Kapitel 32 – Die offene Tür

It doesn't matter what I want.
It doesn't matter what I need.
It doesn't matter if I cry,
don't matter if I bleed.

(Alison Krauss & Union Station – It doesn't matter)

Ich weiß, du wünschst Dir eine gute Erklärung für das, was ich getan habe, aber es gibt keine. Ich kann Dir nicht erklären, was ich mir selbst nicht erklären kann. Nur diese Ehrlichkeit kann ich Dir geben.

„Liest du schon wieder ihren Brief?"

Ginny ließ das Pergament sinken und sah zu Harry auf, der gerade das Schlafzimmer betrat. Die flackernden Kerzen, die über ihrem Bett schwebten, malten ein warmes Licht auf sein schmales Gesicht und glänzten in seinen Augen. „Ja", sagte sie leise.

Er kletterte zu ihr ins Bett und legte seinen Kopf auf ihren Bauch. „Meinst du, beim achtzehnten Mal steht was Neues drin?"

Ginny runzelte die Stirn und strich durch seine wilden Haare und über seine weichen Lippen, die verborgen lagen in seinem Bart. Sah hinab in seine Augen und spürte ihr Herz einen Purzelbaum schlagen, selbst jetzt noch, nach all den Jahren und drei Kindern. „Nein, bedauerlicherweise nicht."

Harry streckte seine Hand aus und legte sie an ihre Wange. „Willst du sie nicht mal besuchen gehen und mit ihr reden?"

Sie seufzte und schmiegte sich in seine Berührung. „Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ron leidet so sehr, Harry … Er war hier und er hat geahnt, dass etwas nicht stimmt, aber er hat es als Hirngespinste abgetan. Und währenddessen hat Hermine …" Sie brach ab und biss die Zähne aufeinander, als es in ihrer Brust wieder anfing zu brennen. „Ich weiß nicht, ob ich mit ihr reden könnte. Ich glaube, ich würde sie nur anschreien."

„Sie leidet auch", sagte er. „Sie sah furchtbar aus, als ich bei ihr war."

„Gut so", grollte Ginny.

Harry zog die Augenbrauen hoch. „Warum fällt es dir so schwer, dich aus den Konflikten zwischen den beiden rauszuhalten?"

Sie schürzte die Lippen und lehnte den Kopf zurück, sah hinauf zu den Kerzen, die sich ein bisschen auf und ab bewegten. „Weil es sich nicht so anfühlt, als wäre es nur ein Konflikt zwischen Hermine und Ron. Es fühlt sich an, als hätte sie meine ganze Familie betrogen. Wie kann sie ihm das nur antun? Wie kann sie Rose das nur antun? Ron wird sich – zu Recht! – von ihr scheiden lassen und Rose hängt zwischen den Stühlen. Sie wird bald ein Scheidungskind sein, nur weil Hermine …" Wieder ließ sie den Satz unvollendet in der Luft hängen, schnalzte mit der Zunge. „Er ist mein Bruder und wenn er es ihr nicht verzeihen kann, dann kann ich es auch nicht."

Harry stemmte sich hoch und setzte sich so hin, dass sie einander ansehen mussten. „Sie hat nach einem Weg gesucht, um Rose zu retten. Und sie hat einen gefunden. Zählt das gar nichts?"

„Was hat das damit zu tun, dass sie Ron betrogen hat?", fragte sie gereizt. „Natürlich ist es großartig, dass Rose wieder gesund wird! Aber es ist ja kaum so, dass sie mit diesem ominösen Tränkemeister ins Bett gehen musste, damit er ihr hilft." Sie verschränkte die Arme vor der Brust, aber als Harry den Blick senkte, wurden ihre Augen ein bisschen größer. „Oder?", fragte sie.

„Nein", sagte Harry, „nein, das musste sie nicht."

„Aber?"

Er seufzte und sah sie mit zur Seite geneigtem Kopf an. „Nichts aber. Es war falsch, was sie getan hat."

Ginny presste die Lippen aufeinander. „Aber du willst nicht, dass eure Freundschaft deswegen zerbricht."

Er schüttelte den Kopf. „Sie sind meine ältesten Freunde, Ginny. Ich kann sie nicht verlieren."

Jetzt legte sie ihre Hand an sein Gesicht und lächelte, als er ihre Handfläche küsste. „Ich weiß", sagte sie leise. „Du bist in der beneidenswerten Position, dich nicht entscheiden zu müssen."

„Das musst du auch nicht", wandte er ein.

Sie senkte den Blick und zog ihre Hand zurück. „Doch", murmelte sie. „Im Moment muss ich das. Ich kann nicht anders. Sie hat … mir wehgetan, Harry."

Er rutschte herum, bis er neben ihr saß, und zog sie an sich. Sagte nichts, hielt sie nur fest, und Ginny atmete tief aus und schloss ihre brennenden Augen. Warum hatte Hermine ihnen das bloß angetan?


„Ron?", fragte Hermine ins leere Wohnzimmer hinein, nachdem sie den Kopf ins Flohfeuer gesteckt hatte. Stille antwortete ihr. Dann hörte sie ein Quietschen, das ihr gleichzeitig ein Lächeln aufs Gesicht zauberte und einen Stich versetzte: Rose. Dem Quietschen folgte ein Lachen und die Stimme von Ron, der etwas sagte, das Hermine nicht verstehen konnte. Aber was auch immer er gesagt hatte, Rose beantwortete es mit noch mehr Lachen.

