Zusätzliche Warnings: Erw. von Inzest, Sucht und Entzug


4. Planarbeit


Verschweige, was du tun willst, so kommt dir niemand dazwischen." – Deutsches Sprichwort


Sirius hatte das dumpfe Gefühl, dass seinem Schützling die Feindseligkeit seiner Kollegen, besonders die von Poppy, doch mehr zusetzte als er zeigte. Früher hatte er immer gedacht zu wissen, was der olle Snivellus dachte, da dem jugendlichen Snape seine Gedanken von der Stirn abzulesen gewesen waren, zumindest meistens. Später dann hatte er eigentlich nie gewusst, was der erwachsene Snape dachte, und immer nur Vermutungen angestellt, was den Inhalt seiner Gedanken anging, ohne je zu erfahren wie falsch oder richtig er mit diesen Vermutungen lag. Und dann war er gestorben und zu Snapes Schutzengel geworden, und seit dem war er immer besser darin geworden zu erraten, was hinter der Stirn des an sich so verschlossenen Mannes vorging.

Zwar beherrschte Severus Snape die steinerne verschlossene Miene perfekt, aber Sirius hatte gelernt trotzdem auf gewisse Signale zu achten, die ihm Snapes wahre Gefühle immer dann mitteilten, wenn dieser sie ihm nicht gerade entgegen schrie. Und im Augenblick langte Snape sehr oft nach seinem Fläschchen Hyperfokustrank, nur um von diesem dann später erst recht nicht zu trinken, oder es gar nicht erst in die Hand zu nehmen.

Seine Hand wanderte immer wieder mal in die Richtung der in seiner Robe versteckten Tasche, in der er das Fläschchen verstaut hatte, hielt dann inne, entweder bevor sie diese erreichte oder nachdem sie sie erreicht hatte, und zog sich dann wieder vor der Flasche zurück. Es war traurig mit anzusehen.

Sirius war durchaus aufgefallen, dass Snape normalerweise immer dann nach seinem Trank griff, wenn unangenehme Gefühle dabei waren Überhand zu gewinnen. Und er war sich ziemlich sicher, dass das auch dieses Mal der Grund dafür war, dass Snape nach dem Trank greifen wollte, und obwohl es mehr als genug Gründe für unangenehme Gefühle in Snapes derzeitigem Leben gab, war es offensichtlich, dass der Hauptgrund die jüngsten Ereignisse waren und die Erkenntnis, dass Poppy ihn vergiftet hatte, und sie noch diejenige unter seinen Kollegen war, die ihren Gefühle in Bezug auf ihn auf die harmloseste Weise Ausdruck verlieh.

McGonagall hielt ihn natürlich zurecht für den Mörder von Dumbledore und war mit diesem Wissen hausieren gegangen, so viel wusste Sirius natürlich, und die Carrows, nun, es war wie Sirius gesagt hatte, Todesesser versuchten doch ständig sich gegenseitig umzubringen.

Dass Snape darauf verzichtete einen Schluck von dem Trank zu nehmen war ein gutes Zeichen, da es darauf hindeutete, dass er endlich bereit war sich einzugestehen, dass er ein Problem hatte, das er auf die falsche Weise löste, was wiederum ein weiteres Problem darstellte. Allerdings wurde sich Sirius dadurch eines zusätzlichen Problems bewusst: Nach all den Monaten war Snape mit Sicherheit abhängig von dem Hyperfokustrank, was bedeutete, dass ein Verzicht darauf nicht ohne Konsequenzen für ihn bleiben würde, und diese Konsequenzen würden mitunter nicht angenehm sein. Entzug war niemals eine einfache Sache, und einen Entzug durchzumachen, während er von Voldemort, den Todesessern, und ganz Hogwarts dabei beobachtet wurde, würde sogar noch schwieriger werden. Früher oder später würde Snape zum Schluss kommen, dass sein Körper den Trank brauchte. Und dann würde er ihn erneut zu sich nehmen, und so würde es weiter gehen und weiter und weiter.

