Somewhere only we know – Lily Allen

Der nächste Morgen brachte Regen und Kopfschmerzen. Mein nächtlicher Ausflug ins Gründerarchiv würde nicht ungestraft bleiben, wie mir schien. Wenigstens hatte ich keinen Test und auch sonst keine wichtigen Vorhaben, die meine volle Konzentration benötigten. Da ich Damon noch eine Weile aus dem Weg gehen wollte, biss ich in den sauren Apfel und benutzte die Dusche in dem kleinen Badezimmer, das zu meinem Zimmer gehörte. Ich war nicht mehr sauer auf ihn, aber ich war auch noch nicht bereit, mich zu entschuldigen. Nachdem ich geduscht hatte, zog ich mir eine frische Jeans und meinen grauen Hoodie an, band mir die feuchten Haare zu einem Pferdeschwanz und schnappte meine Tasche. Das Lauftraining mit Stefan würde ich heute mal ausfallen lassen. Wir hatten beide letzte Nacht nicht viel Schlaf bekommen. Bestimmte hatte er nichts dagegen, wenn wir einen Tag pausierten. Außerdem regnete es in Strömen, wie mir ein Blick aus dem Fenster verriet. Ich polterte die Treppe hinunter und stürmte in die Küche. Dank meines kleinen Ausflugs hatte ich gestern Abend nichts mehr gegessen. Dafür hatte ich jetzt umso mehr Hunger. Ungeduldig riss ich die Kühlschranktür auf und spähte ins Innere.

Seit ich hier mehr oder weniger eingezogen war, war der Kühlschrank immer gut gefüllt. Ich holte die Milch und eine Schale mit Erdbeeren heraus, um mich dann auf die Suche nach Cornflakes oder etwas ähnlichem zu machen.

„Hey," sagte eine Stimme hinter mir, gerade als ich die Kühlschranktür schloss.

Erschrocken zuckte ich zusammen und fuhr herum. „Musst du dich immer so anschleichen? Du hast mich erschreckt!"

Damon saß an der Küchentheke, in der einen Hand eine Zeitung und in der anderen eine Tasse, in der sich hoffentlich Kaffee befand. Seine Haare waren noch feucht und er roch nach seinem Duschgel. „Ich hab mich nicht angeschlichen. Ich sitze schon die ganze Zeit hier."

Okay, vielleicht hatte ich nicht auf meine Umgebung geachtet. Mein Hunger hatte mich direkt zum Kühlschrank getrieben. Ich nahm die Packung Cheerios, die vor ihm auf dem Tisch stand, schüttete eine ordentliche Portion in eine Schüssel und goss Milch drüber.

„Heißt das, du bist nicht ins Motel gezogen?" Er deutete mit seiner Tasse auf die Schüssel. Der typische Geruch von Kaffee stieg mir in die Nase. Gott sei Dank.

„Nein. Gibt es noch Kaffee?" Mir war klar, dass wir um den heißen Brei herumschlichen und irgendwann darüber reden mussten, was gestern passiert war. Aber ich wollte es nicht mit leeren Magen ausdiskutieren, sonst würden wir vermutlich direkt Runde zwei in unserem - wie nannte es Stefan? - Beziehungsstreit einläuten.

„Hinter dir." Damon faltete die Zeitung zusammen. Er musterte mich mit zusammengekniffenen Augen.

Ich holte die Kanne aus der Maschine, goss mir eine Tasse ein und füllte seine gleich mit auf. Er sah aus, als könnte er sie brauchen. Genau wie ich. Ich nahm einen großen Schluck. So langsam gewöhnte ich mich an den fremden Geschmack. Ich würde noch immer mindestens sechs Tassen brauchen, um annähernd an die Wirkung des italienischen Kaffees zu kommen, aber besser als nichts. Dann lehnte ich mich gegen die Theke und löffelte die Cheerios in mich hinein.

„Alles okay?", fragte Damon.

„Hm, nur hungrig."

„Ja, schätze, in fremde Häuser einzubrechen macht hungrig."

„Können wir nicht wenigstens bis nach dem Frühstück warten?"

Damon zuckte mit den Schultern, nippte an seiner Tasse. „Was hattest du denn gestern mit Stefan so wichtiges zu besprechen?"

Ich warf ihm einen fragenden Blick zu. Also zählte zu seinen herausragenden Eigenschaften nicht nur Kontrollzwang, sondern auch Eifersucht. Wie gut, dass er nicht wusste, dass Caroline schon die ganze Zeit versuchte, mich mit Matt zu verkuppeln. „Ich habe ihm erzählt, dass ich im Archiv auf die Aufzeichnungen von Jonathan Gilbert gestoßen bin. Die Schlacht am Willow Creek. Stefan hat mir die Wahrheit gesagt. Er hat mir von eurer Verwandlung erzählt. Was Katherine euch angetan hat."

„Und jetzt hat sein Heiligenschein eine tiefe Delle bekommen." Er rutschte von seinem Hocker, stellte die Tasse auf die Theke und wollte die Küche verlassen. Es gefiel ihm nicht, dass ich die Wahrheit kannte. Dabei konnte ich jetzt viel besser verstehen, warum er so war, wie er war. Warum er all diese Mauern um sich errichtet hatte.