Hermine hockte stumm im Kamin und hörte den beiden zu. Schloss die Augen und tat für einen kleinen Moment so, als wäre sie noch immer Teil dieser Familie und dieses Alltags. Als wäre sie froh, dass Ron sich gerade mal für zehn Minuten um Rose kümmerte, damit sie in Ruhe in der Küche das Essen vorbereiten konnte. Als wäre es keine zwei Tage her, dass sie ihre Tochter das letzte Mal gehört, gesehen, umarmt und geküsst hatte. Als wären keine zwei Wochen vergangen, seitdem sie sie das letzte Mal ins Bett gebracht und nachts da gewesen war, nachdem sie schlecht geträumt hatte. Als gäbe es diese Leere in ihrer Brust gar nicht und als würde nicht Schuld hineintropfen und sie langsam vergiften.

Als es im Kinderzimmer still wurde, wischte sie sich die Tränen von den Wangen, räusperte sich und rief nochmal Rons Namen. Kurz darauf kam er ins Wohnzimmer und jede Heiterkeit, deren Zeuge sie eben noch gewesen war, war aus seinem Gesicht verschwunden. „Was gibt's?", fragte er.

Sie schluckte. „Der Trank ist fertig und wir … wir sind bald ausreichend vorbereitet. Wir können anfangen." Hermine presste die Lippen aufeinander, während sie auf seine Antwort wartete.

Ron sah sich nach Rose um, die in ihrem Zimmer geblieben war. Womit auch immer sie gerade spielte, es fesselte sie so sehr, dass sie weder das Flohfeuer, noch ihr Gespräch mitbekam. Entweder das oder er hatte ihr Zimmer mit einem Zauber belegt, aber das traute Hermine ihm selbst jetzt nicht zu.

Schließlich wanderte sein Blick zurück zu ihr, verbissen und besorgt. „Bist du dir sicher, dass ihr sie heilen könnt? Kein Risiko, dass was schief geht?"

Hermine senkte den Blick und noch bevor sie ein Wort gesagt hatte, hörte sie Ron stöhnen. „Natürlich gibt es ein Risiko", sagte sie leise. „Was wir da versuchen, hat bisher noch niemand getan."

Er rieb sich über das Gesicht. „Ich weiß nicht, ob ich das will, Hermine. Rose ist doch kein Versuchskaninchen."

Sie starrte ihn an. Sekundenlang während Wut sich wie ein Taifun in ihr aufbaute. Sie hatte das Gift genommen, bevor sie Ron kontaktiert hatte, an Schwarzer Magie lag es nicht, dass sie ihre Zähne gegeneinander rieb, bis sie knirschten. „Lass uns darüber reden. In Ruhe. Ohne Rose. Kannst du das irgendwie einrichten?", zwang sie sich vorzuschlagen.

Ron schürzte die Lippen, aber er nickte. „Komm heute Abend vorbei. Um neun, dann schläft sie."

„Okay." Und bevor er seine Meinung ändern konnte, zog Hermine sich zurück, ließ sich auf ihre Beine zurücksinken und stieß einen wütenden Schrei aus, nachdem das Feuer erloschen war.


„Ich hätte ihn erwürgen können, Evie! Ich hätte durch das Feuer gehen und ihn eigenhändig erwürgen können!", zischte Hermine eine Stunde später, als sie vor einer Tasse Tee in Evies Küche saß. „Wie kann er so was sagen? Wie kann er einfach sagen, er weiß nicht, ob er Rose retten will? Wie kann er sie ein Versuchskaninchen nennen?"

„Vielleicht sieht er nur das Risiko", sagte sie vorsichtig. „Vielleicht überlegt er, wie viel Zeit sie noch hat, wenn ihr nichts tut, und denkt, das wäre möglicherweise die bessere Option, als morgen oder übermorgen zu sterben."

Hermine fuhr sich mit gespreizten Fingern in die Haare. „Sie wird nicht sterben! Wenn jemand stirbt, dann bin ich es …"

Evies Stuhl knackte, als sie den Rücken durchdrückte. „Was soll das heißen?"

Seufzend stützte Hermine den Kopf in die Hand und sagte: „Snapes Trank stellt eine Verbindung zwischen mir und Rose her, die es mir ermöglicht, ihr die Magie abzusaugen."

Du wirst das tun?", warf sie mit großen Augen ein.

Hermine schluckte. Stimmt, das musste sie Evie ja auch noch erzählen. Ihre Wut schwand wie Wasser aus der hohlen Hand, dabei hätte sie sie gerade gern festgehalten. Sie hätte auf jeden Fall dabei geholfen zu erklären, was sie nicht erklären wollte. Hermine senkte den Blick und sagte: „Ich muss es tun. Roses Magie ist meiner wenigstens ein bisschen ähnlich. Jeden, der nicht unmittelbar mit ihr verwandt ist, würde es definitiv umbringen – und das zu schnell, um ihre komplette Magie nehmen zu können. Es ist … kniffelig. Es wird ziemlich schmerzhaft, möglicherweise für uns beide, wenn es zu riskant sein sollte, Rose zu betäuben. Und Snape meinte zwar, meine Chancen stünden gut, dass ich das überlebe, aber …" Sie zuckte mit den Schultern.

Evie legte die Hände um ihre Tasse und sah Hermine nicht an, als sie fragte: „Wie wird es bei Ethan und mir?"

