Interview

Eine zehn. Ich starre die beiden Ziffern an, wie sie über den Bildschirm flackern. Eine eins und eine null. Zehn ist gut. Aber eine zehn ist ebenso gut wie das, was Saylor erhalten hat, und schlechter als die elf, die die Spielmacher dem Mädchen mit dem kahlen Schädel aus 2 gegeben haben. Cassia heißt sie. Ich bin gleichzeitig verärgert wie erleichtert, dass ihre Bewertung die höchste bleibt, als die anderen Tribute im Fernseher nach und nach aufflackern und wieder verschwinden. Sie hat eine elf? Unglücklicherweise habe ich in der Trainingshalle keinen Blick mehr an die Karrieretribute verschwendet und mich nur auf mich selbst konzentriert, sodass ich nicht die leiseste Ahnung habe, woher Cassias hohe Zahl rührt. Verdammt, verdammt, verdammt! Kurz überlege ich, Tic in einem ruhigen Moment über die Stärken der anderen auszufragen, doch er ist von seiner vier noch erschüttert. Ich hingegen bin eher überrascht, dass er überhaupt eine vier erhalten hat – er hat keinerlei Kondition und ich habe gehört, wie er Porter erzählt hat, dass er in seinen 15 Minuten mit den Spielmachern gegen einen Waffenständer gestolpert ist und einen Haufen Speere über den Boden verteilt hat. Dementsprechend halten sich wohl unsere Mentoren als auch unser Betreuer aus dem Kapitol mit Kommentaren über die Bewertung zurück. Ein anerkennendes Nicken von Spud sehe ich trotzdem noch. Ich reagiere nicht, da ich seine Art abstoßend finde und gleichzeitig weiß, dass er mir bei keinem Groll der Welt die Sponsoren verweigern würde. Er braucht mich genauso wie ich ihn brauche.
Insgeheim wünsche ich mir sogar, ich könnte mir die gleiche Anerkennung für die zehn im Training geben wie Spud. Allerdings war eine zehn das mindeste, was ich hatte erreichen wollen – eine zehn, die gleichzeitig die beste Bewertung in der Runde aller Tribute sein sollte. Doch ich bin übertrumpft worden und genauso ist mein Wert unter den Sponsoren soeben gesunken. Bleibt mir nur noch das Interview, um vor Beginn der Spiele alle meine Gegner auszustechen.

Zu unserer Verabredung mit Caesar Flickerman und den Kameras steckt Obethia mich erneut in ein auffällig unauffälliges Outfit. Dieses Mal ist es ein einfarbiger heller Jumpsuit mit weitem Rückenausschnitt, der gefährlich eng anliegt, allerdings meine Figur gut zur Geltung bringt. Verstehe – nach der Unschuld bei der Parade bietet sie dem Kapitol nun Sex Appeal, wenn auch nicht zu auffällig. Seufzend streiche ich über den Stoff, der auf halber Höhe meiner Oberschenkel endet.
„Wenn du neben Caesar sitzt, überschlägst du die Beine", sagt Obethia und hält mir ein paar Schuhe hin. Es sind Sandalen mit hohen Absätzen, die ich mir mithilfe von Schnüren um die Beine wickeln soll. Passend zu Obethias Farbschema glänzen sie golden. „Und zeig dich dem Publikum am besten leicht von der Seite." Sie nimmt meine Schultern und dreht mich vor dem Spiegel herum, sodass ich sehe, was sie meint: An meinen Rippen endet der Stoff so, dass der Ansatz meiner Brüste zu sehen ist. Ich kann nicht anders als die Augen zu verdrehen und dafür fange ich mir einen Klaps mit dem Haarband, dass die Stylistin gerade in der Hand hält. „Du sollst gefallen!"
„Ich werde meine Worte zählen lassen."
