VI. Kleine Rädchen

Und wenn Menschenfresser weinen
Tut ihnen alles schrecklich leid
Doch sie können's ja nicht ändern
Es ist halt 'ne harte Zei-ei-ei-ei-i-e

Als die sieben Vorsitzenden Richter in ihren pflaumenblauen Roben in den Raum traten, erhoben sich die Zuschauer auf den Rängen in einer einheitlichen Bewegung. Nur die restlichen 43 Mitglieder des Zaubergamots blieben auf ihren angestammten Stühlen sitzen. Das Rascheln der Füße breitete sich aus wie eine riesige Welle und verebbte wieder, als die Richter an ihrem Pult in der Mitte des Amphitheaters Platz nahmen. Auch von weit oben war das silberne Z, das auf der linken Brust prangte und sie als Mitglieder des Zaubergamots auswies, gut zu erkennen. Durch das Flackern der Fackeln huschten Schatten auf den Steinwänden entlang und für Harry auf einen der oberen Ränge schien es, als liefen sie vom Angeklagten fort.

Fenrir Greyback fläzte sich auf dem breiten Stuhl, der ebenerdig im Zentrum des Raums stand. Seine tatzenartigen Hände waren mit Ketten an die Armlehnen gebunden. Er war die Ruhe selbst, während die Anspannung in den Reihen zu bersten drohte.

Mit einem Räuspern klärte der berichterstattende Richter Tiberius Ogden seine Stimme und begann, das Urteil vorzulesen: „Nach anonymer Abstimmung wird der Angeklagte, Fenrir Greyback, mit 46 Stimmen des grausamen Mordes aus Mordlust, zur Befriedigung des sexuellen Triebes nach § 211 Abs. 2 Variante 1, 2 und 6 MStGB in 67 Fällen für schuldig befunden."

Ein wildes Tuscheln entbrannte in den Rängen, doch es legte sich schnell wieder, als Ogden Anstalten machte, weiterzusprechen. Einzelne Zuhörer klatschten und erstarrten, als sie die verbitterten Gesichter ihrer Nachbarn sahen. Greyback faulenzte weiterhin unverfänglich dem Urteil entgegen, so als wäre es nicht sein Schicksal über das an diesem Tag entschieden würde. Ihm drohte der Kuss des Dementors, trotzdem oder gerade deswegen hatte er während der Verhandlung seine Lippen nicht auseinanderbekommen.

„Die Vorsitzenden Richter setzen eine lebenslange Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld nach § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MStGB fest."

Schweigen.

Greyback gähnte. Seine vergilbten Stummelzähne standen kreuz und quer im Mund. In der Untersuchungshaft musste man ihm diese bereits stumpfgefeilt haben, da er einen Wächter angegriffen hatte. Harry hatte am nächsten Morgen mit der betreffenden Akte bei Kingsley vorstellig werden müssen. „Was heißt das jetzt?", nuschelte er hinüber zu Hermine, die neben ihn saß.

Sie lehnte sich zur Seite und sprach so unauffällig wie möglich: „Eine Umwandlung der Freiheitsstrafe auf eine Bewährungsstrafe, nachdem er fünfzehn Jahre verbüßt hat, ist nur in Ausnahmefällen möglich."

Er zuckte ratlos mit den Achseln. Eigentlich hatte er beim Klang von ‚besonderer Schwere der Schuld' Eindrucksvolleres erwartet wie einen Spießrutenlauf oder eine gesonderte Unterbringung. Nochmals hob er die Schultern und ließ sie oben. Harry merkte gar nicht, wie verkrampft er dasaß. Sie lebten nun einmal in einen Rechtsstaat – das war auch gut so.

Unter lauter werdenden Jubel wurde Greyback abgeführt, der sich nicht umdrehte und ohne Protest mit den Wachen wegging.

„Geschafft." Hermine atmete erleichtert aus.