Auch Hermine sah woanders hin, als ihr Herz schneller schlug. „Schwieriger. Ethan ist älter als Rose, er verfügt schon über mehr Magie und …"

„Ich werde das nicht überleben, oder?", unterbrach Evie sie und fixierte Hermines Blick diesmal mit einer wilden Entschlossenheit.

Die schüttelte zögernd den Kopf. „Vermutlich nicht, nein."

Evie schloss die Augen.

„Aber Snape meinte, vielleicht ist es auch möglich, dass beide Elternteile sich verbinden. Dann wäre die Chance größer, dass …"

Evie unterbrach sie, indem sie aufstand und zum Fenster ging. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah hinaus in den grauen Sommertag. Es war warm, aber unbeständig. „Ich weiß nicht mal, wo Seth gerade ist. Und da er anscheinend überall lieber ist als bei seinem Sohn, würde er wohl kaum sein Leben für ihn riskieren."

Hermine gab ihr ein paar Minuten Ruhe, bevor sie sagte: „Du musst doch sowieso versuchen, ihn zu erreichen. Er ist Ethans nächster Verwandter."

Mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen drehte Evie sich zu ihr um. Sie war entsetzlich blass im Gesicht. „Nächster Verwandter …", sagte sie abfällig. „Ethan weiß nicht mal mehr, wie er aussieht."

Hermine rieb sich die Stirn. „Du solltest versuchen, ihn zu erreichen. Es könnte dir das Leben retten und …" Sie schluckte schwer. „Bitte, Evie. Versuch ihn zu erreichen, ich kann nicht … Ich weiß nicht, wie …" Sie brach ab, als ihr Hals so sehr zu schmerzen begann, dass sie es nicht mehr unterdrücken konnte.

Evies Kinn begann zu zittern, dann schlug sie die Hände vor ihr Gesicht und weinte leise. Leise, weil Ethan nebenan schlief und es die oberste Regel war, die Kinder nicht zu wecken.

Hermine stand auf und ging zu ihr, zog sie in den Arm und hielt sie fest, wie Harry es neulich bei ihr getan hatte. „Es tut mir so leid", flüsterte sie.

Aber Evie schüttelte den Kopf. „Entschuldige dich nicht, Hermine. Du hast einen Weg gefunden, um die Kinder zu retten, und ich kann nicht mal erahnen, was du dafür alles in Kauf nehmen musstest." Sie zog die Nase hoch und wischte sich die Tränen von den Wangen. „Ich kann Ethan retten und dafür bin ich sofort bereit zu sterben, genauso wie du es warst und bist."

„Ich weiß", hauchte sie.

„Außerdem weiß ich es vorher. Ich kann … mich vorbereiten. Ich kann Ethan etwas hinterlassen."

Nun stiegen auch Hermine Tränen in die Augen. Zum ersten Mal, seitdem Snape ihr erklärt hatte, wie genau dieser Trank funktionierte, konnte sie die Möglichkeit, dass Evie dabei sterben könnte, weder ignorieren noch kleinreden und … Der Gedanke, dass sie möglicherweise bald ihre einzige Freundin verlieren würde, raubte ihr den Atem. In dem verzweifelten Versuch, nicht vollends die Fassung zu verlieren, biss sie die Zähne aufeinander, aber das alles schnürte ihre die Brust ab und sie rang nach Luft. Bekam aber keine oder jedenfalls nicht genug, denn es fühlte sich an, als würde sie sie sinnlos hin und her bewegen, als hätte ihr Körper vergessen, wie man Sauerstoff aufnahm.

Evie schien es nicht zu bemerken. Sie zog die Nase hoch und sagte: „Ich denke nicht, dass Seth sich melden wird, aber ich werd versuchen, ihn zu erreichen."

„Danke", sagte Hermine erstickt und etwas von dem, was ihr den Brustkorb zugeschnürt hatte, löste sich.

Evie sah sie mit einem freudlosen Lächeln an. „Ich bin bereit, mich überraschen zu lassen." Aber sie sah nicht so aus, als ob sie daran glaubte, dass das passieren würde. Sie fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und seufzte schwer. „Merlin, ich muss überlegen, wo Ethan bleiben soll, wenn Seth sich nicht meldet."

Hermine schluckte schwer. „Können deine Eltern ihn nicht nehmen?"

„Nein, das schaffen sie nicht mehr. Und Seths Eltern sind tot. Sind beide im Krieg gestorben. Er hat noch eine Schwester, Liv. Wir haben sie mit nach Amerika genommen damals, aber nach dem Tod ihrer Eltern ist sie verschwunden, ich hab seitdem nichts mehr von ihr gehört. Scheint in der Familie zu liegen, das Weglaufen …" Mit leerem Blick starrte sie zum Küchentisch hinüber. „Vielleicht … rede ich mal mit Isaac darüber", sagte sie gedankenverloren. „Die beiden kennen sich und er mag Ethan sehr." Sie schluckte. „Der Vater ohne Kind und das Kind ohne Eltern …" Sie schien nicht mal zu bemerken, dass sie wieder zu weinen begonnen hatte.

„Oh Evie", hauchte Hermine und zog sie wieder an sich.


