A/N: Dummerweise habe ich in meinem letzten Update vergessen zu erwähnen, dass „The Once and Future Daiyoukai" die Kategorie „Best Romance" und „Best Canon" des dritten Quartals auf Dokuga gewonnen hat! Yay! Danke an euch alle! Jemand hat mich vor einiger Zeit gefragt, ob ich plane, diese Story auf Dokuga zu posten, jetzt, da SingleSpark außer Betrieb ist. Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Soll ich? Sagt mir eure Meinung! Wenn es genügend von euch wollen, würde ich es sehr gerne für euch machen.
Zusätzlich zu Dokuga sind auch die IYFG-Awards für das 2 Quartal erschienen. „The Once and Future Daiyoukai" hat den 3. Platz in der Kategorie „Best Characterization (Sesshoumaru) und „Best Drama" und den 2. Platz für „Best Romance: Other" gewonnen! Yay! Vielen Dank auch an all diejenigen, die dort gewählt/gelesen/nominiert haben!
Und zu guter Letzt hat die großartige Ijin einen wundervollen kleinen Oneshot geschrieben, der zwischen dieses und das vorherige Kapitel dieser Geschichte passt. Es heißt „London, 1597" und ist reizend – jeder sollte es lesen und bewerten. (Amerkung des Übersetzers: Eigentlich war hier der Link eingefügt, FFN hat leider keine Links mehr übernommen.)
Danke an Ijin für die Ehre – Ich hoffe, diese Geschichte kann mithalten! :D
Habe ich irgendwas vergessen? Wahrscheinlich. Die lange Wartezeit tut mir leid – es war ein höllischer Monat. Bitte seid nachsichtig bei Schreibfehlern; ich leide unter starkem Schlafentzug. Wie auch immer, lest und bewertet!
Mit Dir Durch die Zeit
1598: London, England
Kagome gähnte und rollte die Schultern. „Das ist lächerlich", sagte sie, als eine weitere Kammerzofe mit einem leisen Schrei aus dem Schlaf hochschreckte. „Jeder außer Thomas kann zu Bett gehen. Tut mir leid, Thomas, aber jemand muss die Pferde unterstellen. Ich kann das nicht auch noch tun."
Der Stallbursche richtete sich in seinem Stuhl auf und nickte. „Ja, Miss. Natürlich werde ich wach bleiben. Doch was ist mit dem Verwalter? Er sagte, wir alle sollten bis zur Rückkehr des Herrn wach bleiben."
Die vier anderen Bediensteten tauschten unbehagliche Blicke aus und Kagome seufzte. Der Verwalter war der Leiter des Haushalts, und sie alle hatten seine Befehle zu befolgen. Auf jedem anderen Gut wäre Kagome schon vor langer Zeit entlassen worden wegen der Freiheiten, die sie sich herausnahm, wenn sie sich ihm widersetzte, nicht nur als Frau, sondern auch als Dienerin von niedrigem Stand. Es war eine Quelle von großer Spekulation warum sie weiterhin bleiben durfte. „Wenn er sich schlafen legen darf, sollten wir das auch. Wenn er damit ein Problem hat, kann er am Morgen mit mir sprechen", antwortete Kagome als ihre Lippen eine schmale Linie bildete.
Die Zofen standen auf, knicksten vor der fremdartigen Frau und verließen leise flüsternd den Raum. Kagome sah ihnen nach, wie sie im Schein einer Kerze verschwanden. Sie sollte ihnen nicht erlauben, Talglicht zu verschwenden, doch es war eine mondlose Nacht und sie zog ein paar geschmolzene Kerzen gebrochenen Knöcheln vor. Wieder seufzte sie und verlagerte ihr Gewicht während ihre Fingernägel auf den Tisch trommelten. „Hat er gesagt, dass es so spät werden würde, Thomas?"
„Nein, Miss", antwortete der Stallbursche, der sein Gesicht rieb, um wach zu bleiben. „Doch der Herr spricht selten mit mir." Augenblicklich wanderten seine Augen zu ihrem Gesicht, um ihre Reaktion zu sehen, aber sie hörte nicht mit ihrem Zappeln auf.
„Bald kann er selbst sein Pferd in den Stall bringen und sein Bett vorbereiten", murmelte sie.
Thomas lächelte und zog sein Wams nach unten wo es seine Taille hinaufgerutscht war. „Das bezweifle ich, Miss", sagte er. „Sie können nie viel für sich selbst tun, nicht wahr?"
Kagome konnte nicht anders als leise aufzulachen. Sie stand auf um ein weiteres Holzscheit in das sterbende Feuer zu werfen, eher Thomas als ihr selbst zuliebe. Es wurde nachts kühler und kühler während sie auf den Winter zusteuerten. Dieser Ort war einst ein Kloster gewesen – eins der vielen Grundstücke, die Henry VIII an sich genommen hatte als er vor Jahrzehnten mit Rom gebrochen hatte. Sesshoumaru hatte die ganze Zeit Steinmetze und Zimmermänner hier um die mittelalterlichen Steinstrukturen zu reparieren, aber es gab nicht viel, was ohne richtiges, modernes Werkzeug gemacht werden konnte. „Das wüsstet Ihr besser als ich, Thomas", sagte sie. Sie wusste, dass seine Familie dem Adel in dieser Gegend gedient hatte solange sogar sie denken konnten. Thomas war auf seinem Weg von den Schäfern unter seinen Vorfahren zum leitenden Stallknecht des ansässigen Lords weit gekommen.
„Lord Spenser ist fähiger als die meisten", räumte er ein. Er sah sie vorsichtig an. „Gibt es dort, von wo Ihr herkommt, auch Lords und Ladies, Miss?"
Die Priesterin lächelte. „Ja, die gibt es. Tatsächlich ist es sehr ähnlich, nur wurde mein Land erst vor kurzem vereint. Wir hatten für lange Zeit keinen einzelnen Anführer, sondern viele, und sie kämpften jahrelang gegeneinander."
„Klingt gefährlich, Miss."
Sie nickte. „Ja, das war es", antwortete sie sanft als sie ins Feuer starrte. Sie atmete ein und heiterte auf. „Aber nun bin ich hier."
Thomas lächelte. Er war nie weiter als London gereist und würde es wohl auch nie. Der Gedanke, eine Person, vor allem eine unverheiratete Frau, reiste quer durch die Welt, ging über seine Vorstellungskraft hinaus. Als sie zum ersten Mal auf dem Gut angekommen war, war er hier gewesen – sie hatte kaum Englisch gesprochen und war in Gegenwart anderer immer nervös gewesen. Sie war weit entfernt gewesen von der sprachgewandten, selbstbewussten Frau, die sie heute war. Natürlich war sich niemand ihrer genauen Position hier sicher – ihre einzige Pflicht schien darin zu bestehen, ein paar Stunden in der Woche in der Gegenwart des Herrn zu sein, während derer sie in komischen Sprachen redeten, wie Lauscher berichteten – doch es war definitiv eine begünstigte Position. Es war eine große Freude, dabei zuzusehen, wie ihre Macht wuchs und sie den generell verhassten leitenden Verwalter herausforderte. Schlussendlich, obwohl sie komisch und fremdartig war, hatte sie die Loyalität der restlichen Belegschaft mit ihrer Freundlichkeit und Bereitschaft, ihre Gunst beim Herrn des Hauses zum Wohle von ihnen allen zu nutzen, gewonnen. Es gab keine Hausarbeit, bei der sie nicht half – sogar bei der Wäsche, die normalerweise die Hand einer Frau auf eine rote, blasenwerfende Masse reduzierte. Seine Augen ruhten kurz auf ihrer glatten, blassen Haut als sie die Krümel vom Abendessen der Dienerschaft vom Tisch fegte.