„Die Optik darfst du hier nie vernachlässigen!", sagt sie schroff. Dann tritt sie um mich herum und flicht das goldene Band in meine Haare ein. Heute darf ich es offen tragen, allerdings hat das Vorbereitungsteam es so gelegt, dass kein Vorzug der Kleidung verdeckt wird. Obethia verpasst mir noch einen festen goldenen Halsreif und einige Ringe um den Oberarm. „Fertig. Vermassel es nicht."
„Was kümmert es dich, wenn ich sterbe?"
„Nichts. Aber wenn du gewinnst, kann ich vielleicht auch nach der Babypause meinen Job wiederhaben."
Mit dieser direkten Antwort habe ich nicht gerechnet, doch immerhin ist sie ehrlich. Daher nicke ich und danke ihr sogar, bevor es auf die Bühne geht.

Erstaunlicherweise nehme ich mir Obethias Haltungstipps schon zu Herzen, bevor ich überhaupt selbst mit meinem Interview an der Reihe bin. Mit ordentlich überschlagenen Beinen und durchgedrücktem Rücken verfolge ich, wie Angel hinauf auf die Bühne schwebt, um dann allen Menschen in Panem die Ohren von ihren drei geliebten Hunden vollzuheulen. Ob diese Tiere existieren oder nicht, kann ich nicht sagen. Nachvollziehen kann ich ihre Tränen ohnehin nicht – ich kenne niemanden in Distrikt 5, der sich etwas anderes als Nutztiere hält. Meiner Meinung nach meldet sich Angel mit dieser Aussage außerdem nur freiwillig zum Testobjekt neuer hundeförmiger Mutationen der Spielmacher.
Der Junge aus Distrikt 1 hingegen, Saffyr, gibt ein so schlechtes Interview, dass Angel dagegen wie eine absolute Glanzleistung dasteht. Dauernd verhaspelt er sich und stottert im Angesicht der Kameras herum. Dabei sieht er Caesar Flickerman nicht eine Sekunde in die Augen. Cassia aus 2 spricht in den vollen drei Minuten kein Wort außer „Ich werde sie alle umbringen", der Junge aus ihrem Distrikt, Romulus, erzählt davon, dass sein Bruder ihn dazu angestachelt habe, sich freiwillig zu melden, und er sich nun beweisen müsse. Die beiden aus 3 sind Mittelmaß, wobei der Junge mit seiner blassen Haut und seinem trockenen Husten auf mich einen so kränklichen Eindruck macht, dass ich ihn am liebsten nach Hause geschickt hätte. Doch das hier ist das Kapitol – ein Ort, an dem auch Schwangere fröhlich in den Tod geschickt werden. Wen interessiert da schon ein krankes Kind?
Riva aus 4 ist die nächste und sie ist so freizügig angezogen, dass ich die Stielaugen einiger Kapitolbewohner in der ersten Reihe förmlich spüren kann. Sie sieht unglaublich gut aus in dem glitzernden durchsichtigen Stoff, der in hauchdünnen Streifen gerade so ihre Brüste bedeckt. Kurz bin ich verärgert, dass ich danach auf die Bühne muss. Saylor jedoch reißt das Ruder herum und nachdem er einige kampflustige Parolen mit mehr Lautstärke als Inhalt in die Kameras gebrüllt hat, winkt Caesar Flickerman endlich mich hinauf auf die Bühne: „Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir den hauseigenen Nachwuchs der Spiele, Alys Brunel aus Distrikt 5!"
Lächelnd erhebe ich mich und steige die Stufen hinauf, wobei ich darauf achte, nicht zu wenig mit dem Hintern zu wackeln. Ich schüttele Caesar die sorgsam passend zu seinen Haaren silbrig manikürte Hand, dann setze ich mich ihm gegenüber. „Hallo, Caesar."
„Hallo, Alys. Ich glaube, wir müssen dich heute gar nicht großartig vorstellen, richtig?"