Zurück in Schottland hatte Hermine es nicht in ihrem Cottage ausgehalten und war losgelaufen. Die Küste war nicht weit weg und sie folgte dem Rauschen des Meeres und ging gegen den scharfen Wind, der ihr die Haare aus dem Gesicht wehte und zerzauste. Mit vor der Brust verschränkten Armen lief sie an der Klippe entlang und sog tief die salzige Luft in ihre Lungen.

Aber auch das änderte nichts an dem Gefühl, ein Gürtel wäre ihr straff um den Brustkorb gespannt worden. Sie konnte immer noch kaum atmen, geschweige denn still stehen oder sitzen. Das alles war so groß, dass es die Welt aus den Angeln zu heben schien – und trotzdem drehte sie sich weiter, unbarmherzig und unberührt. Was kümmerte es die Welt, dass Hermine eine Schneise der Verwüstung hinter sich herzog? Was kümmerte es die Welt, dass sie nicht umzugehen wusste mit den Geistern, die sie gerufen hatte?

Alles entglitt ihr, Ron, Rose, Evie und vor allem ihre Selbstbeherrschung. Sie wollte irgendetwas davon festhalten und wusste nicht, wie sie das tun sollte. Der einzige Freund, den sie bald noch haben würde, ahnte zwar, was sie gerade durchmachte, aber sie konnte nicht mit ihm darüber reden, ohne ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Harry hatte beschlossen, nichts zu tun, und das war schon mehr, als sie von ihm erwarten konnte.

Hermine lief, bis ihre Beine unter ihr nachzugeben drohten. Sie sah sich um, aber es war weit und breit niemand zu sehen. Also ließ sie ihren Zauberstab in die Hand gleiten und wollte eine Bank in die Luft zeichnen, um sich kurz setzen zu können, aber es war nicht ihre Weiße Magie, die auf diesen Befehl reagierte. Sie spürte das wohligen Taumeln in ihrem Bauch, als die Lebensenergie sich löste, und schluchzte und seufzte gleichzeitig, bevor sie sich auf die Bank sinken ließ, den Kopf in den Händen vergrub und ein bisschen weinte. „Verdammte Scheiße", flüsterte sie und war froh, dass der Wind so stark war, dass er ihre Worte einfach mit sich trug.

Sie sah hinab auf ihre Hände, die zitterten und pulsierten und jetzt auch für sie deutlich spürbar summten. Es schockierte sie selbst, wie sehr die Wut auf Ron und Evies unausweichlich scheinendes Opfer sie davon abgelenkt hatten. Als würde sie sich langsam daran gewöhnen. Als würde es ein Teil von ihr werden, für den sie einen blinden Fleck entwickelte.

Hermine schlug die Beine ein und schloss die Augen, konzentrierte sich auf die Lebensenergie, die durch ihren Körper vibrierte. Spürte das Brennen, die Unruhe, das Gefühl von Hornissen, die sie von innen heraus stachen und schwor sich, sich niemals daran zu gewöhnen. Sie spürte ihren trommelnden Herzschlag, ihre harte Muskulatur und die Anspannung, die dieser Zustand in ihr auslöste. Spürte die Ungeduld, die Wut. Und lenkte sie gegen sich, denn wenn es jemanden gab, auf den sie jedes Recht hatte, wütend zu sein, dann war sie es selbst. Sie ließ es zu, dieses verzehrende Gefühl, das ihre Finger zucken und ihre Haut brennen ließ, gab jeden Widerstand auf. Hier draußen, wo weit und breit niemand war außer ihr und dem Wind, konnte sie kurz aufhören, einen Deckel auf diesen brodelnden Topf zu pressen.

Und als sie losließ, veränderte sich alles.

Sie riss die Augen auf und schnappte nach Luft, als das Stechen und Brennen sich in genau das wohlige Gefühl verwandelte, als das sie Snapes Lebensenergie wahrgenommen hatte. Ein Teil ihres Verstandes ahnte noch, dass es nicht gut war, was gerade mit ihr passierte, aber der Rest davon ließ sich widerstandslos in die Wärme gleiten, die sie wie Wasser umspülte und leise seufzen ließ. Ihre Augenlider flatterten, ihre Wangen pochten und sie sank gegen die Lehne der Bank, als wäre sie der bequemste Sessel, in dem sie jemals gesessen hatte.

Mit einem entrückten Lächeln auf den Lippen öffnete Hermine die Augen und sah wieder hinab auf ihre Hände. Kleine Funken von Magie tanzten zwischen ihren Fingern, es kribbelte und ließ sie lachen. Ihr Blick glitt daran vorbei und fiel auf den Boden vor der Bank. Da, wo das Gras spärlicher wurde, kurz bevor die Klippe ins Nichts fiel, lagen Steine im Sand. Von kleinen Kieseln bis hin zu scharfkantigen Brocken von der Größe eines Hühnereis. Sie erhoben sich in die Luft, als Hermine mit ihren Fingern zuckte, und begannen sich im Kreis zu drehen wie ein steinzeitliches Mobile.

Hermine sah dabei zu, wie sie sich immer schneller und schneller drehten. Alles um sie herum versank, bis es nur noch sie, ihre Magie und die Steine gab, die bald zu einem braungrauen Kreis in der Luft verschwammen, weil sie sich so schnell drehten. Sie zuckte zusammen, als sie schließlich zu Staub zerfielen und ihr Atem ging schneller. Sie konnte jedes einzelne dieser Partikel fühlen. Sie hatte über jedes einzelne davon die volle Kontrolle.