Harry konnte sich einen solch fröhlichen Gedanken nicht erlauben. Während sie die Abteilung für die Aufsicht und Führung magischer Tierwesen umkrempelte, ging er tagtäglich in die Aurorenzentrale. Am Anfang seiner Tätigkeit, für die er aufgrund seiner besonderen Verdienste nicht einmal sein siebtes Schuljahr nachholen musste, waren er und viele seiner Kollegen einzig mit der Aufgabe beschäftigt gewesen, die flüchtigen Todesser und Greifer einzufangen. Mit Einfangen war es da noch lange nicht getan gewesen. Dies war der letzte Schritt einer langen To-Do-Liste. Obwohl sie Dinge getan haben, die noch über Jahrhunderte in den Geschichtsbüchern stehen würden, waren sie schwer zu identifizieren.

„Wer ist als Nächster dran?", fragte Ron, der neben Hermine saß. Auch er wusste genauso gut wie Harry, dass es mit der Verurteilung von Greyback noch lang nicht zu Ende war. Nun begannen die Greifer-Prozesse, bevor es im nächsten Monat Umbridge und den Malfoys an den Kragen gehen würde.

„Ein Scabior", antwortete Harry mit Grabesstimme.

Die Türen schwangen auf und in die Mitte des Halbrunds wurde eine Person, struppig wie ein Straßenköter, gebracht. Mit unkoordinierten Bewegungen setzte er sich auf den Stuhl und die Fesseln schlangen sich um seine Handgelenke. Panik flammte in ihm auf und er zerrte an seinen Händen. Diese waren aber fest an die Lehnen gebunden und es musste ihm Schmerzen bereiten. Beinahe sah es so aus, als würde er seine Hände abreißen. Dann brach sein Widerstand zusammen und er hielt inne.

Ogden, der auch hier den Vorsitz führte, klopfte auf den Tisch. Augenblicklich verstummte die tosende Menge. „Ich stelle fest, dass der Angeklagte, Mr. Scabior, anwesend ist, mit seinem Verteidiger, Dr. Thatch, genauso der Herr Staatsanwalt, Mr. Gawain Weasley." Die Anwälte nickten kurz, während Scabior bei der Erwähnung seines Namens zusammenzuckte. Ogden fuhr unbeeindruckt fort: „Nun die Zeugen: Mr. Fenwick – Ja? … Mr. Valentine – ah, Mrs. Jugson – ja, Mr. Colson – hm, Mrs. Franklin – hm. Dann belehre ich jetzt die Zeugen." Er räusperte sich kurz: „Sie müssen vor Gericht die Wahrheit sagen. Wenn Sie falsche Angaben machen, dann steht darauf eine Strafe. Wenn Sie etwas nicht mehr genau wissen, dann sagen Sie, dass Sie es nicht mehr genau wissen. Sie dürfen aber auch nichts verschweigen, was Sie bereits oder noch wissen, auch das wäre eine falsche Angabe. Haben Sie das verstanden?"

Allgemeines Nicken der Zeugen.

„Ich danke Ihnen fürs Kommen", sagte Ogden. „Dann bitte ich Sie, nun nach draußen zu gehen und dort zu warten."

In Reih und Glied verließen die vorgeladenen Zeugen den Sitzungssaal.

„Mr. Scabior, wie ist ihr Vorname?"

Der Angeklagte nickte. „J-ja … – Seth."

„Geboren am 12.12.1976?"

„Hm."

Der Richter zog die Augenbraue hoch, doch ließ es als Antwort durchgehen. „Bruder von Sebastian Scabior, geboren am 30.05.1970, gestorben am 02.05.1998, Hogwarts, Schottland?"

Er nickte nur.

„Dann beginnen wir", schlussfolgerte Ogden, obwohl es nicht viel zu schlussfolgern gab. „Ich bitte um die Verlesung der Anklageschrift."