„Damon." Ich lief ihm nach. Er blieb im Türrahmen stehen, drehte sich aber nicht um. „Es tut mir leid," sagte ich sanft. „Es tut mir leid, was damals passiert ist." Sein ganzer Körper verspannte sich. „Ich verstehe jetzt, warum du niemanden an dich ran läßt."

Er straffte die Schultern und wandte sich zu mir. „Ich bin drüber weg."

„Nein, bist du nicht." Ich griff nach seiner Hand. „Und ich auch nicht. Ich weiß sehr gut, wie es sich anfühlt, von seiner großen Liebe verraten zu werden. Es ist schlimmer als der Tod. Aber ich schwöre dir, sie wird dafür bezahlen. So wie Luca dafür bezahlt hat."

Er sah mich lange schweigend an. Der Schmerz war zurück in seinen Augen, zusammen mit dem Hass und der Einsamkeit. Es tat mir in der Seele weh, ihn anzusehen.

„Sag doch etwas," flehte ich besorgt.

„Was hast du heute vor?", sagte er plötzlich.

Ich blinzelte überrascht und machte einen Schritt zurück. „Ähm, Schule?"

Sein Mundwinkel schob sich nach oben. „Lust auf eine Spritztour nach Grove Hill?"

„Was ist in Grove Hill?", fragte ich noch immer verwirrt.

Damon ließ mich stehen, ging ins Foyer und zog sich seine Lederjacke an. „Dein Vater."

„Was?!" Ich war ihm hinterher gerannt, aber bei seinen Worten blieb ich wie angewurzelt stehen und musste mich am Bücherschrank festhalten.

Er nahm seelenruhig seine Autoschlüssel und öffnete die Haustür. „Kommst du jetzt mit oder nicht?", rief er über seine Schulter.

„Moment!" Ich rannte zurück in die Küche, schnappte meine Tasche von der Theke und eilte ihm hinterher.

In der Auffahrt hatte ich ihn eingeholt. Gegen den Regen hatte er den Kragen hochgeschlagen, während er zu seinem Auto lief. Ich warf mir die Kapuze meines Hoodies über den Kopf und folgte ihm. „Ich fahre," verkündete er unnötigerweise, nachdem er bereits die Fahrertür aufgezogen hatte. „In diese Krankheit, die du Auto nennst, setze ich keinen Fuß mehr." Er schwang sich hinter das Lenkrad und ich beeilte mich, auf den Beifahrersitz zu klettern.

„Jetzt sag mir schon, was du weißt!", drängelte ich, als wir die Auffahrt hinunter zur Straße rasten. Der Wagen lag so tief, dass ich jeden Kieselstein in meinem Rücken spürte. Ich klammerte mich an dem Türgriff fest.

Er warf mir einen amüsierten Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Damon!", rief ich mit zusammengebissenen Zähnen. Ich war kurz davor, ihm den Hals umzudrehen.

Sein Grinsen wurde noch breiter. „Liz hat mir die Adresse gestern abend gegeben. Sie hat deine Telefonanrufe zurückverfolgt. Erinnerst du dich an einen Anruf vor sechs Wochen?"

„Moment," unterbrach ich ihn. „Woher hatte sie meine Nummer? Als ich bei ihr war und sie gebeten habe, eine Vermisstenmeldung rauszugeben, hat sich mich rausgeworfen. Sie wollte weder ein Foto noch eine Nummer von mir."

Damon zuckte mit den Schultern. „Ich hab sie ihr gegeben. Außerdem ist sie meine Freundin, ich bin ein Mitglied des Gründerrats und sie war mir noch was schuldig."

„Und woher hast du meine Nummer?" hakte ich nach.

„Das ist mein Geheimnis."

Ich stöhnte genervt und boxte ihn gegen den Oberarm.

„Also, ein Anruf vor sechs Wochen? Klingelt da was?", kehrte Damon zum Thema zurück.

Ich kaute auf meiner Unterlippe und überlegte. „Vor sechs Wochen? Da war ich noch in Venedig... Ich erinnere mich an ein paar Gespräche mit meiner Freundin Lucia und dem Direktor der High-School wegen dem Schüleraustausch. Denkst du, dass er etwas damit zu tun hat?"

„War es denn immer der gleiche Anrufer?"

Ich starrte aus dem Fenster. Der Scheibenwischer bewegte sich hektisch hin und her, während der Regen auf die Windschutzscheibe prasselte. In Gedanken ging ich noch einmal sämtliche Gespräche mit dem Direktor durch. Ich erinnerte mich nicht mehr an alle Details, aber-.

„Nein, einmal hat mich seine Vertretung angerufen. Er wollte den genauen Termin meiner Ankunft. Er meinte, es ginge um den Stundenplan und ab wann er ihn planen könne."

„Bingo!", rief Damon. „Das muss der Anruf gewesen sein. Der kam von der Adresse in Grove Hill."