Die Lippen fest aufeinander gepresst, ließ Hermine den Staub noch schneller wirbeln, bis er zu jaulen begann, laut genug, dass es sich über das Rauschen des Meeres und des Windes erhob. Schweiß stand auf ihrer Stirn, aber selbst wenn sie hätte aufhören wollen, hätte sie nicht gewusst, wie sie es hätte tun sollen. Nicht an diesem Punkt, an dem die Magie aus ihr herausfloss und sie dabei verwöhnte wie ein verdammter Liebhaber. Niemals zuvor hatte sie sich so gefühlt – und sie bezweifelte, dass es jemals wieder passieren würde.

Sie gab sich hin, wie sie es noch niemals zuvor getan hatte. Ohne einen Gedanken an die Konsequenzen oder jemand anderen als sich selbst. Dieser Moment gehörte nur ihr. Sie vergaß, was sie getan hatte, sie vergaß, was sie noch tun würde. Sie existierte und berauschte sich an diesem Gefühl, von dem sie nicht gewusst hatte, dass ihr Körper es empfinden konnte.

Und als sie den Höhepunkt erreichte, den sie aus Mangel an einem besseren Wort als Orgasmus bezeichnen würde (obwohl er mehr war, nicht nur körperlich, sondern auch mental und magisch und sinnlich), schrie sie auf und ballte die bebenden Hände zu Fäusten und der Staub, der immer noch in dieser atemberaubenden Geschwindigkeit vor ihr in der Luft wirbelte, ballte sich genauso zusammen. Komprimierte sich zu einem Stein; zu einer perfekt runden, braungrau glänzenden Kugel, die in der Luft erzitterte und vor Hermine schwebte.

Sie keuchte, als hätte sie einen Sprint zurückgelegt, und stützte sich mit beiden Händen auf der harten Bank neben sich ab. Ihr Körper vibrierte und zuckte immer noch, ihr Gehirn war noch längst nicht wieder in der Lage zu begreifen, was da gerade passiert war. Sie hielt sich fest am Anblick der Kugel, die sie erschaffen hatte, und als sie sich ein bisschen beruhigt hatte, streckte sie die Hand danach aus und pflückte sie aus der Luft wie einen reifen Apfel.

Sie war etwas größer und schwerer als eine Billardkugel. Sprenkel und Fäden von Grau zogen sich durch das Braun, einige der Staubkörner, mit denen sie sich eben noch so verbunden gefühlt hatte, glitzerten im Licht.

Rose würde sie lieben.

Hermine sog zischend die Luft ein, als dieser Gedanke wie Eis durch ihren Verstand schnitt. Sie ließ die Kugel los, als hätte sie sich daran verbrannt, aber anstatt zu Boden zu fallen, blieb sie mitten in der Luft schweben wie ein unerwünschter Zeuge dessen, was sie eben getan hatte. Hermine fühlte sich dreckig. Verschwunden war jedes gute Gefühl, das eben noch so angenehme Vibrieren bekam wieder Stacheln und verbrannte ihre Eingeweide. Sie schmeckte Magensäure auf ihrer Zunge, als der Ekel sie unvermittelt überkam.

Und zusammen mit der Magensäure stieg Wut in ihr auf. Die glänzende Kugel hing vor ihr, als würde sie sie verhöhnen. Mit einem gutturalen Schrei versetzte Hermine ihr einen heftigen magischen Stoß, der sie über die Klippe hinaus und weit bis aufs Meer katapultierte. Hermine sah ihr heftig atmend hinterher, wischte sich über den Mund und das Gesicht und stellte ihre Füße wieder auf den Boden. Sie fühlte sich schwindelig und ausgelaugt, das Summen war verschwunden und von der Wut war nicht mehr übriggeblieben als Tränen, die in ihren Augenwinkeln brannten.

„Verdammte Scheiße", murmelte sie wieder und kam schwankend auf die Füße. Sie wollte die Bank mit einer Bewegung ihrer Hand verschwinden lassen, aber nichts passierte. Es war nicht mehr genug Lebensenergie übrig, um ohne Zauberstab zaubern zu können. Mit einer Mischung aus Ernüchterung und Zufriedenheit ließ sie ihren Zauberstab in die Hand gleiten. Die Bank löste sich auf und Hermine konzentrierte sich auf das Cottage, bevor sie disapparierte.


„Was meinen Sie, Sie können mir den Trank nicht verkaufen?"

Der Apotheker presste die Lippen aufeinander und seufzte leise. „Ich kann Ihnen den Trank der lebenden Toten nur auf Anordnung eines Heilers verkaufen."

„Seit wann das?", fragte Hermine ungläubig. Nicht, dass sie schon oft den Trank der lebenden Toten gebraucht hätte, wenn sie mal einen Schlaftrank brauchte, griff sie lieber auf den Traumlos-Trank zurück; aber Snape hätte sie kaum losgeschickt, um den Trank zu besorgen, wenn er gewusst hätte, dass sie eine Verordnung dafür brauchte.

„Seitdem die Beschränkung für den Zugang zu gefährlichen Tränken in Kraft getreten ist", entgegnete der Apotheker ungeduldig und ließ seinen Blick an Hermine vorbeiwandern. Zweifellos hatte sich schon eine Schlange hinter ihr gebildet.