„Wohl oder übel", sage ich lächelnd. „Aber ich bin unserer Sprache mächtig und könnte dir sogar antworten." Dabei nicke ich zu Cassia und Saylor hinüber, die plötzlich gar nicht mehr so glücklich über ihre Interviews sind. Caesar unterdrückt ein überraschtes Grinsen und auch in das eben noch stille Publikum fährt Bewegung.
„Nun denn, Alys. Wenn wir schonmal gemeinsam hier sind, dann würden wir alle hier nur zu gerne hören, was du darüber zu sagen hast, wieso du heute hier bist."
„Bin ich zu den Hungerspielen unterwegs falsch abgebogen?" Ich setze ein unschuldiges Gesicht auf und lehne mich nach vorne.
Caesar lacht künstlich, dann zieht er eine kleine Fernbedienung aus der Brusttasche seines Jacketts. „Ich würde gerne ein wenig weiter zurückgehen", sagt er und bevor ich einen weiteren Spruch vom Stapel lassen kann, drückt er auf einen Knopf und der Raum verdunkelt sich ein wenig. Ich hebe den Kopf und sehe, wie die Großaufnahme von mir auf der Interviewbühne einem anderen Bild weicht. Mein Gesicht ist wie versteinert, als ich erkenne, was das Kapitol mir und ganz Panem da vorspielt. Porter hatte mich noch kurz vor meinem Interview gewarnt, und doch bin ich so schlecht vorbereitet, dass mich die Hymne und das aufflammende Logo der 50. Hungerspiele trifft wie ein Schlag in die Magengrube. Was sie da zeigen, ist Filmmaterial aus dem zweiten Jubel-Jubiläum, dem Jahr, in dem meine Mutter starb. Mein Blick huscht hinüber ins Publikum. Trotz der Scheinwerfer kann ich auch von hier oben noch die erste Reihe des Publikums erkennen. Da ist eine Frau mit pinkfarbener Haut, die sich die Augen abtupft, da ist ein höhnisch grinsender Mann mit goldenen Augen und während mir das Herz immer weiter in die Hose rutscht, finde ich endlich Porter und Spud in der Menge. Ihre Gesichter sind ähnlich eingefroren wie meine, doch als sich unsere Blicke begegnen, ballt Porter die Hand zur Faust und ich erkenne ein leichtes Nicken.
„Sei stark!", befehlen ihre Lippen stumm und für einen Moment sehe ich meine Großmutter in ihr. Ich atme tief durch. Sie hat Recht. Mein Ticket aus diesen Hungerspielen heraus ist es, den selbstsicheren Schein zu wahren, mit dem ich mein Interview tapfer begonnen habe. Unter größter Anstrengung biege ich meine Mundwinkel nach oben und wende den Blick wieder auf den Bildschirm.
Ich habe einige Aufnahmen aus vergangenen Hungerspielen gesehen, aber nie diese. Alles, was ich über den Tod meiner Mutter und damit meine Geburt weiß, habe ich aus Erzählungen. Aber hier ist es, auf einem riesigen Bildschirm flimmert der Film über die Bühne und alle starren hinauf.
Gezeigt werden zunächst die 48 Tribute des Jubiläums, zur Feier des Jahres die doppelte Anzahl. Sie stehen um das Füllhorn herum, in der Ferne ist der Vulkan zu sehen, der wenige Tage später ausbrechen würde. Tage, die meine Mutter zum Großteil nicht mehr erleben würde. Die Kamera zoomt auf das Gesicht eines Mädchens mit bleicher Haut und einer Unmenge an Sommerspossen. Das rote Haar ist ihr zu einem Zopf gebunden, die blauen Augen sind wässrig. Doch das auffälligste an ihr ist die Kugel unter ihrer Jacke. Schnitt. Ernte in Distrikt 5. „Mirabella Brunel", schallt es durch das Mikrofon und Menschen beginnen zu weinen, als meine 17 Jahre alte schwangere Mutter sich aus dem Kreis der Gleichaltrigen löst. In ihrem Gesicht kämpfen Angst und Überraschung um die Oberhand.
