Jessica schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dann rücklings mit gesenktem Kopf gegen das kalte Metall. Bevor sie sich Crell Ekoor stellte, wollte sie sich zuerst sammeln, um keine Schwäche erkennen zu lassen. Sie hob ihren Blick und wollte mit der Ansprache beginnen, die sie im Kopf einstudiert und mehrfach wiederholt hatte, doch ihre Augen trafen die seinen. Er fixierte sie seit dem Betreten seiner Zelle und lächelte selbstgefällig. Kein Wort kam über Jessicas bebende Lippen.
Ekoor war nicht so sprachlos. Selbstbewusst aufgerichtet stand er in seinen Fesseln vor ihr. „Jess, da bist Du ja wieder. Du hast lange gebraucht. Wie geht es jetzt weiter? Bringen wir es endlich hinter uns, ich mag nicht mehr warten."
Sie reckte ihm ihr Kinn entgegen, in der Hoffnung, ihrer Stimme so die nötige Festigkeit zu geben. „Wenn es nach Garak ginge, würde ich Dich jetzt möglichst lange foltern, bevor ich Dich umbringe." Ekoor lachte kurz schlecht gelaunt auf. Sein Blick wanderte kurz zum Fenster, bevor sich seine Augen wieder in die ihren bohrten. „Und wenn ich bedenke, wie Du mein Leben über die Jahre beeinflusst hast, muss ich ihm da wohl zustimmen." Sie wandte sich zum Tisch um und ergriff ein schlankes, langes Messer mit exzellent geschliffener Klinge. Langsam drehte sich Jessica wieder herum und betrachte die elegante Maserung des Damaszenerstahls in ihrer Hand. „Auf der anderen Seite kann ich Tiere nicht leiden sehen und erlöse sie sofort, wenn nötig. Ich bin versucht, Dich zu erlösen wie ein Tier. Ich möchte es nämlich auch einfach hinter mich bringen." Sie trat ganz Dich an ihn heran, drückte die Klinge mit der Spitze auf seine Kehle weisend gegen seine Brust und flüsterte, sodass Garak nebenan nicht mithören konnte. „Und doch, trotz allem, was Du mir angetan hast, sagt mir mein Gewissen, dass es nicht richtig wäre. Ich weiß nicht, ob mich das zu einem besonders guten, oder einem besonders dämlichen Menschen macht." Jessica sah ihm tief in die Augen, als suche sie dort nach einer Antwort. Sein Blick wurde weich. „Hast Du auch an eine dritte Option in Betracht gezogen? Kann es nicht einfach sein, dass Du trotz allem etwas für mich empfindest?" Ekoor kam mit seinem Kopf näher und betrachtete ihren Mund. Seine Lippen schlossen sich und boten ihr einen Kuss an.
Wie hypnotisiert starrte sie auf seine Lippen und bemerkte irritiert, wie sie ihm ihren Körper entgegenstreckte. Ruckartig riss Jessica ihren Kopf zurück und schob die Klinge einen Zentimeter höher. Die Spitze durchbohrte Ekoors Haut und ein dunkles Rinnsal trat hervor.
In ihren Ohren rauschte das Blut und in ihrem Kopf fühlte sie den Herzschlag pulsieren. Jessica wurde schwindelig und der Wunsch sich an den Mann vor ihr zu lehnen stritt mit dem Impuls, wegzulaufen.
Siegesgewiss lächelnd stand der Cardassianer über ihr. Wie durch Watte konnte die Frau seine Stimme hören „Du willst es Dir nicht eingestehen, schon gar nicht vor Zeugen. Aber letzten Endes willst Du einfach wieder mir gehören, auch wenn das Deiner Föderationsmoral widerspricht. Ich bin nicht nachtragen, Jess. Wenn Du mir vergeben kannst, dann …"
Seine Stimme wurde durch ein feuchtes Gurgeln ersetzt, ein Schwall warmen, klebrigen Blutes pulste aus Ekoors durchtrennter Kehle und spritzte Jessica ins Gesicht, die noch den Griff des langen Messers mit beiden Händen umfasst hielt. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie durch den Blutregen, wie die Augen des Cardassianers brachen, der große Körper an Spannung verlor und dann in sich zusammen sackte. Die Fesseln verhinderten, dass Ekoor gegen sie prallte, aber noch immer kam eine schwächer werdende Fontäne Blut aus seinem Hals und durchweichte ihre Kleidung bis auf ihre Haut.