Sie rieb sich die Stirn. Seit ihrer zweifelhaften Erfahrung auf der Klippe vorhin quälten sie Kopfschmerzen. „Gut", sagte sie schließlich, „dann brauche ich Wermut, Affodillwurzel, Schlafbohnen, Baldrianwurzel und die Standardzutaten."

Eine Falte erschien zwischen den Augenbrauen des Apothekers, als er begriff, was sie plante.

„Oder ist es auch verboten, den Trank selbst zuzubereiten?", fragte Hermine säuerlich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Nein", entgegnete der Apotheker verstimmt, wandte sich um und begann die Zutaten zusammenzusuchen.

Hermine seufzte und schloss kurz die Augen. Sie fühlte sich, als hätte sie gerade eine schwere Grippe hinter sich. Es war zwar schon zwanzig Jahre her, dass sie diese Erfahrung das letzte Mal gemacht hatte, aber sie erinnerte sich lebhaft daran. Es hatte Wochen gedauert, ehe sie wieder bei Kräften gewesen war. Einerseits war sie froh darüber, dass das Ausagieren ihrer Lebensenergie keine so langfristigen Folgen haben würde, andererseits bedauerte sie es. Es würde nicht lange dauern, bis das Summen sie wieder quälen würde.

„Bitteschön", riss die scharfe Stimme des Apothekers sie aus ihren Gedanken. Er stellte die Papiertüte mit dem Logo der Apotheke etwas fester als nötig auf den Tresen. „Das macht fünf Galleonen und sieben Sickel."

Hermine zählte die Münzen ab und gab sie ihm. „Vielen Dank und einen schönen Tag noch", sagte sie süßlich, dann nahm sie die Tüte und ging.

Als sie wieder in der Winkelgasse stand, überlegte sie, was sie jetzt tun sollte. Den Trank selbst zu brauen, wäre kein Problem, sie hatten den Trank der lebenden Toten im Unterricht durchgenommen und sie hatte ihre Schulunterlagen alle zu Hause im Keller. Aber diesen Trank hatten sie mit Professor Slughorn behandelt und sie kannte nur die Version aus dem Lehrbuch Zaubertränke für Fortgeschrittene, die niemals die Qualität erreicht hatte, die Snape erwarten würde. Und soweit sie wusste, hatte Harry das Buch mit Snapes Anmerkungen nicht mehr.

Ihr Blick flog zu Flourish & Blotts. Ob es inzwischen wohl eine überarbeitete Version dieses Buchs gab? Oder ein anderes, in dem die verbesserte Variante des Trankes beschrieben war? Aber selbst wenn – sie konnte es sich im Moment nicht erlauben, nur wegen eines Trankes ein Buch zu kaufen. Sie schnalzte leise mit der Zunge. Wenn sie damals bloß besser aufgepasst hätte auf das, was Harry getan hatte … Sie hätte eine einwandfreie Version des Rezepts haben können, wenn sie den Anmerkungen des Halbblut-Prinzen nicht so hartnäckig misstraut hätte.

Also apparierte sie zurück nach Schottland, schrieb einen kurzen Brief an Snape und rief eine Eule vom Postamt zu sich. Vermutlich würde er ihr für diese Aktion zumindest mal verbal den Hals umdrehen, aber wenigstens bekam er so einen Trank von der Qualität, die er erwartete. Sie band den Brief und die Tüte mit den Zutaten an das Bein der Eule und schickte sie auf die Reise. Während Hermine ihr nachsah, war sie froh darüber, dass Posteulen ihr Ziel auch ohne detaillierte Adresse fanden, denn Snape hatte ihr immer noch nicht gesagt, wo er jetzt wohnte.


Es war beinahe gespenstisch still in der Wohnung, als Hermine aus dem Kamin trat. Ron stand mit vor der Brust verschränkten Armen beim Couchtisch und sah sie ausdruckslos an. „Hey", sagte sie leise.

„Hey", entgegnete er dumpf, dann ging er ihr voraus in die Küche. Hermines Blick lag für einen Moment auf der Tür zu Roses Zimmer; sie fühlte sich wie magisch angezogen davon und musste sich zwingen, Ron weiter zu folgen. Nicht zu ihrer Tochter zu gehen. Keinen Blick auf sie zu werfen, nicht mal einen kleinen. „Möchtest du was trinken?", riss seine Stimme sie aus ihren Gedanken und ihre Beine setzten sich mechanisch in Bewegung.

„Ja, ein Wasser", sagte sie und setzte sich auf ihren Platz am Tisch. Rons Blick streifte sie, Hermine senkte ihren. Erst als er das Glas vor ihr abstellte und sich ihr gegenüber setzte, sah sie wieder auf.

„Also, worüber willst du reden?"

Hermine holte tief Luft. „Darüber, dass ich nicht bereit bin, Rose einfach sterben zu lassen."

„Und wenn ich nicht will, dass ihr … was auch immer mit ihr macht?"

Sie presste die Lippen aufeinander und gerade als sie Luft holte, schnaubte Ron und schüttelte den Kopf.

„Merlin, du müsstest dich mal sehen, Hermine. Was geht dir gerade durch den Kopf? Imperius? Stupor? Obliviate? Beherrschst du den inzwischen gut genug?"

Sie schnaubte.

„Was wirst du tun, wenn ich mich weigere, dem zuzustimmen?" Er sah sie abfällig an und Hermine fragte sich, ob ihm überhaupt bewusst war, wie viel Ähnlichkeit er in diesem Moment mit Snape hatte.

