Coming Out - Teil 6

Lesbische Tochter

Das Abendessen war weitgehendst ruhig verlaufen nach den anfänglichen Spannungen, die in der Luft gelegen hatten. Mama hatte Becka über ihre Arbeit im Hotel ausgefragt. Sie machte eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, und diese war, wenn auch nicht begeistert, auf das Thema eingegangen. Doch dann erzählte sie mit Elan von ihrem blöden Chef, von ihrer Mitauszubildenden, die sich immer so doll aufspielte und allen möglichen Dingen, die ihr so richtig auf den Zeiger gingen. Manchmal fragte ich mich warum sie überhaupt diese Ausbildung machte. Ich glaubte, ich hatte sie noch nie Gutes davon erzählen hören.

Als Nik schließlich nach einer Story von seinem Fußballtraining gähnte, brach Mama die Runde und verkündete, es sei doch Zeit fürs Bett für ihn. Als sich dann die übliche Diskussion über die Bettzeit zwischen Nik und unserer Mutter anzubahnen schien, ging Becka geschickt dazwischen. Sie stand auf, hielt ihre Hand auf zu Nik und sagte unbeeindruckt, „Na los, Knirps. Wer zuerst fertig ist darf sich 'ne Kassette aussuchen."

Sie hatte anscheinend genug von jeglichen Diskussionen und sah sich gezwungen einzuschreiten. So war es meistens. Wenn Sachen aus dem Ruder gerieten und sie genug hatte, aber auch nur dann, bog sie sie wieder gerade, und das meist mit einer unwirschen Leichtigkeit, die ich zutiefst bewunderte und zur gleichen Zeit hasste. Wenn sie doch die Gabe besaß Dinge richtig zu rücken und Fürsorge zu zeigen, warum tat sie es dann nicht öfters und war stattdessen häufiger eher gleichgültig und desinteressiert an allem? Aber so war sie halt und nachdem sie mit meinem Bruder im Tau abgezogen war, stand meine Mutter mit einem erleichterten Stöhnen auf und begann den Tisch abzuräumen. Als sie in der Küche verschwand, schaute mein Vater zu mir hinüber.

„Und?" fragte er und lehnte sich zu mir. „Willst du noch?"

In diesem Moment war ich unheimlich dankbar für sein Mitwissen und froh, dass ich es bereits geschafft hatte es ihm zu sagen, weil ohne diese Aufforderung ich das Ganze wahrscheinlich hätte an mir vorbeilaufen lassen. Es war irgendwie schwierig genug durch das Abendessen zu kommen und es würde ja letztendlich niemanden Schaden, wenn ich was mich wirklich beschäftigte erst noch einmal stillschweigend für mich behalten würde. Aber nein, das wollte ich ja nicht mehr. Es war so wie Timo gesagt hatte, warten und aufschieben bringt einfach nichts und dann irgendwann könnte es zu spät sein um das wichtigste miteinander zu teilen. Ich wollte es meiner Mutter sagen und dann irgendwann, irgendwie auch meinen Geschwistern. Es war nur schwer aus dem üblichen Verhaltensmuster hinaus zukommen und es kostete unglaublich viel Kraft und von dieser hatte ich heute eigentlich schon genug verbraucht.

„Ja," sagte ich und räusperte mich als meine Stimme rau und unbenutzt klang. „Ja, will ich."

Ich hatte es mir versprochen, und wenn ich es jetzt nicht tun würde, dann wäre ich auf Dauer unzufrieden mit mir selbst. Das wäre wie drei Schritte zurück zu nehmen, besonders wo es sich gerade so anfühlte als würde ich mich endlich einmal vorwärts bewegen. Es tat sich etwas und eigentlich war ich gar nicht mehr in der Lage es aufzuhalten. Heute Mittag hatte ich einen Staudamm geöffnet und nun befand ich mich mitten in der Strömung und jetzt gegen diese anzuschwimmen zu versuchen wäre auf lange Sicht einfach dumm und zwecklos. Es war raus und irgendwann würde es meine Familie eh erreichen. Außerdem, würde ich es jetzt nicht sagen, dann würde ich meinen Vater dazu verleiten etwas vor Mama zu verschweigen und das war falsch. Und außerdem war es doch totaler Unsinn. Es war ja schließlich nichts schlimmes was Jenny und ich taten. Wir taten nichts falsches, verdammt. Überhaupt sich „outen" zu müssen. Allein schon das Wort. Jenny und ich waren zusammen und fertig. Warum musste man sich da „outen"? Das war doch totaler Quatsch. Aber tun musste ich es wohl trotzdem.

„Gut," sagte mein Vater und nickte langsam. „Okay, lass mich nur kurz..." Er stand auf und deutete mit seinem Finger Richtung Flur, mir zu verstehen gebend, dass er mal eben wohin musste. „Dann können wir mit ihr reden." Ich nickte ihm zu und strich mit meinen kalt und schweißig werdenden Fingern über meine blaue, ein wenig raue, alte Jeans. Eigentlich sollte ich mich doch so langsam an die Situation gewöhnt haben, oder? Aber das war nicht so und als er gerade durch die Tür verschwand, kam meine Mutter bereits zurück ins Wohnzimmer und schaute kurz zu der nun leeren Tür und dann zu mir. „Mit wem reden?"

Sie schritt zurück zum Tisch um nun, nach den Tellern, den Rest abzuräumen, während ich sie überrascht ansah und durch ihre Frage dieser Druck in meinem Hals sich in Nullkommanichts wieder aufbaute und wiederkehrte als wäre er nie weg gewesen. Wie eine Blockade, eine Mauer, die jeglichen Worten verhindern wollte zu passieren, während gleichzeitig in meinem Kopf kleine Stimmen „Jetzt? Jetzt. Jetzt!? Jetzt!" riefen.

„Emma?" fragte meine Mutter, als sie keine Antwort bekam und blickte zur mir herüber. Nervös wich ihr ihrem Blick aus, die Stimmen in meinem Kopf immer noch am kämpfen. Sie neigte ihren Kopf und ich spürte wie sie mein starres Gesicht musterte. Langsam ließ sie die Butter, welche sie schon halb aufgelesen hatte, zurück auf den Tisch gleiten, während sie sich ganz zu mir wandte. „Was ist los? Du bist schon den ganzen Abend still und es ist eigentlich auch gar nicht deine Art dich nicht zu melden."

„Ich weiß," rang ich mich durch zu sagen und befreite mich mit diesen Worten von der kürzlichen Schockstarre über ihr plötzliches Auftreten. Mein Blick wanderte hinab auf den Tisch, auch weil es sich so anfühlte, als hätte ich gerade erneut eine Chance verpasst. „Tut mir leid, ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst."

„Ist schon okay. Aber du siehst blass aus," sagte sie besorgt, mich weiter anschauend und streckte ihre Hand aus um meine Stirn mit ihrem Handrücken zu ertasten. Bei der unerwarteten Berührung zog ich einen raschen Atemzug an Luft ein und schloss meine Augen. Dass sie mich berührte überforderte mich in dem Moment total, wo ich mich doch gerade so weit weg von ihr fühlte, wo sie doch keine Ahnung hatte. Behutsam strich sie mir ein paar meiner kurzen, blonden Haare aus dem Gesicht. „Ist denn irgendwas passiert?"

