Kapitel 5 – Akkarins Shakan Dra

His invitation was clear

I shut my eyes … and now I'm here

(Interlude III – At The Banquet, Epica)

Als Akkarin erwachte, glaubte er für einen verrückten Augenblick, zurück auf dem Vindoschiff zu sein, das ihn von Vin zurück nach Capia gebracht hatte. Der Captain hatte ihm seine eigene Kabine angeboten, doch das Bett war so winzig gewesen, dass Akkarin es vorgezogen hatte, im Mannschaftsquartier zu schlafen. Als er sich seiner Umgebung jedoch bewusst wurde, erkannte er jedoch, dass der Boden unter ihm ruhig war und der Stoff neben seinem Kopf seinen Schlafplatz nicht von dem seines Nachbarn trennte. Es war die Wand eines Zeltes.

Den Schlaf aus den Augen blinzelnd versuchte er sich zu erinnern, warum das so war, dann brachen die Ereignisse der letzten beiden Tage wie ein Sturm über ihn herein. Das Lager inmitten der Ödländer. Dakova, der eine unbekannte und möglicherweise verbotene Form von Magie praktizierte und deswegen über eine unnatürliche Stärke verfügte. Die Vernichtung seiner Habseligkeiten. Das Lesen seiner Gedanken. Und all die anderen Demütigungen, die er über sich hatte ergehen lassen.

Und dann bahnte sich die Wahrheit, die er den vergangenen Tag über mehr oder weniger erfolgreich zu verdrängen versucht hatte, ihren Weg, jagte ihm einen unsichtbaren, jedoch nicht weniger schmerzhaften Dolch ins Herz und brannte sich ihren Weg bis in das winzigste Glied seines Körpers.

Er war ein Sklave.

Obwohl Akkarin begriff, was das bedeutete und dass es die Wahrheit war, weigerte sich sein Verstand, diese Tatsache anzunehmen. Er, einer der talentiertesten Krieger der Gilde gefangen von einem anderen Magier? Es war so unglaublich absurd.

Ich muss fliehen.

Akkarin fluchte lautlos, als er sich wieder erinnerte, genau das in dieser Nacht vorgehabt zu haben. Er hatte lange wach gelegen und darauf gewartet, dass es im Lager ruhig wurde. Doch darüber war er schließlich überwältigt von seiner magischen und körperlichen Erschöpfung eingeschlafen. Auch ohne dass seine Noten in Heilkunst so herausragend wie in der von ihm gewählten Disziplin gewesen waren, wusste er, dass er sich nicht hätte wach halten können, selbst wenn er es noch so sehr versucht hätte. Nicht, wenn Dakova ihn wenig zuvor auch den letzten Rest seiner Magie beraubt hatte.

Sein Herz wurde schwer und eine eiserne Faust schloss sich um seinen Magen, als er erkannte, dass der sachakanische Magier einen Fluchtversuch bei Nacht nicht effektiver hätte verhindern können. Jetzt war es zu spät, es zu versuchen. Durch eine Öffnung am Zelteingang dämmerte bereits der Morgen und Akkarin konnte Arbeitsgeräusche von draußen hören.

Akkarin ballte seine Fäuste. Er würde bis zur nächsten Nacht warten müssen. Sofern er nicht erneut vor Erschöpfung einschlief, weil Dakova ihm keine Magie übrigließ, um sich wachzuhalten. Und es war wahrscheinlich, dass der sachakanische Magier das tun würde. Es benötigte keines strategischen Genies, um das zu erkennen. Als fertig ausgebildeter Magier war Akkarin auch ohne seine Magie ein Risiko. An Dakovas Stelle, würde er alles tun, um potentielle Gefahren und Risiken gering zu halten, wenn sie sich schon nicht eliminieren ließen.

Als er sich vorsichtig bewegte, unterdrückte er ein Stöhnen. Jeder Muskel seines Körpers war hart und schmerzte von der ungewohnten Anstrengung am Vortag. Nach seiner Magie greifend heilte Akkarin seine Muskeln und vertrieb die Müdigkeit. Augenblicklich fühlte er sich wieder frisch und ausgeruht.

Es macht sowieso keinen Unterschied, ob ich mir meine Magie für meine Flucht aufspare, dachte er trocken. Dakova würde sie ihm bis dahin erneut genommen haben. Doch selbst wenn nicht, so würde die Magie, die Akkarin zum Heilen verbraucht hatte, kaum über den Erfolg einer Flucht entscheiden. Nicht, wenn Dakova so viel stärker war. Mit etwas Glück würde es Akkarin vielleicht gelingen, sich vorher zu heilen, sollte dieser Tag ähnlich anstrengend wie der vergangene werden. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, die Flucht bei Tage zu wagen, doch es war bereits am letzten Tag so gut wie unmöglich gewesen, unbeobachtet zu sein. In den kargen Weiten der Ödländer würde er weithin sichtbar sein, sofern es ihm überhaupt gelang, unbemerkt das Lager zu verlassen. Zudem war er sicher, Dakova würde ihn keinen Moment aus den Augen lassen.

Oder, überlegte Akkarin, ich gebe ihm was er will und lasse ihn glauben, ich hätte mich meinem Schicksal gefügt. Irgendwann wird er nachlässig werden. Sicher war Dakova nicht den ganzen Tag damit beschäftigt, jeden Schritt eines jeden seiner Sklaven zu verfolgen.

Allmählich begannen sich die anderen im Zelt zu regen. Sich umblickend entdeckte Akkarin fünf weitere Schlafstätten, auf denen allesamt Männer lagen. Er beobachtete, wie sie ihre Decken zurückschlugen, aufstanden und zum Ausgang des Zeltes eilten. Der Letzte blieb kurz vor dem Eingang stehen und wandte sich um.

