3. Anders
„Anders sein möchte jeder, aber wehe ihm, er wird dabei anders anders als es den anderen gefällt." – Martin Gerhard Reisenberg
Sein Schutzengel schwieg einen Moment lang betreten. Severus dachte schon, dass er dieses Mal endlich zur Abwechslung einmal gewonnen hatte, seinen Punkt erfolgreich herübergebracht hatte, doch dann meinte Black einfach: „Denk nicht, dass mir nicht aufgefallen ist, was du da gerade getan hast. Du hast mich – ich glaube zum ersten Mal, seit wir uns kennengelernt haben, bei meinem Vornamen angesprochen! Und das nur um mich dazu zu bringen dir zu glauben!"
Severus blinzelte. „Dann werde ich es nicht noch einmal tun, wenn du dir das lieber ist", erwiderte er, sobald er sich von seiner Überraschung ob dieser Antwort erholt hatte.
„Das will ich dir auch geraten haben", erwiderte der untote Zauberer, „Rhetorische Tricks gewinnen nämlich keine Auseinandersetzungen, Argumente tun das!"
Severus wollte darauf hinweisen, dass das nichts daran änderte, dass seine Argumente auch wirklich die besseren waren, und er mit allem, was er sagte, auch wirklich recht hatte, und der Erbe der Blacks gut beraten wäre auf ihn zu hören, doch er wusste, dass das keinen Sinn hätte. Sirius Black war noch nie jemand gewesen, der vernünftigen Argumenten zugänglich war, und wenn er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann konnte man ihn durch nichts von seinen Plänen abbringen. Und für gewisse Wahrheiten war der Zauberer noch niemals offen gewesen, nicht einmal als er noch gelebt hatte. Und die schlichte Wahrheit - dass es zu manchmal keine Alternativen gab - hatte er seit er gestorben war sogar noch weniger einsehen wollen. Seit er erfahren hatte, dass Dumbledore von Severus erwartet hatte ihn zu töten, stand er den Plänen des alten Zauberers überkritisch gegenüber, und seit er die Wahrheit über Harry Potter erfahren hatte noch mehr. Severus hatte gehofft, dass die Enthüllung, dass der Junge ein lebendiges Horcrux war, bei dem anderen Mann endlich eine gewisse Einsicht bewirken würde, und dass ihm zu erklären wie weit der Dunkle Lord bereit war zu gehen, dabei helfen würde zu verstehen, dass dieser auf jeden Fall aufgehalten werden musste, egal wie viel sie dafür opfern mussten, aber nein, irgendwie hatte sich Black stattdessen nur darauf konzentriert, dass Severus ihn bei seinem Vornamen angesprochen hatte. Ich glaube ich werde nie verstehen wie das dort Oben bei ihm funktioniert.
Aber im Grunde wollte er auch gar nicht wissen wie das blacksche Hirn funktionierte. Was hätte er auch davon?
Nun", meinte er schließlich, „Wenn du mehr darüber wissen willst, musst du wohl deinen Bruder selbst fragen. Da eine Diskussion darüber bei dir nichts bewirkt, und bei deinen sogenannten Vorgesetzten wohl noch weniger, sollten wir uns stattdessen dem Ärger zuwenden, den du uns eingebrockt hast. Wir müssen dem Dunklen Lord die Person präsentieren, die mich vergiftet hat, und das glaubwürdig. Hast du bei allen deinen Ränkespielen auch daran gedacht wie das von Statten gehen soll?"
Er warf Black einen erwartungsvollen Blick zu. Und bekam einmal mehr bewiesen, dass sein Schutz jemandem anvertraut worden war, der nicht wirklich wusste, was er tat, sondern stattdessen einfach nur das tat, was ihm gerade in den Sinn kam, als dieser meinte: „Nun, so schwer kann es nicht sein. Ihr Todesesser versucht doch andauernd euch gegenseitig umzubringen. Wir warten einfach auf den nächsten Anschlag und erwischen den Täter dann auf frischer Tat. Und haben dann damit den Beweis für alle anderen Missetaten."