„Nein," antwortete ich. Unzufrieden, weil sie sich so kümmerte, während ich ihr so viel verheimlichte. Das war doch unfair von mir. Aber es war ja nichts passiert. Da war nur dieser riesige Berg an Dingen, die sie einfach nicht wusste. Ich blickte das erste Mal, seit dem sie das Wohnzimmer wieder betreten hatte, wirklich zu ihr auf und korrigierte mich dann, die Tränen mir bereits in den Augen stehend, als ich realisierte, „Also doch, eigentlich ganz viel."

„Oh?" sagte sie und ließ die Hand, die zuvor an meiner Schläfe geruht hatte, sinken. Sie sah mir in die Augen und ich beobachtete wie nun ihr die Farbe aus dem Gesicht glitt, da sie wohl erkannt hatte, dass da anscheinend doch etwas Größeres war, was mich beschäftigte. „Oh. Ich glaube ich muss mich setzen," sagte sie und ging ein, zwei Schritte zurück nach einem Stuhl tastend bevor sie sich sinken ließ. Ihre Augen huschten kurz runter von meinem Gesicht zu meinem Bauch und zurück. „Bitte sag mir, dass du nicht..."

„Nein!" protestierte ich, entsetzt was sie von mir dachte, und im nächsten Moment hätte ich schon fast lachen können, wenn die Aufregung mich nicht lahm gelegt hätte. Das war wohl das wenigste um das sie sich Gedanken machen musste. Aber eigentlich war es ja verständlich, dass sie daran dachte, mit der Geschichte mit Katrin. Also wiederholte ich beruhigend, „Nein, echt nicht, Mama."

Sie atmete erleichtert auf und nickte. „Gut, das hätte jetzt echt noch gefehlt. Ich meine für einen Moment da dachte ich … Ich meine, du hattest diesen Blick drauf …" Ihr Satz verlief sich im Sand. Sie runzelte die Stirn und schaute mich an. „Muss ich mir Sorgen machen?"

Ich schüttelte den Kopf und überwand mich sie anzuschauen, in ihre erdig-grünen, fragenden Augen, die ich doch eigentlich so gut kannte, und auf einmal fühlte ich mich meiner Sache ganz sicher, weil Sorgen musste sie sich ja wirklich nicht machen. Mir ging es gut. Und mit meinen nächsten Worten hatte ich schon fast das Gefühl, als würde ich ein Stückchen wachsen. „Da ist nur etwas was ich dir sagen will."

„Oh," machte sie erneut, aber setzte sich aufrecht hin. Sie platzierte ihre Hände auf dem Tisch, ein bisschen so als wappnete sie sich gegen was auch immer nun auf sie zu kam und sagte gefasst, „Okay. Ich höre?"

Ich schloss meine Augen für einen Moment und atmete tief ein. Ich war nervös, ja, aber auf der anderen Seite mochte ich schon fast diesen Moment der Wahrheit, in dem sich alles wendete und man einen neuen Weg einschlägt. Es war befreiend wenn man ehrlich und man selbst war, dann musste man auch keine Angst mehr haben. So war es in der Schule gewesen und auch mit meinem Vater und so wollte ich es jetzt auch mit meiner Mutter erleben. Ich wollte keine Angst mehr vor irgendjemanden haben, sondern einfach nur ich selbst sein und es genießen - mit Jenny. Und dafür würde ich jetzt einen weiteren Schritt aus dieser elenden Heimlichtuerei hinaus tun.

„Ich …" Einfach nur ruhig durchatmen, Emma. Etwas falsches kannst du eigentlich gar nicht sagen. Egal was, es ist wahr. Lass es einfach nur aus dir raus. „Ich bin mit Jenny zusammen," sagte ich schließlich gefasst, und mir selbst zuzuhören fühlte sich in dem Moment ganz eigenartig an. Wer war das gerade, der da sprach? So ruhig und sachlich. „Und wir sind ganz glücklich miteinander. Und du meintest doch, dass ich mich verändert hätte, irgendwie, und ich denke, das ist nicht nur wegen STAG, ich denke, das ist vor allem wegen ihr."

Als ich meinen Satz beendete, war ich ganz zufrieden mit mir selbst. Ich hatte die Lage ganz klar geschildert und offen vor ihr ausgebreitet. Kein großes Stottern und auch kein verwirrendes durcheinander Gerede. Ich war sogar auf sie eingegangen - ich wäre irgendwie anders, fröhlicher, selbstbewusster, anders, hatte sie vor kurzem gesagt. Und sie hatte ja Recht, das war ich, nur ich konnte ihr zuvor nie sagen warum und endlich würde ich mit ihr darüber sprechen können.

„Wie meinst du das?" fragte meine Mutter, ihre nächsten Worte ihr nur schleichend aus dem Mund fallend, „Ihr seid zusammen." Ich schaute sie ein wenig verdutzt an. „Na, wie …" Mein Blick ging suchend zur Seite, wie sollte man das denn erklären? Dann fiel mir die simpelste Erklärung überhaupt ein und ich guckte sie ganz selbstverständlich an. „Na, wie Katrin und Karsten. Oder Papa und du."

„Wie Papa und ich …" wiederholte meine Mutter langsam und erst jetzt fiel mir ihr starrer Blick auf. Ihre dunklen, grünen Augen waren trüb und gar nicht mehr richtig fokussiert auf mich. Sie sah irgendwie weggetreten aus und mit einem mal klopfte mein Herz wieder nicht mehr nur aus Nervosität. „Hab ich … hab ich was falsches gesagt?"

Bei dem leichten Zittern, das meine Stimme begleitete, schaute meine Mutter auf und die Bewegung schien für mich ewig zu Dauern, so ewig, dass ich jedes Detail von ihr aufnehmen konnte. So sah ich ihre erdig-grünen Augen, mit den paar schwarzen gesprenkelten Flecken. Die vielen kleinen Lachfalten an den Ecken ihrer Augen. Ihre leichte Stupsnase. Ihre rosige Haut mit dem kleinsten Hauch von Braunton. Ihre mittellangen, braunen Haare, gespeckt mit ein paar grauen, die sich zu ihrem Kinn hervorstreckten. Ihr geschwungener Mund mit ihren roten, schmalen Lippen, die gerade so gar kein gutmütiges Lächeln wie gewöhnlich auf ihnen trugen. Ihr Gesicht schien leer und dann, als ihr Augen endlich meine erreichten, runzelte sie ihre Stirn und Verwirrtheit trat in ihren Ausdruck. „Tut mir leid. Ich verstehe das gerade nicht."

„Was kann man denn daran bitte … bitte nicht verstehen?" fragte ich überfordert und auch irgendwie enttäuscht. Ich hatte das doch so super formuliert und herübergebracht, ganz sachlich und auf den Punkt. Wie konnte sie das denn dann bitte nicht verstehen? „Ich und Jenny," wiederholte ich daher schon ein bisschen verzweifelt. „Wir sind zusammen. Wir sind ein Paar."

„Ja." Ihre Augen verfolgten wie ihre Finger an den Ärmeln ihres weißen, dünnen Pullovers zupften, so dass ihre Hände halb in ihm verschwanden. Sie räusperte sich kurz, ihren Mund mit einer ihrer Hände verdeckend, und verlagerte ihr Gewicht merklich unbehaglich auf dem Stuhl. „Ja, das sagtest du."