„Sha'donasi!", sagte er hektisch. „Sha'donasi nuta sha'yoseci! Rachariya sha'nevuse ize kilamo." (Aufstehen! Aufstehen und Arbeiten! Der Meister bestraft dich sonst.)

Obwohl Akkarin kein Wort von dem verstand, was der Mann sagte, begriff er, dass man ihn soeben aufgefordert hatte, aufzustehen. Doch er wollte nicht aufstehen. Bei dem bloßen Gedanken an das, was ihn draußen erwartete, ermatteten seine soeben geheilten Glieder und sein Denken war vor Furcht wie gelähmt.

Statt einer Antwort schüttelte er nur den Kopf und winkte den Mann aus dem Zelt.

Soll Dakova doch kommen und mich holen, dachte er grimmig. Er würde nicht freiwillig hinausgehen und sich die Selbstdemütigung geben, zu tun, was auch immer dieser Mann von ihm verlangte. Der Wunsch, einfach davonzulaufen, wurde übermächtig. Doch er wusste, er würde nicht weit kommen. Selbst, wenn Dakova noch schlief, einer seiner Sklaven würde ihn wecken und ihm von seiner Flucht berichten. Am vergangenen Tag hatte Akkarin eine gute Ahnung davon erhalten, dass diese Leute, obwohl sie sein Schicksal teilten, nicht auf seiner Seite waren. Sie würden ihn verraten.

Er wusste nicht, wie lange er einfach nur da lag und in das Zeltleinen über seinem Kopf starrte. Der Spalt zwischen den Tüchern am Eingang wurde heller und heller und ein plötzliches Aufstrahlen der Welt dahinter sagte ihm, dass die Sonne aufgegangen war.

Irgendwann kamen zwei Männer in das Zelt, packten seine Arme und zerrten ihn nach draußen, wo Akkarin von einer zu grellen, schrägstehenden Sonne geblendet wurde.

Mit einem wütenden Knurren schüttelte er die beiden Männer an. „Ich kann alleine gehen", grollte er.

Der kleinere der beiden Männer deutete auf das Vorratszelt und sagte irgendetwas in der harten, zischenden Sprache seines Volkes. In einer auffordernden Geste bedeutete er Akkarin, ihm zu folgen. Ein Seufzen unterdrückend folgte er dem Mann ohne. Einzig der Gedanke, dort ein Frühstück zu erhalten, hob seine Stimmung ein wenig, da seine letzte Mahlzeit inzwischen mehr als einen Tag zurücklag.

Seine Hoffnungen wurden jedoch enttäuscht. Im Zelt waren zwei Sklaven bereits dabei, Kisten und Körbe zu durchsuchen. Einer drückte Akkarin einen Korb mit Tugorknollen in die Hand, sein Begleiter erhielt einen Sack, in dem vermutlich Getreide war. Verwirrt folgte Akkarin dem anderen Sklaven zum Zelt des Kochs.

Auf dem Weg dorthin nahm er eine Bewegung an dem Zelt am anderen Ende des Lagers wahr und erstarrte. Dakova trat gerade zwischen den Stoffbahnen hervor, wie an den vorherigen beiden Tagen in farbenfrohe und äußerst prächtige Gewänder gehüllt. Hinter ihm verließ Isara das Zelt. Sie trug wieder eines dieser Kleider, die nur wenig der Phantasie überließen. Obwohl Akkarin wusste, es wäre besser, nicht zu starren, konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden.

Als Dakova ihn bemerkte, schenkte er Akkarin ein raubtierhaftes Lächeln. Rasch beeilte Akkarin sich, im Zelt des Kochs zu verschwinden.

Ich benehme mich wie ein Feigling, dachte er mit einem humorlosen Lächeln. Aber wozu sollte er mutig sein, wenn er dafür nur Schmerz und Demütigung erntete?

Dakovas Koch, ein junger Mann, von dem Akkarin annahm, dass er ebenfalls ein Sklave war, war trotz der frühen Stunde bereits ganz in seinem Element. Auf einem flachen Tisch lang ein halbgekneteter Klumpen Teig und in einem Topf über einer Feuerstelle in der Mitte des Zeltes kochte etwas, das einen scharfen und bitteren Duft verströmte, der eine jähe Übelkeit in Akkarin auslöste.

Als der Koch ihn und den anderen Sklaven bemerkte, sagte er etwas zu ihnen auf Sachakanisch und deutete zu einem zweiten niedrigen Tisch, dessen unzählige tiefe Kerben davon zeugten, dass er nicht als Esstisch gedacht war. Darauf lagen Messer in unterschiedlichsten Größen und Formen.

Akkarin und sein Begleiter stellten die Vorräte dort ab und wandten sich wieder zum Ausgang.

„Du."

Akkarin fuhr herum. Hatte der Koch tatsächlich seine Sprache gesprochen?

„Du helfen", sagte der Mann.

Akkarin hob die Schultern. Das war immer noch besser, als nach draußen zu gehen, wo er zwangsläufig Dakova begegnen würde. Dann erinnerte er sich wieder, dass er sich vorgenommen hatte, zumindest so zu tun, als würde er sich fügen.

„Was soll ich tun?"

Der Koch deutete auf den Korb. „Du die schälen. Dann schneiden."

Akkarin nickte nur und trat zu dem Tisch. Die Tischplatte war so niedrig, dass er sich auf den Boden setzen musste, um daran zu arbeiten. Nach einem Messer greifend nahm er sich die erste Knolle aus dem Korb und begann sie zu schälen. Die Arbeit war überaus eintönig und der mangelnde geistige Anspruch ermöglichte ihm eine Vielzahl unerfreulicher Gedanken, die er nicht abschütteln konnte.