Doch es war immer noch bedauernswert, weil Thomas wusste, dass sie hier niemals einen Ehemann finden würde. So sehr die Dienerschaft das fehlplatzierte Mädchen mochten, würde doch niemand von ihnen jemals einen Gedanken daran verschwenden, einen Fremden in ihre Familien zu bringen. „Werdet Ihr zurückkehren?", fragte er.
Sie blinzelte. „Oh, das weiß ich nicht", sagte sie. „Eines Tages, hoffe ich, aber gerade werde ich hier gebraucht."
Draußen war das scharfe Knarzen einer Kutsche zu hören und ein ungewöhnlicher Ruf nach einem Stallknecht. Thomas stand auf. „Eine Kutsche? Aber der Herr hat keine genommen", murmelte er, als er zur Tür ging. Kagome folgte ihm.
Sesshoumaru stieg von seinem enormen, rötlichgrauen Ross ab sobald Thomas auftauchte und übergab ihm die Zügel ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Die Kutsche stand weiter entfernt, tiefer in der Dunkelheit, aber sie konnte zwei Figuren ausmachen. Die Priesterin trat mit finsterem Blick nach vorne. Zu dieser späten Stunde mit Gästen zurückzukommen! Sie könnte ihn erwürgen! Doch sie zwang sich, ihren Mund zu halten. Sesshoumaru würdigte sie sowieso nie mit Aufmerksamkeit, wenn sie seine Bedienstete geben musste. Er warf seinen kurzen Mantel in ihre Arme ohne sie anzusehen und half dem anderen Reiter aus dessen Sitz. Es war immer so eine Überraschung für sie, den graziösen Adel in dem zu sehen, was die Elisabethaner als ‚Kutschen' bezeichneten. Es war wirklich nur wenig besser als ein Planwagen – sie waren weit weg von den filigran vergoldeten Kutschen der Zukunft.
Als die Person auf den Boden trat, schäften sich Kagomes Sinne und sie erkannte, dass sie nicht nur eine, sondern zwei dämonische Auren fühlte, die mit der ihren kollidierten. Sie hob ihren Kopf um den Youkai zu sehen, der eine Aura abgab, die fast so groß war wie die Sesshoumarus. Die Dämonin sah gänzlich menschlich aus, vielleicht mit Ausnahme des ungewöhnlich leuchtenden Rot ihres Haares. Die Miko was sich sicher, dass jeder denke würde, es war zu Ehren der roten Locken der Königin mit einer Mischung aus Kreuzkümmel und Safran gefärbt. Doch sie konnte zweifelsohne sagen, dass die Dämonin sich nicht um Mode kümmerte, die jemand anderem als ihr selbst schmeichelte. Ihr Gewand war etwas von dem Kagome nur träumen konnte – per Anordnung durch „Good Queen Bess" durften nur Herzoginnen, Gräfinnen und dergleichen Gold tragen, und diese Frau war darin eingewickelt. Die bestickte goldene Seide mit dem Halskragen aus Spitze, der in den quadratischen Ausschnitt gesteckt war, umrahmte ihr herzförmiges Gesicht mit ihren hohen Wangenknochen und vollen Lippen – zweifellos war sie eine Schönheit, und Kagome fühlte einen komischen, scharfen Schmerz in ihrem Herzen.
Thomas sah Kagomes Blick und hob eine Augenbraue, bevor er mit Sesshoumarus Pferd und der Kutsche der Edelfrau in Richtung der Stallungen in die Nacht hinein verschwand. Sie wusste, was er von dieser Frau dachte – welch eine Unsittlichkeit, nach Einbruch der Dunkelheit mit einem einzelnen Mann von solch niedrigem Stand herumzureiten! Aber Kagome verstand. Youkai fiel es schwer, den Regeln des Anstands zu folgen, auch wenn sie ihre körperlichen Tarnungen perfektioniert hatten. Fast hatte sie Mitgefühl, dachte sie, als sie an ihrer Kappe zog um ihre Haare versteckt zu halten.
„Priesterin", begrüßte der Youkai sie mit einem Lächeln, dass ihre leuchtenden, braunen Augen nicht erreichte. Sie drehte sich augenblicklich zu ihrem Begleiter um. „Also ist es wahr, dass du sie in deinem eigenen Haus behältst." Sie sprach in Japanisch, aber sie hatte einen starken Akzent. Kagome hatte genug Touristen im modernen Tokyo gehört um zu wissen, dass die Dämonin nicht englisch, sondern deutsch war.
Sesshoumaru sah die Miko an, als ob er sie zum ersten Mal bemerkte, sprach aber zu der Dämonin. „Ja. Wir haben eine Art Abkommen", antwortete er. Er wandte sich an Kagome. „Bring etwas Ale in das Arbeitszimmer und dann bereite ein Zimmer für die Gräfin vor."
Die Priesterin knickste erneut, aber sie gingen bereits an ihr vorbei zum beleuchteten Eingang ohne sie zu beachten. Sie ging zurück zur Küche und sammelte die benötigten Sachen zusammen, dann stellte sie sie auf Zinntablet, das sie unsicher auf der Hüfte balancierte als sie sich auf den Weg zum Arbeitszimmer machte. Als sie dort ankam, sah sie, dass Sesshoumaru bereits selbst ein Feuer entfacht hatte und sich hinter seinem Schreibtisch niederließ. Die Gräfin richtete ihre Röcke, sodass sie auf der anderen Seite sitzen konnte. Gerade als Kagome näherkam, war sie fertig. Im Schein des Feuers konnte die Miko die zierlichen Züge und das Glitzern von feinen Rubinkügelchen in den Haaren der Dämonin sehen. Sesshoumaru hatte die obersten Schnallen seines Wamses in einer seltenen Zurschaustellung von Entspannung geöffnet, was ihn wilder und gefährlicher wirken ließ.
Sie betrachtete die Gräfin leise als sie die zwei Becher und den Krug Ale abstellte. Sie war sehr schön, bestätigte Kagome erneut. So nah bei Sesshoumaru zu sitzen, unterstrich ihre Schönheit nur noch mehr – trotz der Anzeichen von Pracht strahlten beide eine pantherartige Grazie aus, die furchteinflößend und zugleich aufregend war.
„Also, was ist ihr Name?"
Die Miko wurde von dem amüsierten Trällern in der Stimme der Gräfin aus ihren Überlegungen gerissen. „Mein Name ist Kagome", sagte sie in Englisch und ignorierte Sesshoumarus genervten Blick.
Die Lippen der Dämonin kräuselten sich zu einem breiten Lächeln und sie wechselte kulanterweise ins Englische. „Und ich bin Gisela, Gräfin von Triberg-Todtnau. Lord Sesshoumaru erzählte mir, ihr kennt euch schon seit Längerem."
Kagome blickte überrascht zu dem Daiyoukai hinüber. Niemand in London wusste seinen echten Namen – die paar Dämonen, die über die letzten zwei Jahre hinweg zu Besuch waren, sprachen ihn mit ‚Lord Spenser' an. Aber wenn Sesshoumaru nicht derjenige gewesen war, der der Gräfin seinen echten Namen verraten hatte, schien er nicht recht verstört darüber, ihn aus ihrem Mund zu hören. „Ich bin eine Freundin seines Halbbruders", antwortete Kagome widerwillig.
„Und nun bist du hier mit Lord Sesshoumaru", fuhr die Gräfin fort, als ob Kagome nicht gesprochen hätte. „Sag mir, gefällt es dir, in England zu leben? Hier gibt es nicht viele Dämonen. Es ist kein Ort, der wirklich eine Miko braucht und ganz bestimmt kein Ort, an dem du deine Kräfte nutzen kannst."
Kagome spürte wie sich ihre Wangen wärmten. „Mikos wandern nicht herum und bringen Dämonen um", sagte sie. „Ich habe kein Problem mit allen. Sie sind nur ein Problem, wenn sie versuchen, Leute zu töten."
„Leute? Wie in Menschen?"
