Kapitel 6 – Schlechte Neuigkeiten

You will kneel before me,

And you will confess that I'm god

(Veritas, Silverthorn)

Während der nächsten Tage stahl sich die Hoffnungslosigkeit seiner Situation immer mehr in Akkarins Bewusstsein. Mit ihr kam ein lähmendes Gefühl, das er zunächst nicht hatte einordnen können, weil er vergessen hatte, wie es sich anfühlte: Verzweiflung. Als Magier der Gilde konnte er sich gegen jede Gefahr verteidigen, so hatte er geglaubt. Bis jetzt.

Aber das war vor Dakova gewesen.

Mit dem Wissen um seine Fluchtgedanken erschöpfte der Sachakaner seine Magie jeden Abend so weit, dass Akkarin einschlief, kaum dass er sich zu seinem Lager begeben hatte. Eine Flucht war damit unmöglich geworden. Wenn Akkarin nicht damit beschäftigt war, Isara bei ihrer 'Frauenarbeit' zu helfen und sich von ihr die sachakanische Sprache beibringen ließ, tat Dakova alles, um ihm die Ausweglosigkeit seiner Situation zu verdeutlichen und ihn zu demütigen, wobei er eine erschreckende Willkür zeigte. Das für sich genommen wäre bereits Grund genug gewesen, nicht fliehen zu wollen, fand Akkarin. Nach kaum mehr als einer Woche wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass der sachakanische Magier endlich damit aufhörte, ihn wieder und wieder zu erniedrigen. Wie ein Tier oder ein Gebrauchsgegenstand behandelt zu werden und keinerlei Rechte zu besitzen, war für Akkarin nur schwer zu ertragen. Als Gildenmagier hatte er eine Vielzahl von Privilegien genossen, von denen die meisten Menschen nur träumen konnten. Aber davon war ihm nichts geblieben. Zum ersten Mal begann er die Menschen, auf die er früher herabgesehen hatte, zu beneiden. Selbst ihnen erging es besser.

Und er war nur ein Sklave.

Immer wieder ertappte Akkarin sich dabei, wie er davon träumte, bei der nächsten Gelegenheit zu fliehen. Dakova amüsierte sich über seine wilden Phantasien und ließ sie ihn bereuen. Dass Akkarin keine Chance auf eine Flucht hatte, weil er tagsüber niemals unbeobachtet und abends zu entkräftet war, schien den Sachakaner dabei nicht zu interessieren. Entweder er suchte nur nach einem Vorwand, Akkarin zu quälen, oder es ging ihm um das bloße Prinzip.

Von Dakovas übrigen Sklaven brauchte Akkarin derweil kein Entgegenkommen zu erwarten. Sie schienen sich an dem Neuen in ihrer Gruppe eher zu stören, wo er angenommen hatte, sie würden einem weiteren Leidensgenossen freundlich begegnen. Die Gründe für ihre Ablehnung hätte Akkarin indes nicht benennen können. Seinen Beobachtungen zufolge bildeten sie selbst keine eingeschworene Gruppe, sondern blieben eher für sich oder in Zweiergruppen, obwohl sie keine offenkundigen Abneigungen gegeneinander hegten.

Irko und Rika waren zwei kräftige Männer, die die meisten schweren körperlichen Arbeiten im Lager erledigten. Wenn sie nicht gerade vor Dakova in Furcht erstarrten, sprachen sie so viel und schnell in ihrer Sprache, dass es Akkarin unmöglich war, einzelne Wörter zu verstehen. Von allen Sklaven begegneten sie ihm mit der größten Feindseligkeit. Wann immer er in ihre Nähe kam, warfen sie ihm argwöhnische Blicke zu, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandten und ihr Gespräch fortführten. Angesichts der Art und Weise, wie sich ihre Stimmlage dabei veränderte, war Akkarin sicher, dass sie über ihn sprachen.

