6. Unvorhergesehene Entwicklungen
„Das Unerwartete geschieht immer." - Unbekannt
Alecto Carrow-Flüsterer war eindeutig niemals auch nur einer der möglichen Berufswünschen für Sirius' Zukunft gewesen. Zumindest brachte ihm diese neue Aufgabe dazu seinen tatsächlichen Schützling mit anderen Augen zu sehen. Bisher hatte er sich ja öfter als nur einmal gedacht, dass gerade einmal Lord Voldemort und seine eigene Mörderin, die gute Bellatrix, ein schrecklicherer Schützling als Severus Snape sein könnten, doch nun musste er sich eingestehen, dass es für ihn wirklich hätte schlimmer kommen können – man hätte ihn zu Alecto Carrows Schutzengel machen können. Und erst jetzt wurde ihm klar, wie dankbar er dafür sein sollte, dass das nie geschehen war.
Er wusste ja, dass Alecto verrückt war, aber …. Nun, ihm war bisher nicht wirklich klar gewesen wie anstrengend das auf täglicher Basis war. Alectos Wahn war in vielerlei Hinsicht wie Schluckauf, er war nicht immer vorhanden, kehrte aber immer wieder mal zurück, und wenn er das tat, dann schlug er hart zu. Und zwar wirklich hart.
Wie sich herausstellte, war Alecto durch ihren Wahn um einiges anfälliger für Suggestionen von Sirius' Seite als andere. Sirius hatte diese Theorie einem Test unterzogen, indem er versucht hatte andere auf Hogwarts befindliche Leute zu beeinflussen. Er hatte Harrys Freund Neville versucht über Nacht einzureden, dass er dringend zum Krankenflügel gehen musste, da er unter Bauchmerzen litt, die nicht normal zu sein schienen, und das hatte nicht so funktioniert wie er erwartet hätte, Neville hatte sich zwar öfter an den Bauch gegriffen und an diesem Tag nichts gegessen, er war aber nicht zum Krankenflügel gegangen. Sirius' Versuch McGonagall einzureden, dass sie eine Robe mit einer anderen Farbe als sonst tragen sollte, hatte ebenfalls keine Früchte getragen, auch wenn sie am Morgen danach einen Moment lang nach eben einer anders färbigen Robe gegriffen hatte (während sie noch ihr Nachtgewand getragen hatte, Sirius war kein Spanner, und er hatte sowieso noch nie das Bedürfnis verspürt mehr von McGonagall zu sehen als er bereits zu Gesicht bekommen hatte, und das in ihrem Fall nicht einmal vor allem deswegen weil sie eine Frau war).
Und wenn Sirius mit Anderen im wachen Zustand sprach, dann schienen ihn diese zwar manchmal zu hören, aber meistens trotzdem nicht auf ihn zu hören. Er hatte Slughorn einmal davor bewahrt zu stolpern, indem er ihn vor einem Haufen am Boden liegenden Büchern, die ein paar Folteropfer der Carrows hier gelassen hatten, gewarnt hatte, aber das war sein bisher einziger erwähnenswerter Erfolg bei wachen Opfern seiner Suggestionsversuche gewesen. Die meisten anderen schienen seine Stimme entweder nicht wahrzunehmen oder zu ignorieren oder beides.
Selbst seine Versuche auf Amycus Carrow einzuwirken waren weniger erfolgreich als im Fall seiner Schwester. Amycus hörte ihn zwar offenbar deutlicher, wenn er wach war, ignorierte seine Hinweise aber trotzdem scheinbar alleine aus Prinzip immer, und seine Halbschaf- und Schlafeinredungsversuche trugen zwar Früchte, aber andere als im Fall von Alecto; Amycus schien seine Worte am nächsten Tag zu bedenken, aber dann doch beinahe immer zu beschließen nicht auf ihn zu hören. Es war Sirius nicht einmal gelungen ihn auszureden, dass Severus an dem seltsamen Verhalten seiner Schwester die Schuld tragen musste.