Dakova hatte ihn also zu seinem – Akkarin sträubte sich noch immer, das Wort zu denken, weil es ihm jedes Mal einen Stich versetzte, der seinen gesamten Körper vor Scham, Wut und Hilflosigkeit brennen ließ – Sklaven gemacht. Dem sachakanischen Magier schien es damit ernst zu sein. Eine Flucht war nahezu unmöglich und Akkarin würde sie gut planen müssen. Dakova hatte seine Magie genommen. Er war stärker als Akkarin. Wahrscheinlich sogar sehr viel stärker.

Es mag nie mein Spiel gewesen sein, und doch ich werde trotzdem weiterhin mitspielen und auf meine Chance warten, entschied Akkarin. Auch wenn er nichts lieber getan hätte, als auf der Stelle das Weite zu suchen, so wusste er, dass seine Chancen besser standen, wenn er auf die passende Gelegenheit wartete und Dakova davon überzeugte, dass er sich ihm gefügt hatte.

Und indem ich vorgebe, ich hätte mich ihm unterworfen, wird es weniger demütigend sein zu tun, was er von mir verlangt, dachte er. Wenn er ein Spiel spielen will, dann kann ich das auch. Ich mache mich zum Mitspieler. Ohne, dass er es bemerkt.

Ja!, dachte er einen grimmigen Triumph verspürend. Das ist es!

Er musste die Strategie nur lange genug konsequent durchziehen, dann würde er sehr bald wieder frei sein.

„Suka?"

Akkarin fuhr herum. Der Koch hatte zwei Becher aus einem Regal geholt und sah ihn fragend an.

„Bitte was?"

„Suka", wiederholte der Sachakaner. „Raka."

Das zweite Wort war Akkarin ein Begriff. Raka war ein bitteres Getränk, das aus Bohnen hergestellt wurde, und das sich unter der einfachen Bevölkerung in Kyralia großer Beliebtheit erfreute. Er selbst hatte es nie probiert. In den Häusern und in der Gilde trank man Sumi – getrocknete Blätter eines Busches, der in den gemäßigten Klimazonen der Verbündeten Länder angebaut wurde. Der erlesenste Sumi wurde aus Lan nach Imardin eingeschifft.

„Nein, danke", lehnte er ab.

„Raka gut", beharrte der Koch.

„Ist Raka ist Suka auf Sachakanisch?", fragte Akkarin.

Der Koch runzelte die Stirn, dann nickte er. Er griff zu einer Kelle, befüllte die beiden Becher und reichte einen davon Akkarin mit gesenktem Kopf.

„Danke", sagte Akkarin, bemüht nicht das Gesicht zu verziehen. Vorsichtig schnupperte er an dem Becher. Unverdünnt war der Geruch noch unerfreulicher als beim Betreten des Zeltes. Seine guten Manieren befahlen ihm jedoch, von dem Gebräu zu probieren.

Der Koch hatte ihn derweil nervös beobachtet. „Gut?", fragte er.

„Ja", log Akkarin. „Der Suka ist gut."

Der andere Mann strahlte. Sein Lächeln ließ ihn jünger wirken, möglicherweise sogar jünger als Akkarin. Erfreut trank er nun ebenfalls von seinem Becher, als habe er darauf gewartet, dass Akkarin es tat.

Sein Verhalten verwirrte Akkarin. Er wollte den Koch danach fragen und erkannte, dass er sich seines Namens nicht mehr entsinnen konnte, obwohl sie am vergangenen Tag einander vorgestellt worden waren. In seinen Ohren klangen die sachakanischen Namen alle gleich.

„Ich heiße Akkarin", sagte er und deutete auf sich. „Und du bist …?"

„Takana."

Fast hätte Akkarin laut aufgelacht. „Takana?", wiederholte er ungläubig. Das hörte sich an wie ein Frauenname. Nun, Dakova klang auch nicht sehr viel männlicher.

Der Sachakaner nickte strahlend.

„Dann ist es mir eine Ehre, dich kennenzulernen", erwiderte Akkarin eine Hand auf die Brust gelegt.

Takanas Augen weiteten sich, dann deutete er auf den Tisch. „Du arbeiten", sagte er gefolgt von einer Reihe sachakanischer Wörter, von denen Akkarin das Wort rachariya herauszuhören glaubte. Meister. Er erschauderte unwillkürlich. Würde Dakova ihn bestrafen, wenn er seine Arbeit nicht gut genug erledigte? In seinem ganzen Leben hatte Akkarin keine harte Arbeit verrichten müssen. Bis jetzt. Im Haus seiner Familie und später in der Gilde hatte er dafür Diener gehabt. Er wusste nicht, wie man Essen zubereitete, Wäsche wusch oder handwerkliche Arbeiten erledigte. Und doch war es das, was nun von ihm verlangt wurde.

Du bist nicht besonders talentiert, hatte Dakova am vergangenen Abend erklärt. Aber wir werden noch etwas finden, das deinen Fähigkeiten gerecht wird. Was auch immer das hieß, es hatte das Potential, demütigend zu werden.

Aber wenn ich Dakova in Sicherheit wiegen will, sollte ich mir zumindest Mühe geben, dachte Akkarin. Bald würde er diesem trostlosen Ort wieder entfliehen und bis dahin musste er sich diese Zeit nach Möglichkeit angenehm gestalten.