„Ja, und Dämonen, die versuchen, friedlich zu leben", sagte Kagome bestimmt. „Ich diskriminiere nicht."
„Nun ja, dann bist du eine Rarität", sagte die Gräfin, die immer noch ihr katzenähnliches Lächeln lächelte als ob es dauerhaft auf ihr Gesicht genagelt war. Ihre Augen huschten zu Sesshoumaru und etwas Unausgesprochenes wechselte zwischen ihnen.
„Du kannst wegtreten, Miko", sagte der Daiyoukai. „Bereite das Rosenzimmer für unseren Gast vor."
Das Mädchen blinzelte. „Was?" Sie hatte Treffen von Sesshoumaru mit anderen Dämonen immer beigewohnt – es war so viel einfacher, als den lakonischen Daiyoukai die Unterhaltung wiederholen zu lassen. Natürlich waren diese Treffen meist langweilige Berichte über Sesshoumarus Territorium oder noch ermüdendere Berichte von Spionen, die nicht eine Spur von den Affendämonen, die sie suchten, finden konnten. „Willst du nicht…"
„Das ist nicht deine Angelegenheit", unterbrach Sesshoumaru. Sein Verschleierungszauber fing an zu verblassen, wie er es ab und an tat, wenn er besonders genervt war, und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals als sie sah wie seine goldenen Augen wieder zu ihr blickten. „Geh."
Es gab nichts was sie tun konnte – sie verließ den Raum. Als sie schon auf halbem Weg zum Wäscheschrank war, fiel ihr Sesshoumarus Forderung wieder ein – das Rosenzimmer vorbereiten. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Normalerweise schliefen Gäste im Weißen Zimmer auf der anderen Seite des Hauses, weg von Sesshoumarus Räumen. Das Weiße Zimmer war großräumig und hatte den schönsten Ausblick auf die Themse – es war der Raum gewesen, in dem die Mönche arbeitsam ihre Bücher kopiert hatten. Es roch immer noch nach Pergament und Tinte, und es war Kagomes Lieblingszimmer.
Das Rosenzimmer war klein und dunkel. Es hatte ein buntes Rosenglasfenster, das dem Zimmer den Namen gab, aber es hatte als Privatkapelle für den Abt des Klosters gedient. Das große Bett und der Schrank füllten den Raum, und obwohl es an ein anderes, größeres Wohnzimmer anband, war es nicht wirklich komfortabel.
Es war auch direkt neben Sesshoumarus Räumen.
Kagome nahm die Bettwäsche zum Rosenzimmer, wo sie unter viel Nachsinnen begann, das Bett zu machen. Die Matratze war mit Stroh ausgestopft – nur Sesshoumaru hatte eine mit Federn – und sie musste sie schütteln um die sichtbaren Beulen herauszubekommen. Als sie die Steppdecke um die Ecken des Himmelbettes faltete, konnte sie jedoch nicht anders, als sich zu fragen, ob das alles nur Show war. Würde die Gräfin wirklich in diesem Bett schlafen?
Sie erledigte alles so schnell wie möglich und ging in den anderen Raum um die schweren Samtvorhänge zu öffnen. Das trübe Grau des Sonnenaufgangs berührte bereits den Horizont und sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass schon früh genug auch die Bediensteten wach waren und Sesshoumaru am Frühstückstisch erwartet wurde. Frühstück verpasste er nie, außer er war in London oder anderswo für die Nacht. Er wollte nicht faul erscheinen, hatte er ihr einmal gesagt, als sie ihn deswegen aufgezogen hatte.
„Oh, das ist doch dämlich", schalt sie sich selbst leise. Wen kümmerte es, wenn Sesshoumaru mit der deutschen Gräfin schlief. Es war bestimmt nicht ihre Sorge – er konnte mit dutzenden von Frauen schlafen (konnte bereits geschlafen haben!), sowohl Dämonin und Mensch. Sie war nicht sein Aufseher und bestimmt nicht seine Frau. Sie war hier, um von ihrer Allianz zu profitieren, nicht mehr und nicht weniger.
Sie rollte mit den Augen und verließ das Zimmer um die kurze Strecke zu Sesshoumarus Räumen zu gehen. Er hatte ganze 3 Räume zur privaten Benutzung, aber sie musste nur die Bettdecke zurückschlagen und sicherstellen, dass die Kammerzofen daran gedacht hatten, alles so zu lassen wie er es mochte. Sesshoumaru konnte eigen sein in der Art, wie seine Bettvorhänge zurückgebunden und wie seine Bücher auf das Regal zurückgestellt waren, oder mit welcher Genauigkeit das Zimmermädchen staubgewischt hatte. Jetzt, da Kagome darüber nachdachte, war er tatsächlich eine Primadonna. Als sie an die vernichtenden Kommentare dachte, die er das letzte Mal gemurmelt hatte, als eines der Kammermädchen vergessen hatte, einen frischen Krug Wasser auf sein Nachtkästchen zu stellen, hoffte die Miko auf einmal, er würde mit der Gräfin schlafen. Vielleicht würde das den verklemmten Idioten etwas entspannen.
Sie wandte sich zu seinem Zimmer und lief prompt in den genannten „verklemmten Idioten". „Was tust du hier?", fragte er und sah auf ihren Kopf hinunter.
Kagome rieb sich die Nase, mit der sie gegen seine Brust geknallt war. „Denkst du, dein Bett macht sich von selbst?"
Er ging um sie herum und hinaus in den Korridor. „Lass es", sagte er. „Die Sonne geht auf und du hast anderes zu tun. Heute Nacht schlafe ich nicht."
„Du könntest zumindest ein paar Stunden schlafen", sagte Kagome. „Du erscheinst gerne normal, schon vergessen? Naja, normale Menschen brauchen Schlaf."
„Du nicht", kommentierte er.
Sie zuckte die Schultern. Ein weiterer Nebeneffekt ihrer Unsterblichkeit, aber es war wahr, sie brauchte keinen Schlaf. Sie schlief aber gerne. Für sie ging es nicht darum, normal zu erscheinen, sondern sich normal zu fühlen. „Und heute Nach schlafe ich nicht. Aber du solltest. Was ist so wichtig, dass du es mit der Gräfin zu dieser gottlosen Zeit besprechen musst?"
„Das ist für dich nicht von Belang", sagte er, und da erst bemerkte sie zum ersten Mal den Stapel Papier in seiner Hand. Landkarten, erkannte sie. „Sie kümmert dich nicht."
Kagome blinzelte und dachte, er hatte sie beim Starren ertappt. „Was? Oh, die Gräfin." Sie zuckte die Schultern. „Sie ist okay. Sie erinnert mich sehr an dich, was sollte ich da nicht mögen?", frage sie, ihre Stimme vor Sarkasmus triefend.
„Hn." Er drehte sich weg. „Unterbrich uns nicht bis zum Frühstück. Wir werden sowohl das Frühstück als auch das Mittagessen im Arbeitszimmer einnehmen."
„Sesshoumaru?"
Der Daiyoukai hielt inne, was sie als Zeichen interpretierte, fortzufahren. „Kannst du mir zumindest sagen, ob das irgendetwas damit zu tun hat, dass wir nach Hause gehen?", fragte sie. „Letzte Woche hast du gesagt, du würdest darüber nachdenken. Wird diese kleine Unterhaltung mit der Gräfin unsere Chancen, nach Japan zurückzukehren, schmälern oder vergrößern?"
Er sah sie über seine Schulter hinweg an. „Ich verstehe deinen irrationalen Wunsch nicht, an einen Ort zurückzukehren, von dem du zugegeben hast, dass er dir Unbehagen im Zusammenhang mit deiner Lage bereitet. Du weißt, dass deine menschlichen Freunde wahrscheinlich tot sind. Es ist möglich, dass Inuyasha ebenfalls tot ist, seine ärgerliche Angewohnheit, entgegen aller Wahrscheinlichkeit zu überleben, ausgenommen. Der Fuchsjüngling ist wahrscheinlich auf der Suche nach einem eigenen Zuhause und einer eigenen Familie."