Kavo war ein eher wortkarger Typ, der Takana, dem Koch, bei den schwereren Arbeiten, wie dem Schlachten und Ausnehmen von Tieren zur Hand ging. Seine Hauptaufgabe war die Pflege der Nutztiere, bei der Akkarin gleich am ersten Tag versagt hatte. Doch da er weder in tierischen Exkrementen wühlen, noch mit einem äußerst unfreundlichen Menschen, mit dem er sich kaum verständigen konnte, zusammenarbeiten wollte, war ihm das nur recht.

Takana blieb weitgehend allein und nach seiner ersten Bekanntschaft mit diesem Mann verstand Akkarin auch warum: Der Koch war zu eigensinnig und empfindlich und so sehr von der Perfektion seiner Arbeit besessen, dass es unmöglich war, mit ihm zusammenzuarbeiten. Dafür schien er jedoch ein ausgesprochen großes Talent für das Zubereiten von Speisen zu haben. Denn selbst die Mahlzeiten der Sklaven waren trotz ihrer Schlichtheit köstlich, wo Akkarin ungenießbaren Fraß erwartet hatte.

Risha war hochgewachsen und schmal und ein eher verdrießlicher Typ. Er war handwerklich sehr geschickt und reparierte alles, was zu Bruch ging und stellte überdies neue Gebrauchsgegenstände her. Seine äußere Erscheinung war indes alles, wodurch Akkarin ihn von Rika unterscheiden konnte. Im Sachakanischen wurden beide Namen nahezu gleich ausgesprochen und Akkarin hatte rasch festgestellt, dass Risha schnell beleidigt war, wenn er ihn versehentlich Rika nannte, während Rika sich über Selbiges lustig machte.

Rikki – der dritte mit ähnlich klingendem Namen – hütete Dakovas Yeel, die das Lager bewachten und ihren Herrn begleiteten, wann immer dieser auf die Jagd ritt. Auch er zog es vor, für sich zu sein, Akkarin sah ihn abends jedoch stets mit Kavo am Feuer sitzen.

Vara kümmerte sich um die Schmutzwäsche, die Dakova und seine Sklaven verursachten. Ihre Haut war faltig, ihr schwarzes Haar ergraut und ihr Rücken gebeugt von jahrelanger Arbeit. Mit ihrer Gicht und ihrer beginnenden Blindheit wirkte sie wie eine alte Frau. Akkarin war überrascht gewesen zu erfahren, dass sie erst Anfang vierzig war. Während Vara beinahe täglich die Kleider ihres Meisters und seiner Bettsklavin wusch, wurden die Kleidungsstücke der Sklaven erst dann gewaschen, wenn sie vor Schmutz starrten. Ausgenommen davon waren nur jene Sklaven, die Dakova beim Essen zu bedienen pflegten – wohl, weil schmutzige Sklaven ihm den Appetit verdarben, vermutete Akkarin.

Die anderen Sklaven, deren Namen Akkarin sich noch nicht hatte merken können, durchsuchten die Gegend nach essbaren Pflanzen. Einige von ihnen dienten neben Rikki, Rika und Irko zudem der Unterhaltung und spielten einfache Instrumente oder beherrschten kleine Kunststücke.

Eine Sache schien den meisten Sklaven jedoch gemein zu sein: magisches Potential. Jeden Abend beobachtete Akkarin, wie fast das komplette Lager vor Dakova niederkniete und dieser die Magie seiner Sklaven nahm.

Auch Isara blieb eher für sich, wenn ihr Meister sie nicht in Anspruch nahm. Da es Akkarin ganz offenkundig nicht nur an handwerklichem Talent, sondern auch an dem für Handarbeiten erforderlichen Geschick mangelte, war er ihr nur zugeteilt, damit sie ihn in ihrer Sprache unterrichten konnte. Oft begannen sie erst im Laufe des Vormittags, weil Dakova sie morgens lange in seinem Zelt zu behalten pflegte. Bis dahin tat Akkarin, was auch immer gerade zu erledigen war. Wenn er nicht gerade Rika und Irko half, ließ er sich von Takana als kereco beschimpfen. Wo er das anfangs noch als Beleidigung empfunden hatte, fand Akkarin inzwischen, dass der Koch damit absolut recht hatte. Allmählich begann er jedoch zu ahnen, dass die unterschiedlichen Aufgaben, mit denen man ihn betraute, weniger dazu dienten, ihn zu demütigen, als herauszufinden, wozu er am meisten taugte.