Das widerwärtige Gebräu auf den Tisch stellend, fuhr er damit fort, die Tugorknollen zu schälen. Die Schalen warf er auf einen Haufen auf dem Boden. Das Schälen stellte sich jedoch als schwierig heraus und er begann sich zu fragen, ob Magie für eine solche Tätigkeit nicht die bessere Lösung wäre. Nach der fünften Knolle schmerzten die Muskeln der Hand, mit der er das Messer führte. Sein Werkzeug beiseitelegend hob er die Knolle mit Magie empor und löste die Schale. Ja, das war eindeutig besser. Zu seiner Zufriedenheit blieben weniger Reste an der Schale hängen, als bei dem Messer, mit dem umzugehen er sich unfähig fühlte.

Zum Zerteilen der großen, harten Knollen wählte er dennoch ein großes, stabil aussehendes Messer. Dann begann er die Knollen in kleine Stücke zu schneiden.

„Ani!"

Takana eilte herbei und nahm ihm das Messer ab. „Du machen falsch!" Er deutete hektisch auf die kleingeschnitten Tugor und begann auf Sachakanisch auf ihn einzureden. Akkarin verstand kein Wort, der Tonfall des Kochs ließ ihn jedoch erahnen, dass dieser außer sich war.

„Es tut mir leid, aber ich verstehe dich nicht."

Takana schimpfte weiter. In einer theatralischen Geste schaufelte er zwei Hände voll Schalen vom Boden und warf sie auf den Tisch.

„Hätte ich die Schale dran lassen sollen?", fragte Akkarin verwirrt.

„Kereco!", fauchte Takana. Es klang wie eine Beleidigung. (Idiot)

„Heh!", rief Akkarin empört. „Ich wollte nur helfen."

Von Zelteingang erklang ein helles Lachen. „Du ärgern Takana."

Akkarin und Takana fuhren herum. Zwischen den zurückgeschlagenen Stoffbahnen stand Isara. Sie wirkte erheitert. „Takana sehr empfindlich, wenn zu tun mit Kochen." Sie trat in das Zelt und knuffte den Koch in die Wange. Takana verzog das Gesicht und begann auf Sachakanisch auf sie einzureden. An seinem hitzigen Tonfall konnte Akkarin erahnen, wie wütend er war.

„Ich habe nur getan, was er mir gesagt hat", versuchte Akkarin der Sklavin zu erklären. „Schälen und kleinschneiden."

„Du falsch geschnitten", antwortete Isara. „Takana wollen viele kleine gleichgroße Würfel. Du haben", sie deutete auf den Tisch. „geschnitten nicht gleich groß und nicht gleichmäßig …" Sie hielt inne, als Takana erneut auf sie einredete, und lauschte seinen Worten. Daran, wie ihre Stirn sich runzelte, glaubte Akkarin zu erkennen, dass der Koch einige sehr unschöne Dinge über ihn sagte.

„Takana machen jetzt nur noch Brei aus den Tugor", sagte sie schließlich und Akkarin wurde das Gefühl nicht los, dass das meiste von Takanas Worten ihrer eigenen Zensur unterlag.

„Es tut mir leid", entschuldigte Akkarin sich bei dem Koch. „Wenn ich es wiedergutmachen kann …"

Takana schimpfte weiter. „Kereco!", rief er erneut und deutete auf den Flicken im Zeltdach.

„Wenn du wütend bist, weil ich fast dein Zelt abgebrannt habe …"

In einer abwehrenden Geste hob Takana die Hände und deutete zum Ausgang.

„Komm", sagte Isara. „Du lassen besser ihn in Ruhe. Er sein zu empfindlich."

Allerdings, dachte Akkarin, während er Isara nach draußen folgte. Auf dem Weg nach draußen langte die junge Frau nach einem Laib Brot und einigen Früchten. Draußen brach sie sich ein Stück von dem Brot ab und reichte Akkarin den restlichen Leib.

„Iss", sagte sie. „Du brauchen Essen."

Und wie er das brauchte. Die Begegnung mit Takana hatte Akkarins Stimmung zunächst gehoben, dann jedoch auf einen neuen Tiefpunkt gebracht, als er diesen unwissentlich in Schwierigkeiten gebracht hatte. Die Aussicht, irgendwann an diesem Tag Dakova unter die Augen treten zu müssen, erfüllte ihn mit einer lähmenden Furcht, doch ohne Essen würde er schwächer werden und eine Flucht würde in noch weitere Ferne rücken.

Während sie durch das Lager gingen, erklärte Isara ihm, dass er ihr heute bei der Arbeit helfen sollte. „Dann ich zeigen dir Sachaka-zocha", sagte sie. „Du haben doch nichts gegen Arbeit für Frauen, oder?"

Akkarin zuckte die Schultern. Frauenarbeit klang nicht nach harter, körperlicher Arbeit. In der Gilde hätte er sich dagegen gewehrt, doch nach dem vergangenen Tag kam es ihm gelegen. Er brauchte seine Kräfte für Wichtigeres.

„Gut", sagte sie. „Dann Meister bestrafen dich nicht."

Sie lotste ihn zu einem Zelt, vor dessen Eingang sie sich auf Kissen setzten. Während Isara an ihren Früchten knabberte, kaute Akkarin auf seinem Stück Brot herum. Es war überraschend köstlich und nicht so trocken, wie er befürchtet hatte.

„Warum soll ich Frauenarbeit machen?", fragte er.

„Ich einzige, die sprechen deine zochado gut", sagte sie. „Rachariya wollen, dass du lernen schnell. Er wollen nicht, dass du Kyralia-zocha sprechen. Er sagen, er bestrafen dich sonst."

„Warum?", verlangte Akkarin zu wissen. Seine Sprache abzulegen, und diese harte, zischende Barbarensprache zu erlernen, kam ihm wie ein Verrat seiner Selbst vor.