Und an all dem war Sirius schuld, weil der Trank seine Idee gewesen war, auch wenn er Snape immer wieder davor gewarnt hatte ihn zu oft zu benutzen.

Ein Problem mehr für die Liste. Ich schätze dem müssen wir uns stellen, wenn die Zeit gekommen ist. Bis dahin musste er sich immer noch etwas einfallen lassen um den Kondenztrank-Anschlag auf Severus aus der Welt zu schaffen. Und musste zugleich darauf achten, dass es zu keinen weiteren von Erfolg gekrönten Anschlägen und Unfällen mehr kam. Und musste hoffen, dass Voldemort nicht zu schnell auf die Idee kam ihm irgendeinen speziellen Schutzengel-Auftrag zu geben. Ach ja, und außerdem musste er weiterhin daran arbeiten Severus davon zu überzeugen nicht mehr auf den Dumbledore-Plan zu vertrauen, sondern nach einer alternativen Lösung für das Voldemort-Problem Ausschau zu halten. Und hoffen, dass die Rebellion der Schutzengel nicht zu früh passieren würde. Und außerdem wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn er irgendwie in Erfahrung bringen könnte was genau sich in den Oberen Etagen der Jenseitigen Schutzabteilung geändert hatte, und wie er negative Auswirkungen dieser Veränderung umgehen konnte. Und ob es möglich oder nötig war die Dinge wieder zurück zu ändern.

Das war eine ganze Liste von Aufgaben und Problemen, die Sirius auf keinen Fall alle auf einmal abarbeiten konnte. Er musste sie einzeln lösen oder zumindest gestaffelt. Und dabei irgendwie seinen Schützling am Leben halten und sich selbst und Regie und Remus und Harry und all die anderen aus zusätzlichen Ärger heraushalten, soweit es ging. Und hoffen, dass sich Harry wirklich als übermächtiger Vernichter der Horcruxe erweisen würde, und dass Dumbledore dem Auserwählten sinnigere Anweisungen erteilt hatte als seinen Doppelagenten.

Na gut, zuallererst ein Schuldiger für Voldemort. Mal nachdenken, es kann doch nie so schwer sein diesem Lermark als Möchtergern-Mörder dastehen zu lassen. Ich könnte … nein, das ist nicht gut … was wenn … nein, das geht auch nicht … Das alles war viel einfacher als ich noch mit meiner Umwelt interagieren konnte. Früher war es eindeutig leichter den Anderen Dinge, die sie nicht getan haben, in die Schuhe zu schieben.

Was er bräuchte wäre ein Mitverschwörer, doch der einzige, den er einsetzen könnte, konnte es nicht sein, weil niemand merken sollte, dass die falsche Person angeklagt wurde. Wenn Snape also selbst Hand anlegen würde, dann bestünde die Gefahr, dass das nach Hinten losgehen würde. Und niemand hier im Schloss war besonders scharf darauf ihm zu helfen, soviel war klar.

Aber vielleicht wollen sie sich selbst helfen, überlegte Sirius, und ihm kam eine wirklich schlechte Idee. Eine wirklich schlechte Idee, die sogar funktionieren könnte. Er war so aufgeregt, dass er nicht anders konnte als seinen Plan seinen Schützling sofort mitzuteilen. Dieser hörte sich das alles mit leerer Miene an, und meinte dann entschieden: „Auf keinen Fall."

Sirius hätte vermutlich nichts anderes erwarten sollen, er war aber trotzdem enttäuscht. „Was? Warum nicht?", wollte er wissen, „Es würde funktionieren, da bin ich mir ganz sicher!"

Severus schüttelte den Kopf. „Es würde eben nicht funktionieren. Es ist ein verrückter Black-Plan, der nicht funktionieren würde, so einfach ist das", erwiderte er, „Deswegen, danke, aber nein, danke, überleg dir was anderes."