„Aber wenn es mein Vater gewesen wäre, dann hätte ich ihn ganz sicher an der Stimme erkannt. Wie kommst du also darauf, dass mein Vater dort ist?", wandte ich ein.

„War nur so eine Vermutung. Das Haus wurde erst vor sechs Monaten neu vermietet. Liz meinte, es wäre auf jeden Fall wert, sich dort mal umzusehen. Ich wollte es dir gestern abend schon sagen, aber -" Er hob vielsagend die Augenbrauen und trommelte auf das Lenkrad.

„Ich weiß," fiel ich ihm ins Wort. „Es tut mir leid. Keine Ahnung, was mit mir los war. Ich war frustriert und wütend, weil ich mich seit Wochen im Kreis drehe."

„Und du dachtest, im Gründerarchiv findest du was?", wunderte er sich.

„Na ja, es war der einzige Ort, an dem ich noch nicht war und an dem ich noch nicht nachgefragt hatte. Außerdem ist mir die Decke auf den Kopf gefallen. Ich musste raus, mich ablenken, irgendetwas tun. Am liebsten hätte ich ein paar Vampire zur Strecke gebracht, aber ich hatte euch versprochen, nichts zu unternehmen."

„Geduld ist nicht deine Stärke, oder?"

„Deine aber auch nicht," gab ich zurück.

„Hey, ich habe hundertfünfzig Jahre auf Katherine gewartet. Ich bin der Inbegriff von Geduld."

Ich lachte ungläubig, wollte aber nicht wieder mit ihm streiten.

Wir waren keine halbe Stunde unterwegs, als auf meinem Telefon eine Flut von Nachrichten eintraf. Ich hatte es mir auf dem Beifahrersitz gemütlich gemacht, lauschte der Rockmusik, die blechern aus dem Radio dröhnte, und betrachtete die verregnete Landschaft, die an mir vorbeirauschte, und die Regentropfen, die über die Scheibe rannen. Seit langer Zeit ruhte das getriebene Gefühl in meinem Inneren und ich konnte mich entspannen. Ich konnte den Moment genießen. Bis das Telefon anfing.

Seufzend holte ich es aus der Tasche und blickte auf das Display. Innerhalb von ein paar Minuten waren fünf Nachrichten eingegangen.

BONNIE: Wo steckst du? Hast du dich wieder verlaufen?

CAROLINE: Wo bleibst du? Mister Saltzman ist kurz davor, einen Suchtrupp loszuschicken.

ELENA: Geht es dir gut? Kommst du heute nicht in die Schule?

MATT: Geht es dir gut? Lass mich wissen, ob du heute Nachmittag kommst. A presto!

STEFAN: Alles okay?

„Ach du Scheiße, sind die immer so anhänglich?", sagte Damon verächtlich. Er hatte sich zu mir herübergebeugt und spähte über meine Schulter auf das Telefon. „Das ist ja ekelhaft."

Natürlich wunderten sie sich, warum ich nicht in der Schule war. Ich hatte niemanden Bescheid gesagt und mich nicht krank gemeldet.

„Im Gegensatz zu dir habe ich Freunde, die sich Sorgen um mich machen," wies ich ihn hin und schubste ihn weg.

„Du antwortest besser, sonst schickt Alaric wirklich einen Suchtrupp los. Und Caroline hetzt uns ihre Mum auf den Hals. Sag Ihnen, du hast die Pest oder Cholera. Ich schreib dir auch eine Entschuldigung."

Er bekam die einzige Antwort, die er verdient hatte. Ich streckte ihm die Zunge heraus. Während ich meine Antwort tippte, konnte ich aus dem Augenwinkel erkennen, wie er schmunzelte.

Sienna: Alles okay. Ihr müsst mich decken. Bin mit Damon unterwegs.

BONNIE: BIST DU VERRÜCKT?

CAROLINE: Mit Damon?! Totenkopf-Emoji

STEFAN: Habt ihr euch wieder vertragen? Pass auf dich auf. Sag Damon, er soll sich benehmen.

Ich lachte.

„Jetzt flippen sie bestimmt alle wieder aus," meinte Damon.

„Stefan sagt, die sollst dich benehmen."

„Tue ich doch immer."

„Na klar!" Ich rollte mit den Augen. Dann packte ich das Telefon weg. Meine Freunde wussten Bescheid, dass ich nicht kommen würde, der Rest war für sie erst mal nicht wichtig.

Eine Viertelstunde später bogen wir in eine Nebenstraße. Zu beiden Seiten standen heruntergekommene Einfamilienhäuser. Die Holzfassaden waren verwittert und benötigten dringend einen frischen Farbanstrich. Die Blumen in den Vorbeeten waren welk und vertrocknet, die Büsche wuchsen kreuz und quer über den Gehweg und der Rasen war zentimeterhoch. Die Mülltonnen neben den Häusern waren zusammengetreten und teilweise fehlten die Scheiben in den Fenstern. Hier sollte mein Vater leben? Das war das komplette Gegenteil zu unserem riesigen, edlen Palazzo. Er hatte jedes Mal einen Herzinfarkt bekommen, wenn ich einen Kratzer ins Parkett gemacht hatte. Und jetzt wohnte er in einem Haus ohne Fenster?