„Du leben dich schneller ein. Du gehorchen besser."

Akkarin verzog das Gesicht. Nichts widerstrebte ihm mehr, als diesem Mann zu gehorchen. Dann dachte er jedoch wieder an seinen Plan. Lass ihn glauben, du hättest dich ihm unterworfen. Je eher du ihn davon überzeugst, desto schneller wird er nachlässig. Und wenn er die Sprache verstand, würde er vielleicht auch ein paar nützliche Dinge erfahren, die ihm bei der Planung seiner Flucht halfen.

„Also gut", sagte er. „Fangen wir an."

Isara strahlte.

„Du sein guter Sklave."

Akkarin ignorierte, was wohl als Kompliment gemeint war. „Wie heißt das?", fragte er auf das Brot deutend.

„Kashi."

„Und was heißt Frühstück?"

Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. „Was das sein?"

„Das hier." Akkarin wies auf ihr Essen. „Die Mahlzeit, die man morgens zu sich nimmt."

„Ah", machte sie. „Morgenmahl. Konaka."

„Konaka", wiederholte er.

„Und was heißt: Ich habe Brot als Morgenmahl?"

Über seinen Eifer lachend nannte sie ihm die Übersetzung.

„U'sha'miyvo kashi kami konaka", wiederholte Akkarin unbeholfen. Ich hoffe, ich werde nicht allzu lange dazu gezwungen sein, Sachakanisch zu lernen, fuhr es ihm durch den Kopf. Sprachen gehörten nicht gerade zu seinen Talenten. Elynisch konnte er noch am besten, weil es mit dem Kyralischen verwandt war. Je unterschiedlicher die Sprache zu seiner Muttersprache war, desto schwerer tat er sich und desto weniger Willen brachte er auf, sie zu lernen.

Möglicherweise würde sich das nun ändern.

„Und was heißt Danke?", fragte er dann.

Isara runzelte die Stirn. „Wir haben dafür kein Wort", sagte sie. „Wir sagen Veltaze für eine Belohnung, die der Meister geben uns. Oder wenn wir schulden jemandem. Veltaze nur, wenn du sein in Schuld oder stehen unter einem rachariya."

Akkarin nickte langsam. Obwohl dies auf den ersten Blick kompliziert schien, begriff er zugleich, warum es in Sachaka kein entsprechendes Wort gab. Das implizierte jedoch auch, dass der Rest der sachakanischen Magier wie Dakova war. Er erschauderte unwillkürlich.

„Die anderen", begann er, „wieso sprechen sie meine Sprache nicht?"

„Sklaven lernen nur eine zochado, wenn rachariya das wünschen, weil nützlich sein", antwortete sie. „Rachariya lernen andere zochado oft, wenn sein noch sehr jung."

Also gehörte die Kenntnis anderer Sprachen auch in Sachaka zur Allgemeinbildung, folgerte Akkarin. Zumindest, wenn man kein Sklave war.

„Bist du Dakovas Frau?", fragte er.

„Ani", sagte sie. Inzwischen wusste Akkarin, das bedeutete Nein. Es würde sein neues Lieblingswort werden. „Dishimi. Sklavin. Und es heißen Meister – rachariya. Nur die, die sein mit ihm gleich, dürfen sagen Dakova."

Für eine Sklavin wirkte sie viel zu gepflegt und selbstbewusst, befand Akkarin. Die anderen Sklaven, die Dakova gehörten, trugen alte und abgetragene Kleidung und machten einen ausgemergelten und verängstigten Eindruck. Auch Isara war sehr schlank, jedoch ohne knochig zu sein, und je länger Akkarin sie betrachtete, desto mehr fand er, dass ihr dies eine zerbrechliche Attraktivität verlieh.

„Aber", begann er verwirrt, „wieso trägst du dann solch feine Kleider?" Er hatte sie mit Dakova gesehen. Er war sicher gewesen, sie wäre seine Frau. Obwohl der Sachakaner sie nicht gerade respektvoll behandelte, hatte Akkarin dies nach seinen Erfahrungen mit Lonmar nicht weiter hinterfragt.

„Weil ich machen rachariya große Freude", erklärte sie. „Ich … wie das heißen in deiner zochado?"

Nicht wissend, worauf sie hinaus wollte, hob Akkarin die Schultern.

„Rachariya mit mir … sha'coloso."

„Shakkoloso?", wiederholte er.

Sie hob vielsagend die Augenbrauen. „Schlafen", übersetzte sie dann.

Akkarin starrte sie an. „Er zwingt dich, mit ihm zu schlafen?", entfuhr es ihm.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich bringen rachariya Freude. Er belohnen mich."

Akkarins Entsetzen kannte keine Grenzen. Isara war eine junge Frau, oder vielmehr ein Mädchen, noch keine zwanzig, und war stolz darauf, mit einem solchen Monster ins Bett zu gehen? Er versuchte zu es begreifen – und scheiterte. Dakova muss irgendetwas mit ihr gemacht haben, dass sie das freiwillig über sich ergehen lässt, dachte er. Wahrscheinlich hatte er sie gefügig gemacht, oder Isara gab sich nach außen tapfer, während sie insgeheim große Qualen erlitt? Oder schlief sie freiwillig mit Dakova? Bevorzugte sie vielleicht Männer wie ihn?

So sehr Akkarin darauf brannte, die Wahrheit zu erfahren, so sehr wollte er die Antwort auf seine Fragen nicht wissen. Er war sicher, er würde dabei nur Unerfreuliches in Erfahrung bringen. Wenn er sich jedoch daran erinnerte, mit welcher Hingabe Isara ihren Meister begegnete, dann begann er zu fürchten, dass sie Spaß daran hatte, mit ins Bett zu gehen. Es wäre eine Sache gewesen, wäre sie Dakovas Frau und würde sie dieses Monster aus freien Stücken lieben. Aber dass sie diesen Mann liebte, obwohl sie seine Sklavin war, entzog sich Akkarins Verständnis von gesundem Menschenverstand. Es war zutiefst abstoßend und verstörend.