Von seiner erhöhten Position aus konnte Harry beobachten, wie ein Mann in der ersten Reihe seine Schultern durchstreckte und ein paar kurze, unauffällige Dehnübungen machte. Mit federndem Schritt und einem gewinnenden Lächeln in Richtung der Richter, schritt er in das Halbrund, stellte sich vor dem Stuhl des Angeklagten, sodass er ihm den Rücken zudrehte. Ein Schlenker seines Zauberstabs ließ eine Pergamentrolle durch die Luft gleiten. Er fasste sie und zog sie auseinander. „Chrm chrm, aufgrund von Ermittlungen legt die Staatsanwaltschaft den Anklagten folgenden Sachverhalt zur Last", begann Staatsanwalt Weasley.

„Das ist übrigens einer meiner Großonkel", flüsterte Ron ihnen zu und lag dabei fast auf Harrys Schoß.

„Toll!"

„Ruhe", drängte Hermine sich dazwischen.

„Am 05.03.1997 meldete sich der Angeklagte freiwillig für die Tätigkeit eines Greifers. Greifer waren von 1996 bis 1998 zuständig für die Jagd auf ‚Unerwünschte', muggelstämmige Magier, ‚Blutsverräter' und alle, die sich gegen Lord Voldemort auflehnten. Dort wurde er in die Abteilung seines Bruders, Sebastian Scabior, eingegliedert, die einem Mr. Raedwulf Caine unterstand, der sich jedoch nach dem 02.05.1998 der Strafverfolgung durch Flucht entziehen konnte. Die Greifertruppen streiften durch das Vereinigte Königreich und brachten ergriffene Zielobjekte ins Ministerium, wo sie sie gegen ein Kopfgeld an die Autoritäten übergaben. Den Opfern wurde der Zauberstab abgenommen, sie wurden eingesperrt, wenn man dachte, sie als Druckmittel gebrauchen zu können und wenn dies nicht der Fall war, wurden sie getötet."

Die ruhigen Ränge brachen in Aufregung aus wie ein Waldbrand während einer Dürre. Die Menschen drehten sich zueinander hin und tuschelten, steckten die Köpfe zusammen. Ogden warf einen dunklen Blick in Richtung der Öffentlichkeit. „Fahren Sie fort."

Weasley nickte. „Bis zur Übergabe im Ministerium wurden die Opfer in den eigens dafür geschaffenen Anlagen bei den Greifern gehalten. Die Greifer hatten Anfang 1996 noch recht provisorisch Lager eingerichtet, die mit fortschreitenden Monaten in feste Lager und Kerker umgewandelt wurden. So wurde zu der Zeit, wo auch der Angeklagte dem Greifertrupp von Raedwulf Caine untergeordnet war ein Backsteingebäude unter dem Namen Port Kain errichtet und ein Gefangenensystem ausgeklügelt. Eigene, subordinierte Einheiten der Greifer übernahmen die Bewachung der Internierten, dabei waren sinnlose Bestrafungen und Folter an der Tagesordnung."

Seth Scabiors Kopf war so tief gesenkt, dass er schon beinahe am Tisch klebte. Er zuckte bei jeder Erwähnung seines Bruders und Caines zusammen.

„Der Angeklagte übernahm regelmäßig die Überwachung. Als uniformierter Wachposten war es seine Aufgabe, den Gefangenen Angst einzuflößen und jeden Gedanken an Widerstand und Flucht im Keim zu ersticken. Eine Überprüfung seines Zauberstabs ergab, dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt einen Unverzeihlichen gesprochen hat, dafür fanden sich außergewöhnliche viele Schockzauber, Lähmungszauber und Ganzkörperklammern. Das Handeln des Angeklagten hatte das Ziel, so viele wie möglich an die Autoritäten zu übergeben. Für die Internierten bedeutete es der sichere Tod. Der Angeklagte wird daher beschuldigt, das System der Misshandlungen und Tötungen aufrechterhalten und unterstützt zu haben, strafbar als Beihilfe zum habgierigen Mord nach § 211 Var. 2 Var. 1 MStGB in 54 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen."