Sie nickte. „Das ist alles möglich, ich weiß, aber möglich ist nicht gut genug. Ich muss es sicher wissen. Und wenn sie am Leben sind, möchte ich sie wieder sehen." Sie sah sich im dunklen Korridor um. „Das hier…du hast gesagt es ist temporär. Aber wir haben diese Diebe nicht gefunden, vom Juwel ganz zu schweigen. Warum bleiben wir hier, wenn es uns nichts bringt?"
„Würdest du lieber ziellos auf dem Kontinent umherwandern, ohne sicheres Essen, Wasser und Kleidung?"
„Ich hätte lieber diese ganze Sache hinter mit", antwortete sie mit nach unten gezogenen Mundwinkeln.
„Wenn du gehen möchtest, geh. Ich ziehe es vor, vorausschauender zu handeln", sagte Sesshoumaru.
Sie seufzte und ließ die Schultern hängen. „Das habe ich nicht gemeint."
„Wenn du nicht präzise sein kannst, sei leise", sagte er. Seine Augen blickten zu dem kleinen Fenster am Ende des Korridors und er bemerkte, dass sich der Himmel in ein schwaches Gelb färbte. „Ich habe die Gräfin warten lassen. Wende dich deinen Pflichten zu. Ich erwarte ein pünktliches Frühstück."
Kagome drehte sich um als er den Korridor hinunterging. Sie wusste sie sollte wütend auf den Daiyoukai sein, weil er ständig grob war und ihre Bedenken verwarf. Immerhin waren sie schon seit 2 Jahren hier und sie hatten keine verlässliche Information über das Juwel oder die Diebe erhalten. Und doch konnte sie die Energie dafür nicht aufbringen. Sesshoumarus Widerwillen, eine Position von Macht und Bequemlichkeit aufzugeben für eine möglicherweise wilde Verfolgungsjagd durch die ganze Welt war verständlich. Und er war schon immer ein Blödmann gewesen. Zwei Jahre als sein Diener ließen daran keinen Zweifel mehr.
Trotzdem wünschte sie sich, er würde ihre Sicht der Dinge verstehen. England war nicht ihr Zuhause, und wenn sie schon für längere Zeit irgendwo verweilen musste, würde sie das vorzugsweise in Japan tun. Sie ging hinaus in die frühe Dämmerung, und der Tau durchdrang ihre langen Röcke und ihre derben Lederschuhe. England war so grau, dachte sie, als sie sich ihren Weg durch den schlammigen Stallhof suchte. Manchmal war sie hier glücklich, während der Jahrmärkte und Feste und der Prasserei, in die sich die Engländer scheinbar bei jeder Gelegenheit stürzten. Boxing Day wurde zu ihrem Liebling, wenn auch nur weil sie dachte, dass es gut für Sesshoumarus Charakter war, zumindest einmal im Jahr großzügig zu sein. Ihn von den Kindern seiner Lehnsmänner umrundet zu sehen, wie er ein paar Münzen und ein paar Säcke voll Korn an ihre dankbaren Eltern austeilte, war eine der wenigen Gelegenheiten, zu denen der Daiyoukai menschlich wirkte.
Aber normalerweise war Kagome gleichgültig, wenn nicht depressiv. Die Portugiesen fingen an, regelmäßige Reisen nach Japan zu unternehmen, als Missionare und Händler, und die Engländer sorgten sich darüber, was solche fremdartigen Reichtümer für ihr Land bedeuten konnten. Und obwohl sie nicht die Angewohnheit hatte, mit dem Adel zu verkehren, der sich immer über so etwas Gedanken machte, hatten ihre asiatischen Züge dieses Thema sogar unter den Armen aufgebracht, die sie auf der Straße traf. Sogar die, die mit ihr arbeiteten, fühlten sich wohl genug, sie nach Japan zu fragen, so wie es Thomas vor einigen Stunden getan hatte. Doch jedes Mal, wenn sie von ihrem Zuhause sprach, konnte sie nicht anders als sich zu fragen, ob ihre Erinnerungen noch akkurat waren und ob Japan wirklich noch so schön und gefährlich war, wie sie es in Erinnerung hatte.
Sie ging an den Stallungen vorbei auf den Hühnerschuppen zu. Der ätzende Gestank von Hühnerkot umgab das kleine Gebilde trotz der morgendlichen Kälte und dem starken Tau. An der Tür waren frische Kratzspuren. „Füchse", murmelte sie und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Dank ihrer eher modernen Auffassung von Sicherheit hatten sie den sichersten Hühnerstall des Landes, doch sie musste die Ausdauer der kleinen Geschöpfe bewundern. Sie warf einen Blick auf den alten Jagdhund, der im kühlen Schmutz neben dem Stall lag. „Ich glaube, dir machen sie auch nicht wirklich viel aus, Oscar", sagte sie und er hob den Kopf. „Amüsieren sie dich auch?"
Als sie die Tür öffnete, hielt sie ihre Hand vor den Mund, um den Gestank abzuschwächen und ging hinein. Der Gockel krähte sie empört an als er nach draußen trottete, aber die Hennen lagen ruhig auf ihren Plätzen. Sie griff unter ein Huhn nach dem anderen, um die braunen Eier zu finden und in Ihre hochgeraffte Schürze zu legen, als sie sich gedankenverloren wünschte, ein Supermarkt möge sich ein paar Jahrhunderte zu früh im Scheunenhof materialisieren. Stattdessen materialisierte sich einer ihrer am wenigsten gemochten Menschen.
„Warum hast du die Bediensteten entgegen meines Befehls zu Bett geschickt?"
Sie warf einen flüchtigen Blick zu Garrick, der in einiger Distanz zum Hühnerschuppen stand. Der leitende Verwalter verlor langsam sein Haupthaar, war untersetzt und immer am Schwitzen – sogar als sie versuchte, bei seinem Anblick nicht ihre Nase zu rümpfen, musste sie sich über seine Fähigkeit wundern, schon so früh an einem kühlen Morgen einen Schweißfilm auf der Stirn zu haben. Als Garrick sie wütend anstarrte, schob sich Oscar zwischen ihn und den Eingang des Stalls, seine Ohren in seltener Aufmerksamkeit nach vorne aufgestellt. Kagome spürte eine plötzliche Wärme für den alten Hund. „Sie sind eingeschlafen, Verwalter", antwortete sie und benutzte statt seinem Namen seinen Titel. „Thomas und ich haben alles erledigt, was Lord Spencer wünschte. Ihr habt nicht uns alle wachhalten müssen."
„Meine Befehle werden nicht von einer Frau ignoriert!", schnappte er. „Vor allem von einer ungebildeten Heidin wie dir."
Kagome biss auf ihre Lippe und wandte ihr Gesicht ab. Es war zu früh dafür, nörgelte sie leise, als sie ein weiteres Ei fand. „Es war spät. Und aus irgendeinem Grund habt Ihr entschieden, eine Aufgabe für 2 Personen jeder Zofe zuzuteilen, die morgens halbwegs kompetent ist. Ich entschied, Lord Spenser wollte sein Frühstück bestimmt nicht in seinem Schoß finden, nur weil Gertrude ihre Augen nicht mehr offenhalten konnte. Oder sollten wir ihn fragen?" Sie neigte den Kopf um ihn finster anzusehen.