„Da vorne muss es sein," sagte Damon.

Wir fuhren noch ein Stück die Straße entlang, bevor er den Wagen vor einem unscheinbaren hellgrünen Haus parkte. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen stieg ich aus. Sollte ich tatsächlich nach sechs Monaten meinen Vater gefunden haben? Es wäre zu schön um wahr zu sein. Neben Damon lief ich durch den Regen zu der windschiefen Veranda.

Vor der Tür hielt er mich am Arm zurück. „Keine Dummheiten, okay? Wir bringen niemanden um, zumindest keine Unschuldigen."

Ich riss die Augen auf. „Echt jetzt? Solche Worte aus deinem Mund? Ich bin entsetzt."

„Einer muss ja der Vernünftige sein."

Nachdenklich musterte ich die verwitterte Fassade. Es passte nicht zu meinem Vater. Es fühlte sich falsch an. Mystic Falls hätte ich verstanden, aber dieser Ort hier? Was sollte mein Vater hier wollen?

„Bereit?" Er sah mich fragend an. Ich nickte und er klopfte gegen den Türrahmen der verzogenen Haustür. Eine Klingel gab es nicht. „Hallo? Jemand zu Hause?"

Wir starrten beide auf das Milchglasfenster im oberen Teil der Tür, das mit einem vergilbten Spitzenvorhang verziert war. Mir klopfte das Herz bis zum Hals. Doch es rührte sich nichts. Hinter dem Fenster war keine Bewegung zu erkennen.

„Hörst du was?", flüsterte ich zu Damon.

Er schüttelte den Kopf. „Scheint niemand zu Hause zu sein." Ich fing an, in meiner Tasche zu wühlen. Für den Notfall hatte ich immer einen Dietrich einstecken. Mein anderes Etui lag noch immer in meinem Auto, wo ich es gestern nach meiner übereilten Flucht aus dem Gründerarchiv vergessen hatte. Aber das Schloss sah nicht besonders stabil aus und würde keine Probleme bereiten. Nach kurzer Suche hatte ich den Dietrich gefunden. Stolz präsentierte ich ihn Damon. Er hob eine Augenbraue.

„Das geht auch einfacher," meinte er, streckte die Hand aus, griff den Türknauf und drehte ihn mit einem Ruck nach Rechts. Es gab ein kurzes Knirschen und das Holz im Türrahmen splitterte, dann schwang die Tür auf. „Tata!" Er trat zur Seite und machte eine einladende Handbewegung.

Ich schüttelte verärgert über meine eigene Dummheit den Kopf, bevor ich den engen Flur betrat. „Kommst du?" Ich sah mich nach Damon um, nachdem er mir nicht folgte. Er stand noch immer vor der Haustür.

„Das werden wir gleich sehen." Vorsichtig schob er einen Stiefel über die Schwelle. Als nichts passierte, machte er einen großen Schritt und kam zu mir. „Entweder gibt es keinen ständigen Besitzer oder er ist tot." Er nickte zufrieden.

Ich wartete, bis er bei mir war. „Dann stimmt es also? Ihr müsst zuerst hereingebeten werden, bevor ihr ein Haus betreten könnt?" Ich war fasziniert. Zu sehen, wie all die Theorien und Aufzeichnungen, die ich jahrelang studiert hatte, plötzlich leibhaftig und in äußerst attraktiver Form vor mir standen, war seltsam und anziehend zugleich.

Während ich ihm den dunklen, engen Flur entlang folgte, warf er mir über die Schulter einen argwöhnischen Blick zu. „Warum siehst du mich wie einen Frosch an, den du gleich sezieren wirst?" Der Flur war so schmal, dass wir nur hintereinander durchpassten. Ich blinzelte ein paar Mal und riss mich von dem Anblick der schwarzen Haarspitzen los, die über seinem Kragen abstanden. Mich juckte es in den Fingern, sie genau dort zu vergraben und durch die Strähnen gleiten zu lassen.

„Weil du der erste Vampir bist, der lange genug lebt, um sich mit mir unterhalten zu können," antwortete ich frech.

Er blieb stehen, drehte sich um und ich prallte gegen seine Brust. Seine Hände packten mich an den Oberarmen, damit ich mich nicht unsanft auf mein Hinterteil setzte. „Wenn du meine Anatomie eingehender studieren möchtest, stehe ich jederzeit zur Verfügung." Es war eine seiner üblichen anzüglichen Bemerkungen, aber seine Stimme klang so verführerisch, dass mein Herz einen Takt aussetzte und mit einem Galoppsprung wieder ansprang. Ich hob den Kopf und versuchte, ihm in die Augen zu sehen. Im schummrigen Halbdunkel des Hausflurs war sein Gesicht in den Schatten verborgen. Alles, was ich erkennen konnte, waren seine Augen, die geheimnisvoll funkelten. Ich hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Meine Hände, die ich unbewusst auf seine Brust gelegt hatte, krallten sich in seine Lederjacke, zogen ihn näher zu mir. In der Stille könnte ich hören, wie er tief Luft holte. Sein Brustkorb dehnte sich unter meinen Händen. Mein Blick war auf seine Lippen geheftet, die ich nur schemenhaft erkennen konnte. Ohne nachzudenken stellte ich mich auf die Zehenspitzen und streckte mich ihm entgegen. Sein Griff um meine Oberarme verstärkte sich. Dann beugte er sich zu mir hinunter.