Sirius schloss seinen offenen Mund, starrte Snape einen Moment lang sprachlos an, und beschloss dann, dass er den Plan trotzdem durchführen würde. Snape konnte davon halten, was er wollte, er konnte ihn aber nicht daran hindern ihn durchzuführen! Und immerhin war der Plan dazu gedacht ihm einen Gefallen zu tun, und er lehnte ihn nur ab, weil er ihn für verrückt und undurchführbar hielt, und nicht aus Prinzip heraus.

„Nun, wenn du dieser Meinung bist, dann mache ich besser einen Abstecher ins Lehrerzimmer, nur um sicher zu gehen, dass zur Abwechslung einmal keiner plant dich umzubringen", meinte Sirius, „Und danach muss ich wieder nach Oben zurück. Meine vier Tage sind schon wieder vorbei."

Severus runzelte die Stirn. „Tatsächlich?" Diese Behauptung schien ihn nicht richtig vorzukommen, aber wie Sirius vorhergesehen hatte, war er in der letzten Zeit mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt gewesen um nachvollziehen zu können wie lange Sirius wirklich schon nicht mehr geschlafen hatte. „Nun, dann schätze ich, wir sehen uns bald." Er wirkte einen Moment verunsichert.

„Hey, keine Sorge, ich habe nicht vor lange wegzubleiben. Ich passe auf dich auf, wie immer, daran ändert sich nichts", versicherte ihm Sirius schnell.

„Ich mache mir keine Sorgen", behauptete andere Mann sofort.

Ja klar, als ob ich das nicht besser wüsste. Wie gesagt, ich lerne dazu, wenn es darum geht dich zu lesen, mein Freund.


Sirius ging zwar ins Lehrerzimmer, aber nur um zu sehen, ob seine Zielperson dort war. Und er hatte noch nicht vor schlafen zu gehen. Im Lehrerzimmer fand er die Person, nach der er gesucht hatte, nicht, doch er musste nicht lange suchen, um sie zu finden.

Die Carrows waren wieder einmal damit beschäftigt arme verschreckte Schüler zu disziplinieren. Von unverzeihlichen Flüchen hielten sie sich noch fern, aber es gab viele erlaubte Flüche, die fast genauso unangenehm waren die ein Cruciatus-Fluch, und von denen machten sie immer gerne Gebrauch, wenn es darum ging angebliche Übeltäter zu bestrafen. Sirius sah den Geschwistern einige Zeit lang besorgt dabei zu wie sie eine Hand voll freche Erstklässler mit schmerzhaften Eiterflüchen quälten. Dann schienen sie zufrieden zu sein und schickten die Kinder auf den Krankenflügel.

Er folgten den beiden, als die Gänge von Hogwarts entlang gingen, und dabei miteinander flüsterten, nur Merlin wusste worüber eigentlich, aber auf jeden Fall kicherten sie dabei immer wieder miteinander.

Die Carrows gehörten zu jener Art von Geschwistern, die sich verdächtig nahe standen, insofern war Sirius nicht nur erleichtert, sondern auch ein wenig überrascht als sich ihre Wege trennten, und sie getrennte Schlafzimmer aufsuchten. Er zögerte einen Moment, bevor er Alecto folgte. Alles in allem war sie die Verrücktere der beiden Geschwister, zumindest seiner Meinung nach, weswegen er sich bei ihr größere Aussichten auf Erfolg machte.

Alecto war offenbar nicht sehr müde und gehörte zu der Sorte Menschen, die ihre Kleidung vor dem Schlafengehen nicht wechselten, wie es schien. Denn nachdem sie einige Zeit lang in einen Buch über Verbotene Magie gelesen hatte, das sie vermutlich aus der Bibliothek entwendet hatte, legte sie sich vollkommen angekleidet auf ihr Bett, starrte auf die Decke, und schien mit offenen Augen zu schlafen. Oder nachzudenken. Allerdings wirkte ihr Gesichtsausdruck zu leer um auf intensive Gedanken um ein gewisses Thema herum rückschließen zu lassen, sie schien also eher an Nichts zu denken.