Garrick sah sie ebenso finster an, und sie musste dagegen ankämpfen, zurückzuweichen. Das war wahrscheinlich der einzige Grund, warum er überhaupt etwas als Verwalter geschafft bekam – jeder der Bediensteten hasste ihn, aber trotz seines fetten Bauchs und den lächerlichen Haarbüscheln über seinen Ohren wirkte er ziemlich einschüchternd. „Deine Frechheit kennt keine Grenzen", sagte er und deutete mit seinem Wurstfinger auf sie. „Du respektierst den dir zugedachten Platz in der Welt nicht und früher oder später wirst du abstürzen. Dann wirst du wie ein vergammelter Köter auf der Straße leben."
Oscar knurrte leise. Kagome stand im Eingang zum Hühnerstall, die Eier in ihrer Schürze gesammelt. Langsam breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus – so furchteinflößend er auch war, der leitende Verwalter hatte nicht viel Köpfchen. Er war nur einer dieser widerwärtigen Menschen, denen man in Laufe seines Lebens gelegentlich über den Weg lief – jemand, der eine Art angeborene Unfähigkeit besaß, in geringstem Maße nett zu sein. Kagome genoss die Macht, die sie über ihn hatte, und die Zwecklosigkeit, mit der er dagegen protestierte, doch sie wurde seiner auch schnell überdrüssig. Es wurde Zeit, diese unwillkommene Ablenkung zu beenden. „Wenigstens sind Hunde nützlich", kommentierte sie, „was mehr ist als man über Euch behaupten kann, Verwalter. Sagt mir, hattet Ihr heute Morgen nichts zu tun? Habt Ihr deswegen beschlossen, meine Arbeit zu unterbrechen? Selbstverständlich werde ich Lord Spenser sagen, dass Ihr mehr braucht um Euch zu beschäftigen, wenn sein Frühstück zu spät serviert wird."
„Du wirst ihm nichts dergleichen sagen", antwortete Garrick und neigte den Kopf wie ein Bulle, der gleich angreift.
Kagome richtete sich auf – ihre Beziehung zu Sesshoumaru war ihr Trumpf. Wurde der Verwalter jemals zu widerwärtig, musste sie nur den Namen ihres Herrn fallen lassen und Garrick würde sich ziemlich schnell verziehen. Es war die einzige Möglichkeit, das Leben mit ihm ertragbar zu machen. Er verstand nicht, warum Sesshoumaru Kagome hierbehielt – niemand verstand das natürlich – aber er wusste zumindest genug, um des Herrn Lieblingsdiener nicht zu sehr zu bedrängen. „Oh?", fragte Kagome einen Moment zu spät um tatsächlich leichtfertig zu erscheinen. „Und warum glaubt Ihr, dass mich das aufhalten würde?"
Garrick wollte gerade sprechen, um welches Gift auch immer über ihr auszuschütten, aber ein anderer Ruf kam ihm zuvor. „Kagome!" Gertrude stand auf den Stufen zur Küche. „Kagome, hast du die Eier?"
Die Miko versuchte, den Verwalter mit einem Blick unbeeindruckter Überlegenheit zu bedenken als sie sich an ihm vorbeidrückte, Oscar direkt hinter ihr. „Worüber hast du mit ihm gesprochen?", fragte Gertrude als Kagome die Treppen heraufkam. Sie scheuchte den Hund weg, der versuchte, ihnen in die warme Küche zu folgen. „Nicht du, Oscar! Raus!"
„Sei nett zu ihm", sagte Kagome leise, als ihre selbstbewusste Miene verschwand. Sie ging zum Küchentisch und begann, die Eier in eine Schüssel zu geben, wo sie mit dumpfen Schlägen zusammenrollten. „Er hat versucht, mich zu beschützen."
„Vor ihm?", fragte Gertrude. Sie hob ihr markantes Kinn und warf einen garstigen Blick zur Tür, als ob Garrick jeden Moment hereinkommen würde. Würde er natürlich nicht – so dumm war er nicht, es sei denn er hatte eine eilige Aufgabe. Es war, als würde er in die Höhle des Löwen gehen mit all dem Hass, der ihm hier entgegenschwappte. „Alles, was du gegen den brauchst, ist ein bisschen Salz!"
Kagome lächelte leise über den oft benutzten Vergleich von Garrick mit einer Schnecke. „Er hat… er hat sich einfach komisch benommen. Was nicht so komisch ist bei ihm, denke ich." Sie zuckte die Schultern, als sie einen Kessel über das Feuer stellte. Sie wollte wirklich nicht über den Verwalter reden. Er hatte sie zu leicht aus dem Konzept gebracht, und alles, was die Miko wollte, war ihre Fassung wieder zu bekommen.
„Nich' nur alte Frau'n, die er jetz' belästigt?"
Kagome wandte sich zu Susannah, der Näherin, die an ihrem üblichen Platz beim Feuer saß, die Hände voll mit Flickarbeit. Kagome wusste, dass sie Arthritis hatte und die Wärme sie schneller und einfacher Arbeiten ließ, und hatte sichergestellt, dass dies ihr permanenter Platz war. „Was meinst du damit, Susannah?", fragte die Priesterin mit gehobener Stimme, damit die alte Frau sie hören konnte.
Susannah sah die Miko mit ihren wässrig-blauen Augen an, als sie kurzen Prozess mit einem Riss in einem der Nachthemden eines Kammermädchens machte. Sie mochte alt, taub und arthritisch sein, doch das alte Weib hatte immer noch ihren Verstand, und Kagome hatte gelernt, zuzuhören wenn sie sprach. „Hier herinn' hat er auch rumgestochert", sagte sie.
„Garrick? Wann?", frage Anna, eine der Küchenmägde.
„Heut' Morgen", antwortete Susannah mit einem aufgebrachten Blick zu der jungen Frau. „Glaubst' ich hätt' das verschwieg'n?"
„Nein, Susannah", antwortete Kagome für die Magd, die tiefrot anlief. „Wir sind nur überrascht. Er kommt nie in die Küche, wenn er es vermeiden kann."
Die alte Frau zuckte mit den Schultern und sie konnten fast ihre Gelenke knacken hören. „War früh am Morgen, nich'? Keiner war da, nur ich und die Katz'." Sie nickte zu der dicken, orangefarben getigerten Katze, die unter einem der Schränke lag. Kagome erinnerte sich an den Streit, den sie mit Sesshoumaru wegen der Katze gehabt hatte – er hatte den Kater, der in der Küche gelebt hatte, nicht dort lassen wollen. Unnatürlich, hatte er gemeint, dass eine Katze die Küche ihrem eigentlichen Platz in der Scheune vorziehen würde. Kagome hatte die Katze für ein paar Tage aus der Küche gesperrt, aber einen Tag, nachdem sie dem Daiyoukai ein von Mäusen angeknabbertes Brot serviert hatte, wurde die Katze wieder in der Küche gefunden.
„Was wollte die Ratte?", fragte Gertrude. Obwohl Anna mit goldenen Locken gekrönt war, war Gertrude liebenswürdiger. Das markante Kinn mal außenvor gelassen, hatten ihre grünen Augen und das rostbraune Haar genug getan, um Garricks ungewollte Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Im Gegenzug hatte er einen besonderen Feind in Gertrude dazubekommen.
Susannah lehnte sich in ihrem Stuhl leicht zurück. „Wollte eigentlich nur was über den Herrn wiss'n", sagte sie. „Ich bin so ziemlich die Einzige, die sich an seinen Vater erinnern kann."
„Sein Vater?", Kagome richtete sich auf und sah die andren an.
Anna nickte und ihre Locken sprangen um ihre Wangen herum. „Er ging vor vielen Jahren nach Italien mit seiner neuen Frau. Sogar meine Mutter war noch nicht geboren." Anna war die jüngste von sieben lebenden Kindern in einer der glücklichen Familien, die mehr Geburten als Tode hatten. „Der damalige Verwalter hat ab und an Geld und ein paar Anweisungen erhalten, aber wir haben nichts gehört bis wir das mit der Pest herausgefunden haben."