Ein leises Poltern am Ende des Flurs ließ uns auseinander fahren. Wir starrten uns verständnislos an. Die Spannung zwischen uns war noch immer greifbar. Was war nur los? Irgendwie gelangten wir immer an diesen Punkt, wo wir uns entweder an die Kehle oder an die Wäsche gingen. Ganz offensichtlich konnten wir nicht einmal zwei Stunden miteinander auskommen, ohne dass wir übereinander herfielen. Wir waren wie zwei Magneten, die nicht wussten, ob sie sich anziehen oder abstoßen sollten.

Damon gelang es schneller, sich aus dem Trance zu lösen. Er gab mich frei, folgte dem Flur bis zum Ende und bog um die Ecke. Dahinter befand sich ein kleines Wohnzimmer mit einer Kochnische an der linken Wand und einem Eßtisch und zwei Stühlen in der Mitte. Zur Rechten stand ein durchgesessenes Sofa vor einem Fernseher, der mindestens zehn Jahre alt war. Es gab noch einen Couchtisch und eine Kommode, beides aus den Siebzigern. Persönliche Gegenstände waren nicht zu finden. Alles wirkte, als ob hier schon seit längerem niemand mehr wohnte. Ich sah mich im Wohnzimmer um, Damon nahm sich die Küche vor. Ich durchsuchte die Kommode, aber außer ein paar Kerzen und einer fleckigen Tischdecke fand ich nichts.

„Sienna." Damon winkte mich zu sich. Er hatte den Kühlschrank geöffnet und deutete ins Innere. Der einzige Inhalt bestand in einem Stapel Blutkonserven aus dem Mystic Falls Hospital. Interessant.

Damon stand plötzlich ganz starr da. „Wir sind nicht alleine," bemerkte er. Er hatte den Satz noch nicht beendet, da raste eine dunkle Gestalt in die Küche. Ich konnte nicht erkennen, was es war. Ich reagierte instinktiv. Der Vampir stürzte sich auf mich. Mein rechter Arm holte aus und verpasste ihm einen Kinnhaken, der seinen Kopf zur Seite fliegen ließ. Gleichzeitig holte ich mit dem Bein aus und trat ihm, so fest ich konnte in den Magen. Dann stieß ich ihn zu Boden. Damon zerrte ihn wieder auf die Beine, drehte ihm einen Arm auf den Rücken und nickte mir anerkennend zu.

„Wer bist du? Was willst du hier?", verlangte er.

Der Vampir war ein junger Kerl, nicht älter als sechszehn. Er hatte dunkelblonde Locken und ein blasses Milchgesicht mit einer Stupsnase. Er war noch ein halbes Kind und sah überhaupt nicht gefährlich aus. Und er schien mehr Angst vor uns zu haben als wir vor ihm.

„Ich bin Billy. Ich wohne hier," stotterte er.

Damon drückte ihn in den Plastikstuhl, der neben dem Esstisch stand. „Billy, hm?" Er musterte ihn mit eisigem Blick.

Der Junge starrte mit großen Augen zu ihm hoch. „Damon Salvatore!", keuchte er fassungslos. „Hier in meiner Wohnung. Ich fasse es nicht! Du bist eine Legende." Damon verschränkte die Arme vor der Brust. Ein selbstgefälliges Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Hast du gehört, Sienna? Ich bin eine Legende."

Ich rollte mit den Augen. „Bild dir bloß nichts ein." Als ob sein Ego nicht schon groß genug wäre. Jetzt waren wir auch noch auf einen Fan gestoßen. „Wohnst du hier alleine?", versuchte ich, zu dem eigentlichen Grund unseres Besuches zurückzukehren.

Billy würdigte mich keines Blickes. Er blickte weiter Damon voller Bewunderung an. „Henry wird mir kein Wort glauben."

„Du bist einer der Gruftvampire," stellte Damon fest.

Billy nickte. „Ja, Sir."

„Und du lebst alleine hier?"

„Ganz alleine. Die anderen Vampire wollen Rache an den Gründerfamilien, aber ich möchte einfach nur in dieser neuen Welt in Frieden leben."

Ich trat neben Damon. „Kennst du einen Tomaso Conti?"

Zum ersten Mal richtete sich seine Aufmerksamkeit auf mich.

„Wer soll das sein?"

„Mein Vater."

Billy schüttelte den Kopf. „Der Name sagt mir nichts."

Ich glaubte ihm. Er wirkte nicht, als ob er besonders clever wäre. Und gefährlich auch nicht.

„Was wollt ihr von mir? Ich habe nichts Unrechtes getan."

„Woher hast du die ganzen Blutkonserven? Hast du die aus dem Krankenhaus geklaut?"