„Dakova yichivo rashariya. Ihm dienen, große Ehre", fügte sie ernsthaft hinzu. (Dakova ist ein Magier.)

Das Wort, das sie benutzt hatte, klang so ähnlich wie das Wort für Meister. Aber nur so ähnlich. Akkarin schüttelte den Kopf. Diese Sprache war so grauenhaft wie das, was er bis jetzt von Sachaka gesehen hatte.

„Was bedeutet Rasha … riya?", fragte er, um sich auf andere Gedanken zu bringen.

Isara gestikulierte mit ihrer Pachi. „Mann mit Magie."

„Magier", sagte Akkarin.

Sie nickte strahlend.

Stirnrunzelnd starrte er auf einen Punkt in der Ferne. Vielleicht ergab es doch einen Sinn. Oft waren Wörter einander deswegen ähnlich, weil sie eine ähnliche Bedeutung hatten. „Sind alle Magier in Sachaka Meister?", fragte er. „Also haben sie Sklaven?"

„Ya. Aber nicht ganz. Kompli …"

„Kompliziert", half Akkarin nach.

„Ya. Manchmal, wenn Sklave sehr sha'kemivi, Meister lehren ihn Magie, damit er helfen, sein Land bewachen. Ashaki tun das oft."

„Was ist ein Ashaki?"

„Rashariya mit Land. Dakova haben kein Land, Dakova Ichani."

Also gab es in Sachaka Magier mit Land und Magier ohne. Das war anders als in Kyralia, wo Landbesitz den Magiern verboten war. Doch bis vor wenigen Tagen hatte er nicht einmal gewusst, dass es in diesem Land überhaupt Magier gab. Seit dem letzten Krieg war Sachaka weitgehend vom Rest der bekannten Welt isoliert. Akkarin versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, was er während seines Studiums und die Zeit nach dem Krieg über Sachaka gelernt hatte. Er wusste jedoch nur noch, dass Händler selten in dieses Land reisten, aus Gründen, die ihm entfallen waren.

Ob die Ashaki ihr Land vor den Magiern, die kein Land haben, beschützen müssen? Waren Magier wie Dakova vielleicht ausgestoßen worden, weil sie schwarze Magie praktizierten? Oder hatten sie einfach nur das Pech gehabt, kein Land zu besitzen, weil es davon zu wenig gab? Was in den Verbündeten Ländern mit Hinrichtung bestraft wurde, musste nicht zwangsläufig anderswo auf die gleiche Weise bestraft werden.

Er wollte Isara danach fragen, wusste jedoch nicht, wie er sich ihr verständlich machen sollte. Sie beherrschte seine Sprache nur wenig und hatte sich mit ihren ersten Ausführungen zu diesem Thema bereits schwergetan.

„Sind die Ichani stärker als die Ashaki?", fragte er.

„Manchmal. Manchmal Ashaki stärker."

„Also hängt es davon ab, ob sie schwarze Magie praktizieren", folgerte er.

Ihre dunklen mandelförmigen Augen blickten ihn verständnislos an. „Was ist schwarze Magie?"

„So nennen wir es, wenn ein Magier sich an anderen stärkt." Nach Dakovas Reaktion auf die Informationen in seinen Gedanken, seiner immensen Stärke und der Art und Weise, wie er Akkarins Magie genommen hatte, musste es sich dabei um die Art von magischer Praktik handeln, von denen man in der Gilde nur lernte, dass sie verboten war. Möglicherweise gab es noch andere Formen verbotener Magie, doch Akkarin konnte sich nicht vorstellen, was das sein sollte. Er war sicher, es war schwarze Magie.

„Es heißen rashaya – Hochmagie", erklärte Isara ihm. „Manchmal auch sagen Blutmagie."

Schaudernd wiederholte Akkarin den Begriff.

„Alle Magier haben rashaya."

Sie brauchte es nicht zu übersetzen. Er verstand es auch so. Und ihm wurde kalt.

„Und wie bezeichnet ihr Magier wie mich?" Gab es dafür überhaupt ein Wort?

„Shariya", antwortete sie. „Niedere Magier. Magier sein nicht lange shariya, weil sie lernen irgendwann rashaya."

„Und gibt es auch ein Wort für … niedere Magie?"

„Shaya."

„Also bedeutet das 'ra', dass es sich um höhere Magie handelt", folgerte er.

„'ra' bedeuten Blut. Aber ja. Ize sha'yilomi mirema." (Du hast recht.)

Akkarin erschauderte. Isara hatte gerade seine düstersten Befürchtungen bestätigt.

Isara hatte seine Reaktion offenkundig falsch gedeutet. „Genug reden. Konaka fertig. Jetzt sha'yoseci."

In einer fließenden Bewegung erhob sie sich von ihrem Kissen und bedeutete ihm, ihr ins Zelt zu folgen. Als Akkarin sich umsah, hätte er nicht sagen können, was er erwartet hatte. In einer Ecke erblickte er eine willkürliche Ansammlung von Stoffballen, an der rechten Wand lagen fertige und halbangefangene Kleidungsstücke, während auf der anderen Seite ein Haufen alter, zerlumpter Kleider lag. Die Mitte wurde von einem großen flachen Tisch ausgefüllt, auf denen er Utensilien zum Nähen erblickte.