Ob Dakova mich laufenlässt, wenn er merkt, dass ich ihm nutzlos bin?, fragte er sich. Dann hätte er jedoch beinahe laut aufgelacht. Er war ein Gildenmagier. Dakova würde ihn nicht laufenlassen. Er mochte handwerklich unbegabt sein, aber er besaß einen großen Schatz an magischem Wissen, darunter die Grundlagen der Heilkunst, die Dakova offenkundig brennend interessierten. Und er war eine starke magische Quelle.

Am Morgen des vierten Tages kam plötzlich eine Unruhe in das Lager, die nicht der üblichen morgendlichen Geschäftigkeit der Sklaven entsprach. Als Akkarin aus seinem Zelt trat und die kühle Morgenluft in tiefen Zügen einatmete, um sich für einen Augenblick dem Gefühl scheinbarer Freiheit hinzugeben, bot sich ihm ein ungewohntes Bild.

Sklaven verließen die Zelte bepackt mit Kisten, Körben und Säcken und verluden diese auf die beiden Karren, vor die Risha und Kavo gerade die Zugtiere spannten. Andere Sklaven waren damit beschäftigt Zelte abzubauen und Takana versuchte mit hektischen Bewegungen, die Rassook einzufangen, die laut gackernd davon flatterten, sobald er sich ihnen näherte.

Ein Sklave eilte an ihm vorbei. „Heh", rief Akkarin, nach seinem Ärmel fassend. „Was ist los?"

Der Sklave antwortete so schnell, dass Akkarin nicht viel außer den Wörtern für 'du' und 'helfen' verstand.

Nicht wissend, was diese Aufbruchstimmung zu bedeuten hatte, verspürte Akkarin eine wachsende Unruhe. Hilfesuchend blickte er sich um und entdeckte schließlich Isara neben dem Karren, vor den das Pferd gespannt war. Sie trug ein kurzes, rückenfreies Kleid mit passenden Stulpen, die ihre Unterarme bedeckten, sowie Goldschmuck an den Oberarmen und einen schmalen Goldreif um ihren Hals. Wiederholt fragte er sich, ob Dakova ihr diesen Schmuck auch von der 'Jagd' mitbrachte und entschied, das nicht so genau wissen zu wollen.

„Was passiert hier?", fragte er sie auf Kyralisch. „Warum brechen wir auf?"

„Rachariya wollen zu Sommerquartier", antwortete sie. „Wir seien spät, weil er haben gefunden dich."

„Und wo ist dieses Sommerquartier?"

Sie hob die schmalen Schultern. „Irgendwo in Wüste. Dort er treffen sich mit rachariya Kariko."

In ihren starren Gesichtsausdruck glaubte Akkarin, Furcht zu lesen. „Wer ist dieser Kariko?", fragte er weiter.

„Dosali."

„Sein Bruder?", wiederholte er sich vergewissernd, dass er sie richtig verstanden hatte.

Isara nickte. „Ya. Kariko yichivo dosali mi rachariya." (Kariko ist der Bruder des Meisters.)

„Warum fürchtest du ihn?", fragte Akkarin. „Ist er sehr grausam?"

Sie nickte. „Fast noch grausamer als rachariya. Sogar andere Ichani fürchten ihn." Sie biss sich auf die Unterlippe und ihre feinen Augenbrauen zogen sich zusammen. „Rachariya zeigen dich ihm", fuhr sie zögernd fort. „Und anderen Ichani."