Severus seufzte. „Nein, Black, so funktioniert das nicht. Irgendjemand hat es hier im Schloss auf mich abgesehen, ja, aber wir haben nie herausgefunden wer es war und ob es ein Todesesser war. Es hätten die Schüler sein können oder jemand aus dem Lehrkörper, möglicherweise sogar die Geister oder Filch….", begann er.
„Filch? Warum sollte Filch dich tot sehen wollen?", wunderte sich sein Schutzengel.
„Auch er war Dumbledore zugetan. Wenn er mich wie alle anderen auch für seinen Mörder hält, ist er als Täter nicht auszuschließen", informierte ihn Severus, „Außerdem war er enttäuscht von meinem mangelnden Enthusiasmus, was verschärfte Strafen ala Umbridge angeht. Und er bewundert die disziplinarische Arbeit der Carrows."
„Nun, dann haben wir wenigstens die Carrows als Täter entlarvt, wenn sich herausstellen sollte, dass er es tatsächlich auf dich abgesehen hat", stellte Black seine übliche Logik einmal mehr unter Beweis.
„Außerdem könnten die bisherigen Zwischenfälle von verschiedensten Schloßbewohnern ausgelöst worden sein. Der einzige Zwischenfall, von dem wir den Urheber kennen, ist der Kondenztrank, und gerade von diesem Zwischenfall hast du dem Dunklen Lord erzählt, aber gerade diesen Täter wollen wir nicht ausliefern", fuhr Severus fort, „Wie also willst du uns aus dieser Sache herauswinden?"
Black war immer noch unbeeindruckt. „Ich bin sicher uns fällt etwas ein", meinte er, „Zur Not fabrizieren wir Beweise. Du hast doch sicher schon mal anderen Sachen in die Schuhe geschoben, die sie nicht getan haben. Ich habe das auf jeden Fall getan. Es sollte nicht allzu schwer sein den Carrows den Schwarzen Peter zuzuschieben. Obwohl ich eigentlich immer noch mehr für diesen Lermark wäre. Ich mag nicht wie er dich ansieht."
Severus ersparte es sich darauf hinzuweisen, dass er noch niemals anderen irgendetwas, das sie nicht getan hatten, in die Schuhe geschoben hatte, sondern meinte nur: „Da es dein Plan war, und du der Experte bist, schlage ich vor, dass du dir überlegst wie das alles funktionieren soll. Ich muss inzwischen meinen anderen Aufgaben nachkommen. Lass mich einfach wissen, wenn wir etwas Brauchbares eingefallen ist."
Black kniff die Augen zusammen und funkelte ihn wütend an. „Du musst das Wort brauchbar nicht so betonen, weißt du? Mir ist schon klar, dass du ein Kontrollfreak bist, der keine Denkanstöße braucht, sondern nur von vorne bis hinten durchgeplante Meisterpläne akzeptiert", jammerte er, „Aber entgegen dem, was du denkst, bin ich sehr wohl dazu in der Lage so einen aufzustellen."
Wenn dann wäre das eine Premiere. Soviel war sicher. Severus biss sich auf die Zunge, damit er diesen Gedanken nicht auch noch aussprach.
Black war ja sowieso schon überempfindlich, und immerhin, und das musste ihm Severus zugestehen, hatte er ihn aus seinen Alpträumen gerettet und auf seine eigene Art versucht ihn vorm Dunklen Lord zu beschützen. So sehr er durch letzteres alles noch schlimmer gemacht hatte, so sehr war sich Severus der Tatsache bewusst, dass er es gut gemeint hatte. Black war mitunter ganz brauchbar, er brauchte nur ein wenig Motivation und Anleitung. Ihn zu sehr auf seine diversen Charakterfehler hinzuweisen wäre demotivierend.