Das hatte sie also verstanden. Aber was verstand sie denn dann nicht? In dem Moment war ich gar nicht mehr aufgeregt, ich war einfach nur noch geplättet von der Leere, die sich auf einmal zwischen uns auftat. Ich wusste einfach nicht mehr was ich sagen sollte um ihr das klarer zu machen und genauso wenig schien sie zu wissen was sie nun mit mir anfangen sollte. Und so erstreckte sich diese Leere zwischen uns und nahm von Sekunde zu Sekunde den Raum weiter ein.

Ein oder zwei mal öffnete ich meinen Mund um ihn dann aber doch nur wieder zu schließen, mit der Sorge, dass mit jeglicher weiteren Erklärung, ich es nur noch schlimmer machen könnte. Und bevor ich mich dann durchringen konnte wenigstens eine Frage zu stellen, wie, was sie denn dachte, nahm ich Bewegung hinter mir wahr.

Meine Mutter blickte auf und ihre Augen wanderten zur Tür hinter mir, zuckten dann kurz zu mir und dann besorgt, wenn nicht schon fast ängstlich zurück zur Tür.

„Sie hat es dir also schon gesagt?" hörte ich meinen Vater sprechen und ich war froh, dass er den Moment des Schweigens unterbrach, auch wenn ich nicht wusste wie er jetzt helfen könnte.

Die Augen meiner Mutter, in denen ich zuvor noch geglaubt hatte eine Art Beschützerinstinkt aufquellen zu sehen, verfinsterten sich plötzlich. „Du wusstest das?"

„Sie hat es mir heute Mittag gesagt," antwortete mein Vater und schritt ins Wohnzimmer.

„Heute Mittag," wiederholte sie und ich schluckte. Es war nie ein gutes Zeichen wenn sie die Worte von einem wiederholte. „Eine Fünf?", „Vergessen?", „Nicht auf die Uhr geguckt?" und das waren nur milde Schlüsselwort Wiederholungen. Wenn sie ganze Sätze wiederholte, wusste man, man ist wirklich in Schwierigkeiten.

Unwissend und nervös was ihn erwartete und worum es hier überhaupt ging, schaute ich zu meinem Vater hoch, der nun seitlich zu mir stand, während meine Mutter aufstand um ihm wohl auf selber Höhe zu begegnen, auch wenn das unmöglich war, da sie ja einen Kopf kleiner war als er.

„Und da lässt du mich einfach so unvorbereitet hier reingehen?" fragte sie empört und warf dann ihre Hände in die Luft. „Und ich frage noch, ob irgendetwas ist, dass du so früh Zuhause bist! Und dann verschwindest du einfach, während ich Niki zum Training bringe, und lässt uns dann später ewig warten ohne auch nur einen Ton zu sagen."

„Schatz," sprach mein Vater beschwichtigend und trat einen Schritt auf meine Mutter zu. „Ich war doch nur ein wenig spazieren. Und sie wollte es dir doch selber sagen. Da hättest du mir das dann doch auch nicht erzählt."

„Na sicher hätte ich das!" garantierte meine Mutter und schob seine Hand, die er nach ihr ausstreckte, beiseite. „Da lasse ich dich doch nicht blind reingehen!"

Ich kam mir richtig klein vor, vielleicht so wie fünf, als ich so daneben saß und nichts als zugucken konnte, während meine Eltern sich stritten. Und das schlimme war, ich war auch noch der Grund dafür, der Auslöser für alles.

„Was ist denn jetzt so schlimm?" wollte mein Vater als nächstes Wissen, seine Stimme ruhig und aufrichtig fragend. Und gerade durch diese Aufrichtigkeit schien er ihr den Wind komplett aus den Segeln zu nehmen. Denn sie verstummte und schaute ihn sprachlos und überrascht an.

Ich wollte nur zu gerne eine Antwort auf diese Frage. War es wegen mir? Doch mein Vater ersparte ihr eine Antwort, welche sie vermutlich eh nicht hätte geben können, und deutete auf die Stühle am Esstisch neben denen sie standen. „Schau, wir setzen uns jetzt hier hin und lassen Emma die Möglichkeit uns was zu erzählen, hm?"

Er schritt neben meine Mutter und rückte ihren Stuhl nach hinten, sie leise auffordernd platz zu nehmen. Ein wenig wie in Trance ließ sie dies geschehen und setzte sich, wohl noch immer leicht erschüttert und verwirrt von der vorherigen Frage. Als sie es sich auf ihrem Stuhl dann mehr oder weniger bequem gemacht hatte, setzte er sich auch, vor Kopf des Tisches zwischen uns, und schaute mich auffordernd und ermunternd an.

„Äh … ja …" machte ich verunsichert und begegnete dem Blick meines Vaters verzweifelt. Er tat geradewegs so als wäre gerade nichts bemerkenswertes geschehen und was immer ich jetzt sagen würde wäre viel wichtiger und interessanter als worum es zuvor ging. Und das schlimme war, das war es wahrscheinlich auch. Nur was war das denn bitte für eine Reaktion gewesen? Meine Augen bettelten ihn förmlich an mir Hilfestellung zu geben, doch was er mir zunächst anbot war nur seine geduldige Papa-Stille und so würde ich es jetzt wohl sein müssen mich zu erklären und das hier irgendwie rauszureißen. Dabei war ich doch total schlecht darin spontan etwas brauchbares zustande zu bekommen.

Mein Vater räusperte sich, als meine panisch hin und her zuckenden Augen wohl vermuten ließen, dass ich mit der Situation überfordert war, und sagte, „Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass ich dich eben gar nichts gefragt habe." Ich schaute zu ihm, konzentrierte mich auf seine hellen mandelfarbigen Augen und nickte, da ich spürte er wollte mit mir arbeiten und das hier auch besser machen. „Du hast mich schon ein wenig überrascht gehabt," gab er zu und rutschte auf seinem Stuhl nach vorne, während er zögernd fragte, „Also wie ist das denn? Ich meine, wusstest du das schon immer, oder...?"

Gespräche zu leiten war normalerweise nicht seine Stärke. Er war immer eher derjenige, der die Sachen einfach in die Hand nahm und tat. Während Mama an sich eine geschickte Gesprächsführung beherrschte, nur der Strom zu diesem Gebiet schien gerade ausgeschaltet zu sein, und umso schöner war es zu sehen, dass Papa diese Aufgabe nun übernahm. Mit der Frage gab er mir nur leider keine gelungene Vorlage, weil ich keine Ahnung hatte, ob ich das schon immer gewusst hatte. Jenny hatte da einfach etwas in mir wach gerüttelt. Vielleicht hatte ich das vorher verdrängt oder vielleicht war ich doch einfach nur ein Spätzünder.

Ich meine, zum Beispiel damals, so in der achten, neunten Klasse bei einem Geburtstag meiner Cousine, da hatte ich das mit dem Flaschendrehen einfach lächerlich gefunden und nicht mitgemacht. Später war einer der Jungs dann zu mir gekommen und hatte gesagt, dass es auch ein lächerliches Spiel sei. Viel besser wäre es doch, wenn man direkt zu dem Mädchen gehe, das man küssen will, ohne ein Spiel daraus zu machen und seine Motivation zu kaschieren.