Nun jetzt ist so gut wie jeder andere Moment, befand Sirius.

Dann stellte er sich neben Alecto und räusperte sich. „Du weißt was hier vor sich geht, nicht wahr?", meinte er, „Dieser Anschlag auf Snape, der mit dem Kondenztrank, der wurde von niemanden auf Hogwarts durchgeführt, nein, das war eindeutig ein anderer Todesesser. Und da du und Amycus es nicht wart, bleibt nur noch ein Verdächtiger, nicht wahr? Und du denkst sicher, dass das eine gute Sache ist, aber hast dir schon mal überlegt warum er das getan hat? Was er mit diesem Trank eigentlich erreichen wollte? Offenbar will er Snapes Platz einnehmen, ja. Aber wenn er das tut, was wird dann wohl aus euch beiden werden? Wird er euch nicht durch seine eigenen Leute ersetzen wollen? Natürlich wird er das wollen! Immerhin seid ihr beide eine Last, jeder weiß vom Zwischenfall mit den Zentauren."

Alecto reagierte wie vorhergesehen überhaupt nicht. Also begann Sirius seine ganze Rede noch einmal zu halten, und noch einmal, und noch einmal.

Und dann schlossen sich Alectos Augen und sie schien einzuschlafen. Und Sirius hielt die Rede noch einmal, flüsterte sie ihr ins Ohr.

Die Sache war die: Im Grunde sollte ihn nur sein Schützling zur Kenntnis nehmen können, zumindest hatte man ihm das immer gesagt. Aber öfter als einmal, wenn Snape sich geweigert hatte ihn zu bemerken, hatte er das Gefühl gehabt, dass ihn andere hören konnten, wenn er mit Snape sprach. Zumindest teilweise.

Er wusste, dass die meisten Schutzengel ihre Zeit nicht damit verschwendeten mit ihren Schützlingen zu sprechen, sie beeinflussten sie stattdessen im Schlaf, wenn dann raunten sie ihnen Ratschläge im richtigen Moment ins Ohr. Da Sirius das jedoch anders hielt und sich schon mit anderen Sterblichen unterhalten hatte, war er zur Ansicht gekommen, dass jeder Schutzengel zwar auf besondere Weise mit seinen Schützling verbunden war, aber genauso dazu in der Lage sein sollte auf das Unterbewusstsein aller anderen Sterblichen zu wirken wie auf das seines Schützlings, das aber nur noch niemand ausprobiert hatte. Wenn andere dazu in der Lage waren ihn zu sehen, wenn sie intensiv an ihn dachten, genau wie sein Schützling, müssten sie auch dazu in der Lage sein, unbewusst seine Präsenz zu spüren und seine Stimme zu hören. Ja, er konnte nur in die Träume seines Schützlings eindringen, und erschien immer neben diesem, wenn er zur Erde ging, doch wenn ihn andere unter gewissen Umständen sehen und hören konnten, müssten sie ihn auch unter normalen Umständen hören können, genau wie sein Schützling eben.

Diese spezielle Information würde er natürlich niemals in die falschen Hände fallen lassen, weswegen er momentan nicht dazu in der Lage war sie mit anderen zu besprechen, doch er konnte sie überprüfen, hier und jetzt. Wenn jemand seine Stimme hören würde, dann doch wohl eine Verrückte zwischen Wach- und Schlafphase.

Das war zumindest die Theorie. Severus hatte sie für Schwachsinn gehalten, aber Sirius hatte sie zumindest austesten wollen. Ob es geklappt hatte oder nicht, würde er aber erst später feststellen können.

Und wenn sich ihm schon die Gelegenheit bot, dann sollte er vielleicht auch ein wenig schlafen. Am nächsten Morgen würde sich hoffentlich zeigen, ob seine Stimme von Alecto vernommen worden war oder nicht.


A/N: Reviews?