Es ist seltsam, sie so zu sehen, die eigene Mutter jünger als man selbst. Es schüttelt mich, doch vor den Augen des Kapitols tarne ich es als ein verständnisvolles Lachen, dass sie mir diesen Film zeigen.
Noch ein Schnitt. Jetzt tänzelt ein jüngerer Caesar Flickerman über den Bildschirm, um ihn herum dieselbe Bühne, in die ich gerade die Zehen grabe. „Eine Premiere!", sagt der jüngere Caesar und küsst meiner Mutter die Hand. „Und das in einem so spannenden Jahr wie diesem! All diese Überraschungen, diese Spiele küren sich ja zu den ereignisreichsten der Geschichte, bevor sie überhaupt angefangen haben!" Aus dem Publikum auf dem Bildschirm kommt ein Schluchzen, doch um mich herum seufzen die Menschen. Für sie ist das nichts weiter als ein Film, eine Erinnerung an eine alte Fernsehshow. Die meisten hier waren damals vermutlich genau hier auf den Rängen verteilt, doch die alten Gefühle scheinen nicht hochzukommen. Schnitt zurück zum Füllhorn, um das herum die Tribute verteilt auf ihren Plattformen stehen.
Plötzlich steht mir die Wut über das Kapitol bis oben hin und schnürt mir den Hals zu. Ich wusste, dass sie mir die Szenen zeigen würden, und doch kann ich nicht verstehen, wer so eine grausame Idee hatte. Ich bin wütend auf mich selbst, dass ich mich von den schönen Räumlichkeiten habe blenden lassen. Dass ich die Erzählungen meiner Großeltern und was ich über die Hungerspiele weiß ausgeblendet habe. Dass das hier eben doch nicht nur ein Spiel ist, das sich mit genug Arroganz und Charme zu den eigenen Gunsten ausrichten lässt. Genau in diesem Moment steht irgendwo irgendwer und versucht mich eindeutig zu manipulieren, mich aus dem Konzept zu bringen. Meine Hand ballt sich zur Faust und ich vergrabe sie tief in den kaum vorhandenen Falten meines Jumpsuits, um die Geste des Zorns zu kaschieren. Ich zwinge mich, weiter hinzusehen. Vielleicht würde es nicht so schlimm werden – die Geschichten habe ich immerhin bereits gehört.
Schnitt. Kurz sieht man das gewinnende Gesicht des Jungen, der vor 19 Jahren der Sieger wurde. Haymitch Abernathy aus 12. Ein hübscher Junge, und mit derselben arroganten Art, wie ich sie gerade darzustellen versuche. Ich sehe seinen kühlen Blick im Film und augenblicklich spiegele ich seine Miene wider. Zu schade, dass er heute ein Säufer zu sein scheint. Schnitt. Meine Mutter läuft davon, als das Blutbad beginnt. Schnitt. Meine Mutter versteckt sich in einer Hecke und beobachtet die Gesichter am Himmel. Schnitt. Das schmerzverzerrte Gesicht meiner Mutter, als nach einer Nacht voller Angst in der Arena ihre Wehen einsetzen. Man sieht, wie sie mit sich kämpft, weiterzugehen, fort von den giftigen Pflanzen der Arena. Ihre Lippen sind fest aufeinandergepresst, doch dann entfährt ihr ein Schrei. Und noch einer. Schnitt. Die Karrieretribute horchen auf. Schnitt. Meine Mutter umzingelt von neun Kindern, allesamt in ihrem Alter, allesamt Freiwillige, die diese prestigeträchtigen Spiele gewinnen wollen.
Mir wird schlecht, also versuche ich, die Aufnahmen durch die Augen eines Kapitolbewohners zu sehen. Als Unterhaltung. Ohne persönlichen Bezug dazu.