Alecto hingegen hörte Sirius' Stimme auch wenn sie wach war, und unter anderen Umständen würde man meinen können, dass sie auf diese hörte, aber …nun Severus hatte in einem nicht Unrecht gehabt, sie hatte eindeutig ihre eigene Art und Weise auf seine Hinweise und Ratschläge zu reagieren. Ihre verrückte Art und Weise.
Sie schien beschlossen zu haben, dass Severus Snape ihre momentan wertvollste Investition war, und war von diesem Gedanken scheinbar nicht abzubringen. Sie musste das irgendwie aus Sirius' erster nächtlicher Einflüsterungssitzung entnommen haben und war nun darauf aus den dunkelhaarigen Zauberer vor jedem Schaden zu bewahren, was in der Theorie genau dem entsprach, was Sirius wollte, aber eben nur in der Theorie. Und eigentlich hätte sie versuchen sollen Leland Lermark in Misskredit zu bringen und ihm die Beweise für den Anschlag auf Severus in die Schuhe schieben sollen, doch sie war viel zu beschäftigt damit Severus vor möglichen neuen Leiden zu bewahren um auch nur zu versuchen wie ein braver Todesesser die Konkurrenz auszustechen. Und egal was Sirius versuchte ihr einzureden, dabei blieb es auch. Er schaffte es zwar irgendwie sie Lermark gegenüber extrem misstrauisch zu machen, doch den Gedankensprung von ihn als mögliche Gefahr dazu ihn loswerden zu wollen schaffte sie irgendwie nicht, egal wie oft Sirius versuchte sie dazu zu bringen aktiver zu werden. Stattdessen entwickelte sie sich nur zu einer aktiveren Leibwächterin, was wie Severus richtig gesagt hatte, ein Problem war, weil sie dadurch zur Klette wurde, und Severus Snape nicht mehr aus den Augen lassen wollte.
Es muss doch einen Weg geben sie dazu zu bringen sich wieder paranoid Severus gegenüber zu verhalten. Das kann nicht so schwer sein, oder? Nun, zumindest würde man das annehmen. Die Realität sah leider anders aus. Offenbar bestand der einzige Weg Alecto dazu zu bringen sich wieder einigermaßen normal zu verhalten darin, sie davon zu überzeugen, dass Severus keine Gefahr mehr drohte, was erstens nicht wahr wäre, und zweitens der Grundidee hinter ihrer Beeinflussung via Einflüsterung widersprach, denn immerhin hätte sie ja eigentlich dafür sorgen sollen, dass Lermark sich als augenscheinlicher Schuldiger hinter dem Kondenztrank-Anschlag auf Severus entpuppte.
Scheinbar waren alle meine Bemühungen umsonst. Ja, es tat weh es sich einzugestehen, aber offenbar hatte Severus Snape in diesem Fall von Anfang an recht gehabt, während Sirius selbst statt Probleme zu lösen noch mehr geschaffen hatte. Und dabei dachte ich, dass ich endlich einigermaßen gut in meinem Job werde. Doch scheinbar brachte jedes Erfolgserlebnis auch unweigerlich ein darauf folgendes Versagen mit sich, und das nach wie vor.
Und Sirius blieb nichts anderes übrig als Schadensbegrenzung zu betreiben und dafür zu sorgen, dass Alecto Carrow zumindest nicht zu einem noch größeren Problem wurde als sie bereits war, und darauf zu hoffen, dass ihre Fixierung auf Snape irgendwann wieder nachlassen würde. Große Hoffnungen darauf, dass das bald der Fall sein würde, machte er sich allerdings nicht.
„Und jetzt verschwinden auch noch Schüler", schloss Severus, „Sie werden von der Schule genommen und kommen nicht zurück, zumindest nicht immer. Miss Lovegood war nur die Erste, die an die Obhut von Drittpersonen überstellt wurde um Druck auf ihre Familie auszuüben. Hogwarts war vielleicht einmal sicher, aber das ist es nicht mehr. Zumindest nicht für alle. Es ist an der Zeit unseren Plan für gewisse Kandidaten umzusetzen…"
„Mit wem sprichst du da?" Severus stellte fest, dass sein Gegenüber aus dem Feuer verschwunden war. Offenbar war Aberforths Misstrauen gegen Schutzengel nach wie vor in Takt. Er wandte sich zu seinem eigenen um. „Mit niemanden, der dich kümmern muss", erklärte er nur.