„Rachariya brauchten mich nicht ganzen Tag", sagte Isara. „Dann ich machen Kleider und reparieren kaputte. Er wollen nicht, dass ich machen harte Arbeit." Sie wies auf den Lumpenhaufen. „Das sein kaputte Kleider von Sklaven. Du flicken."

Das war wirklich Frauenarbeit. Sie hatte nicht zu viel versprochen. Als Magier und Sprössling der Häuser war Akkarin in jeder Hinsicht handwerklich ungeschickt. In den Häusern wurden Näharbeiten entweder von den Dienern oder den Frauen und Töchtern in ihrer Freizeit erledigt. In der Gilde lernte man, seine Magie für jeden Handgriff zu benutzen. Nähen gehörte dennoch nicht dazu. Wenigstens bleibt mir so die harte Arbeit in der brennenden Sonne erspart, dachte er trocken. Vielleicht sollte ich dankbar sein …

„Ich habe noch nie eine Nähnadel in der Hand gehalten", sagte er tonlos.

„Nicht schlimm", erklärte sie fröhlich. „Ich zeigen dir. Ganz leicht."

Nach einer kurzen Einführung, wie er Risse im Stoff mit Nadel und Faden schließen konnte, begannen sie mit der Arbeit. Bald fand Akkarin heraus, dass das Prinzip lächerlich einfach war. Die einzige Herausforderung bestand darin, die Stoffränder wieder exakt aufeinanderzulegen und die Stiche möglichst gleichmäßig zu setzen, was indes mehr sein Geschick, als seinen Verstand forderte.

Isara hatte derweil einen weiß schimmernden Stoff auf dem Tisch ausgebreitet und steckte ein Stück, das wie eine Hälfte ihres knappen Oberteils aussah, davon ab.

„Nähst du all deine Kleider selbst?", fragte er.

„Ya. Und die der Sklaven. Früher mir Vara helfen, aber sie sehen nicht mehr gut. Früher sie zeigen mir auch Nähen."

„Also hast du das alles von ihr gelernt?", fragte Akkarin beeindruckt. Auch wenn ihr Kleid aus nur wenig Stoff bestand, so sah es nicht danach aus, als wäre es leicht zu nähen. Allerdings sah er sich nicht einmal in der Lage, ein einfaches Hemd zu nähen.

Sie nickte. „Manchmal bringen Meister auch Kleider von seiner Jagd mit, die ich dann nur umnähen."

Kleider von der Jagd? Die potentiellen Antworten, die Akkarin dazu durch den Kopf schossen, waren entweder völlig absurd oder zu entsetzlich, um ausgesprochen zu werden.


Als die Strahlen der Sonne lang und golden den Eingang des Zeltes fielen, legte Isara ihre Arbeit beiseite. „Komm", sagte sie. „Konoaka."

„Was heißt das?", fragte Akkarin, obwohl er sicher war, das Wort am vergangenen Abend gehört zu haben.

„Abendmahl. Essen."

Das ließ Akkarin sich nicht zwei Mal sagen. Sein Magen knurrte bedenklich und seine Magie war noch immer nicht ganz regeneriert.

Er folgte Isara aus dem Zelt. In der Mitte des Lagers saßen Dakovas Sklaven um ein Feuer versammelt. Doch anstatt sich zu ihnen zu gesellen, steuerte Isara auf das Zelt ihres Meisters zu. Dieser saß auf einen Hocker vor dem Eingang und starrte ihnen mit seinen kalten Augen entgegen.

Etwas in Isaras Haltung veränderte sich und sie eilte auf ihren Meister zu und warf sich vor ihm zu Boden. Dakova hob ihren Kopf, dann beugte er sich zu ihr hinab und drückte seine Lippen auf ihre. Isara reckte sich ihm entgegen, als würde sie den Kuss genießen, während Dakovas Hand ihren Rücken hinab und über ihr Hinterteil strich.

Schaudernd wandte Akkarin sich ab. Wenn sie nur seine Bettsklavin war, sollte sie sich dann nicht anders verhalten? Stattdessen benahm sie sich so, als wäre sie Dakovas Geliebte. Die Vorstellung widerte ihn an.

„Akkarin."

Er zuckte zusammen und sah zu Dakova.

„Du weißt, was du zu tun hast."

Er schloss die Augen. Ja, das wusste er. Aber er wollte es nicht tun. Doch bevor daraus erneut eine Demütigung erwachsen konnte, zwang er sich, einen Schritt und dann noch einen zu tun, bis er vor dem Sachakaner stehenblieb. Dann ging er zögernd auf die Knie und streckte seine Handgelenke dem Mann entgegen, an den er von nun an gebunden sein würde.

Das damit verbundene Gefühl von Freiwilligkeit war noch erniedrigender, als wie von Dakova dazu gezwungen zu werden.

Nachdem der Sachakaner seine Magie genommen hatte, las er erneut Akkarins Gedanken. Mit einer sadistischen Neugier brachte er dabei nach und nach alles in Erfahrung, was Akkarin an diesem Tag gedacht und getan hatte.

- Ich verbiete dir, deine Magie zu benutzen, sofern ich es dir nicht befehle, sandte er, als er Akkarin seine Begegnung mit Takana ein zweites Mal durchleben ließ.

- Aber damit lassen sich manche Arbeiten leichter erledigen, widersprach Akkarin.

Daraufhin explodierte ein Schmerz in seinem Kopf.

- Deine Magie gehört jetzt mir. Also entscheide ich, wofür ich sie einsetzen will. Hast du das verstanden?

- Ja, Meister, antwortete Akkarin widerwillig.