„Nun dann überleg dir was, und erzähl mir davon, wenn du soweit bist", sagte er stattdessen.
Black warf ihm einen zutiefst misstrauischen Blick zu, doch Severus nickte nur, und machte sich dann auf zum Lehrerzimmer und achtete dabei nicht darauf, ob sein Schutzengel ihm folgte oder nicht.
Seine Kollegen hatten sich gerade tatsächlich im Lehrerzimmer versammelt. Sogar die Carrows waren anwesend, was die allgemeine Stimmung vor Ort gehörig dämpfte – etwas das immer und überall der Fall war, wo die beiden Geschwister zu finden waren. Die beiden waren jedoch um einiges weniger erstaunt Severus Snape ins Lehrerzimmer treten zu sehen als der Rest der Belegschaft.
Besonders Poppy Pomfrey sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen, kaum, dass sie ihn erblickte. Minerva warf ihm einen kühlen Blick zu, der unterschwellige Feindseligkeit ausstrahlte, nachdem sie sich von ihrer ersten Überraschung erholt hatte. Es war jedoch Slughorn, der sich als erster wieder genug fing um sich zu Wort zu melden. „Severus, mein Junge, es tut gut dich zu sehen", meinte er, „Du warst einige Zeit lang regelrecht verschwunden, wir haben uns schon Sorgen gemacht."
„Das war sehr freundlich von dir, Horace", erwiderte Severus ruhig, und musterte dann jeden seiner Kollegen abschätzend. Die meisten waren nervös, versuchten das aber zu verbergen so gut sie konnten. Professor Sprout wirkte röter als sonst, und Professor Sinistra blinzelte ungewöhnlich oft. Flitwich wirkte erstarrt.
„Tatsächlich hat jemand einen Anschlag auf mich durchgeführt", verkündete er dann.
Alecto kicherte nervös, als sie das hörte. Ihr Bruder trat ihr gegen das Knie, was genügte um Severus dazu zu bringen sich zu fragen, ob es nicht doch die beiden waren, die hinter einigen der Unfälle der letzten Zeit gesteckt hatten.
Slughorn schien sich für den Sprecher der Gruppe zu halten, da er derjenige war, der darauf erwiderte: „Ein Anschlag? Das hört sich aber ernst an, Severus. Von – eh – welcher Art von Anschlag sprechen wir denn hier?"
„Jemand hat mich langsam aber stetig vergiftet, mit dem Ziel mich in einen magischen Schlaf zu versenken", berichtete Severus wahrheitsgetreu, „Mir ist natürlich klar, dass nicht jeder zu dieser Art von fortschrittlichen Zauber fähig ist. Nur ein sehr talentierter Zauberer oder eine sehr talentierte Hexe wäre dazu in der Lage so einen komplexen Anschlag erfolgreich durchzuführen." Sein Blick fand Poppys, die ihn ruhig erwiderte.
„Und du denkst, dass einer von uns hier der Täter sein könnte?", meldete sich McGonagall zu Wort.
Severus' Blick streifte sie kurz. „Oh, ich weiß, wer der Täter war", meinte er nur, „Was mich mehr bekümmert ist, dass es sich nur um den jüngsten Zwischenfall in einer ganzen Reihe von merkwürdig erscheinenden Unfällen handelt. Und dass irgendeiner dieser Unfälle und Anschläge möglicherweise eines Tages von tatsächlichen Erfolg gekrönt sein könnte."
Alecto kicherte erneut. Severus warf ihr einen scharfen Blick zu, doch sie wirkte kein bisschen schuldbewusst.