Scabiors Stirn knallte auf die Tischplatte. Sein Anwalt tätschelte ihm die Schulter.

„Wollen Sie sich zur Sache äußern?", fragte Ogden.

„Wenn ich darf", warf Dr. Thatch ein. „Mein Mandant wird heute von seinem Schweigerecht Gebrauch machen."

„In Ordnung. Sie haben aber noch die Möglichkeit, sich zu Ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu äußern. Machen Sie davon Gebrauch?"

„Das gilt auch in diesen Fällen."

Ogden war nicht überrascht und arbeitete seine Liste weiter ab. „Dann treten wir in die Beweisaufnahme ein und ich bitte Mr. Fenwick in den Sitzungssaal."

Fenwick trat hinein und nahm mit dem Rücken zu den Angeklagten Platz.

„Mr. Fenwick, erst einmal zu ihren Personalien. Ihr Vorname, ihr Geburtsdatum?"

Harrys Blick glitt von Scabior und dem Staatsanwalt weg, hinüber in die Richterreihen, die gegenüber der Zuschauerbänke thronten. An seinem freien Donnerstag war er ins Ministerium gekommen, um den ersten Prozessen, anderthalb Jahre nach dem endgültigen Sieg, beizuwohnen. Sie begannen mit den Greifern, kleine Lichter in der Hierarchie der Todesser. Die Prozesse gegen die Todesser, die sie in die Finger bekommen haben, waren aufwändiger vorzubereiten und zogen sich schon seit einigen Monaten in die Länge. Mit Aufregung blickte er den Verhandlungen in den Strafsachen Umbridge und Malfoy entgegen. Der an diesem Tag stattfindende würde ihm einen Vorgeschmack geben.

Die Richter in ihren pflaumenblauen Roben waren vollständig, genau fünfzig an der Zahl. Wie Hühner auf der Stange saßen sie aufgereiht an ihren Pulten. Harry konnte, wenn er die Augen zusammenkniff, erkennen, dass dort auch Namensschilder angebracht waren – für die Adler unter den Zuschauern. In wie viele von diesen Schildern war wohl auch schon unter Voldemort derselbe Name eingestanzt gewesen?

Durch Kingsleys großzügiges Einstellungsprogramm hatte sich das Ministerium vom Personalmangel erholt. Bescheide, Erlasse und Anordnungen flossen wieder wie geschmiert – hm … Aber zu welchem Preis? Konnte man diesen Menschen, die feucht-fröhlich oder bitterernst unter Voldemort gedient hatten, die Verwaltung einer rechtsstaatlichen Institution zutrauen? Was wäre, wenn die Kontrollmechanismen nicht funktionieren würden?

Harry brummte bei all den Fragen in seinem Kopf, auf die er keine gescheite Antwort hatte. Auch niemand anderes wollte diese Probleme lösen.

Selbst, wenn man ein überaus optimistischer Mensch war, wenn man ein solch positives Menschenbild vor sich hertrug, dass man schon als naiv galt – selbst dann konnte man doch nicht ernsthaft davon ausgehen, dass die vorbelasteten Richter unberührt und überparteilich über das Schicksal der Greifer und der anderen Täter entscheiden würden?

Verärgert ballte er die Hände zusammen und dachte an die Fliegenleiche, die sich beim Frühstück in der Butter befunden hatte. Sie konnten es doch gar nicht!

Noch traute sich niemand gelangweilt die Füße auszustrecken oder sich zurückzulehnen, doch in einigen Gesichtern konnte man gut das Eintreffen des Mittagstiefs betrachten. Auch er merkte, wie seine Lider immer schwerer wurden. Innerlich verfluchte er den Ministeriumsangestellten, der die Mittagspause gestrichen hatte.

oOo

„Harry?"

Sein Kopf schnellte zur Seite. Hermine sah ihn ein wenig verständnislos, ein wenig fragend an. „Alles okay?"