„Hast du jetzt etwa Geheimnisse vor mir?", wollte Sirius Black gar nicht begeistert wissen.
„Es gibt nun mal Dinge, von denen du besser nichts weißt, besonders jetzt, wo sich der Dunkle Lord deiner Existenz bewusst ist", erwiderte Severus ruhig. Er war sich keiner Schuld bewusst. Er war ging nur nach wie vor auf Nummer Sicher.
„Wieso? Er kann meine Gedanken nicht lesen, und verfluchen oder verhexen kann er mich auch nicht", erwiderte Sirius wie es vorherzusehen gewesen war.
„Soweit wir wissen. Aber es gibt Zauber, die auf Schutzengel wirken, und er hat einen Deal mit deinen Bossen gemacht", meinte Severus unbeeindruckt.
Sirius schnaufte unglücklich. „Ich weiß ja, dass du nicht gerade beeindruckt von meinen jüngsten Leistungen bist, aber ich dachte wirklich, dass wir den Punkt erreicht haben, an dem du mir endlich vertraust…", setzte er an, doch er wurde unterbrochen, als Alecto Carrow in Severus' Büro gehetzt kam. „Er kommt!", verkündete sie atemlos, „Lermark kommt hierher! Du musst dich vor ihm in Acht nehmen, darfst dir keine Schwäche anmerken lassen!"
Severus blinzelte und kam gar nicht erst dazu irgendetwas zu diesem Thema zu sagen, bevor Leland Lermarks persönlich in sein Büro gerauscht kam. „Da seid ihr ja", stellte er fest, „Ich habe etwas mitgebracht, das ihr sehen solltet."
Severus und sein Schutzengel tauschten einen besorgten Blick aus, und folgten Leland dann gemeinsam mit Alecto in die Große Halle, wo Amycus Carrow einen Gefangenen bewachte. „Ich konnte ihn nur dank der Hilfe meines Schutzengels fangen", erklärte Leland stolz.
Severus hielt den Atem an, als er erkannte, um wen es sich bei dem Gefangenen handelte.
„Nein, nein, ich glaube nicht daran, dass ein Schutzengel dabei mitgeholfen hat! Das kann doch nicht … das wäre gegen die Regeln, er hat selbst einen Schutzengel! Wo ist er?! Wo ist mein Bruder?!", echauffierte sich Sirius sofort, und sah sich hektisch um, schien aber niemanden zu entdecken, „Regie?!"
Doch Regulus Black zeigte sich nicht.
Severus musterte den gefesselten und geknebelten Remus Lupin besorgt. Er war verletzt, soviel war ersichtlich, aber noch am Leben, wobei die Betonung auf dem Noch lag.
„Wo habt ihr ihn gefunden?", wollte Severus möglichst neutral wissen.
„Er ist schon wieder mal um ein Werwolf-Rudel herumgeschwänzelt und hat wohl gehofft, man würde ihn nicht identifizieren", spottete Leland, „Er wusste ja nichts von unserem neuen Spionagenetzwerk."
Sirius knurrte, als er das hörte. „Spionagenetzwerk? Soll das bedeuten, Schutzengel haben ihn verraten und angezeigt?!", wollte er empört wissen. Er wandte sich Lemark zu. „Wo ist er, wo ist dein Schutzengel?! Ich habe ein Wörtchen mit dem zu reden!"
Tatsächlich schien Leland ohne seinen Schutzengel gekommen zu sein. Er ging auf keine von Sirius' Fragen ein, aber Severus konnte nicht sagen, ob er ihn einfach nur ignorierte, oder ob er ihn vielleicht doch nicht sehen konnte. Vielleicht ging er davon aus, dass Severus' Schutzengel so wie sein eigener irgendwo anders unterwegs war, und hielt deswegen nicht nach ihm Ausschau.