Billy erhob sich aus dem Stuhl, marschierte seelenruhig zum Kühlschrank und nahm einen Beutel heraus. „Nein, die kamen zusammen mit der Wohnung. Eines Tages bekam ich einen Anruf. Irgendein Typ am anderen Ende der Leitung meinte, ich könnte hier umsonst wohnen und bräuchte nicht mehr mit den anderen in dieser heruntergekommenen Farm hausen. Außerdem würde er dafür sorgen, dass ich nicht auf dem Trockenen sitze." Er riss den Beutel auf und füllte ihn in zwei Gläser.

„Und als Gegenleistung solltest du was tun?", hakte Damon nach, nahm das Glas, das ihm Billy hinhielt, trank jedoch nicht.

„Ich sollte jemanden im Auge behalten." Er zuckte mit den Schultern.

„Wen?", fragte Damon mit einem scharfen Unterton in der Stimme, nachdem Billy nicht gewillt schien, uns irgendetwas freiwillig zu sagen.

Billy nahm einen Schluck aus seinem Glas und nickte knapp in meine Richtung. „Sie."

Ich keuchte überrascht auf und machte einen Schritt zurück. Dagegen blieb Damon völlig ruhig. Bevor ich mich versah, hatte er sein Glas abgestellt und seine Hand umklammerte Billys Hals. „Wenn du uns verarschst, dann zerfetze ich dich mit bloßen Händen." In seinen Augen blitzte es kalt.

Billy riss die Augen auf. Er hob abwehrend die Hände. „Ich schwöre, ich sage die Wahrheit!"

„Dann warst du der Anrufer? Du hast dich als Assistent des Direktors ausgegeben?" Ich erinnerte mich nicht mehr an die Stimme am Telefon, deshalb konnte ich nicht sagen, ob es seine war.

Billy nickte, während er verzweifelt mit beiden Händen versuchte, Damons Griff zu lockern.

„Ich musste doch wissen, wann du eintriffst...", stieß er hervor.

„Warum sie?" Damon gab ihm einen kräftigen Stoß, damit er wieder auf den Stuhl zurückfiel.

„Keine Ahnung. Der Typ am Telefon sagte die italienische Austauschschülerin. Und so weit ich weiß, gibt es da nur eine." Er deutete wieder auf mich.

Wir sahen uns unschlüssig an. Damon zuckte mit einer Schulter.

„Hast du den Typen mal getroffen? Weißt du, wie er aussieht?", fragte ich.

„Nein, alles lief nur übers Telefon. Am Anfang war ich schon skeptisch, aber nachdem alles eingetreten ist, was er mir versprochen hat, habe ich keine Fragen mehr gestellt. Einen geschenkten Gaul und so. Ihr versteht?" Er grinste verlegen.

„Und wie läuft das ab? Wie erstattest du ihm Bericht?" Damon lehnte sich gegen die Küchenzeile und ließ ihn nicht aus den Augen. Billy rutschte nervös auf dem Stuhl herum.

„Er ruft mich einmal die Woche an. Und ich sage ihm dann, was sie gemacht hat. Ich bin überrascht, dass ihr nicht früher aufgetaucht seid. Ehrlich gesagt bin ich nicht besonders gut im Beschatten. Schon gar nicht, wenn sie dauernd mit Vampiren rumhängt. Wenn ich nicht auf Abstand geblieben wäre, dann hättet ihr mich sofort ausfindig gemacht."

Damon schnitt eine Grimasse. „Du bist ja ein richtig cleveres Kerlchen," spottete er.

„Was wollte der Typ wissen? Wo ich hingehe? Mit wem ich mich treffe? War er an irgendetwas interessiert?"

Billy zuckte mit den Schultern. „Kann ich nicht sagen. Ich sollte dich nur beschatten, sonst nichts. Echt, wenn ich gewusst hätte, was das für eine Arbeit ist, wäre ich im Farmhaus geblieben. Zuerst fand ich dich ziemlich scharf und als du mit ihm -" er deutete auf Damon – „rumgemacht hast, hatte ich wenigstens was zum gucken, aber dann hast du dich mit den Vampiren auf dem Friedhof angelegt und bist ins Gründerarchiv eingebrochen. Da dachte ich mir, dass du ziemlich dämlich bist. Und dann eure ständigen Streitereien ..." Er stöhnte gequält. „Habt ihr euch mal selbst zugehört? Scheiße, so betrunken kann keiner sein, um das auf Dauer zu ertragen. Ich geb euch einen kleinen Tipp: Springt endlich in die Kiste zusammen und all eure Probleme sind gelöst."

Was hatte er gerade gesagt? In die Kiste springen? Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Und auch Damons Augenbrauen schossen nach oben.

„Du hast sie also die ganze Zeit beobachtet. Seit sie angekommen ist?"

Billy nickte eifrig.

„Das reicht jetzt," beschloss ich zornig. „Ich habe genug gehört." Ich ging zum Sofa, wo meine Tasche lag, und hängte sie mir über die Schulter. „Nur eins noch, hast du die Nummer von dem Typ?", sagte ich und drehte mich wieder um.