Gertrude und Susannah bekreuzigten sich und Kagome spürte, wie es ihr eiskalt den Rücken hinunterlief. Es war einige Zeit her, dass die Pest sich spürbar in London gezeigt hatte – Quarantänen hielten die Gefahr in Schach. Aber sie hatte Europa und den Osten bereist, bevor sie hierhergekommen war, und das hatte sie durch mehr als ein paar pestgeplagte Städte geführt. Der Gestank von verrottendem Fleisch schien in ihre Nase zu steigen als imaginäre Fliegen um ihren Kopf summten. „Er ist in dem Ausbruch gestorben?", fragte sie.
„Sind sie alle", lieferte Gertrude die Antwort mit sanfter Stimme. „Der Sohn auch, dachten wir, bis Lord Spenser hier auftauchte und sein Geburtsrecht einforderte. Sein Cousin war richtig wüten darüber, kann ich dir sagen. Obwohl, wenn ich er wäre, würde ich Lord Spenser das Haus nur zu gern überlassen. Pech folgt dir, auch aus Italien."
„Vor allem aus Italien", korrigierte Anna. Es war die ungebrochene anti-römisch-katholische Stimmung der jüngeren Generationen.
Kagome hörte nicht länger zu. Sesshoumaru, ein Dieb! Es war nichts, über das man unbedacht hinwegsah. Und nicht nur der Dieb eines Leibes Brot oder sogar Juwelen, sondern einer ganzen Baronie! Sie hatte immer angenommen – und niemals gefragt – dass Sesshoumaru dieses Land und sein Zuhause durch seinen eigenen Verdienst bekommen hatte. Das erschien ihr natürlich nun selbst eher dumm – er hätte zum Ritter geschlagen werden können, wenn er etwas außergewöhnlich Fantastisches im Namen des Throns getan hätte, aber die Engländer waren ziemlich besitzergreifend was ihre geerbten Titel anging. Warum war ihr das nicht früher aufgefallen?
„Nunja, die Pest ist Lord Spenser nicht gefolgt", sagte Gertrude gerade. „Zwanzig Jahre und er sieht immer noch aus wie ein Jungspund, obwohl er jetzt an die vierzig gehen muss."
Die Augen der Miko weiteten sich. „Z-zwanzig? Vierzig?"
Anna redete weiter, überhaupt nicht auf den Schock ihrer Freundin achtend. „Spielt nicht und veranstaltet keine Gelage spät nachts. All das Geld, das er nicht verschwendet. Feine Möbel und eine noch feinere Figur." Sie seufzte. „Und diese herrlichen grauen Augen. Ein perfekter Mann!"
„Jedenfalls perfekt genug für einige Dinge!", fügte Gertrude hinzu und brachte die beiden zum Kichern.
Susannah – eine Puritanerin in ihren liberalsten Momenten – schnaubte leise und sah zu Kagome. Die Miko nickte, klatschte einmal in die Hände und versuchte zu ignorieren, wie sie zitterten. „Okay, okay. Genug rumgestanden und getratscht", sagte sie, ihre Stimme gerade laut genug, um ihren eigenen Herzschlag zu übertönen. „Wir haben Frühstück für zwei zu machen und zwar schnell."
Der Rest der Bediensteten fing an, aus ihren Betten oder von ihren frühmorgendlichen Arbeiten in die Küche zu tröpfeln, und Kagome wurde schnell gebeten, dem Koch mit Sesshoumarus Frühstück und bei der Festlegung der Tagesagenda zu helfen. Es war fast Winter und es gab viel zu tun vor dem ersten Schneefall der Saison. Sie dirigierte einige der Männer zu den Ställen um das Dach zu reparieren und die Frauen ein letztes Mal in diesem Jahr zum Waschen der Bettwäsche, und sie beruhigte sich als die Küche sich mit Betriebsamkeit füllte. Als die Bediensteten ein paar Mundvoll von dem dünnen Haferbrei nahmen, den Anna vorbereitet hatte, schlüpfte sie aus der Küche und ging den kurzen, überdachten Weg zum Haupthaus entlang.
„Du bist spät", sagte Sesshoumaru ohne den Kopf zu heben, als sie das Arbeitszimmer betrat.
„Um ein paar Minuten", antwortete Kagome, als sie das Tablet auf seinem Tisch abstellte und die Teller ausgab. „Guten Morgen, Gräfin", murmelte sie mit einem leicht gebeugten Knie, als sie die Frau ansprach, die sie so sorgsam beobachtete.
Gisela war diesen Morgen weniger extravagant gekleidet, in grünen Samt mit silbernem Besatz. Mit ihrem roten Haar erinnerte sie eher an eine Christbaumkugel, jedoch ohne Zweifel wunderschön. Irgendwie wirkte sie in diesem weniger formellen Kleid noch respekteinflößender – die entspannte Aura, mit der sie sich gab, machte Kagome unerklärlicherweise für einen Moment nervös. Aber Als Sesshoumaru ihr seinen Teller abnahm, erinnerte Kagome sich ganz genau, warum sie so nervös war und dass es absolut nichts mit der Gräfin zu tun hatte. „Wie lange bist du schon hier in England?", fragte sie in Japanisch.
Der Daiyoukai blickte auf und sah sie finster an. „Ich bin gerade beschäftigt, Miko. Das wird warten."
„Nein", sagte sie und zog das Wort in die Länge. „Tatsächlich glaube ich, dass es nicht warten kann."
Sesshoumaru und die Gräfin tauschten einen Blick und Kagome stieß einen kurzen, übertriebenen Seufzer aus. Welche Macht hatte diese Frau über den Daiyoukai? „Warum sagst du das?", fragte der Hundedämon.
„Wirst du zuerst meine Frage beantworten?", antwortete sie, wohl wissend wie Sesshoumaru Informationen sammelte ohne je selbst welche zu geben. „Wie lange bist du schon in England?"
Er blickte finster drein und lehnte sich gegen eine der Armlehnen seines Stuhls, die Finger über seine Lippen gelegt. „Das weißt du bereits", folgerte er. „Ich bin überrascht, dass du so lange gebraucht hast zu fragen, Miko."
„Habe ich nicht. Die Mädchen haben darüber gesprochen", antwortete Kagome. „Ich habe darauf vertraut, dass du nichts so Törichtes tun würdest! Zwanzig Jahre, Sesshoumaru? Das ist lächerlich. Wie konntest du denken, das würde funktionieren?"
Der Hundedämon zuckte leicht mit den Schultern, scheinbar unbeeindruckt von ihren Beleidigungen. „Es wird richtiggestellt." Er warf einen weiteren Blick zu Gisela.
„Warum bist du jetzt so besorgt darüber?", fragte die Gräfin. Ihr Ton war freundlich, doch da war eine Schärfe in ihrem Blick, die der Miko Unbehagen bereitete.
„Garrick, der leitende Verwalter, hat Fragen über Sesshoumaru gestellt. Und über den Menschen, der in Italien gestorben ist und der der eigentliche Lord Spenser und Sesshoumarus angeblicher Vater war", sagte sie.
Gisela wandte sich an Sesshoumaru. „In diesem Fall muss ich darauf bestehen", sagte sie zu ihm.
„Auf was bestehen? Was geschieht hier?", fragte Kagome bevor der Daiyoukai antworten konnte. Sie biss auf ihre Lippe. „Du bist zu lange geblieben, nicht wahr? Und die Leute fangen an, es zu merken."
Der Daiyoukai lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Euer menschlicher Verstand ist so beschränkt", murmelte er.
„Was auch immer", sagte Kagome mit einem Schnauben. Sie sah Gisela an. „Sagt mir, ich liege falsch."
Die Gräfin trommelte mit ihren langen Nägeln auf den Tisch und beobachtete den Hundedämon als sie sprach. „Es gibt Situationen, in denen ein Dämon für eine Weile mit Menschen leben kann ohne zu Altern. Das Problem ist nicht, dass ein Mensch es bemerkt, sondern welcher Mensch es bemerkt."