Akkarin verhieß nichts Gutes. Ichani war eine Art Titel für Magier wie Dakova – Magier, die zwar kein Land besaßen, aber überaus mächtig waren, weil sie schwarze Magie praktizierten. Und Dakova hatte bereits zu viele Informationen über die Gilde aus seinen Gedanken erfahren. Es brauchte nicht viel Phantasie, um zu begreifen, dass er diese nun verbreiten würde. Die Gilde ist in Gefahr, dachte er. Ich muss sie warnen.

Aber wie sollte er das tun? Wenn er einen der Magier per Gedankenrede rief, würde Dakova davon erfahren. Er würde ihn bestrafen und möglicherweise sogar töten, bevor er der Gilde die Gefahr, in der sie schwebte, wirklich bewusstmachen konnte. Niemand in Imardin wusste, dass die Sachakaner schwarze Magie praktizierten. Vermutlich würden sie es sogar für einen schlechten Scherz halten.

Er wollte weitere Fragen stellen, doch es fiel ihm schwer, sich in der fremden Sprache auszudrücken und Isara wurde schnell unkooperativ, wenn er zu viel Kyralisch sprach. Wenn er wie Dakova ist, will ich auch nicht mehr über ihn wissen, fuhr es ihm durch den Kopf.

Als er aufsah, bemerkte er, dass Isara ihn mit einem Bedauern in ihren dunklen Augen musterte. „Er wollen angeben mit dir", sagte sie. „Besser, du sein guter Sklave. Dann es sein nicht so schlimm."

Etwas in Akkarins Magen zog sich zusammen und ihm wurde kalt. Der Hunger, den er bei seinem Erwachen noch verspürt hatte, war einer lähmenden Übelkeit gewichen. In den letzten Tagen hatte er den Mann, der von ihm erwartete, als Meister akzeptiert zu werden, in dieser Hinsicht zu gut kennengelernt. Wenn Dakova seinen Bruder und diese anderen Magier traf, dann würde das für ihn zu einer äußerst entwürdigenden und demütigenden Angelegenheit.

„Also bin ich jetzt besser ein guter Sklave und helfe, das Lager abzubauen", sagte er tonlos.

Sie nickte und lächelte. „Unterwegs ich zeigen dir weiter Sachaka-zocha."

Er nickte nur und wandte sich dann ab, um nur mit wenigen Worten Sachakanisch bewaffnet, den anderen beim Abbau der Zelte zu helfen.


Die Sonne hatte ihre große, hellrote Scheibe noch nicht lange über den Rand der Ebene geschoben, als sie aufbrachen. Dakova ritt das Pferd, das den vorderen Karren zog, Isara saß unter einem Baldachin aus Stoff auf der Sitzbank, während die anderen Sklaven neben den Karren hergingen.

„Du dürfen nicht hier sitzen", erklärte sie ihm. „Aber Meister wollen nicht, dass ich laufen ganzen Weg, weil du lernen Sachaka-zocha. Deswegen du gehen neben mir."

Und wahrscheinlich, damit ich nicht fliehe, dachte Akkarin den Eisenring an seinem Hals berührend. Dakova hatte ihm das „eigens für ihn gefertigte" Stück Metall um den Hals gelegt und mit einem Seil am Karren festgebunden und die gesamte Konstruktion mit Magie verstärkt. Damit würde er sofort bemerken, wenn Akkarin während der Reise zu fliehen versuchte. Akkarin fand, es hätte nicht demütigender sein können, als wenn Dakova ihn zusammen mit dem Pferd vor den Karren gespannt hätte.

Die Gegend, die sie durchwanderten, war karg, braun und nur vereinzelt von kleinen, widerstandsfähigen Pflanzen bewachsen. Die Sonne stieg höher und höher und brachte die Gruppe mit ihren gnadenlosen Strahlen noch vor dem Mittag ins Schwitzen. Ohne Pause und Wasser wurde der Marsch rasch zu einer Qual. Auch Akkarin litt unter der Hitze, doch er wagte es nicht, Dakova darum zu bitten, sich heilen zu dürfen, und so zwang er sich durchzuhalten, während Isara unermüdlich von ihrem schattigen Sitzplatz in zwei Sprachen plapperte.