Er war nicht Dakovas Magie. Es war seine eigene. Das Wissen, dass jemand so über ihn verfügte, erfüllte Akkarin mit Zorn. Er begriff jedoch auch, dass Dakova ihn bestrafen würde, wenn er diesen Befehl missachtete. Denn Dakova wollte alles davon für sich.

Offenkundig zufrieden fuhr Dakova damit fort, den weiteren Verlauf seines Tages zu verfolgen. Schließlich kam er zu Akkarins Fluchtplänen, über die er am vergangenen Abend vor Erschöpfung eingeschlafen war. Und zu seinem Entschluss sich scheinbar zu fügen.

„Du glaubst also noch immer, du könntest mir entkommen?", fragte er anschließend mit einer grausamen Erheiterung in der Stimme. „Versuch es und du wirst es bereuen."

Das wagte Akkarin keinen Augenblick zu bezweifeln. „Ich würde die Chance trotzdem ergreifen, wenn ich sie hätte", schleuderte er all seine Vorsätze vergessend dem anderen Magier entgegen.

Dakova holte aus und schlug ihn so fest, dass er zur Seite kippte. Isara entfuhr ein kleiner Laut des Entsetzens.

Der plötzliche Schmerz erweckte Akkarins Zorn erst recht zum Leben. Seine gesamte linke Gesichtshälfte brannte und ein metallischer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Er wusste, er tat besser daran, keinen weiteren Widerstand zu leisten. Aber er wollte Dakova spüren lassen, dass er sich nicht so leicht geschlagen gab. Sich das Blut von seiner Lippe wischend richtete er sich auf.

„Und wenn ich Euch töten könnte, würde ich keinen Augenblick zögern."

Dakova schlug ihn erneut. „Ich hatte gedacht, Kyralier wären gefügiger. Anscheinend habe ich die große Ausnahme erwischt." Er seufzte übertrieben. „Du lässt mir keine Wahl, kleiner Gildenmagier. Ich werde andere Mittel brauchen, um dich zu zähmen."

Er stand auf und verschwand in seinem Zelt. Als er zurückkehrte, hielt er zwei Stricke in der Hand. Mit dem kurzen band er Akkarins Handgelenkte zusammen, aus dem langen formte er eine Schlinge, die er ihm um den Hals schlang.

„Jeder Limek kann mit der richtigen Führung zu einem zahmen Yeel gemacht werden", sagte er, während er sich das andere Ende um die Hand wickelte. „Was meinst du? Werde ich dir bis morgen früh deine Fluchtgedanken ausgetrieben haben?"

Was du auch versuchst, das wird dir nicht gelingen, dachte Akkarin grimmig. Er würde immer fliehen wollen. Dakova trug vielmehr dazu bei, dass sich dieser Wunsch verstärkte. Doch er wagte es nicht, die Worte auszusprechen, weil das Gefühl von Demütigung ihm bereits jetzt den Atem nahm.

„Ich werde nicht fliehen", brachte er hervor. „Ich verspreche es."

Dakova zog an dem Seil. „Selbst, wenn ich deinen Worten Glauben schenken würde, wären sie mir gleich", schnarrte er. „Denn ich will, dass du es verinnerlichst."

Akkarin schloss die Augen und nickte. Er hatte keinen Augenblick geglaubt, sein Peiniger würde sich darauf einlassen, ihm diese Demütigung zu ersparen. Und er hatte so ein Gefühl, dass Dakova gerade erst anfing.

Wo es am Abend zuvor bereits einer unmenschlichen Erniedrigung gleichgekommen war, den anderen Magier beim Essen zu bedienen, fehlten Akkarin für dieses Abendessen die Worte. Er fühlte sich wie eine Mischung aus Möbelstück und Schoßtier und er kam nicht umhin, Dakova zu verfluchen. Doch vor allem verfluchte er sich selbst, weil er die Dummheit besessen hatte, sich gegen ihn aufzulehnen, womit er sich überhaupt erst in diese Situation gebracht hatte.

Nach dem Essen winkte Dakova die anderen Sklaven heran. Jeder von ihnen warf sich vor Dakova zu Boden, die Handgelenke emporgestreckt. Der sachakanische Magier zog seinen Dolch und fuhr damit über die Haut seines jeweiligen Opfers. Akkarin beobachtete die Szene mit einer Mischung aus Faszination und Grauen.

Und dann begriff der auch das letzte Detail dessen, was er in den letzten beiden Tagen nur vage zu begreifen begonnen hatte. Dakova praktizierte nicht nur schwarze Magie. Schwarze Magie war das, wonach er selbst all die Monate gesucht hatte.


Sachakanisch – Kyralisch

Sha'donasi! Sha'donasi nuta sha'yoseci! Rachariya sha'nevuse ize kilamo. – Aufstehen! Aufstehen und Arbeiten! Der Meister bestraft dich sonst.

suka – Raka

kereco – Idiot

kashi – Brot

konaka – Morgenmahl

Sachaka-zocha – Sachakanisch

zochado – Sprache

konoaka – Abendmahl

U'sha'miyvo kashi kami konaka. – Ich habe Brot als Morgenmahl.

rachariya – Meister

rashariya – höherer Magier

shariya – niederer Magier

ya – Ja

ani – Nein

dishimi / Dichimi – Sklavin/Sklave

rashaya – hohe Magie / Blutmagie

shaya – niedere Magie

sha'coloso – schlafen, euphemistisch auch für Sex haben

Dakova yichivo rashariya. – Dakova ist ein Magier.

sha'yoseci – arbeiten

Ize shaco'yilomi mirema. – Du hast recht.

sha'kemivi – ergeben

Die sachakanische Sprache hat eine alte Freundin für meine Geschichten geschaffen und darf ohne ihre Einwilligung nicht für andere Zwecke werden.