Er war irgendwie süß und aufmerksam. Und außerdem kannte mich ja auch niemand auf dem Geburtstag. Also hatte ich es getan, es ihn tun lassen, einfach um es getan zu haben. Und ihn zu küssen war … okay. Nichts besonderes, dass ich direkt wiederholen musste. Nur hätte es mir gefallen, wenn es ein Mädchen gewesen wäre? Keine Ahnung! Und darüber müsste ich jetzt echt nicht mit meinen Eltern reden und das auseinander nehmen, stimmt´s?

Ich zögerte und antwortete unbehaglich, „Äh, ich weiß nicht..."

„Oh, okay." Er nickte und rieb nachdenklich mit seinem Daumen über sein Handgelenk. „Dann vielleicht …" Sein Blick ging zur Seite und er strich ein mal über seinen dunkelblonden Bart. „Ah!" Er lächelte, lehnte sich vor und fragte, „Wie habt ihr euch denn kennen gelernt? Sie ist doch in deiner Stufe?"

„Oh, ähm, ja." Sein Bemühen und Interesse war schon rührend, und ich war ihm sehr dankbar dafür, so dass, wenn ich ihm schon nicht die vorige Frage beantworten konnte, ich ihm jetzt wenigstens diese beantworten würde, und zwar so gut wie möglich, schließlich wollte ich ja dazu beitragen diese Situation hier besser zu machen und vielleicht würde es ja helfen sie darüber Bescheid wissen zu lassen und so meine Enthüllung mit Bedeutung und etwas nachvollziehbaren zu füllen. Also berichtete ich ihnen, „Sie kam ja neu auf unsere Schule, aus London, und wir haben uns dann angefreundet, weil wir eben auch ein paar Kurse miteinander haben. Naja, aber das wisst ihr ja..."

Ich dachte kurz nach und bemerkte, dass das, was sie eben nicht wussten, war, wie sich das ganze so entwickelt hatte, und so beschloss ich ihnen diese Geschichte zu erzählen. „Also, aber als sie damals in die Klasse kam, da..." ich merkte wie ein unwillkürliches Lächeln über meine Lippen zuckte, ich konnte mich noch ganz genau erinnern - an ihre grün-türkise Mütze, ihren bunten Schal und ihr Lächeln, vor allem ihr Lächeln. „Naja, da fand ich sie erstmal ganz okay so," sagte ich und spielte meine Gefühle gekonnt herunter als mein Blick kurz zu den abwartenden Gesichter meiner Eltern ging. Mein Vater offen und meine Mutter nur passiv anwesend, auch wenn ich sehen konnte, dass ihre Aufmerksamkeit nicht abgeschaltet war.

„Sie war eben ganz nett. Und deshalb hab ich sie gefragt, ob sie bei STAG mitmachen will, aber das hat sie sich dann irgendwie nie so richtig angeschaut. Also sie ist nie zur Probe gekommen," erklärte ich und lächelte dann in Erinnerung an eine eher schwere Zeit, die zurückschauend schon ein wenig lächerlich war. Doch bereuen tat ich sie nicht und missen wollte ich sie auch nicht. „Und dann sind eben ein paar Sachen passiert, da fand ich sie so richtig ätzend. Ich meine, sie war das mit dem Radiowettbewerb von Luzi und sie war das auch mit meinem Fahrrad und sie war eben voll eingebildet, und sie hat auch nicht wirklich irgendetwas interessiert. Sie war ja Jenny aus London, die sowieso viel besser als alle anderen war und sich keine Namen merken muss, andere ihre Sachen machen lässt und sich nie auf irgendetwas festlegt..."

Als ich eine Pause machte um einzuatmen, nachdem ich gerade so richtig in Redefluss gekommen war, fiel mir auf einmal auf, auch durch die Hilfe der kritisch guckenden Gesichter meiner Eltern, dass ich vollends über die schlechten Seiten berichtete und wie taktisch unklug das doch eigentlich von mir war. Deshalb brach ich kurzerhand ab und lenkte um, „Naja, aber das dachte ich halt nur von ihr. Also das war schon so, aber so ist sie eigentlich nicht. Ich meine, ich kannte sie da ja noch gar nicht. Also was ich meine ist, dass sie eigentlich ganz anders ist. Eigentlich ist sie..."

Ich stockte, als mir in dem Moment partout nichts einfallen wollte um Jennys positive Seiten zu beschreiben. Als ich an sie dachte war sie einfach nur ein nicht in Worte zu fassendes riesiges Gefühl in meinem Herzen. Doch versuchen musste ich es ja trotzdem, schließlich sollten meine Eltern doch nur Gutes von ihr denken. Also begann ich nachdenklich erneut, „Ja, eigentlich ist sie... "

Zärtlich, liebevoll, stark, geduldig, super gut aussehend, einfach nur atemberaubend wundervoll und alles an was ich die letzte Zeit denken konnte. All dies schienen mir allerdings keine geeigneten Umschreibungen für Jenny gegenüber meinen Eltern zu sein. Die gaben doch viel zu viel preis. Ich kniff meine Augen zusammen und zerbrach mir schon fast mein Gehirn auf der Suche nach angebrachten Worten. „Ähm …"

Mein Vater musste wohl meine Zwickmühle erkannt haben, beziehungsweise wusste meine gerunzelte Stirn zu deuten, denn er drehte sich zu meiner Mutter und berichtete, „Ich habe gesagt, dass sie sie doch mal mit nach Hause bringen soll. Um zu sehen wie sie so..." Er blickte zu mir und lächelte. „'eigentlich' ist."

„Ja, das habe ich ihr auch gesagt," entgegnete ich schnell, lehnte mich vor und nahm seine Rettung mehr als dankend an. „Und sie kommt ganz gerne. Ich meine, ihr habt sie ja schon mal gesehen, aber sie will euch auch kennen lernen."

Na gut, das hatte Jenny vielleicht so jetzt nicht gesagt, aber hier ging es ja um einiges. Irgendwie musste ich sie ja in ein positives Licht rücken. Und grundlegend war das sicher wahr.

„Na, das ist doch schön," sagte mein Vater und lehnte sich zufrieden zurück. „So kann man..." Er schaute nachdenklich zur Seite. „So kann man sich das ganze mal ansehen." Meine Stirn verzog sich und er schien seine Wortwahl auch zu bemerken, denn er lehnte sich zurück nach vorne und gestikulierte erklärend mit seinen Händen, „Also ich meine ein Gefühl füreinander kriegen."

Ich nickte und schaute dann zu meiner Mutter, die die ganze Zeit über nichts gesagt, aber unsere Unterhaltung mit Augen und Ohren schon verfolgt hatte. Sie nahm meinen erwartungsvollen Blick auf ihr wahr und richtete sich auf, während sie ihre Hände über den Tisch näher an ihren Körper zog.

Es dauerte einen Moment bevor sie mich klar ansah und sagte, „Ihr seid zusammen."

Ich hielt ihre Augen, schon allein aus dem Gefühl, dass wenn ich es nicht tun würde, ich ihr Grund zum zweifeln an Jennys und meiner Beziehung geben würde, so als würde ich klein beigeben, oder als wäre ich mir unsicher über uns.

Schließlich nickte ich und antwortete mit einem sicheren, doch abwartenden, „Ja."