Jessica zuckte zusammen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte und eine andere ihre Hände mit dem Messer umfassten. Sie musste mehrmals Blinzeln, bis sie durch einen roten Schleier Garak erkannte, der sie besorgt ansah.
„Meine Liebe, hören Sie mich?" Er musste ihr diese Frage schon öfter gestellt haben, denn als sie nickte, entspannte sich sein Gesicht merklich.
„Geben Sie mir das Messer, Sie benötigen es jetzt nicht mehr." Garak entwand ihr vorsichtig die Klinge und ließ es einfach auf den Boden in die dunkelrote Pfütze fallen.
Der Schneider dirigiert sie durch die Tür aus der Zelle heraus und in die Schleuse. Apathisch folgte Jessica Garaks Führung durch die schmalen Felsengänge in eine Art Wohnbereich und dort in ein kleines Badezimmer.
„Jessica, Sie sollten sich entkleiden und duschen. Schaffen Sie das?" Sie nickte kurz und ihr glasiger Blick wurde etwas fester. Sie blickte an sich hinab und erschrak, als ob sie erst jetzt bemerkte, dass ihre Kleidung mit Ekoors Blut durchtränkt war. Mit angewidertem Blick riss sie ungeschickt an ihrem glitschigen Oberteil.
Garak wandte sich diskret ab. „Sollten Sie Hilfe benötigen, meine Liebe, lassen Sie es mich wissen, ich bin hinter der nächsten Tür und besorge Ihnen derweil neue Kleidung."
Die Frau brauchte lange, um sich der schmierigen Kleidung zu entledigen und noch länger um unter dem lauwarmen Wasserstrahl das ganze Blut aus den Haaren und vom Rest ihres Körpers zu waschen. Als das Wasser sich schließlich nicht mehr rosa vom Blut färbte, trat sie zitternd aus der Dusche, schlang das einzige Handtuch um ihren Körper und stieg auf Zehenspitzen um den Haufen Blut-verklebter Kleidung und ihre eigenen schmierigen, rotbraunen Schuhabdrücke.
Im Wohnbereich des Quartiers wartete Garak mit einigen Kleidungsstücken auf dem Arm. Er legte sie ab und verließ mit dem Hinweis „Ich besorge uns schnell etwas zu trinken.", den Raum.
Jessica kleidete sich an. Sie musste die Ärmel und Hosenbeine etwas umkrempeln und glücklicherweise lag ein Gürtel in dem Kleiderbündel. Schuhe hatte Garak offensichtlich nicht gefunden, aber ein paar viel zu große, sehr dicke Socken rundeten das Ensemble ab.
Der Cardassianer kam mit einer frischen Flasche Kanar und einigen Sternenflotten Feldrationen zurück.
„Fragen Sie mich nicht, woher ich die habe", sagte er zwinkernd, „aber es ist das einzig Essbare, dass ich auf die Schnelle finden konnte. Möchten sie ‚Königsberger Klopse' oder etwas, dass sich ‚Italienisches Nudelgericht' nennt?"
Sie griff nach den Nudeln. „Ich mag keine Kapern", begründete sie ihre Auswahl. Sie aßen schweigend und nach wenigen Bissen begann Garak, die säuerlich-scharfen Kügelchen aus seinem Mahl zu pulen.
Eine Mahlzeit und zwei Gläser Kanar später brach der Mann das Schweigen.
„Wie geht es Ihnen, meine Liebe? Ich mache mir ein wenig Sorgen. Ihre … Lösung für das Problem hat mich dann doch überrascht." Jessica fühlte seine Blicke, war aber nicht imstande, den Blick zu erwidern.
„Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Ich fühle mich betäubt oder von meinem Körper losgelöst. Ferngesteuert. Müde. Mir ist danach mich jetzt einfach da vorn auf das Bett zu legen und zu schlafen. Bleibt dafür Zeit? Wann werden wir abgeholt?"
Garak nickte. „Sie stehen unter Schock, das ist kein Wunder." Er zog ein Pad aus seiner Tasche, tippte darauf herum und erhielt kurze Zeit später eine Antwort.
„Wenn ich jetzt das Signal gebe, ist unser Schiff in frühestens neun Stunden hier. Legen Sie sich hin meine Liebe. Ich habe derweil einiges zu erledigen. Rufen Sie mich bitte, wenn Sie irgendwas benötigen."
Der Kapitän des lissepianischen Frachters meldete sich bei Garak, der soeben einige Pads mich wichtigen Informationen in einem geheimen Fach in der Seitenwand seines Höhlenbunkers versteckte. „Garak, Sie sollten in 20 Minuten an der Stelle sein, an der ich Sie angesetzt habe. Soll ich zuerst die Cleaner hinunter beamen?"