Sie senkte den Blick und befeuchtete sich die Lippen. „Ich werde nichts dergleichen tun", sagte sie dann, „weil ich hoffe, dass du bald wieder klar genug wirst denken können, um die richtige Entscheidung zu treffen." Sie sah ihm in die Augen. „Oder hat deine Wut auf mich dich blind genug gemacht, um Rose aus Prinzip sterben zu lassen?"

„Blind …", spie er verächtlich aus. „Kannst du denn noch klar denken? Kannst du wirklich beurteilen, was Snape mit ihr tun wird?"

„Ja, das kann ich. Weil nicht Snape es tun wird, sondern ich." Sie reckte das Kinn, während Ron die Augen aufriss.

Du?"

„Ja, ich. Es muss jemand tun, der mit Rose direkt verwandt ist, weil es jeden anderen umbringen würde. Du könntest es auch tun, aber da ein Restrisiko besteht, dass es mich trotzdem umbringt und es dir sicherlich lieber ist, wenn Rose mit dir aufwächst anstatt mit mir …" Ihre Stimme begann zu schwanken, als sie die letzten Worte sagte, und so brach sie ab. Schluckte, räusperte sich. „Ich werde es tun und ich weiß, was ich da tue, Ron. Ich hoffe sehr, dass du mir glaubst, wenn ich sage, dass Rose zu retten alles ist, was ich tun will."

Er fuhr sich mit der Hand über den Mund und starrte einen kleinen Fleck auf dem Küchentisch an, der vielleicht vom Abendessen übriggeblieben war.

Nach einer Weile legte sie den Kopf zur Seite und sagte: „Ron?"

Er hob den Blick, so abrupt, als hätte sie ihn geweckt. Schüttelte ganz leicht den Kopf. „Wohin hast du uns da nur gebracht, Hermine?", fragte er hohl. „Du redest übers Sterben und über das Opfern von Leben, als wäre es … normal. Hast du mal darüber nachgedacht, dass der Preis vielleicht einfach zu hoch ist?"

„Das hab ich", sagte sie leise. „Wenn ich gewusst hätte, dass ein Unschuldiger stirbt, wenn ich Snape zurückhole, dann hätte ich das nicht getan. Ich hätte niemals einen Unschuldigen geopfert, um Rose retten zu können. Aber mich?" Sie lachte freudlos. „Ich würde mich lächelnd ins Feuer stürzen, wenn es ihr das Leben rettet. Den Preis, den ich bisher zahlen musste, würde ich jederzeit wieder zahlen."

„Warum wusstest du nicht, dass ein Unschuldiger sterben würde? Du hast sonst immer alles gewusst, alles recherchiert … Warum hier nicht?" Er wischte sich über die Augen. „Warum hast du das nicht gewusst, Hermine?", fragte er dann nochmal mit so viel Nachdruck, dass sie zusammenzuckte.

Ihr Herz schlug hart gegen ihre Rippen, während sie sich zwang, ruhig zu atmen. Ja, warum hatte sie es nicht gewusst? Warum hatte sie nicht genauer recherchiert, was sie tun wollte? Warum hatte sie Moira einfach vertraut? Ron sah sie aus geröteten Augen an und weil er einer der wenigen Menschen in ihrem Leben war, zu dem sie tatsächlich noch ehrlich sein konnte, sagte sie die Wahrheit: „Weil ich es nicht wissen wollte." Denn wenn sie es gewusst hätte, hätte sie Rose sterben lassen müssen und das hätte sie nicht ertragen. Also hatte sie die Möglichkeit ignoriert, dass jemand anderes sich für Snape würde opfern müssen. Hatte sich blind verlassen auf Moiras Interpretation des Rituals und keinen Blick nach links oder rechts riskiert, bevor es zu spät gewesen war.

Ron war blass geworden, als er ihre Antwort gehört und in ihren Augen gelesen hatte, was sie nicht gesagt hatte. „Ich kenne – kenne dich nicht mehr", brachte er nun heiser hervor. „Wann bist du … so geworden?"

Hermine zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht." Aber eigentlich wusste sie es. Es war irgendwo zwischen wieder und wieder enttäuschten Hoffnungen und durchwachten Nächten mit Rose gewesen. Irgendwo zwischen der Fassungslosigkeit darüber, dass sie ihr Kind gehen lassen sollte, noch bevor es die Chance gehabt hatte, richtig zu leben, und der Wut darüber, dass alle sich damit abzufinden schienen. Vor allem Ron. Ron hatte sich damit abgefunden und war arbeiten gegangen, hatte ignoriert, was mit seiner Tochter passieren würde und tat das bis heute. Irgendwo zwischen all diesen Momenten war etwas in ihr zerbrochen, das sie früher zweifellos davon abgehalten hätte, so etwas zu tun. Es hatte einfach aufgehört zu existieren. Und sie bezweifelte, dass es irgendwann zurückkehren würde. „Also, wirst du es mich machen lassen?"

Ron rümpfte die Nase und wandte den Blick von ihr ab, als könnte er es nicht mehr ertragen, sie anzusehen. Aber er nickte. „Ja."

„Gut", sagte sie schnell, bevor es ein Danke werden konnte, denn sie würde sich nicht dafür bedanken, dass er ihr erlaubte, Rose zu retten. Sie mochte es zwar nicht mehr wert sein, auch nur angesehen zu werden, aber sie war mehr wert als das. Sie hatte einen Preis bezahlt für das alles hier.