„Und warum hast du ihn hierher gebracht?", wollte Severus wissen, obwohl er die Antwort kannte. Leland war bis heute der Meinung, dass Severus Lupin damals bei der Jagd auf die merhfachen Potters mit Absicht gerettet hatte - und das war ja auch richtig. Aber natürlich hatte er das niemanden gegenüber jemals zugegeben, doch Leland schien nun der Meinung zu sein, dass er hier und jetzt beweisen könnte, dass Severus Lupin gegenüber weich war, wenn er nicht sogar auf dessen Seite stand. „Warum hast du ihn nicht einfach getötet oder zum Dunklen Lord oder zumindest nach Malfoy Manor gebracht?"
Leland grinste triumphierend. „Du weißt warum, Severus. Weil dieser hier besonders ist, nicht wahr? Er steht dem Potter-Jungen nahe. Wenn jemand weiß wo er sich versteckt hält, dann er", erwiderte er, „Und ich dachte mir, dass niemand besser dazu in der Lage sein sollte dieses Wissen aus ihm herauszubekommen als du."
„Veritaserum wirkt bei Mitgliedern des Ordens nicht, sie sind darauf vorbereitet. Also nehme ich an, dass du von mir erwartest, dass ich ihn solange vergifte, bis er mir sagt, was er weiß. Nur leider bin ich mir ziemlich sicher, dass er lieber sterben würde als uns auch nur irgendetwas zu verraten, vorausgesetzt er weiß überhaupt irgendetwas", meinte Severus ruhig.
„Die Art der Folter bleibt dir überlassen", meinte Leland, „Immerhin ist er dein alter Freund, du wirst wohl am besten wissen wie er zu knacken ist."
Severus warf einen kurzen Blick auf Lupin. „Wir beide waren niemals Freunde", meinte er nur.
„Nun, dann steht einer guten Folter wohl nichts im Wege", meinte Leland fröhlich.
„Abgesehen vom Willen des Dunklen Lords", korrigierte ihn Severus kühl, „Wie du richtig festgestellt hast, ist dieser hier besonders. Der Dunkle Lord möchte vielleicht selbst mit ihm sprechen. Und dann wäre da natürlich noch Greyback zu bedenken. Er sieht in allen Werwölfen seine Leute, er würde es vermutlich nicht gerne sehen, wenn wir diesen hier befragen und er dabei umkommt, ohne dass er uns seine Einwilligung dazu gegeben hat."
„Was dieser Köter denkt ist mir gleich", knurrte Leland.
„Aber was der Dunkle Lord denkt sollte dir nicht gleich sein", gab Severus zurück.
Leland funkelte ihn an. „Du tust immer so, als wärst du so ein verdammter Musterschüler, Snape", meinte er zischend, „Aber wir beide kennen die Wahrheit. Und bald werden sie alle kennen. Wenn du dich weigerst mir mit diesem hier zu helfen, dann wird allen klar werden, dass du ein verdammter Heuchler bist!"
„In einem hat er allerdings recht", wandte Alecto ein, „Einen derart wichtigen Gefangenen ohne Erlaubnis von unserem Meister zu foltern wäre keine gute Idee."
Leland starrte sie überrascht an. Offenbar hatte er damit gerechnet, dass sie ihm Rückendeckung geben würde. Amycus nickte nun ebenfalls. „Wir sollten sicher gehen und nachfragen", meinte auch er. Offenbar wollte er sich nicht öffentlich gegen seine Schwester stellen.
Leland kniff die Augen zusammen, und meinte dann: „Wie ich sehe, seid ihr alle gegen mich. Dann bleibt mir wohl keine andere Wahl als das zu tun, und nur das: Nachzufragen." Er wandte sich an Severus. „Denk nur nicht, dass du damit vom Haken bist." Dann machte er sich auf um den Dunklen Lord aufzusuchen, wie es schien.
„Gut, er ist weg", zischte Sirius nun in Severus' Ohr, „Jetzt müssen wir uns etwas einfallen lassen um Remus zu retten, und das schnell!"
A/N: Oh nein, was nun?
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