„Klar." Er bemühte sich um Energie und Lebensfreude, doch ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, musste er dasitzen wie eine überfahrende Katze. „Was ist passiert?"

Hermine schürzte die Lippen, doch klärte ihn schnell auf: „Sie haben Zeugen gehört, die seine Tätigkeit als Greifer belegen. Er hat natürlich gesagt, dass er unter dem Imperius stand. Der Gamot scheint dies aber als Schutzbehauptung anzusehen und nicht durchgehen zu lassen."

„Das ist gut, nicht?"

Sie nickte eifrig. „Wenn man bedenkt, dass das die häufigste Ausrede nach dem ersten Krieg war – ja, es wäre phänomenal." Hermine seufzte und Harry wusste, dass es das nicht war. „Es sagt noch gar nichts über das Ende aus. Die Richter sind sehr spitzfindig gewesen und mit den Zeugen unzufrieden. Aus den Papieren wird es deutlich, dass er Greifer war und man kann ihn auch in den Gefangenenlagern verorten. Was fehlt ist jedoch eine Zeugenaussage, die belegen kann, dass er bei einer Tötungsaktion zugegen war."

Ganz langsam kamen die Worte bei Harry an. „Hm."

„Ich bitte die nächste und letzte Zeugin, Mrs. Franklin, hinein", orderte Ogden an.

Eine junge, zierliche Frau mit stumpfen Haaren und blassem Gesicht trat in den Raum und setzte sich in den Vernehmungsstuhl. Der Richter begann ihre Personalien aufzunehmen, die sie mit zittriger Stimme gab. Anschließend forderte er sie auf, ihre Geschichte zu erzählen.

„Ich bin muggelstämmig", sprach sie. Scheu wie ein Reh hielt sie inne und blickte durch die Zuschauerreihen. Diese schienen ihr noch mehr Angst einzujagen als die Richter, doch sie schluckte und sammelte ihren Mut. „Ich und eine Freundin, ebenfalls muggelstämmig … – wir wurden ins Ministerium zu einer Anhörung vorgeladen. Wir sollten aussagen, woher wir unsere Zauberkräfte hatten. Zu dieser Zeit wohnten wir zusammen, waren Mitbewohner." Ihre Stimme brach.

„Und dann? Sind Sie dahingegangen?", fragte Ogden.

„Nein", sie schüttelte heftig mit dem Kopf. „Natürlich nicht, wir wussten, was uns blüht. Die Menschen, die zur Vorladung gingen, kehrten nicht zurück. Wir wussten, dass wir fliehen mussten, also haben wir unsere Sachen gepackt. Ich hatte glücklicherweise noch eine Campingausrüstung von meinen Eltern. Wochenlang haben wir uns in den Wäldern aufgehalten, waren nie lang an einem Ort. Dann eines Nachts ging unser Alarmmeldezauber los und wir sind aufgesprungen, gerannt. Nichts hatten wir mitgenommen, ich bin ohne Schuhe durchs Geäst gelaufen und habe mir beim Fallen die Knie aufgeschürft." Sie schluckte, ihr Blick wurde starr und ging geradeaus zum Richterpult, doch geradewegs durch das Holz hindurch. „Es hat nichts genützt. Sie schnappten uns, nahmen unsere Zauberstäbe und brachten uns in ein Lager." Sie schluchzte und schnappte einmal erstickt nach Luft. „Entschuldigung ..."

Ogden winkte ab.

„Sie brachten uns beide in ein Lager. Es war aus Backstein gebaut gewesen, Ziegelstein auf Ziegelstein. Dort wurden wir in Ketten gelegt und an die Wand gebunden. Sie kamen zu uns", sie begann bitterlich zu weinen, „nachts … – Und am Tag mussten wir ihnen zur Hand gehen, was auch immer ihnen einfiel, was auch immer sie von uns wollten … – Sie haben Tanja totgeprügelt!"