Erst bei Einbruch der Dunkelheit kamen die Karren endlich zum Stillstand. Mit einem erleichterten Seufzen sah Akkarin sich um. Sie befanden sich inmitten der Ebene, weit und breit kein Ort, an dem sie hätten Schutz finden können.

Dakova erlöste Akkarin von dem Karren und befahl ihm, Rika und Irko bei dem Aufbau seines Zeltes zu helfen. Die beiden Sklaven schienen von seiner Hilfe nicht begeistert und Akkarins mangelnde Sprachkenntnisse erschwerten es ihm, sich zu verständigen. Er gewann jedoch den Eindruck, dass sie ihm mit Absicht die idiotensicheren Aufgaben überließen.

Das Zelt des Meisters war das einzige, das an diesem Abend aufgebaut wurde. Nur mit mühsamen Nachfragen, Händen und Füßen und unter dem herablassenden Gekicher von Rika und Irko verstand Akkarin schließlich, dass sie schneller zu ihrem Ziel kamen, wenn sie nicht jeden Tag alle Zelte auf- und abbauten. Somit würden die Sklaven unter freiem Himmel schlafen. Angesichts der eisigen sachakanischen Nächte und ohne Magie um sich warmzuhalten, war das nicht gerade eine erfreuliche Aussicht.

Und der Meister genießt natürlich den Luxus eines Zeltes, fuhr es Akkarin durch den Kopf. Weil er der Meister ist und wir nur Nutzvieh.

Als er endlich den Stoff über das Holzgerüst zog, stieg ein köstlicher Duft in seine Nase. Sich umblickend entdeckte er ein Feuer, über das ein Kessel gehangen war. Die aus ihm aufsteigenden Dämpfe schlängelten sich im Schein der Flammen wie feiner, lebendiggewordener Nebel daraus empor. Augenblicklich begann Akkarins Magen zu rumpeln. Seine letzte Mahlzeit war das Morgenmahl gewesen und dort hatte er aus Furcht vor der Begegnung mit Dakovas Bruder kaum etwas hinunterbekommen.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass seine Arbeit erledigt war, begab er sich zum Feuer, wo sich bereits sie anderen Sklaven versammelt hatten und Takana dabei war, den Inhalt des Kessels in Schalen zu füllen und zu verteilen.

„Für rachariya." Takana drückte ihm eine Schale mit dem duftenden Etwas in die Hand. Es war ein Eintopf.

Entgeistert starrte Akkarin auf die Mahlzeit in seinen Händen. Mit nur diesen beiden Worten entschwand alles, was die Düsternis seines Gemüts kurzzeitig erhellt hatte, aus seiner Welt. Während er noch auf die Schale starrte, warf Takana ein paar Streifen gegrilltes Fleisch hinein und sein Hunger verstärkte sich.

„Und was ist mit meinem Abendmahl?", fragte er auf Kyralisch.

Der Koch betrachtete ihn verständnislos.

„Uyi, konoaka … essen", wiederholte Akkarin ungeduldig.

Takanas Augen weiteten sich, als er begriff.

„Später."

Mit einem frustrierten Seufzen kehrte Akkarin zurück zum Zelt des Meisters. Dakova saß auf einem Hocker vor dem Eingang und starrte ihm lauernd entgegen, während Isara an seiner Seite kniete. Sich an das erinnernd, was die junge Frau ihn gelehrt hatte, schritt Akkarin auf den anderen Magier zu. Kurz vor ihm ging er auf die Knie und reichte ihm das Essen mit gesenktem Kopf.

„U'sha'yzeyo aze konoaka, rachariya.", sagte er unbeholfen. (Ich bringe Euch Euer Abendmahl, Meister.)

„Sehr gut von dir, kleiner Gildenmagier." Dakova nahm die Schale entgegen und führte sie an die Lippen.

Akkarin wollte sich entfernen, doch eine unsichtbare Kraft drückte ihn zurück auf die Knie.

„Habe ich dir erlaubt, zu gehen?", fragte Dakova leise, aber gefährlich.