„Und wer hat es bemerkt? Außer Garrick, nehme ich an?", fragte Kagome.
Gisela blickte sie von der Seite her an. „Es tut mir leid, dass ist nichts von Belang für dich", antwortete sie und klang überhaupt nicht entschuldigend.
„Aber das ist der Grund, warum Ihr hier seid."
„Ja", sagte die Gräfin. „Es ist meine Aufgabe, Sesshoumaru aus England herauszubekommen und sicher zu stellen, dass er, wenn er zurückkommt, nicht mehr als Lord Spenser erkannt wird."
Die Miko nickte. „Ich begleite ihn", sagte sie.
„Das ist nicht Teil meiner Aufgabe", antwortete Gisela.
„Nein, aber meine", sagte Kagome.
Die Gräfin schaute zornig, zuckte jedoch die Schultern. „Vielleicht ist es zu unserem Vorteil", murmelte sie. „Sehr gut. Ich werde auch deine Überfahrt arrangieren, Miko. Du wirst vierzehn Tage nach St. Crispin's Richtung Kontinentaleuropa segeln. Von dort kannst du gehen wohin du willst, doch ich schlage vor, Europa für einige Zeit zu verlassen."
Kagomes Blick traf auf Sesshoumarus Starren. „Und wo gehen wir hin?", fragte sie sanft.
„Ich nahm an, du wolltest zurückkehren", antwortete er.
Sie kämpfte hart, um ihr Lächeln zu unterdrücken. „Will ich. Ich dachte nur nicht…"
„Ich hatte keinen Grund vor heute zu gehen", unterbrach Sesshoumaru sie. „Nun, da ein Grund vorliegt, wünsche ich sicherzustellen, dass in meinem Königreich alles einwandfrei von statten geht. Es ist logisch, dorthin zu gehen, da wir gezwungen sind, den Ort, an dem wir sein sollten, zu verlassen."
Kagome kommentierte seine kryptische Bemerkung nicht – sie hatte keine Ahnung, wie viel die Gräfin über das Juwel und ihre Situation wusste. Doch es war schade, dass sie gehen mussten. Sie und Sesshoumaru hatten vor Langem entschieden, dass der Zufall, einander zu begegnen und der Zufall, den Dieben in Russland über den Weg zu laufen, zu viel war um es einfach zu ignorieren. Sie wurden zueinander gezogen – eine Nebenwirkung des Fluchs, für immer zusammenzubleiben, nahmen sie an. Leider war der Fluch nicht so entgegenkommend, ihnen die genaue Adresse zu geben, und so wussten sie nicht, wie weit sich das Ziehen erstreckte. Sie wussten nicht, ob die Diebe in London waren, oder in England oder in Europa. Aber das Gefühl, dass sie am richtigen Ort warteten, war noch nicht verflogen, und obwohl Kagome willens war, dieses Opfer zu bringen, wusste sie, dass Sesshoumaru es nur äußerst ungern tat. Es würde bedeuten, komplett von vorne anzufangen.
Aber ihr machte das nichts aus, solange es hieß, dass sie ihre Freunde wieder sah. Sie nickte den beiden Dämonen zu. „Nun, ich werde bereit sein.", sagte sie. „Was werdet ihr mit dem Haus machen? Und den Angestellten?"
„Soweit sie wissen, wird Lord Spenser eine ausgedehnte Reise zum Kontinent unternehmen", sagte Gisela. Sie lehnte sich über den Tisch und berührte Sesshoumarus Handgelenk mit ihren langen Fingern. „Bedauerlicherweise wird er einen tragischen Reitunfall im Schwarzwald haben, wenn er mich besucht. Was dich betrifft, können wir die Wahrheit sagen. Du kehrst nach dem Ableben deines Herrn nach Hause zurück."
Kagome wurde unruhig als sie sah, wie lange Gisela ihre Berührung auf dem Daiyoukai verweilen ließ. „Reizend."
Ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Halblächeln und sie lehnte sich zurück. „Würdest du es vorziehen, er hätte einen Jagdunfall? Oder vielleicht könnte er im Rhein ertrinken?"
„Das ist es nicht. Es ist nur sehr endgültig", sagte Kagome. „Und ich weiß, genau darum geht es, aber es ist trotzdem irritierend, seinen eigenen Tod vorzutäuschen."
„Sieh es als Neustart", antwortete Gisela. Sie sah auf ihr Frühstück hinunter, das nun eiskalt auf ihrem Teller lag. „Ich denke, ich gebe dir das zurück und warte auf das Mittagessen. Sesshoumaru und ich haben viel zu besprechen. Du kannst jetzt gehen, Priesterin."
Die Miko sammelte die unberührten Teller ein, stapelte sie auf dem Tablett und ging zur Tür. Hinter ihr fing Sesshoumaru an, in schnellem Deutsch zu sprechen und Gisela lachte, hoch und hell.
Es brauchte einiges an Verhandlung um Kagome auf das Schiff zu bekommen, obwohl die Gräfin von Triberg-Todtnau im Voraus extra bezahlt hatte. Der französische Kapitän war nicht sonderlich erpicht darauf, eine alleinstehende Frau an Bord zu nehmen, noch dazu, wenn sie so komisch aussah und mit fremder Zunge sprach. Sesshoumaru händigte jedoch einfach ein paar mehr Münzen aus, um sicher zu stellen, dass sie ein eigenes Zimmer bekam. Sie würde in einem winzigen Zimmer, in dem das übrige Schießpulver aufbewahrt wurde, schlafen und, nachdem sie versprochen hatte, dass sie nicht rauchte, hatte der Kapitän sogar zugestimmt, sie nachts zu ihrer eigenen Sicherheit einzusperren. Nachdem sie ein paar Männer der grauhaarigen Crew gesehen hatte, war sie dafür fast dankbar. Sesshoumaru hatte nur süffisant gegrinst.
„Und du kannst deine Kräfte nicht einsetzen, auch nicht um ihnen Angst einzuflößen", erinnerte er sie, als sie an Deck gegen die Reling gelehnt standen. „Sie werden dich als Hexe über Bord werfen anstatt dir einfach nur aus dem Weg zu gehen. Das sind Männer, die nicht gelernt haben, mit der Natur zu leben, sondern dagegen."
„Ich weiß." Sie zuckte, als eine weitere Gruppe Matrosen leise hinter ihr lachten. Sie musste nicht das unfehlbare Hörvermögen des Daiyoukai haben, um zu wissen, worüber sie sprachen. „Du wirst wissen, wenn ich in Schwierigkeiten bin, oder? Und warum sind diese Männer so viel schlimmer, als die, mit denen ich aus Ägypten gesegelt bin?"
„Ich werde es wissen", sagte er als er die Crew beobachtete, wie sie die Fracht vom Dock auf das Schiff luden. „Und es ist tatsächlich meine Gegenwart, die sie so dreist handeln lässt. Du bist ein unverheirateter, weiblicher Diener in Gesellschaft eines unverheirateten Adeligen, der sein eigenes Land verlässt. Sie glauben, ich hätte dich geschwängert und bringe dich heimlich zu fremder Verwandtschaft." Er zuckte die Schultern. „Die Geschichte wird mit jeder Erzählung verschrobener."
„Oh, toll, das ist einfach perfekt. Kannst du ihnen nicht einfach sagen, dass du mich nicht mal mit einer Kneifzange anfassen würdest?"
„Dann würden sich dich wahrscheinlich als Herausforderung ansehen. Ihre Neugierde ist bereits geweckt."
Sie seufzte. „Ich glaube, ich ziehe es vor, eine Hexe zu sein", murmelte sie. „Ich kann nicht wirklich ertrinken."
„Sie würden dich vermutlich kielholen."
„Das ist einfach nur ungemütlich", sagte sie.