Das rothaarige Mädchen liegt inzwischen auf dem Boden, ihre Hände werden von zwei Mädchen aus Distrikt 1 festgehalten, die Jungen aus 2 halten die Beine. Die Anführer der Karrierosgruppe, allem Anschein nach ein Mädchen aus 4 und ein Junge aus 1, knien über Mirabella, die nun immer lauter schreit.
„Kommt das Baby?", höhnt das Mädchen und alle lachen. An ihre Verbündeten gewandt fährt sie fort: „Findet ihr es nicht auch unfair, dass 5 in diesem Jahr einen Tribut mehr hat als alle anderen?"
Mirabella brüllt, ob vor Angst oder vor Schmerzen ist unklar.
„Lass uns Fairness in die Spiele bringen!", ruft der Junge aus 1, ein großer Bursche mit breiten Schultern, und zieht ein Messer hervor. „Du darfst aussuchen, 5, du oder dein Baby?" Mirabella schreit, als der Junge ihr Oberteil auseinanderreißt und sein Messer an ihrem Bauchnabel ansetzt. Sie wimmert und fleht, doch er lässt nicht locker. Nach einigen unverständlichen Worten macht er den ersten Schnitt in den Babybauch. Blut tritt hervor und die Karrieretribute lachen, während sie langsam immer tiefer in den Bauch ihres Opfers schneiden. Man sieht durch die Kameraeinstellung deutlich, wie das Fleisch auseinanderreißt und darunter Organe sowie das Ungeborene zu sehen sind. Das Mädchen aus Distrikt 5 schreit, die Menge johlt, und dann mischt sich eine weitere Stimme unter die Stimmen. Das Schreien eines Kindes.
„Also, du oder" Das Mädchen aus 4 hält das blutige Bündel in ihren Händen neugierig hoch und dreht es herum. „sie?"
Doch Mirabella Brunel ist ohnmächtig geworden. Einige Augenblicke später ertönt ihre Kanone, dann überraschenderweise die Stimme des Kommentators der Hungerspiele.
Ich kenne die Stimme, es ist Claudius Templesmith. Das Jubiläum muss sein erstes oder zweites Jahr in dieser Position gewesen sein. Er klingt jünger, hastig. Beinahe unsicher.
„Das Kind ist kein Tribut!", sagt er und seine Stimme steigt einige Oktaven. „Ihm soll in dieser Arena kein Leid geschehen."
Schnitt. Propagandamaterial, in dem zu sehen ist, wie ein nun blitzsauber geputztes Kind einem Paar übergeben wird. Im Hintergrund zu sehen ist das Justizgebäude von Distrikt 5. Dann wird der Bildschirm schwarz.
Eine Weile spricht keiner ein Wort. Aus dem Publikum höre ich nun doch weinerliche Ausrufe und ich entspanne langsam meine Finger. Meine Taktik, mich gedanklich von dem Videomaterial zu entfernen, hat bis zu dem Moment funktioniert, als meine Großeltern zu sehen waren. Das Gesicht meiner Mutter mag fremd sein, der Anblick meiner selbst als Baby löste in mir nichts aus, aber dieser Blick auf meine deutlich jüngeren Großeltern und den Schmerz in ihrem Gesicht … Ich schüttele mich.
„Berührend!", findet Caesar Flickerman seine Stimme wieder. „Wahrscheinlich willst du deine Mutter rächen?"
„Das hat der Vulkan bereits getan", sage ich schneller, als ich denken kann. Eines der wenigen Details, die ich über das zweite Jubel-Jubiläum weiß: Ein Vulkanausbruch schaltete die meisten der Karrieretribute aus. Zurecht, wenn man ihre Grausamkeit bedenkt. Mein Kommentar lockert die Stimmung im Publikum deutlich und nun lächelt Caesar sogar.
„Prächtig! Und deine Trainingszahl rührt woher, Alys?"