Als Reaktion atmete sie schnell und tief ein, so dass ihr Oberkörper sich aufrichtete. „Das heißt, dass du..." Sie brach ab und schüttelte ihren Kopf. Ihre Stimme wurde leiser und sie sagte, während sie auf den Tisch blickte, „Das heißt, dass ich eine lesbische Tochter habe."

Meine Stirn legte sich in Falten. Warum sagte sie das denn jetzt so? Das hörte sich so an, als ob sie gar nicht mehr über mich sprach. Und außerdem meinte Jenny, dass das Ganze doch gar nicht so wichtig war. Schließlich ging es ja nur darum, dass wir uns gefunden hatten. Und der Meinung war ich jetzt auch. Ich machte mir kaum noch Gedanken darüber ob ich nun lesbisch oder bi oder was auch immer war. Egal ob ich nun auf Frauen oder Männer stand, ich stand auf Jenny, und allein das war doch von Bedeutung.

Ich war anscheinend mal wieder etwas zu lange aus dem Gespräch ausgestiegen, denn ich hörte wie mein Vater schon fast über-ungezwungen einwarf, „Aber das ist doch heutzutage gar kein Problem mehr. Und ich meine wir wohnen in Köln. Hier, der Thomas, mein Lieferant, der ist auch schwul und erzählt auch manchmal von seinem Freund. Der ist ein super Kerl und auch ganz nett." Er schaute meine Mutter an und stieß gegen ihren Ellenbogen, so dass sie aufblickte. „Den hast du doch auch schon mal getroffen."

Mit leicht offenem Mund schaute sie meinen Vater an und ich war mir gar nicht sicher, ob sie überhaupt ganz mitgekriegt hatte, was mein Vater zuvor gesagt hatte. Sie schaute ihn auf jeden Fall leicht weggetreten an bis er seine Augenbrauen erwartungsvoll und sie um eine Reaktion auffordernd anhob, so dass ihr Blick zum Tisch schweifte, dann zu mir und dann zurück zu meinem Vater, der nun eher hoffend, mit einer Spur von Besorgnis, zu ihr blickte.

Sie schloss ihre Augen und rückte mit ihrem Stuhl nach hinten. „Tut mir leid," sagte sie und stand auf. Ihr Blick fiel zu mir und ich hatte Probleme ihn zu entziffern. War es Trauer, Mitleid, Reue, Angst, Entfremdung, welche ihre grünen Augen nun so farblos machte? „Ich … ich kann das nicht."

„Aber Mama," ich fühlte die Worte aus meinem Mund fallen bevor ich sie überhaupt realisierte. Sie drehte sich weg und ein tiefer Stich bohrte sich durch meine Brust. Doch bei meinem Protest schaute sie kurz zurück zu mir und ich war mir nicht sicher, da meine eigenen Augen sich bereits mit Wasser füllten, doch ich glaubte auch Tränen in ihren Augen glänzen zu sehen. „Mama, ich bin doch immer noch Emma."

Sie drehte sich weg von mir und begann, hinter dem Stuhl meines Vaters her, in Richtung Tür zu gehen.

„Ich denke … ich denke ich gehe jetzt ins Bett."

„Aber," protestierte ich hilflos und schob meinen Stuhl zurück.

„Kommst du, Christoph?" unterbrach sie mich leblos und blieb kurz vor der Tür stehen.

Ich schaute entsetzt zurück zu meinem Vater, der ihr auch überrascht hinterher sah. Ging er nun auf ihre Seite? Würde sie ihn mir weg nehmen? Er zögerte einen Moment, doch dann presste er seine Lippen zusammen und nickte, und sagte folgsam, „Hm-hm, ja."

Er stand auf und mit seiner Zusage verließ meine Mutter das Wohnzimmer.

„Was? Nein." Ich schaute meiner Mutter hinterher und rief, „Was gehst du denn? Was ist denn?" Ich war davor aufzustehen um ihr nachzulaufen, doch die Hand meines Vaters legte sich auf meine Schulter und drückte mich zurück in meinen Stuhl.

Ich schaute perplex zu ihm auf, doch er sagte für einen Moment lang nichts. Schließlich lehnte er sich zu mir hinab und küsste meine Stirn. „Ich liebe dich und deine Mutter auch."

Er drückte meine Schulter noch einmal bevor er ging. Er verließ das Zimmer und mich. Und ich saß alleine in unserem Wohnzimmer, der Tisch immer noch halb gedeckt, das Zimmer dunkel beleuchtet und ich selbst fassungslos zurückgelassen. Was war da gerade passiert?

Für einen Moment war das laute, dunkle Ticken der hölzernen Standuhr, die hinter dem Sofa, neben den Bücherregalen stand, das einzige was ich wahrnahm, was den Raum füllte und gleichzeitig so viel leerer scheinen ließ. Tick-tock-tick-tock-tick-tock. Was hatte sie denn bitte damit gemeint? Dass sie das nicht kann? Konnte sie keine Tochter haben, die lesbisch ist? Konnte sie mich nicht mehr haben? Tick-tock-tick-tock-tick-tock. Das konnte sie doch nicht gemeint haben, oder?

Oder?

In mir wuchs jedoch die Gewissheit, dass genau das es war, was sie gemeint hatte. Doch warum? Ich konnte es nicht verstehen. Ich war doch immer noch ich. Mein Blick ging zur Wohnzimmertür, wo sie eben noch mit dem Rücken zu mir gekehrt verweilt hatte. Die Tür stand immer noch offen und durch sie hindurch konnte ich die verschlossene Tür vom Schlafzimmer meiner Eltern sehen. Tick-tock-tick-tock-tick-tock. Die Tür wie eine Barrikade zwischen uns. Genauso wie diese unsichtbare Wand an Geheimnissen zwischen uns bevor ich ihr alles erzählt hatte.

Mit einem mal stand ich auf und das ticken der Uhr verblasste im Hintergrund mit meinem Entschluss. Ich konnte das nicht so stehen lassen. Mit meinem Handrücken wischte ich die Feuchtigkeit aus meinen Augen und wappnete mich. Ich musste sie zu begreifen kriegen wie wichtig mir das war. Dann musste sie das doch verstehen. Vielleicht hatte ich zuvor einfach nur nicht das Richtige gesagt. Ich hatte ihr gar nicht klar machen können wie glücklich ich war und wie gut Jenny mir tat. Und vor allem konnte ich das jetzt nicht so stehen lassen und womöglich noch ins Bett gehen, ohne zu wissen wo ich dran war. Ich würde die ganze Nacht nicht schlafen können. Ich konnte es einfach nicht zulassen, dass sie sich von mir abwandte. Sie war doch meine Mutter.

Entschlossen schritt ich durchs Wohnzimmer, den Flur und kam letztlich vor der Tür des Schlafzimmers zu stehen. Ob nun von Angst, Mut oder reinem Irrsinn getrieben, hob ich meine Hand um zu klopfen, doch auf halbem Weg, versteifte sich mein gehobener Arm und das Blut gefror mir in den Adern. Ich hörte ein schluchzendes Geräusch von der anderen Seite der Tür und ein Stechen breitete sich in meiner Brust aus, bei der dunklen Vorahnung, was es zu bedeuten hatte. Langsam lehnte ich mich vor und legte die Seite meines Gesichts gegen die kühle, hölzerne Tür, meine Ohren gespitzt.