„Ich würde vermuten, das soll es sein." Er richtete sich auf, als die Crew begann, einander zuzurufen. Kagome sah mit hochgezogenen Brauen zu ihm auf – Sesshoumaru hatte ein gutes Stück Französisch zusätzlich zu Deutsch und Englisch gelernt seit er Japan verlassen hatte. „Wir sind fast bereit, auszulaufen", übersetzte er kurz, als die Crew um sie herum hastete.
Kagome richtete sich auf. „Garrick ist hier", sagte sie und nickte zu einer kleinen Menge, die sich versammelt hatte. Das meiste waren junge, schmutzige Jungen oder alte Männer, die hofften, ein oder zwei Münzen für ihre Mithilfe beim Verladen zu bekommen. In dieser Gesellschaft stach Garricks glänzender, kahler Kopf und sein großer Körperumfang hervor.
„Ich weiß. Er hat Freunde", bemerkte Sesshoumaru und nickte in Richtung zweier Männer auf der anderen Seite des Kais. Garrick war kein Spion – er warf ihnen lange, verschwörerische Blicke zu. Seine Freunde hingegen versuchten sich anzupassen, doch ihre feine Kleidung zog Bettlerkinder an. Einer von ihnen warf ein paar Münzen auf den Boden, trat jedes Kind, das ihm in dem darauffolgenden Gedrängel zu nahe kam.
„Sie wirken nicht sonderlich kompetent."
„Schläger von niedrigem Rang", höhnte Sesshoumaru. „Sie sind nur hier, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich gehe. Ich habe noch keine Aufmerksamkeit von jemand Höherem auf mich gezogen."
„Jemand Höherem von was, Sesshoumaru?"
Er blickte finster und antwortete nicht, ebenso wenig wie er auf eine ihrer anderen Fragen über diese ganze Sache geantwortet hatte, seit die Gräfin gegangen war.
Bald legten sie ab, begannen, die Themse hinunter zu treiben und ließen Garrick und seine Freunde hinter sich. Kagome und Sesshoumaru sahen zu, wie London an ihnen vorbeizog. „So, kleine Wahrsagerin", sagte er und benutzte den Spitznamen, der sie so sehr nervte, „was wird dieser Stadt widerfahren?"
Sie seufzte und packte die Reling. „Sie wird brennen", murmelte sie. „Ein paar Mal sogar. Aber all das? In 70 Jahren wird es weg sein." Sie machte eine ausladende Bewegung mit ihrem Arm und gestikulierte zu den hölzernen Strukturen, die die Ufer säumten. Sie deutete auf die Turmspitze von Old St. Paul's. „Weg. Alles davon. Aber es wird die Pest ausrotten, die die Bevölkerung dahinrafft. Und dann werden sie sie wieder aufbauen. Sie wird wunderschön sein. Sie wird das Zentrum eines Imperiums. Im Britischen Imperium geht die Sonne niemals unter, werden sie sagen."
„Du sagtest es würde zweimal brennen."
„Das ist eine andre Geschichte. Nochmal dreihundert Jahre in der Zukunft", antwortete sie. „Ich will sie jetzt nicht erzählen. Es ist zu viel."
Sesshoumaru nickte. Es gab bestimmte Sachen, die Kagome ihm nicht erzählte – sie mochte den Unglauben in seinen Augen nicht und er mochte die Art nicht, wie sie Worte benutzte, die er noch nie zuvor gehört hatte. Sie erzählte ihm was sie ihm erzählen musste oder wollte. Es war nicht genau das, was er sich vorgestellt hatte, als sie vor zwei Jahren ihre Abmachung getroffen hatten, doch andererseits hatte er nicht gewusst, was er erwarten konnte. Kagome war dieser Tage mysteriöser als die Zukunft.
„Es ist unwahrscheinlich, dass wir vorher zurückkehren", sagte Sesshoumaru.
„Wohin werden wir gehen nachdem wir Japan wieder verlassen haben? Ich kenne keine andre Sprache so wie du?"
Er verschränkte die Arme. „Du wirst lernen. Unsterblichkeit reicht dir die Zeit zum Vorteil."
„Gerad, wenn ich eine neue Sprache kann, werden wir wieder wegmüssen", seufzte sie. „Du kannst nicht wieder irgendwo für zwanzig Jahre bleiben. Ebenso wenig wie ich."
„Es gibt nur so viele Sprachen in der Welt."
„Oder vielleicht könnten wir, wenn jeder tot ist, der uns hier gekannt hat, wieder nach England zurückkommen", sagte Kagome mit einem Schulterzucken. „So lange müssten wir nicht einmal warten. Es gibt andre Orte in England außer London."
Sesshoumaru warf ihr einen Blick zu. „Ich dachte, du magst dieses kalte Land nicht."
Sie zuckte erneut mit den Schultern ohne zu antworten. Es war sinnlos, dem Daiyoukai von der Panik zu erzählen, die in den letzten zwei Monaten in ihr herangewachsen war. Er würde kaum mitfühlen, vielleicht würde er sie auch unwirsch daran erinnern, dass es ihre Wahl war. Und das war es gewesen – sie konnte sich kaum beschweren, wenn sich der Daiyoukai ausnahmsweise ihrer Bitte, nach Hause zu gehen, beugte. Aber sie konnte die Angst, sie würde in Japan genauso alleine sein wie hier in England, einfach nicht besiegen.
A/N: Also, zurück nach Japan! Oder wird ihnen wo anders aufgelauert? :)
Für die von euch, die fragen, es gab ein Wiederaufflammen der Pest in Venedig von 1575 bis 1577. Es gab damals keine akkuraten Zählungen, also wäre es für Sesshoumaru sehr einfach gewesen, die Verwandten des eigentlichen Lord Spenser davon zu überzeugen, dass er der Sohn war, den in England noch niemand gesehen hatte. Wer hätte gedacht, dass Sesshoumaru ein Identitätsdieb ist? Haha.
Und ein großes Danke (wieder – seht ihr? Ich habe euch gesagt, es würde oft vorkommen) an Ijin, die mir den Namen von Gisela, Gräfin von Triberg-Todtnau zur Verfügung gestellt hat. Gisela ist natürlich keine echte historische Figur, aber Triberg und Todtnau sind Orte in der Region des Schwarzwaldes. Heutzutage tatsächlich Touristenattraktionen. :)
Bitte denkt daran, auch ihre Geschichte zu lesen! Link ist oben. (Anmerkung des Übersetzers: Links werden leider nicht mehr unterstützt)
Bitte bewertet!
T/N: Ich weiß, ich wieder, aber bitte gestattet mir eine kurze Anmerkung. Vielleicht fällt dem ein oder anderen auf, dass ich Kagome manche Menschen in gleichgestellten oder höheren Positionen in der sehr höflichen Form (Ihr, Euch) ansprechen lasse, andere dagegen nicht. Im Englischen ist eine solche Unterscheidung nicht gegeben, da es keine Höflichkeitsform gibt. Es gibt nur „you", was mit „du" oder „Ihr" übersetzt werden kann. Da übergeordnete Personen zur damaligen Zeit jedoch immer mit höchstem Respekt angesprochen wurden, und Kagome Sesshoumarus Bedienstete mimt, spricht sie Gisela, den Verwalter, als auch Thomas in der Höflichkeitsform an, Gertrude, Susannah und Anna eher freundschaftlich mit dem „du". Ich bin einem Bauchgefühl gefolgt, je nach der Art und Weise, wie die Beziehung zu der jeweiligen Person klingt, falls das Sinn ergibt. (Und obwohl sie Garrick hasst, ist er leider Gottes eine Person höheren Ranges…)
Wie wir alle wissen, spricht Kagome Sesshoumaru schon im Anime mit „du" an, warum zur Hölle sollte sie mit der Gewohnheit brechen, nicht wahr? :)
Ich hoffe, euch gefällt es!