„Ich habe ihnen gezeigt, wie man einen richtigen Kaiserschnitt vollzieht", sage ich wahrheitsgemäß und aus der Menge werden Lacher laut. Als ich kurz einen Blick hinüber zu den Tribünen werfe, sehe ich Porter lächeln.
„Ich muss einfach fragen!" Caesar zwinkert mir verschwörerisch zu, als ich ihn wieder ansehe. Ich kann es mir nicht verkneifen, eine Augenbraue zu heben. Die Zuschauer reagieren mit einem Raunen und Caesar lässt ein Grinsen über sein Gesicht flackern. „Ganz unter uns: Ist von dir in nächster Zeit ein Kind zu erwarten?" Da ist sie, die Frage, mit der ich noch mehr gerechnet habe als mit dem Film.
Ich muss mich nicht einmal zu einem Lächeln zwingen, es überkommt mich einfach. Das alles hier ist eine Fernsehshow, so grausam und doch so albern, Caesars Haare, mein Outfit … Mein Lächeln ist nicht halb so freundlich wie das von Caesar – aber immerhin ehrlich. „Ich glaube, über solche Dinge kann ich mir in ein paar Jahren noch Gedanken machen."
Caesar lacht. „Also gehst du fest davon aus, dass du die Spiele gewinnst?"
„Natürlich. Meine Familie mag zwar das Pech haben, zwei Tribute beizusteuern, aber so viel Pech, zwei tote Tribute beizusteuern, hat doch keiner, oder?" Nun ist es an mir, eine Augenbraue hochzuziehen. Im Publikum beginnt jemand zu klatschen und kurz darauf stimmen alle mit ein. Ich grinse gewinnend.
„Nun", zieht Caesar die Aufmerksamkeit des Saals professionell wieder an sich, „haben aber die Herren und Damen aus den Distrikten 2 und 4 allerdings dasselbe klargestellt. Du weißt, ihr könnt nicht alle gewinnen, oder, Alys?"
„Menschen irren sich", sage ich fest und drehe den Kopf in Richtung der Karrieretribute. „In diesem Fall müssen es wohl sie sein, denn ich irre selten." Wieder ein Lächeln und die Menge flippt aus. Ich wage es, die Hände zur Faust zu ballen und sie in die Luft zu stoßen. Der Jubel schwillt an und sogar Caesar kommt nicht dagegen an. In den Augen der Karrieretribute steht der blanke Hass, aber ich schenke ihnen ein Lächeln. In diesem Moment hätte mein Kopf sich genauso gut in eine Zielscheibe verwandeln können, das ist mir bewusst. Allerdings habe ich mir gerade nicht nur die Missgunst meiner Gegner in der Arena, sondern vor allem die Bewunderung der Sponsoren gesichert. Caesar tippt auf sein Handgelenk, wo eine große Uhr sitzt, und ich spreche meinen letzten vorbereiteten Satz, bevor Tic auf die Bühne gerufen wird: „Auf den ersten Sieger, der im Kapitol geboren wurde!" Noch ein letztes süffisantes Lächeln, ein Zwinkern, dann ist es vorbei und ich nehme wieder auf meinem Stuhl Platz.
Tic sieht elend aus, als er mit starrem Blick an mir vorbei geht und die Stufen zu Caesar hinaufsteigt. Ich beobachte, wie er die Hand des Moderators beim Schütteln verfehlt. Caesar jedoch wirkt ähnlich aus dem Konzept gebracht, er scheint es gar nicht zu bemerken. Es dauert eine halbe Minute, bis zwischen den beiden ein Gespräch entsteht. Zwar folgen auf Tic noch zwei oder drei sympathische oder interessante Tribute, doch ich weiß, dass nach meinem Auftritt nur noch die Hälfte des Publikums so wirklich hinhört.
Ich weiß, dass ich gewinnen kann. Und jetzt wissen sie es auch.