„Nein, Meister."

„Als Bestrafung fällt das Abendmahl heute für dich aus."

Akkarin erstarrte. War das sein Ernst? Würde Dakova wirklich so weit gehen und ihn bestrafen, weil er sich ohne, dass er sich dessen bewusst gewesen war, unerlaubt hatte entfernen wollen?

„Du hast nur an dein eigenes Abendmahl gedacht. Doch du hast erst zu essen, wenn dein Meister satt ist", teilte Dakova ihm mit, als habe er seine Gedanken gelesen. „Deinen Meister zufriedenzustellen hat für dich Vorrang vor allem anderen zu haben. Doch anscheinend muss ich dir das erst noch beibringen."

„Ich bitte um Verzeihung, Meister", sagte Akkarin, sich die Diskussion ersparend. Nach dem Gewaltmarsch durch die Ödländer und der anschließenden Arbeit hatte er keine Kraft mehr für eine Rebellion, die ihm nichts als Schmerzen und Demütigung eingebracht hätte.

Dakova schürzte missbilligend die Lippen. Ob er von mir erwartet, dass ich ihn frage, wie ich ihn zufriedenstellen kann?, fragte Akkarin sich. Bei der bloßen Vorstellung krümmte sich etwas in ihm. Das war, als würde er diesem Mann freiwillig dienen.

„Ich erwarte, dass du mich fragst, wie du mich zufriedenstellen kannst, wenn dir das offenkundig misslungen ist."

Akkarin zuckte zusammen. Und dann begriff er, was Dakova gerade getan hatte: Er hatte seine Oberflächengedanken gelesen. Novizen wurde gelehrt, dass dies möglich war. Das Prinzip hatte entfernte Ähnlichkeit mit dem der Gedankenrede und in manchen Situationen konnte es wichtig sein, nach den Gedanken eines anderen Magiers zu greifen. Davon abgesehen galt es jedoch als unhöflich und als Vertrauensbruch.

Dakovas Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs schienen jedoch Begriffe wie Höflichkeit oder Respekt nicht zu enthalten.

„Ja, Meister", sagte er. „Wie kann ich Euch zufriedenstellen?"

„Indem du heute Nacht vor meinem Zelt schläfst."

Eine Stunde später lag Akkarin kraftlos, gedemütigt und mental vergewaltigt in der eisigen Kälte vor Dakovas Zelt, ohne Abendessen und ohne Decke. Der andere Magier hatte den Eisenring an seinem Hals wieder mit einem Seil verknotet und dieses verstärkt mit Magie an einem der Zeltpfosten befestigt. Akkarin würde nicht fort können, ohne das Zelt einzureißen oder Dakova zu wecken, sollte es ihm mit seiner sich regenerierenden Magie gelingen, die Fesseln zu lösen.

Womit habe ich das verdient?, fragte er sich, während aus dem Zelt Laute drangen, die nur den Schluss zuließen, dass Dakova sich gerade mit seiner Sklavin vergnügte. Was habe ich getan, um das hier zu durchleiden?

Während er auf den Schlaf wartete und in der Kälte der Nacht zitterte, versuchte Akkarin sich daran zu erinnern, welcher Vergehen er sich in seiner Vergangenheit schuldig gemacht hatte, die eine solche Strafe rechtfertigten, obwohl er zugleich wusste, dass dies Unsinn war. Als Novize hatte er seinen Lehrern häufig und regelmäßig Ärger bereitet. Obwohl Lorlen jedes Mal involviert gewesen war, waren die Streiche allesamt Akkarin Idee gewesen. Die Strafen hatten indes nicht die Macht gehabt, sie aufzuhalten, worüber insbesondere Jerrik, der mürrische Rektor der Universität, wiederholt seinen Unmut geäußert hatte. Wenn Akkarin und Lorlen nicht gerade ihre Lehrer und Klassenkameraden gepiesackt hatten, hatten sie Lord Margens Unterricht geschwänzt. Von allen Lehrern war dieser der ihnen am meisten verhasste gewesen. Ab seinem zweiten Jahr hatte Akkarin zudem begonnen, erst die Novizinnen in seiner Klasse und dann die aus den Jahrgängen unter ihm zu verführen. Dabei hatte er rasch eine Vorliebe für die Mädchen im ersten Jahr entdeckt, weil ihre Jugend und Unerfahrenheit damals einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn ausgeübt hatte.