„Klar, in meinem Handy."

Das war genau die Antwort, die ich hatte hören wollen. Ich zog den Holzpfahl hinter meinem Rücken hervor und stürzte mich auf Billy. Er sprang auf die Füße, fletschte die Zähne. Damon machte einen Satz nach vorne, bekam ihn am Arm zu fassen, bevor er mich angreifen konnte. Ohne zu zögern holte ich aus und rammte ihn den Pfahl mitten in die Brust. Billy sackte in sich zusammen und ging zu Boden. Sein Gesicht verfärbte sich grau, die Adern traten hervor, dann war er tot.

„Sienna!", rief Damon mit anklagender Stimme. Er hob die Hände gegen die Decke. „Wir hatten doch ausgemacht keine Dummheiten."

Ich zuckte mit den Schultern. „Er hatte es verdient."

Er blickte fast mitleidig auf Billys toten Körper zu unseren Füßen. „Du hättest ihn nicht gleich töten müssen."

„Was?" Ich warf ihm einen ungläubigen Blick zu, während ich mich neben Billy kniete und seine Hosentaschen durchsuchte. „Hätte er mich weiter beschatten sollen?"

„Nein!" Damon nahm nun doch einen Schluck aus seinem Glas. „Ich mochte ihn."

„Du mochtest ihn, weil er dich angehimmelt hat," verbesserte ich. „Er war ein Gruftvampir, Damon."

Endlich hatte ich das Telefon in seiner linken Gesäßtasche gefunden und ließ es in meine Tasche fallen.

„Du bist eiskalt."

„Ach, jetzt tu doch nicht so! Du hättest ihn auch getötet. Sieh es positiv. Wieder einer weniger auf unserer Liste." Ich warf noch einen letzten Blick auf Billy, dann marschierte ich aus dem Wohnzimmer.

Zurück im Camaro holte ich das Telefon hervor und ging die Anruferliste durch. Billy hatte die Wahrheit gesagt. Eine Nummer tauchte regelmäßig einmal die Woche auf. Das war unser Mann.

Damon fiel hinter das Lenkrad und schlug die Tür zu. Er musterte mich hinter nassen Haarsträhnen. „Und? Was hast du jetzt vor?", wollte er wissen.

„Wir sollten die Nummer von Sheriff Forbes überprüfen lassen. Aber ich bezweifle, dass er genauso einfältig wie Billy ist. Wenn er schlau ist, benutzt er ein prepaid Handy. Dann können wir nur abwarten, bis er wieder anruft." Ich verstaute das Telefon wieder in meiner Tasche.

„Tut mir leid."

Ich drehte mich zu ihm. „Was?"

„Dass wir deinen Vater nicht gefunden haben."

Er streckte die Hand aus und berührte sanft meine, die auf meinem Oberschenkel lag.

Mühsam schluckte ich die Enttäuschung hinunter und nickte.

„Wir werden trotzdem weitersuchen." Seine Finger schoben sich zwischen meine. „Ich geb dir mein Wort."

Ich sah zu ihm auf. Sein Blick war warm, voller Zuneigung. „Danke," flüsterte ich.

Es war spät, als wir wieder in Mystic Falls ankamen, weil es immer noch regnete. Und es dauerte dann noch einige Zeit, bis ich aus dem Auto rauskam.

Was aber absolut nicht meine Schuld war.

Ich hatte versucht, hinauszuklettern, aber bevor meine Finger den Türgriff auch nur gestreift hatten, schlang Damon mir einen Arm um die Taille und zog mich quer über den Sitz an sich. Fette Regentropfen klatschten gegen die Windschutzscheibe und rannen in winzigen Rinnsalen hinunter, als er meine Handgelenke festhielt.

„Damon?"

Mit einem schwachen Lächeln führte er meine Hände zu seiner Brust und ich spürte das Hämmern seines Herzens unter meinen Fingern. „Du musst etwas lernen, Sienna."

Ich sah ihn fragend an und versuchte verzweifelt, ruhig zu bleiben, obwohl sich mein Puls beschleunigt hatte. „Was muss ich lernen? Dass du grapschig und distanzlos bist? Das weiß ich bereits."

„Klugscheißerin." Er lachte leise und kam näher. „Du musst lernen, dass du hier nicht ohne einen Kuss weggehst."

Mein Atem stockte. „Oh."

„Ja, oh."

In diesem alten Camaro mit den beschlagenen Scheiben presste er meine Hände an seine Brust und küsste mich, als wäre er am Verdursten und ich seine einzige Wasserquelle. Er gab dieses maskuline, tiefe Knurren von sich, das meine Sinne überwältigte. Unsere Küsse brannten und führten dazu, dass wir uns berühren mussten. Seine Hände drifteten unter meinen Hoodie und folgten meiner Wirbelsäule nach oben. Meine Finger fanden ihren Weg unter sein Shirt und erkundeten die Topografie seines Bauches. Ich hatte keine Kontrolle mehr über meine Finger, vor allem, als sie sich extrem interessiert daran zeigten, unter den Bund seiner Jeans zu gelangen.

