass du das verhinderst", befahl er diesem.

„Ich werde es verhindern, aber nicht weil Ihr es mir befehlt", betonte Black.

Der Dunkle Lord maß ihn noch einmal genauer und nickte dann zufrieden. „Nein, ich nehme an deswegen wirst du es nicht tun. Aber es kommt auf das Endresultat an, nicht wahr", meinte er, „Du hast Glück, Severus. Überraschendes Glück. … Ihr seid entlassen."

Severus nickte noch einmal ehrerbietig und apparierte sich dann davon. Aus Erfahrung wusste er, dass Black ein paar Minuten brauchen würde um ihn hinterher zu kommen, was gut war, denn er brauchte seinerseits ein paar Minuten um sich von diesem Gespräch zu erholen und sich darauf vorzubereiten seinen Schutzengel anzubrüllen, sobald sie wieder unter sich wären. Und anbrüllen würde er ihn, oh ja, das würde er ganz gewiss.


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