Und sie würde noch mehr zahlen: „Ich will, dass Rose danach bei mir lebt."

Hermine schluckte und versuchte, ihn den Schmerz nicht sehen zu lassen, den diese Worte ihr zufügten. „Das dachte ich mir", presste sie hervor. „Ich will sie regelmäßig sehen."

„Wenn du dich unter Kontrolle hast …", sagte er.

„Ich würde Rose niemals etwas antun!", zischte Hermine und war sich dessen absolut sicher. Egal wie sehr sie die Kontrolle über ihre Schwarze Magie verlieren würde, sie würde sie niemals gegen Rose richten. Lieber würde sie sie gegen sich selbst richten.

„Das ist es nicht, was ich meine." Ron runzelte ärgerlich die Stirn und ließ seinen Blick über ihre Gestalt wandern. „Hast du dich in letzter Zeit mal im Spiegel angesehen? Du sieht fürchterlich aus. Noch kann Rose über so was hinwegsehen. Noch kann sie vergessen, wie unbeherrscht du manchmal bist. Noch versteht sie nicht, dass du wie ein verdammter Junkie wirkst. Aber das wird sich bald ändern. Ich will nicht, dass sie dich so erlebt. Ich will nicht, dass sie so über dich denkt, wie ich es jetzt tue."

Nun war es Hermine, die ihn mit großen Augen ansah und die Arme vor der Brust verschränkte, bevor er ihre zitternden Finger sehen konnte.

„Wenn du dich unter Kontrolle hast", fuhr Ron unbeirrt fort, „dann werde ich dich nicht daran hindern, Teil ihres Lebens zu sein. Wenn nicht …" Er seufzte. „Ich werde sie beschützen mit allem, was ich habe."

Sie sah ihn nicht an, als er das sagte. Saß mit geschlossenen Augen da, die Hände zu Fäusten geballt und atmete, weil das gerade alles war, was sie tun konnte, ohne in Tränen auszubrechen. „Verstehe", hauchte sie, als sie ihrer Stimme wieder genug vertraute.

„Gut. Du … ihr …" Er verzog den Mund. „Sonntag. Macht es am Sonntag. Mum hat beschlossen, dass es im Juli zu wenig Gelegenheiten zum Feiern gibt und macht am Samstag ein großes Familien-Sommerfest. Ich will mit Rose hingehen."

Sie schluckte, sah ihn immer noch nicht an. „Okay. Willst du mit ihr nach Schottland kommen, oder sollen wir hierher …"

„Hier", unterbrach Ron sie. „Ich will nicht von Schottland aus mit ihr ins St.-Mungos apparieren müssen, wenn was schief geht."

„Richtig …" Sie rieb sich die Stirn. „Aber du musst definitiv mit ihr ins St.-Mungos. Ich werde ihr nur ihre Magie nehmen, sie ist danach nicht geheilt."

Ron schluckte. „Wird sie danach eine Squib sein?"

„Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall wird sie lebendig sein."

„Ja, klar …" Er holte tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen, so als könnte er einmal mehr nicht fassen, was sie da planten. „Kommt …" Er brach ab und runzelte die Stirn. „Wann ist es am besten? Soll sie vorher was gegessen haben oder nicht? Ist morgens besser oder abends?"

„Kein Essen", entgegnete Hermine sofort. Der Trank der lebenden Toten ließ sich auf nüchternen Magen besser dosieren. „Wir sind um zehn hier", fügte sie dann hinzu.

Ron nickte. Sah sie angespannt an. „Das wird heftig, oder?"

Hermine nickte. „Ich hoffe, dass sie dabei schlafen kann. Ich werde das morgen mit Snape testen."

„Du übst an ihm?"

„An wem soll ich sonst üben?", fragte sie nüchtern. „An dir?"

Ron schüttelte den Kopf, als wollte er den Gedanken abschütteln. „Was, wenn sie nicht dabei schlafen kann?"

Hermine erinnerte sich an die höllischen Schmerzen, die sie gehabt hatte, als Snape kurz an ihrer Magie genippt hatte. „Das willst du nicht wissen, Ron", murmelte sie und stand auf.

„Ich muss es aber wissen!", sagte er scharf. „Rose wird mir Fragen stellen, ich muss wissen, was ich ihr sagen soll." Und nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „Ich muss es wissen, wenn ich sie anlüge."

Jetzt schluchzte Hermine doch leise und wandte sich dem Fenster zu, während sie ihre Fassung wiederzufinden versuchte, die ihr gerade mal wieder entglitten war. Nach ein paar zittrigen Atemzügen sagte sie: „Wenn sie dabei nicht schlafen kann, wird es sehr schmerzhaft für … für sie."

Sie hörte Ron einen Ton ausstoßen, den sie von ihm noch nie gehört hatte, und sah sich nach ihm um. Er hatte das Gesicht hinter seinen Händen verborgen und murmelte: „Verdammte Scheiße!"

Hermine verzog den Mund. „Wir versuchen einen Weg zu finden, damit sie nichts davon mitbekommen muss."

Jetzt stand er auch auf und sah sie aufgebracht an. „Dann findet einen!", sagte er barsch, ehe er sich umwandte und einfach ging.

Hermine sah ihm mit bebenden Lippen hinterher, bevor sie disapparierte.


Kein Severus heute, aber im nächsten Kapitel wieder, versprochen! :)
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