„Wir müssen aufhören," sagte er, seine Stimme belegt, als er seinen Mund von meinem gelöst hatte. Im Schein der sanften gelben Deckenbeleuchtung sah ich, dass seine Lippen so geschwollen waren, wie meine sich anfühlten. „Ich fürchte, dass man uns sonst wegen Erregung öffentlichen Ärgernisse verhaften wird."

Mit heißen Wangen und brennendem Körper fiel es mir schwer, mich von ihm zu trennen, aber ich tat es und verabschiedete mich. Auf dem Rückweg hatte ich Matt angerufen und ihn gebeten, die Nachhilfestunde nach hinten zu verlegen. Wir hatten uns für sieben im Grill verabredet und dank meiner – und Damons – nicht vorhandenen Impulskontrolle würde ich nun zehn Minuten zu spät kommen.

„Bis später?"

Er schluckte hörbar und nickte.

Ich kletterte aus dem Cabrio und hüpfte in den kalten Regen hinaus. Meine Gedanken rasten, als ich über den Gehweg zur Eingangstür flitzte. Was tat ich hier nur mit ihm? Mit ihm herummachen offensichtlich, aber es war mehr als das. O Gott, es war so viel mehr als das, und anstatt dass es mich vollkommen anwiderte, war ich aufgeregt und spürte aufkeimende Hoffnung, dass ich inmitten all des Wahnsinns einen Hauch Normalität haben könnte.

Traute ich mich überhaupt, das zu haben? Der Ausflug heute nach Grove Hill hatte Spaß gemacht, auch wenn er nicht von Erfolg gekrönt war. Wir waren ein gutes Team gewesen, hatten uns gut ergänzt, hatten herumgealbert und uns gegenseitig unterstützt. Es hatte sich gut angefühlt, wieder einen Partner zu haben. Genau wie damals mit Luca, bevor er sich verwandeln ließ und alles zerstörte. Ich hatte gewusst, dass ich mich zu hundert Prozent auf ihn verlassen konnte. Und ich hatte ihm vertraut. Aber im Gegensatz zu Luca spürte ich, dass Damon mich nicht betrügen würde.

Schwere Schritte hinter mir waren die einzige Warnung, die ich bekam, als ich gerade auf die Treppe zuging. Ich fuhr herum, bereit, irgendjemanden krankenhausreif zu treten, aber es war Damon. Ich ließ die Hände sinken. „Was zum ...?"

Damon stürzte sich auf mich, bevor ich aussprechen konnte, was ich hatte sagen wollen. Seine Hände landeten auf meinen Hüften, und er hob mich hoch und drückte mich gegen die Hauswand. Die Reaktion meines Körpers folgte prompt. Ich schlang ihm die Beine um die Taille und die Arme um den Hals, und ein ersticktes Keuchen teilte meine Lippen, Sekunden bevor er mich wieder küsste. Ich spürte ihn direkt zwischen meinen Beinen, und trotz des kalten Regens erglühte meine Haut.

Damon drückte seine Hüften gegen mich, auf all die Arten, die Spaß machten und unartig waren und definitiv zu anrüchigen und freizügigen Handlungen führten, aber ich dachte nicht an mögliche Gefängnisstrafen oder Geldbußen, als er mein Gesicht in beide Hände nahm.

Ein Blitz spaltete den Himmel, und Donner krachte, aber ich hörte nur mein hämmerndes Herz. Ich spürte nur Damon, der sich an mich presste, während unsere Lippen miteinander verschmolzen. Ich war bereit, mich in ihm zu verlieren. Unsere Körper bewegten sich rhythmisch gegeneinander, und unsere Hände wurden nass und glitschig. Ich wusste nicht, wie lange wir uns küssten, aber unsere Kleider waren durchnässt, und ich zitterte, als wir endlich auftauchten, um Luft zu holen. Seine Lippen glitten über meine Wangen, und seine Hände drifteten zu meiner Kehle und drückten sanft meinen Kopf nach hinten.

Der Regen klebte ihm das Haar an den Kopf, und kleine Rinnsale liefen ihm über sein Gesicht. Er sah aus wie ein Meeresgott.

„Danke für heute. Du ahnst ja nicht, wie viel es mir bedeutet hat, dass du da warst," flüsterte ich.

Er küsste mich auf die Nasenspitze, trat zurück und stellte mich sacht auf die Füße. „Bis später."

Dann war er weg, im Regen verschwunden.

„Lieber Gott," flüsterte ich. Ein weiterer Blitz durchschnitt den Himmel, schnell gejagt von einem dröhnenden Donnerschlag.

Am Ende stolperte ich ziemlich durcheinander und völlig durchnässt in den Grill. Matt saß an unserem üblichen Tisch und bedachte mich mit einem langen, seltsamen Blick und sagte nichts. Stattdessen legte er mir seine Jacke um die Schultern und brachte mich nach Hause, nachdem er mir eine heiße Tasse Kaffee eingeflößt hatte. Und das war mir ganz recht. Mein Kopf war gänzlich woanders, und mir fehlte die geistige Kraft, die ich für eine Nachhilfestunde gebraucht hätte.