„Daher halte ich es für angebracht, euch alle daran zu erinnern, dass ich vom Ministerium als Direktor von Hogwarts eingesetzt wurde, und dass im Fall meines Ablebens das Ministerium jemand anderen hier an meiner Stelle einsetzen würde, und mein Nachfolger in diesem Szenario möglicherweise nicht so nachsichtig wäre wie ich, was gewisse Aktivitäten von Lehrern und auch von Schülern angeht. Und dass das Ministerium mit dem- oder denjenigen, der oder die an meinen Ableben allen Anschein nach die Schuld tragen, sicherlich nicht besonders verständnisvoll umspringen wird. Denn immerhin ist das Ministerium nicht dafür bekannt besonders nachsichtig, verständnisvoll, oder gar mild in seinen Strafausteilungen zu sein, nicht wahr?"
Er warf einen wütenden Blick auf die Carrows, nickte Minerva dann zu, und schloss seine Rede dann mit einem pointierten: „Ich hoffe sehr, dass aller hier auch verstanden haben, was ich damit sagen will."
Niemand wagte es ihm zu antworten, und Schweigen senkte sich über den Raum. Dann räusperte sich Slughorn. „Ich bin sicher, Severus, dass wir alle begriffen haben worauf du hinauswillst, und dass so etwas in Zukunft nicht wieder vorkommen wird", behauptete er.
Slughorn, wurde Severus klar, war eigentlich der einzige Anwesende, bei dem er darauf vertrauen konnte, dass er ihm nicht ans Leben wollte. Horace war zu sehr damit beschäftigt auf sich selbst zu schauen um sich in Politik verwickeln zu lassen, zumindest noch. Weswegen es nicht sonderlich beruhigend war, dass ausgerechnet er versicherte alles verstanden zu haben. Aber niemand anderer hier schien vorzuhaben mehr zu tun als brav zu nicken.
Mehr, so nahm Severus an, hatte er sich aber auch nicht erwarten können.
„Nun damit wäre das geklärt", meinte er, „In Zukunft werden wir solche Gespräche also hoffentlich nicht mehr führen müssen." Er drehte sich zum Gehen um, und wäre dabei beinahe in seinen Schutzengel hineingelaufen, der hinter ihm stand. Black hatte sich dieses Mal als stummer Zuhörer erwiesen, weswegen Severus eigentlich davon ausgegangen war, dass er nicht mit ihm gekommen war. Ihn nun doch hier zu sehen, überraschte ihn einen Moment lang.
Er fing kurz den Blick des anderen Mannes auf, und verließ dann das Lehrerzimmer und kehrte zu seinem Büro zurück. Er kam nicht besonders weit. Poppy verfolgte ihn voller stiller aber nicht zu übersehender Zielstrebigkeit.
Severus hielt inne um ihr die Chance zu geben ihn einzuholen.
„Das ist alles, was du zu sagen hast?", wollte sie wissen, „Sonst gibt es nichts, was dir auf der Seele liegt, keine Wahrheit, die es auszusprechen gilt?"
„Oh, ich habe Wahrheiten ausgesprochen. Ich war gezwungen mich ihnen zu stellen und sie zuzugeben, sonst würde ich jetzt nicht hier stehen, oder etwa nicht?", gab Severus zu, „Tatsächlich bin ich dir sogar dankbar. Ich bin vor vielen Dingen viel zu lange Zeit weggelaufen, sie endlich abarbeiten zu können – so grausam dieser Prozess auch war – hat mir geholfen über sie hinwegzukommen. Dank dir kann ich weitermachen und muss mich nicht mehr ständig im Kreis drehen. Also, danke dafür, dass du mich geheilt hast."
Poppy funkelte ihn an. „Dass du Albus Dumbledore ermordet hast, werde ich dir niemals verzeihen, Severus", zischte sie, und dann stakste sie davon in Richtung Krankenflügel.
In Severus stieg das starke Bedürfnis nach einem Schluck Hyperfokustrank auf.
Doch er war geheilt worden, zumindest hatte er das behauptet, also ignorierte er dieses Bedürfnis so gut er konnte, und machte sich dann wieder auf zurück zu seinem Büro.
A/N: Agh, das Wetter bringt mich langsam aber ständig unter die Erde… Ich hoffe mir ist kein zu großer Fehler in diesem Kapitel entgangen.
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