Jessica sollte nicht erfahren, wer in diese äußerst illegale Aktion involviert war, er schüttelte energisch den Kopf, bevor er seine Antwort übermittelte. „Nein, bitte beamen Sie uns zuerst hinauf. Wenn wir den Transporterraum verlassen haben, können Sie mein Team absetzen. Wir werden in 20 Minuten vor Ort sein." Der Cardassianer beendete die Kommunikation und begab sich zum Wohnbereich, um Jessica abzuholen.
Die Frau lag immer noch auf dem Bett, eingerollt in eine Decke und schlief. Garak berührte sie zuerst ganz vorsichtig an der Schulter, aber sie schlief tief und fest. Schließlich rüttelte er fester und endlich öffneten sich die Augen der Frau. „Wir müssen aufbrechen, Jessica. Unser Schiff kommt in Kürze." Sie sah ihn aus verschlafenen Augen an und ihr Blick verriet Verwirrung. Aber dann nickte sie und begann ihre Glieder zu strecken.
Sie stand auf, ging hinüber zum Bad und öffnete die Tür einen Spalt, bemerkte ihre Blut-verklebte Kleidung auf dem Fußboden und verschloss die Tür schnell wieder. „Ich schätze, es ist egal, wie ich aussehe, oder?" Diese Frage war an niemanden gerichtet, aber Garak entschied sich zu antworten. „Meine Liebe, die gewagte Zusammenstellung ihres Ensembles lenkt gänzlich von Ihrem restlichen Erscheinungsbild ab, und wenn wir die Station wieder betreten, suche ich uns einen ruhigen Weg zu den Quartieren."
Jessica folge Garak zurück durch die Gänge und hinauf an die dämmrige Oberfläche des Mondes. Ohne weitere Worte warteten sie, bis der Transporterstrahl sie erfasste.
Als der Frachter Kurs auf DS9 setzte, saßen die beiden schon wieder in dem Gästequartier, das den beiden auch auf der Hinreise zur Verfügung gestanden hatte.
Der Cardassianer räusperte sich, nach vielen Minuten des Schweigens. „Meine Liebe, ich denke zwar, dass ich diesen Umstand nicht explizit erwähnen muss, aber Sie dürfen über das, was heute passiert ist, mit niemandem reden." Er beobachtete ihr verschlossenes Gesicht. „Mit Ausnahme meiner bescheidenen Wenigkeit, selbstverständlich."
Jessica nickte nur beiläufig und Garak spannte sich an.
„Ich glaube, Sie verstehen nicht, meine Liebe. Ich mache mir keine Sorgen um Föderationsrecht." Er beugte sich vor, ergriff ihre Hand und drückte sie eindringlich. „Sie haben mit meiner Hilfe das Leben eines Mitglieds einer äußerst einflussreichen cardassianischen Familie vorzeitig beendet. Und obwohl ich meine Möglichstes getan habe, damit sein Verschwinden für immer ein Rätsel bleibt, muss ich mich darauf verlassen könne, dass Sie schweigen. Unser beider Leben hängt davon ab."
Die Frau wandte ihm ihren Blick zu und erwiderte den Händedruck. „Entschuldigen Sie Garak, falls ich auf Sie abwesend wirke. In mir geht augenblicklich ein Menge vor. Aber auch, wenn ich Ihnen unkonzentriert erscheine, bin ich mir der Gefahr absolut bewusst. Ich verspreche Ihnen, es wird für immer ein Geheimnis zwischen uns bleiben." Sie nahm ihre Hand zurück, setzte sich so aufrecht, wie der Sessel es zuließ und streifte die Benommenheit ab, die seit dem Aufwachen ihren Kopf wie eine dichte Wolke eingehüllt hatte.
„Garak, ich muss diese ganze Sache erst mal sacken lassen, es wirkt so surreal. Und ich denke, ich werde irgendwann das Bedürfnis haben, mit ihnen darüber zu reden. Über das Wie und warum Sie das möglich gemacht haben. Doch nicht jetzt, in meinem Kopf rattert es, wie in einem alten Motor und mit einem Mal fühlt sich das Leben anders an." Sie Atmete tief durch. „Danke, Garak, ich danke Ihnen so sehr. Für heute muss das reichen." Sie hob ihre Füße auf den Sessel, rückte die Kissen zurecht und schloss ihre Augen.