Mayrte war in dieser Hinsicht eine Ausnahme gewesen. Die kleine Elynerin war ein halbes Jahr über ihm gewesen. Sie hatte sehr erfahren gewirkt und Akkarin hatte rasch festgestellt, dass er noch einiges über Sex lernen konnte, was ihm zuvor fremd gewesen war. Sein Plan, sie mit Lorlen zu verkuppeln, war rasch in eine heimliche Beziehung umgeschlagen, was beinahe das Ende ihrer Freundschaft bedeutet hatte. Doch nachdem Mayrte zurück nach Elyne gekehrt war, hatte er sich zu sehr auf seine Abschlussprüfungen konzentrieren müssen, um sein neues Wissen an den Mädchen aus dem ersten Jahr auszuprobieren. In den sich daran anschließenden wenigen Monaten nach seinem Abschluss hatte Akkarin sich zu seriös gefühlt, um mit so jungen Novizinnen anzubandeln, obwohl er es genossen hatte, ihnen weiterhin den Kopf zu verdrehen.

Nichts davon rechtfertigte jedoch, dass er nun der Sklave eines sachakanischen Magiers war.

Es ist einzig meine Dummheit, die mich hierher gebracht hat, erkannte er. Nur ihr habe ich zu verdanken, dass ich auf dieses Lager zugelaufen bin.

Nein, dachte er dann. Ich hätte niemals nach Sachaka gehen dürfen. Doch die Glyphen in Armje und der Fund dieser Kammer mit den magiegeladenen Steinen hatten ihn vor dem Aufgeben bewahrt und seine Abenteuerlust erneut entfacht.


Der nächste Tag wurde nicht viel anders. So wie die Tage, die folgten. Als Akkarin seinem Meister am Abend das Essen brachte und ihn nach seinen Wünschen fragte, verwehrte dieser ihm seine eigene Mahlzeit nicht. Doch wie in der Nacht zuvor musste er wie ein Yeel an Dakovas Zelt gefesselt schlafen, während er tagsüber wie ein Yeel neben dessen Karren lief. Für Akkarin war das so entwürdigend, dass er nicht einmal zu fragen wagte, was Dakova damit beabsichtigte.

Am Mittag des zehnten Tages erreichten sie einen kleinen Hain, an dessen Rand sie ihr Lager aufschlugen. Akkarin half den anderen dabei, die Karren zu entladen und die Zelte aufzubauen. Nachdem Dakova sich vergewissert hatte, dass sein Zelt dort aufgebaut wurde, wo er es haben wollte, ließ er Kavo sein Pferd erneut satteln, befahl seine Yeel zu sich und ritt auf die Jagd.

Als er fort war, spürte Akkarin, wie eine ungeheure Last von seinen Schultern fiel. Er war fort. Er würde zurückkommen, doch für den Moment war er fort. Die Reise zu diesem Ort war für zu einem einzigen Kontinuum der Demütigungen geworden. Wenn er daran dachte, was ihm bevorstand, wenn Dakovas Bruder und diese anderen Magier hierher kamen, wurde ihm regelrecht schlecht vor Furcht. Er wollte sich das nicht antun und ihn beschlich die vage Ahnung, dass Dakova ihn bestrafen würde, wenn er sich weigerte, sich vor seinen Gästen demütigen zu lassen.

Und mit einem Mal wusste Akkarin, was er zu tun hatte.


Sachakanisch – Kyralisch

Kariko yichivo dosali mi rachariya – Kariko ist der Bruder des Meisters.

U'sha'yzeyo aze konoaka, rachariya – Ich bringe Euch Euer Abendmahl, Meister.