Sie schniefte in ein Taschentuch. Die Haare fielen ihr ins Gesicht, ihr Blick war starr nach unten gerichtet und glasig. Immer wieder schluchzte sie. Es wurde still im Gerichtssaal. Niemand wagte es, zu sprechen, zu gähnen oder sich auch nur zu bewegen. Alle Augen waren auf Mrs. Franklin gerichtet, während sie so aussah, als wäre sie am liebsten im Erdboden versunken. Die Richter und auch Ogden warteten geduldig, doch nur wenige zeigten eine Gefühlsregung. Wahrscheinlich waren die Wunden immer noch zu frisch, dachte sich Harry. Der Schreck saß noch immer tief in den Knochen.

„Haben Sie den Angeklagten dort gesehen?", fragte Ogden, als sie sich wieder beruhigt hatte.

Mrs. Franklin drehte sich in Zeitlupe um. Erst bewegte sich ihr Körper, nach 90 Grad nur noch der Kopf. Sie blickte ihn lange an und blinzelte, als würde sie von seinem Anblick geblendet. Nachdenklich und angestrengt kniff sie die Augen zusammen, sodass auf ihrer Stirn eine große Falte erschien. „Nein", sagte sie schließlich.

„Wie bitte?", floss es aus Ogden heraus.

„Es waren so viele – vielleicht war er unter ihnen. Ich kann mich auch gar nicht richtig an die Gesichter erinnern, mein Blick war immer auf ihren Zauberstab und die Messer gerichtet, die sie mir oft an die Kehle oder in den Rücken drückten."

Der vorsitzende Richter nickte beschwichtigend und wandte sich mit einem dunklen Blick an den Staatsanwalt: „Mr. Weasley, warum haben Sie der Zeugin diese Aussage aufgebürdet, wenn sie den Angeklagten nicht identifizieren kann?"

Er glättete kurz seine Kleidung, dann ging er zur Antwort über. „Ich möchte Ihnen durch die Schilderung den Alltag und den Ablauf in einem Lager begreiflich machen. Insbesondere soll aufgezeigt werden, dass Misshandlungen an der Tagesordnung standen und dabei der Tod der Internierten billigend in Kauf genommen wurde."

Nun lehnte sich der Richter neben Ogden vor. „Sie klagen einen Mann an und können ihm nichts nachweisen?" Er zog die Augenbrauen in die Höhe. „Muss ich noch mehr dazu sagen?"

„Sir, mit Verlaub, aber es ist nachgewiesen, dass die Greifer ihre Gefangenen misshandelt und deren Tod geradezu provoziert haben und Mr. Scabior den Greifern angehört hat", erwiderte Weasley. „Somit ist doch klargestellt, dass auch Mr. Scabior sich daran beteiligt hat."

Scabior zitterte wie Wackelpudding.

Der Richter machte sich eilig ein paar Notizen und sah für einen Moment nicht von seinem Blatt Pergament auf.

Tuscheln brach aus, so plötzlich wie eine Stichflamme. Einzelne Buh-Rufe drängen aus den Reihen. Auch einige Richter schoben ihre Köpfe über die Schultern ihrer Nachbarn und Harry sah, wie sich ihre Lippen bewegten.

„Meine Damen und Herren!", schnarrte Ogden und es genügte. Die Störer verstummten und es wurde wieder mucksmäuschenstill. „Wenn Sie stören, muss ich Sie aus dem Sitzungssaal verweisen, haben Sie das verstanden? Wenn Dr. Thatch keine Fragen an die Zeugin hat, ist sie aus dem Zeugenstand entlassen."

Hermine beugte sich zu ihm hin. „Ogden wird gleich die Beweisaufnahme schließen. Dann wird sich das Gericht zur Beratung zurückziehen, es wird wahrscheinlich einen gesonderten Termin zur Urteilsverkündung geben."

Ogden ergriff in diesem Moment das Wort. „Die Sitzung ist für heute abgeschlossen. Das Urteil wird am 03.09.1999 verkündet."