Erneut vernahm ich das Schluchzen und es traf mich wie ein Schlag und trieb mir die Tränen in die Augen. Auf der anderen Seite der Tür weinte meine Mutter. Um mich, über mich, wegen mir. Ich wusste es nicht. Das einzige was klar war, war, dass sie traurig und verletzt war. Um mich, über mich, wegen mir.

Ich sank gegen die Tür als sich ein Bild von meiner Mutter weinend in den Armen meines Vaters vor meinem inneren Auge auftat, und ich legte meine Hand auf das Holz, das uns trennte, während ich mit meiner anderen Hand hilflos durch meine kurzen Haare raufte. Das hatte ich doch nicht gewollt.

„Was tue ich denn jetzt?" hörte ich sie durch Tränen hinweg so verzweifelt fragen, dass meine Beine unter mir weggaben und ich langsam die Tür hinunter rutschte. „Meine kleine Emma..." Ich schlug mir eine Hand vor den Mund, als ich selber schluchzen musste. Ich war doch immer Papas kleines Kind gewesen. Doch hier war sie und sagte „Ihre kleine Emma" und es war als hätte ich gerade etwas verloren, wovon ich vorher noch gar nicht gewusst hatte, dass ich im Besitz davon gewesen war.

Irgendwo in der Ferne hörte ich eine Tür sich schließen und ich nahm meine Schwester, die die Treppe hinunter gekommen war, erst richtig wahr als sie verwundert und ein wenig spöttisch fragte, „Was ist denn mit dir los?"

Erschrocken schaute ich zu ihr auf und wischte dann schnell meine Tränen aus dem Gesicht. Ich zog meine Nase hoch und antwortete ihr abweisend, „Nichts", während ich ihrem neugierigem, doch gleichzeitig auch verstörtem Blick auswich und zu Boden sah. Warum musste sie denn gerade jetzt kommen? Die Situation war doch schon schlimm genug.

„Erzähl doch keinen scheiß," sagte sie und deutete auf meine Tränen. „Du heulst doch."

Ich schloss meine Augen und versuchte meinen Ärger über ihre Beharrlichkeit und die ganze Situation zu schlucken. Sie hatte doch überhaupt keine Ahnung was gerade passiert war. Aber ich hatte auch nicht die Absicht es ihr zu erzählen. Ihre schlauen, besserwisserischen Sprüche konnte ich mir jetzt echt ersparen. Ich stieß mich vom Boden ab, was Kraft kostete, lieber wäre es mir gewesen hier vor der Tür in Ruhe weinend sitzen zu bleiben. Doch das würde sie sicher nicht zulassen. Ich wischte erneut meine immer noch tränenden Augen und sagte mit einer immensen innerer Spannung zu ihr, „Lass mich, okay."

Sie rollte ihre Augen und neigte ihren Kopf zur Seite, so dass ihre langen, hellbraunen Haare über ihre Schulter fielen „Hast du wieder irgend'nen Auftritt versaut? Angst vor 'nem Referat? Oder heulst du einfach nur so? Weil die Zahnpasta leer ist vielleicht." Sie lächelte ein wenig selbstzufrieden über ihren eigenen Scherz.

Ich hasste sie für ihr blödes Lächeln, für ihr blödes Gehabe, dafür dass sie sich immer für etwas besseres hielt, dafür dass sie nie Probleme mit Mama kriegen würde. Ich eckte sie mit meiner Schulter an, als ich an ihr vorbei schritt um die Treppe hoch zu gehen, und pampte sie an, „Geh einfach weg."

„Hey, Emma...?" hörte ich eine ungewöhnlich überraschte Stimme von ihr hinter mir sagen und ich spürte ihren Blick auf meinem Rücken, während ich die Treppe hoch und in mein Zimmer stürmte, doch das war mir egal.

Als ich mich gerade auf mein Bett geschmissen hatte und meine Tränen erneut aus meinen Augen brachen, hörte ich sie an meiner Tür klopfen. Ich vergrub mein Gesicht in meiner Bettdecke und wünschte mir nichts mehr als einfach alleine zu sein. Ich hatte nicht einmal das Licht meines Zimmer angeschaltet in der Hoffnung in der Dunkelheit einfach verschwinden zu können.

Als ich nicht antwortete öffnete sie meine Zimmertür und ich hörte sie ein, zwei Schritte langsam in mein dunkles Zimmer treten. „Emma, ist wirklich was?" fragte sie, doch die Besorgnis in ihrer Stimme, ging in meiner Wut und Verzweiflung völlig unter. Ich wollte einfach nur, dass sie ging und mich in Ruhe ließ. Meine Welt war gerade am untergehen und da brauchte ich sie nicht auch noch auf mir herumhacken.

„Verpiss dich, okay?" schrie ich schluchzend und ballte meine Hände zu Fäusten, meine weiche Bettdecke zwischen meinen Fingern spürend.

„Na, dann lass dir halt nicht helfen," sagte sie beleidigt zurück. „Kann ich auch nichts machen."

Ich erstickte jedwedes Geräusch in dem ich mein Gesicht in meine Bettdecke presste, abwartend und hoffend, dass sie endlich gehen würde. Ich spürte sie irgendwo hinter mir stehen und konnte nicht begreifen was sie denn auf einmal wollte. Sonst interessierte sie sich doch auch herzlich wenig für mich und geklopft hatte sie glaube ich noch nie.

„Dann sei halt wenigstens leise während du dir die Augen ausheulst, ja?" sagte sie nach einer gefühlten Ewigkeit trotzig. „Nik ist gerade eingeschlafen und ich hab echt keinen Bock darauf ihn wieder hier herumhüpfen zu haben." Sie verließ mein Zimmer und ich hörte sie noch genervt murren, „Heute ist doch echt ein scheiß Tag."

Sie ließ meine Tür ins Schloss fallen und mit dem Klick dieses Geräuschs stieß ich mich von meinem Bett hoch und drehte mich um. Sie war wirklich weg und mein Zimmer war nun wieder vollkommen dunkel, ohne den Schein des Flurlichts, der zuvor hereingeragt war.

Ich zog mich mein Bett hoch und ließ mich in meine Kissen und auf meinen Rücken fallen. Und so lag ich erst einmal platt in meinem Bett und schniefte meine Nase während ich hoch zur unsichtbaren Decke blickte und meine Tränen leise aus den Augen hinaus und über meine Schläfen liefen.

Mein Kopf war ein reines Chaos. Ich erinnerte mich flüchtig an heute Mittag, wie gut es mir gegangen war, wie toll und hell die Welt geschienen hatte und nun lag ich hier im Dunkeln und die Welt schien nichts als trostlos und gemein. Was hatte ich da gerade verloren? Was war da gerade passiert? Ich konnte das Ganze noch nicht so richtig begreifen oder erfassen. Es fühlte sich an, als ob gerade ein Teil von mir weggebrochen war, ein Teil von mir fehlte.

Ich spürte mein Handy in meiner Hosentasche vibrieren und es brach mich aus meiner ungläubigen Starre. Irgendwie fühlte sich alles gleich an wie zuvor, alles war gleich, meine Schwester war gleich, mein Bruder war gleich, mein Zimmer, unser Haus, nur war eben irgendwie gar nichts gleich und sie wussten es nur noch nicht. Ich fischte mein Handy aus meiner Tasche und blinzelte bei dem grellen Licht.

Zwei SMS von Jenny, sagte der Bildschirm meines Handys mir. Ich streckte meine Hand aus zur Seite und knipste die Nachttischlampe neben meinem Bett an, bevor ich mich in eine halb sitzende Position schob und die erste SMS mit verzweifelter Hoffnung auf etwas Gutes öffnete.

19.05.2011
19:28

Hey, alles wird gut. Ruf mich an wenn's vorbei ist, ja? :-* Jenny

- Von Jenny Hartmann

Alles gut. Na klar, diese Ironie. Ich wischte mir neue Tränen aus den Augen. Und trotzdem machte mein Herz einen kleinen Hoppser, als ich Jennys Namen und den Kuss las, und es berührte mich, dass sie an mich gedacht hatte. Dass sie mir noch einmal geschrieben hatte, auch wenn wir uns nur kurz zuvor verabschiedet hatten.

Ich las ihre Nachricht noch einmal und runzelte dann meine Stirn. Ich war gar nicht auf die Idee gekommen sie anzurufen. Überhaupt hatte ich noch kein einziges mal an sie selbst gedacht seit alles schief gelaufen war. Schließlich war ich Zuhause, und in der Welt Zuhause existierte Jenny eben einfach nicht. Ich schaute auf meinen Wecker neben meinem Bett. Mittlerweile war es kurz vor elf. Ich öffnete die SMS, die gerade angekommen war.

19.05.2011
22:47

Ist alles okay? Denk an dich.

- Von Jenny Hartmann

Sie dachte an mich.

So allein ich mich noch Sekunden vorher gefühlt hatte, so sicher fühlte ich mich jetzt, dass da doch noch jemand war auf den ich mich stützen könnte, jemand der hinter mir stand und dem ganzen hier überhaupt doch erst seinen Sinn gab. Jenny war da.

Ohne weiter nachdenken zu müssen, wählte ich ihre Nummer und ließ mich in mein Bett sinken, während ihr Handy klingelte. Ich wollte einfach nur ihre Stimme hören. Mich einfach nur vergewissern, dass das wofür ich das hier alles tat auch wirklich da war. Ich musste sie hören und am liebsten noch sehen und spüren. Ich brauchte sie jetzt.

„Hey, na endlich," sagte Jenny freudig als sie abnahm. „Und wie ist es gelaufen?"

Ich biss auf meine Lippe als mit ihrer Stimme mir die Tränen in die Augen schossen und mit ihrer Frage ich erst so richtig realisierte, dass das Gespräch unten jetzt vorbei war. Es lag unbeeinflussbar in der Vergangenheit und ließ mich eine grausame Endgültigkeit spüren.

„Nicht so gut," sagte ich leise und bedrückt, während ich versuchte mich zu beherrschen.

Jenny war für eine Sekunde leise bevor sie besorgt feststellte, „Du weinst ja."

„Mmhm," bestätigte ich und verschluckte mich fast an meinem Schluchzen.

„Hey," sagte sie, ihre Stimme sanft und so als ob sie durch die Leitung hindurch nach mir greifen wollte. „So schlimm?"

„Sie, sie hat..." Ich unterbrach mich und beruhigte meine sich überschlagenden Atemzüge. „Ich weiß nicht. Sie ist einfach gegangen!"

„Wie, sie ist einfach gegangen?"

„Ich hab es ihr gesagt und wir haben geredet und ich dachte es lief eigentlich ganz okay," berichtete ich Jenny, mühselig mich zusammenzureißen. Ich legte meine Finger an meine Schläfe und ließ sie mit leichtem Druck kreisen, während ich ihr aus meiner Erinnerung erzählte. „Ich mein, sie war erst irgendwie ein bisschen schockiert oder so und dann war sie sauer auf Papa, aber dann haben wir geredet und sie war ganz ruhig und hat zugehört, aber dann meinte sie auf einmal, dass sie das nicht kann und ist gegangen und jetzt ist sie im Schlafzimmer und weint."

Bei meinen letzten Worten musste auch ich wieder anfangen zu weinen. Wie konnte etwas, dass mich so glücklich machte, etwas was doch etwas so schönes war, sie zum weinen bringen? Wieso war das so? Ich wollte nicht, dass sie unglücklich ist. Wieso musste alles so kompliziert sein?

„Vielleicht..." Bei Jennys nachdenklichem Ton konnte ich praktisch sehen, wie sie ihren Mund verzog und sich ihre Stirn in seichte Falten legte, bevor sie vorsichtig fortfuhr, „Vielleicht braucht sie nur ein wenig Zeit um das ganze auf die Reihe zu kriegen, hm? Es kann halt nicht jeder so cool reagieren wie dein Vater."

Ich schloss meine Augen und wischte mit meinem Handrücken erneut über meine Wangen um die Nässe meiner Tränen zu beseitigen. „So cool war der vielleicht gar nicht. Der war den ganzen Nachmittag irgendwie weg, nicht im Laden oder zu Hause. Spazieren, sagt er. Als ich Zuhause ankam war schon voll die komische Stimmung. Vielleicht hätte ich das einfach nicht tun sollen."

„Ach, quatsch. Jetzt wart doch erst mal ab," sagte Jenny und ich glaubte einen Hauch Beunruhigung in ihrer Stimme wahrzunehmen. „Es ist doch ganz normal erst mal nachzudenken. Oder hat er seine Meinung geändert?"

„Ne. Ne, ich glaube nicht," gab ich zu und überlegte laut, „Als er ihr nachgegangen ist, hat er gesagt, dass sie mich lieben."

„Na siehst du," sagte Jenny und ich konnte schon fast wieder leicht schmunzeln, weil ihr sicher gefiel, dass sie anscheinend Recht hatte. Doch das Lächeln verging mir schnell wieder als sie fortfuhr, „Und rausgeschmissen haben sie dich auch nicht."

Ich riss meine Augen auf. „Denkst du...!?"

„Nein!" schrie sie schon fast durchs Telefon. „Mensch Emma. Ich meinte nur, ich kannte eine, die haben sie rausgeschmissen. Aber selbst die ist irgendwann wieder nach Hause. Es braucht einfach nur ein wenig Zeit."

Ich atmete durch und ließ mich wieder in meine Kissen sinken, während Jenny mit Witz in ihrer Stimme hinzufügte, „Und hey, selbst wenn, dann ziehst du halt hier ein. Stefan mag dich glaub ich ganz gerne. Und es gibt nicht viele die er mag."

„Ach, du redest doch Unsinn," entgegnete ich ihr - Herr Bergmann konnte mich sicher nicht besser leiden als irgendjemanden sonst. Jenny wartete eine entscheidende Sekunde und fragte dann schmunzelnd mit selbstzufriedenen Ton, „Lächelst du?"

Ich atmete tief ein und schloss meine Augen. Verdammt. Ja, sie hatte Recht. Ich hatte gelächelt, geschmeichelt und belustigt. Wie schaffte sie das nur? Ich fühlte mich schon wieder besser als vorher. Doch sagen würde ich ihr das jetzt sicher nicht, das würde ihren Kopf nur noch größer werden lassen. Andererseits brauchte ich das aber auch gar nicht, sie wusste es auch so. Ich wusste, dass sie es wusste und sie wusste wiederum, dass ich wusste, dass sie es wusste und wahrscheinlich zu stolz oder dickköpfig sein würde um es zuzugeben und sie daher auf ihre Frage wohl nie eine Antwort kriegen würde. Also erwartete sie auch keine, und für einen Moment schwiegen wir, zufrieden mit der unausgesprochen Wahrheit, die zwischen uns nachklang. Du machst mich glücklich.

Nach einer Weile des angenehmen Schweigens sagte Jenny schließlich, „Emma?" So hauch zart, dass sich meine Nackenhaare aufstellten und ich mich ein wenig tiefer in mein Kissen kuschelte. „Ich liebe dich. Und ich weiß, das war ein ganz großer Schritt heute und ich bin echt..." Ich spürte wie sie auf der Suche nach Worten versagte, doch ich verstand sie trotzdem. So ging es mir ja auch. Ich war ja selber noch total geflasht von heute Mittag, auch wenn die Ereignisse von heute Abend diese nun überlagerten und zunichte machen schienen. Doch das war doch nicht richtig, oder? Ich hatte Jenny und meine Freunde und sogar unsere Lehrer. Frau Vogel und Herr Heisig. Die fanden das toll. Die waren alle auf meiner Seite, genauso wie mein Vater. Hoffentlich.

Jenny gab auf zu versuchen ihre Gefühle auszudrücken und fuhr stattdessen fort, „Ich will die Reaktion von deiner Mutter nicht verharmlosen oder so, aber ich will auch nicht, dass du jetzt erschrickst und dich zurückziehst. Du warst dir doch sicher, oder?" fragte sie und ihre Stimme wurde dünner, als sie unsicher nachhakte, „Keine Reue?"

Ich schaute durch das seichte Licht meiner Nachttischlampe zur Tür und dachte an meine Mutter unten in ihrem Schlafzimmer im Erdgeschoss. Sie weinte, sie verstand das nicht oder konnte es nicht verstehen. Vielleicht würde sie es nie. Vielleicht änderte sich nun alles. Doch wäre es besser gewesen nichts zu sagen?

Ich hörte Jennys tiefen, leicht erhöhten Atem durchs Telefon und wurde mir sicher, dass es so richtig gewesen war. Ich gehörte jetzt zu Jenny, mehr als zu meiner Mutter, weil mit Jenny ich ich selbst sein konnte. Weil ich lieber die frohe, selbstbewusste Emma war, als die unsicher, klein gehaltene Emma von Zuhause. Ich wollte da raus. Ich wollte ich selbst sein, offen, vor allen.

„Nein, keine Reue," antwortete ich Jenny also und entschied mich in diesem Moment, egal was kommen möge, für sie. Ob mich meine Familie akzeptieren würde oder nicht, ob sie mich nun rausschmeißen würden oder nicht. Am Ende war es Jenny und ich, und wenn ich mich jetzt in diesem Moment entscheiden müsste, so wäre es sie. Denn sie stand zu mir. Und das war ein ganz tolles, ganz überwältigendes Gefühl, welches mich hätte implodieren lassen, hätte ich versucht es in mir zu halten. Doch das tat ich nicht. „Ich..." Ich hielt meinen Atem für einen Moment und sagte dann, als mich diese Gefühle und Gedanken überfluteten, zum ersten mal ganz bewusst, „Ich liebe dich."

Ich hörte wie Jenny nach Luft schnappte, doch dann schnell und nachdrücklich in einem Ton von Wunder meine Worte erwiderte. „Ich liebe dich."

Eine Träne lief mir aus dem Auge, diesmal aus Glück und dem Gefühl vor Gefühlen zu platzen.

„Ich wünschte ich wäre jetzt bei dir," sagte ich und klammerte mich fester an mein Telefon, während sie seicht zurück hauchte, „Ich auch."

Jennys Stimme bebte und ich schloss meine Augen. In Gedanken ganz nah bei ihr. Ich stellte mir vor sie wäre jetzt hier. Sie würde neben mir liegen und mit ihren Fingern über meinen Arm, meine Schulter, meine Haare streichen. Ihr tiefer, ruhiger Atem, den ich durch die Leitung hörte, läge, wie jetzt, ganz nah an meinem Gesicht, so dass ich ihn gegen meine Haut spüren könnte, während ihre kristallklaren Augen tief in meine schauen und mich den Draht zur Realität langsam verlieren lassen würden. In Sehnsucht nach ihrer Berührung seufzte ich leise und es vergingen ein paar wundervolle Sekunden und Minuten in denen wir nur ruhig dem Atem der anderen lauschten und es genug war.

„Du … ich lege jetzt auf, okay?" sagte Jenny schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit und ich glaube es kostete sie Überwindung dies zu tun. „Sonst schlafe ich noch auf dem Telefon ein. Und du musst versuchen zu schlafen oder du bist morgen total fertig."

„Liegst du im Bett?" fragte ich sie, den ersten Part ihrer Aussage komplett ignorierend, um ganz genau zu wissen wo sie sich gerade befand, und ob sie auch gerade in ihre weiche Bettdecke gekuschelt war, welche sie warm hielt, so dass wir im Prinzip zusammen lagen über unsere Telefone verbunden.

„Mmmhm," bestätigte Jenny mir, doch übersprang das Thema dann schnell. „Wein nicht mehr, ja? Wir sehen uns morgen und vielleicht sieht dann ja schon wieder alles ganz anders aus."

„Okay," seufzte ich enttäuscht jetzt aufzulegen. Ich hätte ihrem Atem noch die ganze Nacht zuhören können.

„Danke, dass du angerufen hast," sagte Jenny und ließ mich lächeln bevor ihr Gesagtes mich dann in mich gehen ließ und ich schließlich erwiderte, „Danke, dass du da bist."

Es dauerte noch eine Minute oder zwei bis wir letztendlich wirklich auflegten und ich mein Handy zur Seite legte. Einen kleinen Stich von Verlust spürend, drehte ich mich zurück auf meine Seite, zog meine Beine hoch zu meiner Brust an und kuschelte mich so tief es nur ging in meine Bettdecke. Ich schloss meine Augen und dachte an Jenny und versuchte meinen Körper und meine Gedanken ganz mit ihr zu füllen um alles andere ganz weit weg zu halten und dieses Gefühl von Glück nicht loszulassen, auch wenn es schwer war, da es sich anfühlte als ob mit jeder Sekunde, die nach unserem Anruf verging, sie sich weiter von mir entfernte und ich drohte in meine Welt Zuhause zurückzufallen.

Kaum hatte sich mein erster Gedanke jedoch nach unten zu meinen Eltern verirrt, leuchtete mein Handy erneut auf und vibrierte laut gegen das Holz meines Nachtschranks. Ich streckte schnell meine Hand nach meinem Handy aus und schaute auf den kleinen Bildschirm.

Eine SMS von Jenny.

19.05.2011
23:31

Kennst du das?
„Wenn ich ein Vöglein wär, und auch zwei Flügel hätt'..."
Ich bin im Schlaf bei dir.
Bis morgen
Und wenn doch noch was ist, ruf an. :-*

- Von Jenny Hartmann

Diese Nacht schlief ich ein, mit einem angenehm warmen Gefühl in meinem Herz über einem stechenden, kalten Gefühl in meinem Bauch, noch angezogen vom vorherigen Tag und mit meinem Handy in meiner Hand feste an meine Brust gedrückt.